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ARBEITSRECHT
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ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 10|2021

Update Arbeitsrecht 10|2021 vom 19.05.2021

Entscheidungsbesprechungen

BAG: Klagen Arbeitnehmer Kopien ihrer E-Mails ein, müssen sie diese konkret bezeichnen

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.04.2021, 2 AZR 342/20

Ob das Recht auf Erteilung einer Datenkopie gemäß Art.15 Abs.3 DS-GVO auch (alle) dienstlichen E-Mails betrifft, bleibt weiterhin ungeklärt.

Art.4; 15 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO); §§ 6 Abs.4 Satz 2; 26; 38 Abs.2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG); §§ 253, 254, 888 Zivilprozessordnung (ZPO)

Rechtlicher Hintergrund

Art.15 Abs.3 Satz 1 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) schreibt vor, dass Arbeitgeber als „Verantwortliche“ im Sinne der DS-GVO ihren Arbeitnehmern (auf Verlangen) „eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung“ stellen müssen.

Das Recht auf Erteilung einer Datenkopie ergänzt das Recht des Betroffenen bzw. des Arbeitnehmers, vom Arbeitgeber die in Art.15 Abs.1 DS-GVO genannten (umfassenden) Auskünfte über die Verarbeitung personenbezogener Arbeitnehmerdaten zu verlangen. Auf dieser Grundlage können Arbeitnehmer erfahren, welche „Kategorien“ von personenbezogenen Daten ihr Arbeitgeber verarbeitet, zu welchen Zwecken und wie lange dies geschieht, woher der Arbeitgeber die Daten hat (falls er sie nicht beim Arbeitnehmer erhoben hat), und welchen Empfängern gegenüber die Arbeitnehmerdaten offengelegt werden (sollen).

Da diese Daten sämtliche Informationen sind, die sich auf einen bestimmten („identifizierten oder identifizierbaren“) Arbeitnehmer beziehen, gehören dazu nicht nur die in der Personalakte vorhandenen Informationen und Dokumente wie z.B. Bewerbungsunterlagen, Zwischenzeugnisse, Urlausanträge usw., sondern auch der gesamte dienstliche E-Mailverkehr, an dem ein Arbeitnehmer beteiligt ist bzw. war - oder in dem er erwähnt wird. Denn aus jeder E-Mail, die man einmal geschrieben hat (oder in der man erwähnt wird), geht der Name des Arbeitnehmers hervor, und das ist ein personenbezogenes Datum.

Es ist daher keine leichte Aufgabe für einen Arbeitgeber, einem Arbeitnehmer gemäß Art.15 Abs.3 Satz 1 DS-GVO eine Kopie sämtlicher von ihm verfasster (oder ihn erwähnender) E-Mails zu erteilen, jedenfalls solange der Arbeitnehmer die verlangten E-Mails nicht näher eingegrenzt hat.

Daher haben einige Arbeitsgerichte entschieden, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Kopie aller personenbezogenen Daten, die auf sämtlichen (!) Speichermedien des Arbeitgebers vorhanden sind, unverhältnismäßig wäre und daher nach Treu und Glauben nicht besteht (Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 05.03.2020, 9 Ca 6557/18, Rn.92), oder dass Arbeitnehmer bereits ihren Auskunftsanspruch gemäß Art.15 Abs.1 DS-GVO konkretisieren müssen (Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 16.07.2020, 3 Ca 2026/19, s. dazu Update Arbeitsrecht 22|2020 vom 28.10.2020). Bisher hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese Rechtsprechung noch nicht bestätigt.

Immerhin hat das BAG vor kurzem geklärt, was Arbeitnehmer bei der Formulierung von Klaganträgen beachten müssen, wenn sie vom Arbeitgeber Datenkopien ihrer E-Mails verlangen.

Sachverhalt

Ein Wirtschaftsjurist war von seinem Arbeitgeber noch in den ersten Wochen des Arbeitsverhältnisses ordentlich gekündigt worden und hatte dagegen geklagt, da er der Meinung war, dass er bereits bei Zugang der Kündigung zum Datenschutzbeauftragten bestellt worden sei und daher vor Kündigungen besonders geschützt (§§ 38 Abs.2, 6 Abs.4 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz - BDSG). Das war aber nicht der Fall, so dass die Kündigungsschutzklage keinen Erfolg hatte.

