Update Arbeitsrecht 02|2024 vom 24.01.2024
Entscheidungsbesprechungen
BAG: Mitbestimmung bei Handyverbot zur Sicherung der Arbeitsleistung?
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.10.2023, 1 ABR 24/22
Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber die private Nutzung von Smartphones während der Arbeitszeit untersagt, um die Arbeitsleistung sicherzustellen.
§ 87 Abs.1 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG); § 106 Gewerbeordnung (GewO)
Rechtlicher Hintergrund
Gemäß § 87 Abs.1 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.
Dazu gehören z.B. Verhaltensregeln für Wege auf dem Firmengelände oder Rauchverbote in Pausen- oder anderen Räumen, die während Arbeitsunterbrechungen genutzt werden.
Das Mitbestimmungsrecht besteht aber nur, wenn Anweisungen des Arbeitgebers das sog. Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betreffen.
Demgegenüber ist das Arbeitsverhalten, d.h. die Art und Weise der Arbeitsleistung mitbestimmungsfrei. Hier haben Arbeitgeber ein Weisungsrecht gemäß § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO), bei dessen Ausübung der Betriebsrat nicht mitzubestimmen hat.
Auf der Grenze zwischen Ordnungs- und Arbeitsverhalten liegen Anweisungen des Arbeitgebers, die zwar nicht unmittelbar die Art und Weise der Arbeitsleistung betreffen, aber mittelbar dem Ziel dienen, dass die Arbeit ungestört von Ablenkungen, Gefährdungen oder Unterbrechungen geleistet werden kann.
Einen solchen Fall hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern vor zwei Jahren zugunsten des Arbeitgebers entschieden (Beschluss vom 29.03.2022, 5 TaBV 12/21, s. dazu Update Arbeitsrecht 07|2022).
Hier hatte der Arbeitgeber die Arbeitnehmer auf das mit dem Betriebsrat vereinbarte generelle Rauchverbot im Betrieb sowie die tariflich festliegenden Pausenzeiten hingewiesen, und diesen Hinweis mit der Aufforderung verbunden, nur während der Pausen und nur in den sog. Raucherinseln zu rauchen. Diese Aufforderung war mitbestimmungsfrei, so das LAG Mecklenburg-Vorpommern. Sie betraf nicht das Ordnungs-, sondern das Arbeitsverhalten.
Vor kurzem hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) einen ähnlich gelagerten Fall zu beurteilen. Hier ging es um ein Handyverbot während der Arbeit: BAG, Beschluss vom 17.10.2023, 1 ABR 24/22.
Sachverhalt
Ein Hersteller von Brems- und Kraftstoffsystemen für Fahrzeuge stritt sich mit seinem Betriebsrat über die Frage, ob ein vom Arbeitgeber im November 2022 verhängtes generelles Verbot der Handynutzung während der Arbeitszeit mitbestimmungspflichtig war oder nicht.
Denn an einigen Arbeitsplätzen in der Produktion, im Versand und im Wareneingang kam es hin und wieder zu Arbeitsunterbrechungen. Dann wurden die Arbeitnehmer zu anderen Arbeiten eingeteilt oder sollten - ohne ausdrückliche Anweisung - Nebenarbeiten erledigen, also z.B. den Arbeitsplatz aufräumen oder Verbrauchsmaterial nachfüllen.
Der Betriebsrat argumentierte, das streitige Handyverbot bettreffe das Ordnungsverhalten. Denn die Handyverwendung sei mit der Erfüllung der Arbeitspflicht jedenfalls in den Zeiten vereinbar, in denen keine Arbeit anfalle.
Sein Antrag, dem Arbeitgeber ein Handyverbot zu untersagen, solange der Betriebsrat nicht zugestimmt hatte oder seine Zustimmung nicht durch Einigungsstellenspruch ersetzt worden ist, hatte weder vor dem Arbeitsgericht Braunschweig (Beschluss vom 17.03.2022, 6 BV 15/21) noch vor dem Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen Erfolg (LAG Niedersachsen, Beschluss vom 13.10.2022, 3 TaBV 24/22).
Entscheidung des BAG
Auch das BAG kam zu dem Ergebnis, dass das streitige Handyverbot das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betraf. Daher hatte die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats vor dem BAG keinen Erfolg.
Denn wenn sich eine arbeitgeberseitige Maßnahme sowohl auf das Arbeits- als auch das Ordnungsverhalten auswirkt, kommt es auf ihren überwiegenden Regelungszweck an, d.h. auf den objektiven Inhalt der Maßnahme und auf die Art des von ihr betroffenen betrieblichen Geschehens. Danach war das Handyverbot in erster Linie auf die Steuerung des Arbeitsverhaltens gerichtet.
Denn Handys werden zum Telefonieren, zum Lesen und Versenden von Kurznachrichten, zur Nutzung sozialer Medien und zum Anschauen von Videos verwendet, was eine Betätigung des Geräts erfordert und die Aufmerksamkeit des Nutzers für eine zumindest kurze Zeit in Anspruch nimmt.
Dadurch kann es zu Arbeitsunterbrechungen kommen, aber auch zu unkonzentriertem Arbeiten oder zur mangelnden Erledigung der Nebenarbeiten, die nach den Vorgaben des Arbeitgebers während der Arbeitsunterbrechungen verrichtet werden sollten.
Vor diesem Hintergrund betraf das Handyverbot im Streitfall typischerweise und in erster Linie das Arbeitsverhalten, so das BAG
Praxishinweis
Die Entscheidung des BAG ist nachvollziehbar, hätte aber auch anders ausfallen können.
Wer sein Handy dazu benutzt, um über kabellose Kleinkopfhörer Musik zu hören, wird dadurch an Arbeiten wie dem Aufräumen des Arbeitsplatzes oder dem Nachfüllen von Verbrauchsmaterial nicht gehindert. Daher lautet das entscheidende Argument des BAG, dass der Handynutzer auch in solchen Fällen zumindest für kurze Zeit sein Gerät aktiv bedienen muss.
Das BAG hat ausdrücklich die Frage offen gelassen, ob der Arbeitgeber individualrechtlich, d.h. auf arbeitsvertraglicher Grundlage im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer, dazu berechtigt ist, ein Handyverbot anzuordnen. Der Betriebsrat hatte das in Abrede gestellt, doch hatte diese Frage mit dem streitigen Mitbestimmungsrecht nichts zu tun (BAG, Urteil, Rn.23).
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.10.2023, 1 ABR 24/22
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29.03.2022, 5 TaBV 12/21
Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
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