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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 02|2024

Update Arbeitsrecht 02|2024 vom 24.01.2024

Entscheidungsbesprechungen

LAG München: Laptops für den Betriebsrat für Betriebsratssitzungen per Videokonferenz

Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 07.12.2023, 2 TaBV 31/23

Wenn die Voraussetzungen einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz gemäß § 30 Abs.2 BetrVG vorliegen, kann Betriebsrat vom Arbeitgeber das dazu erforderliche technische Gerät verlangen.

§§ 30 Abs.2; 40 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Rechtlicher Hintergrund

Aufgrund einer während der Corona-Pandemie vorübergehend in das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) eingefügten Vorschrift, § 129 Abs.1 BetrVG alte Fassung (a.F.), konnte Betriebsräte erstmals Betriebsratssitzungen per Videokonferenz abhalten. 

Die Sondervorschrift diente der Funktionsfähigkeit der Betriebsräte trotz pandemiebedingter Ansteckungsrisiken. Sie wurde durch das Gesetz vom 14.06.2021 (BGBl.I S.1762), das sog. Betriebsrätemodernisierungsgesetz, mit Wirkung zum 18.06.2021 durch eine Dauerregelung abgelöst, nämlich durch § 30 Abs.2 BetrVG.

Danach kann die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung, die im Regelfall als Präsenzsitzung abgehalten wird, mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn die Voraussetzungen dafür in einer Geschäftsordnung des Betriebsrats festgelegt sind und wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. 

Außerdem kann ein Viertel der Betriebsratsmitglieder einer Betriebsratssitzung per Videoschalte widersprechen und damit eine Präsenzsitzung durchsetzen.

Entscheidet sich der Betriebsrat für die Möglichkeit einer Video- und Telefonsitzung, muss er in der betreffenden Geschäftsordnung festschreiben, dass Präsenzsitzungen grundsätzlich vorrangig sind. Außerdem ist eine Aufzeichnung der Sitzung unzulässig.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sollte die Durchführung von Betriebsratssitzungen per Videokonferenz nicht daran scheitern, dass der Betriebsrat bzw. die Betriebsratsmitglieder nicht über die dazu erforderlichen technischen Geräte verfügen. 

In diesem Sinne hat vor kurzem das Landesarbeitsgericht (LAG) München entschieden.

Sachverhalt

Ein Unternehmen des im Textileinzelhandels stritt sich mit dem Betriebsrat einer seiner Filialen über die Pflicht, dem Betriebsrat zur Abhaltung von Betriebsratssitzungen in Form von Videokonferenzen drei Tablets oder Notebooks zur Verfügung zu stellen. 

Das Büro des dreiköpfigen Betriebsrats befand sich zwar nicht in der Filiale, aber in demselben Gebäude, und war mit einem stationären PC ohne Kamera und ohne Lautsprecher-/Mikrofunktion ausgestattet. Außerdem gab es einen Internetanschluss, eine Mikrosoft-Lizenz, einen Drucker und ein Telefon. 

Seine regulären Sitzungen hielt der Betriebsrat jede Woche dienstags und mittwochs ab 8:00 Uhr ab. Denn an diesen Tagen hatten die Betriebsratsmitglieder üblicherweise gleichzeitig Dienst.

Der Betriebsrat, der sich eine Geschäftsordnung im Sinne von § 30 Abs.2 BetrVG gegeben hatte, forderte den Arbeitgeber dazu auf, ihm drei Tablets oder Notebooks mit Internetzugang und einer bestimmten Mindestdisplaygröße sowie mit Kamera- und Lautsprecher-/Mikrofunktion zur Verfügung zu stellen. 

Nachdem der Arbeitgeber dies ablehnte, zog der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht München, das seinen Antrag ablehnte (Beschluss vom 20.04.2023, Az. 12 BV 246/22). Nach Ansicht des Arbeitsgerichts waren die streitigen Geräte nicht notwendig.

Entscheidung des LAG München

Das LAG München hob die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf und verpflichtete den Arbeitgeber antragsgemäß dazu, dem Betriebsrat drei für die Durchführung von Videokonferenzen funktionsfähige Tablets oder Notebooks mit Internetzugang sowie mit mindestens 7,9 Zoll Displaygröße und einer Kamera- und Lautsprecher- / Mikrofunktion zur Verfügung zu stellen.

Denn der Betriebsrat hatte gemäß § 40 Abs.2 BetrVG in Verb. mit § 30 Abs.2 BetrVG Anspruch auf die Überlassung der streitigen Sachmittel, so das LAG.

Gemäß § 40 Abs.2 BetrVG hat der Arbeitgeber für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung des Betriebsrats „in erforderlichem Umfang“ Räume, Sachmittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie ggf. auch Büropersonal zur Verfügung zu stellen.

Die vom Betriebsrat getroffene Entscheidung, die streitigen Sachmittel anzuschaffen, bewegte sich in dem Beurteilungsspielraum des Betriebsrats. Er benötigte, so das LAG, diese Technik, um seinen Mitgliedern die Teilnahme an Betriebsratssitzungen per Videokonferenz entsprechend seiner aktuellen Geschäftsordnung zu ermöglichen.

Dabei überprüft das LAG die Geschäftsordnung des Betriebsrats sehr genau und kommt zu dem Ergebnis, dass sie gesetzeskonform im Sinne von § 30 Abs.2 BetrVG ist. Und nach dieser Vorschrift entscheidet allein der Betriebsrat darüber, ob und wie häufig er digitale Betriebsratssitzungen abhalten möchte. 

Eine § 30 Abs.2 BetrVG ergänzende, spezielle Regelung zu den Sachmitteln für digitale Sitzungen war nicht nötig, so das LAG. Denn die Kostenpflicht des Arbeitgebers folgt bereits aus § 40 Abs.2 BetrVG. 

§ 30 Abs.2 BetrVG steht auch nicht unter dem Vorbehalt der Nutzung bereits vorhandener technischer Ressourcen durch den Betriebsrat.

Schließlich muss sich der Betriebsrat auch nicht auf eine reine Telefonkonferenz beschränken lassen. Denn § 30 Abs.2 BetrVG lässt auch Videokonferenzen ausdrücklich zu. 

Praxishinweis

Wenn die Voraussetzungen einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz gemäß § 30 Abs.2 BetrVG vorliegen, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die dazu erforderlichen technischen Geräte verlangen.

Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 07.12.2023, 2 TaBV 31/23

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