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ArbG Karlsruhe, Zwischenurteil vom 03.12.2020, 8 Ca 405/20
Schlagworte: | Prozesskostensicherheit | |
Gericht: | Arbeitsgericht Karlsruhe | |
Aktenzeichen: | 8 Ca 405/20 | |
Typ: | Zwischenurteil | |
Entscheidungsdatum: | 03.12.2020 | |
Leitsätze: | 1. Die Regelungen zur Stellung einer Prozesskostensicherheit nach §§ 110 ff. ZPO sind im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren anwendbar. 2. Ob eine klagende Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb eines Mitgliedstaates von EU oder EWR hat, richtet sich nach den tatsächlichen Umständen zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die eine Entscheidung nach § 110 Abs. 1 ZPO ergeht. Hypothetische Betrachtungen (hier: für den Fall des Nichtauftretens der Corona-Pandemie) vermögen ebenso wenig einen gewöhnlichen Aufenthalt einer klagenden Partei innerhalb eines Mitgliedstaates von EU oder EWR zu begründen wie der Verweis auf acht Monate zurückliegende tatsächliche Umstände. 3. Die Höhe der nach § 112 ZPO zu leistenden Prozesskostensicherheit wird durch das Gericht nach billigem Ermessen bestimmt. Hierbei können die zu erwartenden Gerichtsgebühren erster und zweiter Instanz sowie die zu erwartenden Rechtsanwaltsgebühren der beklagten Partei zweiter Instanz zugrunde gelegt werden. Für etwaige Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren eines Revisionsverfahrens hat die klagende Partei ohne Vorliegen besonderer Anhaltspunkte zunächst keine Prozesskostensicherheit zu leisten. |
|
Vorinstanzen: | ||
Urschrift
Arbeitsgericht Karlsruhe
Aktenzeichen: 8 Ca 405/20
(Bitte bei allen Schreiben angeben!)
Verkündet am 03.12.2020
Urkundsbeamtin/er der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Zwischenurteil
In der Rechtssache
xxxxxxxxxxxxxxxx
- Kläg. -
gegen
xxxxxxxxxxxxxxx
- Bekl. -
hat das Arbeitsgericht Karlsruhe - 8. Kammer - durch die Richterin am Arbeitsgericht Dr. Hübent-hal, d. ehrenamtliche Richterin Müller-Cataldo und d. ehrenamtliche Richterin Nagel auf die mündliche Verhandlung vom 03.12.2020
für Recht erkannt:
- Dem Kläger wird aufgegeben, bis spätestens 29.01.2021 der Beklagten für die Prozesskosten eine Sicherheit in Höhe von 7.633,33 EUR zu leisten.
- Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
- 2 -
Tatbestand
1 |
Die Parteien streiten unter anderem über die Frage, ob der Kläger zur Leistung einer Prozesskostensicherheit verpflichtet ist. | ||||||||||
2 |
Der Kläger hat seinen Hauptwohnsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika, dort in Kalifornien. In der Hauptsache begehrt der Kläger die Feststellung des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien sowie die Erteilung von Arbeitspapieren, bestehend aus einem Nachweis über die abgeführte Lohnsteuer, einem Nachweis über abgeführte Sozialversicherungsbeiträge, Gehaltsabrechnungen für die Zeit vom 13. September .2018 bis 31. Juli 2020, einem Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen sowie einem wohlwollenden, qualifizierten Zwischenzeugnis. | ||||||||||
3 |
Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, der Kläger habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt und seinen Daseinsmittelpunkt in Kalifornien. Soweit er sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit in Europa aufgehalten habe, sei er jeweils in Hotelzimmern oder über die Firma AirBNB in Wohnungen eingemietet gewesen. Eine eigens für den Kläger angemietete Wohnung im Sinne eines verstetigten Domizils innerhalb Europas habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt besessen. Hierzu passe auch, dass sich der Kläger mit Beginn der Corona-Pandemie an seinen Daseinsmittelpunkt begeben habe, der sich offenbar in Kalifornien befinde. Der Kläger sei damit bereits dem Grunde nach zur Leistung einer Prozesskostensicherheit verpflichtet. Hinsichtlich der Höhe der zu leistenden Prozesskostensicherheit sei von dem durch den Kläger im Konzernunternehmen erzielten durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt in Höhe von 13.600,00 EUR auszugehen. Dies ergebe einen für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert von zumindest 62.350,00 EUR. Die hieraus resultierenden Gerichtsgebühren erster, zweiter und dritter Instanz seien für die zu erbringende Sicherheitsleistung ebenso zugrunde zu legen, wie die zu erwartenden Rechtsanwaltsgebühren der Beklagten für die zweite und dritte Instanz. Dies ergebe eine zu erbringende Prozesskostensicherheit in Höhe von 15.964,51 EUR. | ||||||||||
4 |
Die Beklagte beantragt: | ||||||||||
5 |
- 3 - | ||||||||||
6 | Der Kläger beantragt: | ||||||||||
7 |
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8 |
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, er habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt durchaus in Deutschland. Er würde hierher auch zurück einreisen, wenn er daran angesichts der derzeitigen Corona-Pandemie nicht gehindert wäre. Dem stehe auch nicht entgegen, dass er derzeit über keine VVohnanschrift in Deutschland verfüge, da er abgesehen von gelegentlichen Dienstreisen an sich in Deutschland verweile. Dies habe er bereits im Zeitraum von September 2018 bis einschließlich März 2020 so gehandhabt. Hinsichtlich der Höhe einer etwaig zu leistenden Prozesskostensicherheit habe die Beklagte zu Unrecht die Gerichtsgebühren für drei Instanzen gefordert. So sei ein Revisionsverfahren keinesfalls als Teil der gewöhnlich zu erwartenden Kosten zu werten. Gleiches gelte für eine etwaige Berufungsinstanz. Hinzu komme, dass ausweislich des als Anlage K6 (BI. 73 der Akte) vorgelegten Schreibens der Bundesagentur für Arbeit für ihn ein Mindesteinkommen von 7.535,00 EUR brutto pro Monat angenommen worden sei. Dies müsse damit auch der Berechnung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wertes sowie der zu leistenden Prozesskostensicherheit zugrunde gelegt werden. Hieraus resultiere ein für die Gerichtsgebühren maßgebender Wert in Höhe von allenfalls 37.790,00 EUR. | ||||||||||
9 |
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 08. September 2020 und vom 03. Dezember 2020 Bezug genommen.
