Update Arbeitsrecht 03|2024 vom 07.02.2024
Leitsatzreport
LAG Baden-Württemberg: Monatliche vorfällige Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld zwecks Erfüllung des Mindestlohns?
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11.01.2024, 3 Sa 4/23
§§ 1, 3, 20 Mindestlohngesetz (MiLoG); §§ 271 Abs.2; 362; 614 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Leitsatz des Gerichts:
Die Zweifelsregelung in § 271 Abs.2 BGB gestattet es einem Arbeitgeber nicht, eine dem Arbeitnehmer bisher zustehende jährliche Einmalzahlung wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld kraft einseitiger Entscheidung stattdessen in anteilig umgelegten monatlichen Teilbeträgen zu gewähren, um sie pro rata temporis auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen zu können.
Hintergrund:
Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 12,41 EUR brutto pro Stunde gemäß § 1 Abs.1 Mindestlohngesetz (MiLoG) kann nicht nur durch laufende Lohn- und Gehaltszahlungen erfüllt werden, sondern auch durch Sonderzahlungen wie z.B. durch ein Urlaubsgeld oder ein 13. Gehalt, außerdem durch Schichtzulagen und Prämien. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits 2016 klargestellt (BAG, Urteil vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16, Rn.32, 33; BAG, Urteil vom 21.12.2016, 5 AZR 374/16, Rn.25-28). Vor kurzem hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg dies anders gesehen und entschieden, dass ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf ein Urlaubs- und ein Weihnachtsgeld von je einem halben Monatsgehalt durch stillschweigende Vereinbarung der Parteien jeweils Anfang Juli und Anfang Dezember fällig gestellt werden kann (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.01.2024, 3 Sa 4/23, Rn.76). Im Fall des LAG ging der Arbeitgeber ab 2022 dazu über, die Sonderzahlungen abweichend von der bisher geltenden Fälligkeitsregel laufend pro Monat auszuzahlen, um dadurch die Erfüllung des Mindestlohnanspruchs zu gewährleisten. Damit war eine Arbeitnehmerin nicht einverstanden und klagte auf angeblich rückständigen Lohn. Die ab 2022 pro Monat als anteilige Sonderzahlung geleisteten 136,83 EUR brutto wollte sie nicht als Erfüllung des Mindestlohnanspruchs im Sinne von § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ansehen. Das Arbeitsgericht Pforzheim wies die Klage ab (Urteil vom 16.01.2023, 2 Ca 93/22), während das LAG ihr bzgl. einer Monatszahlung in geringfügigem Umfang von 37,22 EUR brutto stattgab. Denn der Arbeitgeber konnte sich, so das LAG, angesichts der angeblich stillschweigend getroffenen Fälligkeitsvereinbarung nicht auf § 271 Abs.2 BGB berufen, wonach der Schuldner bei einem vereinbarten Leistungszeitpunkt die Leistung im Zweifel auch früher bewirken kann. Das LAG hat die Revision zum BAG für den Arbeitgeber zugelassen.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11.01.2024, 3 Sa 4/23
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.12.2016, 5 AZR 374/16
Handbuch Arbeitsrecht: Gratifikation
Handbuch Arbeitsrecht: Lohn und Gehalt
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