Update Arbeitsrecht 05|2019 vom 27.11.2019
Leitsatzreport
LAG Schleswig-Holstein: Entschädigung für überqualifizierten schwerbehinderten Bewerber, der nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.08.2019, 5 Sa 375 öD/18
§§ 1, 7, 15, 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG); § 82 Satz 2, 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) alte Fassung (bis 31.12.2017) = § 165 Satz 3, 4 SGB IX neue Fassung (ab 01.01.2018)
Leitsätze des Gerichts:
1. Personalpolitische Erwägungen, die die Mitarbeiterzufriedenheit und eine nachhaltige Personalplanung zum Ziel haben, sind nicht sachwidrig und damit geeignet, die Kausalitätsvermutung zu widerlegen (BAG, Urteil vom 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 -, Rn. 47, juris). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es das einzige negative Auswahlkriterium war, einen grundsätzlich geeigneten schwerbehinderten Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch einzuladen.
2. Hat der Arbeitgeber den grundsätzlich geeigneten schwerbehinderten Bewerber daneben auch und vorliegend vornehmlich aus personalwirtschaftlichen Gründen nicht zum Vorstellungsgespräch geladen, ist jedoch die von der Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch ausgehende Kausalitätsvermutung nicht widerlegt.
Hintergrund:
Öffentliche Arbeitgeber müssen schwerbehinderte Stellenbewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Die Einladungspflicht besteht nur dann nicht, wenn die fachliche Eignung offenkundig fehlt. Das folgt aus § 165 Satz 3, 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) bzw. (bis zum 31.12.2017) aus § 82 Satz 2, 3 SGB IX alte Fassung. Ein Verstoß gegen die Einladungspflicht ist im Allgemeinen ein Indiz für eine behinderungsbedingte Diskriminierung im Sinne von § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Davon macht das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine Ausnahme, wenn der öffentliche Arbeitgeber ausschließlich aus allgemeinen personalpolitischen Gründen entscheidet, überqualifizierte Bewerber nicht zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 20.01.2016, 8 AZR 194/14, Rn.41 bis 43). Im Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein hatte sich ein schwerbehinderter Bewerber mit einem Universitätsabschluss auf eine Stelle im öffentlichen Dienst beworben, für die laut Stellenausschreibung ein FH-Diplom oder ein Bachelor-Abschluss vorausgesetzt war. Da er nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, klagte er auf eine Entschädigung von zwei Gehältern und hatte damit vor dem LAG Erfolg. Denn der Arbeitgeber hatte sich nicht nur auf die vom BAG abgesegneten personalpolitischen Gründe berufen, sondern auch darauf, dass die Arbeitsbelastung der an den Vorstellungsgesprächen teilnehmenden Personen beschränkt werden sollte. Dieser Grund war rechtlich nicht in Ordnung, so das LAG.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.08.2019, 5 Sa 375 öD/18
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