Update Arbeitsrecht 04|2020 vom 19.02.2020
Leitsatzreport
LAG Hamm: Betriebsbedingte Massenkündigungen beim Hagener Autozulieferer TWB wegen Mängeln der Betriebsratsanhörung unwirksam
Landesarbeitsgericht Hamm, 21.01.2020, 3 Sa 1194/19
§§ 102, 113 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Leitsatz der Redaktion:
Auch wenn eine Kündigung im Rahmen einer größeren betriebsbedingten Kündigungswelle erklärt werden soll, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über seine Absicht, diese einzelne Kündigung auszusprechen, gemäß § 102 Abs.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vorab informieren und deutlich machen, dass damit die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung des Betriebsrats eingeleitet werden soll. Der Betriebsrat muss erkennen können, wann und mit welchem genauen Sachstand die Anhörung eingeleitet werden soll. Dies ist erforderlich, da der Betriebsrat einer beabsichtigten Kündigung widersprechen kann und dabei eine gesetzliche Wochenfrist zu beachten hat.
Hintergrund:
In Update Arbeitsrecht 05|2019 vom 27.11.2019 berichteten wir über ein Urteil des Arbeitsgerichts Hagen, das eine betriebsbedingte Kündigung für unwirksam erklärt hatte und damit dem gekündigten Arbeitnehmer recht gab (Arbeitsgericht Hagen, Urteil vom 18.07.2019, 1 Ca 333/19). Die streitige Kündigung hatte der Arbeitgeber, der Hagener Autozulieferungsbetrieb TWB GmbH & Co. KG, im Rahmen einer größeren Kündigungswelle ausgesprochen, von der etwa 300 Arbeitnehmer betroffen waren. Das Arbeitsgericht Hagen hatte sein Urteil damit begründet, dass der Arbeitgeber die vorherige Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) unterlassen bzw. nicht korrekt durchgeführt hatte. Denn statt dem Betriebsrat unmissverständlich mitzuteilen, dass, wann und welchen einzelnen Arbeitnehmern gekündigt werden sollte, überreichte der Arbeitgeber dem Betriebsrat den Entwurf eines Interessenausgleichs zusammen mit einer Liste, die die Sozialdaten und Kündigungsfristen sämtlicher Arbeitnehmer des Betriebs enthielt. Dem Schreiben ließen sich zwar die Kündigungsabsichten des Arbeitgebers und die Sozialpunktezahl der zu kündigenden Arbeitnehmer entnehmen, doch ging für den Betriebsrat aus diesen Unterlagen nicht eindeutig hervor, dass damit ein Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG eingeleitet werden sollte. Vor kurzem wurde durch eine Pressemeldung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm bekannt, dass auch andere Kammern des Arbeitsgerichts Hagen gegen den Arbeitgeber entschieden haben, und zwar mit ähnlicher Begründung und in einer Vielzahl von insgesamt etwa 180 Kündigungsschutzklagen. Auch in der Berufungsinstanz vor dem LAG scheiterte der Arbeitgeber mit seinen Kündigungen wegen der nicht korrekten Betriebsratsanhörung.
Landesarbeitsgericht Hamm, 21.01.2020, 3 Sa 1194/19 (Pressemeldung des Gerichts)
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