Update Arbeitsrecht 13|2023 vom 28.06.2023
Leitsatzreport
LAG Berlin-Brandenburg: Rechtsmissbräuchliche Bewerbung mit dem Ziel einer Diskriminierungsentschädigung
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.01.2023, 3 Sa 898/22
§§ 1, 3 Abs.1, 6 Abs.1, 7, 15, 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG); § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Leitsätze des Gerichts:
1. Das Entschädigungsverlangen eines / einer erfolglosen Bewerbers / Bewerberin nach § 15 Abs.2 AGG kann dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein.(Rn.51)
2. Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern diese Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber/in im Sinn von § 6 Abs.1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und / oder Schadenersatz geltend zu machen (im Anschluss an BAG 31. März 2022 - 8 AZR 238/21 - Randnummer 37; 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16 - Randnummer 46 ff; 26. Januar 2017 - 8 AZR 848/13 - Randnummer 123 ff mit weiteren Nachweisen).(Rn.51)
Hintergrund:
Ein Umzugsunternehmen in Berlin veröffentlichte über eBay-Kleinanzeigen eine Stellenanzeige, wonach eine Sekretärin gesucht wurde. Ein nicht in Berlin wohnhafter männlicher Interessent meldete sich daraufhin mit folgender E-Mail: „Hallo wie heißt ihre Firma und die Anschrift damit man sich bewerben kann?“ Nach Mitteilung der Kontaktdaten übersandte er eine weitere E-Mail, in der es u.a. hieß: „Hallo, ich habe gerade auf Ebay Kleinanzeigen ihre Stellenausschreibung gefunden, womit Sie eine Sekretärin suchen. (...) Ich habe Berufserfahrung im Büro und kenne mich mit Word und Excel und Gesetzen gut aus. Lieferscheine und Rechnungen kann ich auch schreiben und sonst typische Arbeiten einer Sekretärin, die Sie fordern. Ich bewerbe mich hiermit auf ihrer Stelle. Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau? In ihrer Stellenanzeige haben Sie dies so angegeben. (…) Mit freundlichen Grüßen Herr E.“ Bewerbungsunterlagen hatte der Kläger seiner E-Mail nicht beigefügt. Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 23.06.2022, 42 Ca 10434/21) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg wiesen die Klage auf Zahlung einer Diskriminierungsentschädigung ab, die der Kläger damit begründet hatte, dass er aufgrund seines Geschlechts diskriminiert worden sei. Aufgrund des Inhalts des Bewerbungsschreibens und der Umstände der Bewerbung bewerteten die Gerichte das Entschädigungsverlangen als rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dem Kläger sei es nur darum gegangen, den formalen Status eines Bewerbers zu erlangen mit dem Ziel, eine Entschädigung fordern zu können.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.01.2023, 3 Sa 898/22
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