- 4 - Entscheidungsgründe | ||||||||||
10 |
Der zulässige Antrag auf Leistung einer Prozesskostensicherheit gern. § 110 ZPO durch den Kläger ist in Höhe von 7.633,33 EUR begründet. I. | ||||||||||
11 |
Über den Streit der Parteien zur Verpflichtung des Klägers nach § 110 ZPO eine Prozesskosten-sicherheit zu leisten, ist durch Zwischenurteil zu entscheiden (st. RSpr. BGH 20. November 1961 — VIII ZR 65/61 — BGHZ 37, 264). II. | ||||||||||
12 | Der Kläger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union im Sinne von § 110 Abs. 1 ZPO (1.). Der Kläger hat das Vorliegen eines der Ausnahmegründe für die Leistung einer Prozesskostensicherheit nach § 110 Abs. 2 ZPO nicht dargelegt (2.). Dem Kläger ist danach die Leistung einer Prozesskostensicherheit in Höhe von 7.633,33 EUR aufzuerlegen (3.). Diese hat er bis spätestens 29. Januar 2021 zu leisten (4.). | ||||||||||
13 | 1. Der Kläger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. | ||||||||||
14 |
a) Nach § 110 Abs. 1 ZPO hat die klagende Partei, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) hat, auf Verlangen der beklagten Partei wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten. Die Verpflichtung besteht nach § 110 Abs. 2 ZPO nur dann nicht, wenn einer der dort genannten Ausnahmegründe vorliegt. Nach § 46 Abs. 2 ArbGG gilt die Vorschrift auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren (LAG Berlin-Brandenburg 19. November 2015 — 21 Sa 329/15; LAG Rheinland-Pfalz vom 17. Juli 2013 — 8 Sa 70/13 — Rn. 20). | ||||||||||
15 |
b) Eine natürliche Person hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt an dem Ort, an dem sie längere Zeit oder regelmäßig verweilt. Der gewöhnliche Aufenthalt ist zu unterscheiden von dem Wohnsitz als dem räumlichen Schwerpunkt der gesamten Lebensverhältnisse einer Person. Während die Begründung des Wohnsitzes eines dahingehenden rechtsgeschäftlichen Willens bedarf, ist ein solcher für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht erforderlich. Im Übrigen
- 5 - bedeutet der gewöhnliche Aufenthalt gegenüber dem Wohnsitz ein Minus, weshalb jener dem gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 110 Abs. 1 ZPO stets gleichwertig ist. Ein kurzfristiges Verweilen an einem Ort oder ein mit häufigem Ortswechsel verbundener Aufenthalt ist im Hinblick auf den Normzweck des § 110 ZPO, etwaige Kostenerstattungsansprüche der beklagten Partei zu sichern, dem gewöhnlichen Aufenthalt nicht gleichzustellen. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt können nach § 7 Abs. 2 BGB gleichzeitig an mehreren Orten begründet werden. Um nicht sicherungspflichtig zu sein, ist es ausreichend, dass einer dieser Wohnsitze oder gewöhnlichen Aufenthalte im Gebiet der EU oder des EWR gelegen ist (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 17. Juli 2013 — 8 Sa 70/13 — Rn. 22). Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalts der klagenden Partei in dem in § 110 ZPO genannten Gebiet trägt die beklagte Partei (vgl. MüKoZPO/Schulz 6. Aufl. 2020 ZPO § 110 Rn. 43). | ||||||||||
16 |
c) Danach hat der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR. | ||||||||||
17 |
aa) Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass der Kläger bereits in seiner Klageschrift angegeben hat, seinen Hauptwohnsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika zu haben. Hierzu korrespondierend hat er seine Wohnanschrift in Kalifornien aufgeführt und die von ihm beauftragten Prozessbevollmächtigten zugleich als Zustellbevollmächtigte benannt. Weder in der Klageschrift noch in einem der nachfolgend eingereichten Schriftsätze hat der Kläger — auch auf die entsprechende Rüge der Beklagten hin — behauptet, einen konkreten Wohnsitz (auch) in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR zu haben. | ||||||||||
18 |
bb) Der hierauf gegründeten Behauptung der Beklagten, der Kläger habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Kalifornien, ist der Kläger nicht hinreichend konkret im Sinne von § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 138 Abs. 3 ZPO entgegengetreten. | ||||||||||
19 |