Gleichzeitig mit der Kündigungsschutzklage verklagte er seinen Arbeitgeber zunächst auf Auskunft über die arbeitgeberseitig verarbeiteten Daten gemäß Art.15 Abs.1 DS-GVO, verfolgte diesen Anspruch aber nicht weiter, nachdem der Arbeitgeber im Prozess die Auskünfte erteilt hatte. Stattdessen beantragte er gemäß dem Gesetzeswortlaut (Art.15 Abs.3 Satz 1 DS-GVO), den Arbeitgeber zu verurteilen, ihm eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der vom Arbeitgeber vorgenommenen Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. Das Arbeitsgericht Hameln wies die Klage ab (Urteil vom 26.06.2019, 3 Ca 24/19).

Dagegen verurteilte das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen den Arbeitgeber dazu, dem Kläger „eine Kopie seiner personenbezogenen Daten, die Gegenstand der am 21.05.2019 erteilten Auskunft waren, zu erteilen“ (LAG Niedersachsen, Urteil vom 09.06.2020, 9 Sa 608/19). Den aus Sicht des LAG inhaltlich weitergehenden Antrag auf Erteilung einer Kopie des E-Mailverkehrs und der Mails, die ihn namentlich erwähnen, wies das LAG dagegen ab.

Dabei ist das LAG aber der Meinung, dass der Antrag auf Erteilung von Kopien ausreichend klar bzw. „bestimmt“ war, denn der Kläger wollte unstreitig eine Kopie des gesamten E-Mail-Verkehrs, den er selbst geführt hat, oder in dem er bezeichnet wird (LAG, Rn.65). Allerdings war der Antrag unbegründet, denn in dieser uferlosen Weite bestand der Anspruch nicht, so das LAG (Urteil, Rn.66).

Entscheidung des BAG

Das BAG wies die Revision des Arbeitnehmers zurück. Damit wurde die Abweisung des Antrags auf Erteilung von E-Mail-Kopien durch das LAG rechtskräftig.

In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung macht das BAG deutlich, dass es - anders als das LAG - den Antrag als nicht ausreichend klar ansieht. Denn ein Klageantrag, der auf die Überlassung von E-Mail-Kopien gerichtet ist, ist nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs.2 Nr.2 Zivilprozessordnung (ZPO), wenn die betreffenden E-Mails „nicht so genau bezeichnet sind, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft ist, auf welche E-Mails sich die Verurteilung bezieht“, so das BAG.

Dabei ließ das BAG die Frage ausdrücklich offen, ob Art. 15 Abs.3 DS-GVO auch das Recht beinhaltet, vom Arbeitgeber Kopien einer großen Vielzahl von E-Mails zu verlangen. Denn auch wenn der Kläger im Streitfall einen so weitgehenden Anspruch haben sollte, müsste er ihn mit einem eindeutigen Klagebegehren im Sinne von § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO verfolgen.

Und falls man (noch) nicht weiß, welche E-Mails man verfasst hat und/oder in welchen E-Mails man erwähnt wird, müsste man eine sog. Stufenklage gemäß § 254 ZPO erheben, d.h. in einer ersten Stufe Auskunft verlangen und sodann, auf der zweiten Stufe, die Herausgabe der konkret benannten Datenkopien. Auch eine Stufenklage hatte der Kläger im Streitfall nicht erhoben.

Praxishinweis

Das BAG lässt die Frage zwar offen, ob Arbeitnehmer eine Kopie sämtlicher E-Mails verlangen können, die sie geschrieben haben oder in denen sie erwähnt werden. In jedem Fall müssen derartige Klagen die verlangten E-Mailkopien aber eindeutig bezeichnen.

Es spricht viel dafür, dass ein so umfassender Anspruch an Art.15 Abs.4 DS-GVO scheitert, d.h. an den datenschutzrechtlichen Rechten der anderen, am E-Mailverkehr beteiligten Arbeitnehmer. Denn wenn der Arbeitgeber einem bestimmten Arbeitnehmer einen solchen E-Mailverkehr in Kopie aushändigen würde, würde er damit personenbezogene Daten der anderen Beteiligten offenlegen, was mit den Grundsätzen der Datenminimierung und der Speicherbegrenzung (Art.5 Abs.1 Buchst. c) und e) DS-GVO) kaum vereinbar wäre.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.04.2021, 2 AZR 342/20

 

Handbuch Arbeitsrecht: Datenschutz im Arbeitsrecht

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