Update Arbeitsrecht 02|2021 vom 27.01.2021
Entscheidungsbesprechungen
BAG: Kein Arbeitsverhältnis, wenn eine Arbeitspflicht generell ausgeschlossen sein soll
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.10.2020, 5 AZR 409/19
Ein Arbeitsvertrag ist als Scheingeschäft nichtig, wenn die Vertragsparteien darüber einig sind, dass eine Pflicht zur Arbeitsleistung nicht begründet werden soll.
§§ 117, 133, 141, 157, 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Rechtlicher Hintergrund
Arbeitsverträge sind Austauschverträge: Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zur Arbeitsleistung, um dadurch einen Lohnanspruch zu erwerben. Auf der anderen Seite verpflichtet sich der Arbeitgeber (nur) deshalb zur Lohnzahlung, um dadurch einen Anspruch auf die Arbeitsleistung zu erhalten. Daher heißt es in § 611a Abs.1 Satz 1 und Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):
„Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. (…) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.“
Manchmal werden Arbeitsverhältnisse allerdings nicht oder nicht in erster Linie vereinbart, damit es zum Austausch von Arbeit gegen Lohn kommt, sondern deshalb, weil der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung abgesichert sein soll und/oder weil der Arbeitgeber mit den Lohnaufwendungen seine Betriebsausgaben erhöhen und damit seinen zu versteuernden Betriebsgewinn verringern kann.
Solche Verträge sind im Prinzip rechtlich zulässig, solange der Arbeitnehmer überhaupt gewisse Arbeiten verrichten soll. Ob der Arbeitgeber, der oft ein Familienangehöriger ist, den Umfang und die Qualität der Arbeitsleistung auch immer genau überprüft, ist nicht so wichtig. Allerdings liegt kein Arbeitsverhältnis mehr vor, wenn von vornherein vereinbart ist, dass der Arbeitnehmer überhaupt keine Arbeitsleistungen erbringen soll. Dann haben die Parteien keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen, sondern es liegt ein Scheingeschäft vor. Scheingeschäfte sind gemäß § 117 Abs.1 BGB nichtig.
Vor eineinhalb Jahren hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf entschieden, dass ein solches Scheingeschäft vorliegt, wenn sich eine „Arbeitnehmerin“ von dem Unternehmen ihres Ehemannes „anstellen“ lässt, allerdings für ihr Geld nie arbeiten soll (LAG Düsseldorf, Urteil vom 02.08.2019, 10 Sa 1139/18, s. dazu Update Arbeitsrecht 04|2019 vom 13.11.2019). Im Oktober 2020 musste der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) über den Fall entscheiden und hat das Urteil des LAG Düsseldorf bestätigt: BAG, Urteil vom 14.10.2020, 5 AZR 409/19.
Sachverhalt
Eine GmbH gehörte zwei Gesellschaftern, die zugleich Geschäftsführer waren, wobei einer der beiden über die Mehrheit der Anteile verfügte. Die GmbH stellte im Jahre 2005 die Ehefrau des Mehrheitsgesellschafters ein. Das vertraglich vereinbarte Gehalt der Ehefrau sollte 3.759,31 EUR brutto pro Monat betragen.
Einige Jahre später änderten sich die Anteilsverhältnisse der GmbH: Der bisherige Minderheitsgesellschafter wurde zum alleinigen Anteilseigner und zum einzigen Geschäftsführer. Kaum im Amt, kündigte er namens der GmbH den „Arbeitsvertrag“ der Frau seines Ex-Kompagnons fristgemäß zu Ende Mai 2018.
Die letzten Monatsgehälter zahlte die GmbH nicht mehr, was eine arbeitsgerichtliche Zahlungsklage der gekündigten „Arbeitnehmerin“ zur Folge hatte. Das Arbeitsgericht Krefeld wies die Klage ab (Urteil vom 08.11.2018, 4 Ca 979/18). Auch das LAG Düsseldorf gab der verklagten GmbH Recht. Denn im Verhandlungstermin vor dem LAG hatte die Klägerin bzw. ihr Anwalt zu Protokoll gegeben, dass die Klägerin
„nie im Betrieb der Beklagten gearbeitet habe und zwar seit Beginn des Arbeitsverhältnisses, welches richtigerweise seit dem Jahr 2005 bestehe. Die Klägerin habe deshalb auch nie ihre Arbeitskraft anbieten müssen und auch nie angeboten. Es sei von Anfang an so gewesen, dass die Klägerin Gehalt ohne Arbeit bekommen habe.“
Entscheidung des BAG
Auch in Erfurt vor dem BAG zog die Klägerin den Kürzeren. Denn hier lag kein Arbeitsverhältnis vor, sondern vielmehr ein gemäß § 117 Abs.1 BGB nichtiges Scheingeschäft, so das BAG.
Denn wenn die Vertragsparteien eines angeblichen „Arbeitsvertrags“ nicht wollen, dass der „Arbeitnehmer“ überhaupt arbeiten soll, dann wollen sie nicht die rechtlichen Verpflichtungen herbeiführen, die mit einem Arbeitsvertrag verbunden sind. Ein „Arbeitsvertrag“ ist als Scheingeschäft gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss einig sind, dass die vereinbarte Bezahlung „ganz oder zumindest teilweise nicht als Gegenleistung für die Erbringung einer Arbeitsleistung“ gezahlt werden soll, und dass keine Pflicht zur Arbeitsleistung begründet werden soll (BAG, Urteil, Rn.14).
Was die Parteien gewollt haben, ist dabei durch Auslegung der getroffenen Vereinbarungen (§§ 133, 157 BGB) im Einzelfall zu ermitteln. Hier hatte das LAG Düsseldorf keine Fehler gemacht, so das BAG, das dabei auf die Erklärungen der Klägerin im Verhandlungstermin vor dem LAG verweist.
Wie das LAG, so war auch das BAG der Meinung, dass das Scheingeschäft durch die späteren Zahlungen nicht bestätigt wurde. Denn da die Klägerin bis zuletzt keine Arbeitsleistungen erbracht hatte, lagen die Voraussetzungen einer Bestätigung (§ 141 BGB) nicht vor (BAG, Urteil, Rn.20).
Praxishinweis
Arbeitsverträge können in erster Linie zur Steuerersparnis und/oder zur Absicherung des Arbeitnehmers in der Sozialversicherung abgeschlossen werden, doch muss der Arbeitnehmer dann zumindest grundsätzlich zur Arbeitsleistung verpflichtet sein. Ob die Parteien diese vertragliche Verpflichtung dann auch immer konsequent umsetzen, ist nicht entscheidend.
Hier im Streitfall lag kein Arbeitsverhältnis vor, denn aufgrund der eindeutigen Erklärungen der Klägerin vor dem LAG war klar, dass sie nicht zur Arbeit verpflichtet sein sollte.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.10.2020, 5 AZR 409/19
Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmer
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