(1) Unerheblich ist das Vorbringen des Klägers, er habe von September 2018 bis März 2020 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Dies mag zutreffen. Dennoch liegt dieser Zeitraum im Moment des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, auf die dieses Zwischenurteil ergeht, acht Monate zurück. Allein aufgrund dieser Behauptung kann daher nicht mehr von einem gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen werden. | ||||||||||
20 |
(2) Ohne Erfolg verweist der Kläger darauf, er würde sich — abgesehen von etwaigen
- 6 - Dienstreisen — derzeit in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, wenn er angesichts der Corona-Pandemie nicht an einer Ein- bzw. Rückreise gehindert wäre. Insoweit steht seiner Argumentation bereits entgegen, dass seit der Klageerhebung mit Schriftsatz vom 17. August 2020 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 03. Dezember 2020 seine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland möglich gewesen wäre, jedoch tatsächlich nicht erfolgte. Hinzu kommt, dass auch aus dem sonstigen Vorbringen des Klägers nicht ersichtlich ist, dass oder gar in welchem Umfang er sich unter welchen Voraussetzungen in der Bundesrepublik Deutschland an einem konkreten Ort aufhalten würde. So nachvollziehbar es sein mag, dass der Kläger darauf verweist, aus Kostengründen derzeit keine Wohnung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland angemietet zu haben, ändert dies doch nichts an der Tatsache, dass er damit derzeit seinen gewöhnlichen Aufenthalt hier eben nicht hat. Hypothetische Betrachtungen für den Fall des Nichtauftretens der Corona-Pandemie vermögen ebenso wenig einen tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers hier zu begründen wie der Verweis auf acht Monate zurückliegende tatsächliche Umstände. | ||||||||||
21 |
2. Der Kläger hat das Vorliegen eines der Ausnahmegründe für die Leistung einer Prozesskostensicherheit nach § 110 Abs. 2 ZPO nicht dargelegt. | ||||||||||
22 | a) Die Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit tritt nach § 110 Abs. 2 ZPO nicht ein, 1. wenn auf Grund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann, 2. wenn die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an den Beklagten auf Grund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt würde, 3. wenn der Kläger im Inland ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen besitzt, 4. bei Widerklagen sowie 5. bei Klagen, die auf Grund einer öffentlichen Aufforderung erhoben werden. Für das Vorliegen einer Ausnahme von der Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig (MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 110 Rn. 44). | ||||||||||
23 | b) Danach liegt eine Ausnahme von der Pflicht zur Leistung der Prozesskostensicherheit nicht vor. Der Kläger hat keine der in § 110 Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen auch nur behauptet, geschweige denn konkret dargelegt. | ||||||||||
24 | 3. Die Höhe der zu leistenden Prozesskostensicherheit ist mit 7.633,33 EUR festzusetzen. | ||||||||||
25 |
a) Nach § 112 ZPO wird die Höhe der zu leistenden Sicherheit von dem Gericht nach freiem
- 7 - Ermessen festgesetzt. Bei der Festsetzung ist derjenige Betrag der Prozesskosten zugrunde zu legen, den der Beklagte wahrscheinlich aufzuwenden haben wird. Bei der Ermittlung des betragsmäßigen Umfangs hat das Gericht von den Prozesskosten auszugehen, die dem Beklagten wahrscheinlich erwachsen werden. Hierher zählen die von ihm bereits erbrachten und voraussichtlich noch aufzuwendenden gerichtlichen und außergerichtlichen Prozesskosten. Bei der Bestimmung der Prozesskostensicherheit sind nur die eigenen Aufwendungen des Beklagten zu berücksichtigen (MüKoZPO/Schulz 6. Aufl. 2020 ZPO § 112 Rn. 3, 4). Das Gericht ist allerdings nicht verpflichtet, von vornherein die Kosten des gesamten Instanzenzuges festzusetzen. In der Regel ist die Festsetzung der Kosten der ersten und der nächst höheren Instanz ausreichend, um der klagenden Partei die Prozessführung nicht unnötig zu erschweren. Sollte der Prozess über die Berufungsinstanz hinausgehen, kann gemäß § 112 Abs. 3 ZPO eine weitere Sicherheit angeordnet werden, soweit die Beklagte den Einwand der mangelnden Sicherheit für alle Instanzen bereits in der 1. Instanz rechtzeitig geltend gemacht hat (vgl. LG Köln 02. März 2012 — 82 0 154/11 —; Zöller/Herget, ZPO 27. Auflage § 112 Rn. 2 m.w. N.). | ||||||||||
26 | b) Der für die Berechnung der zu leistenden Prozesskostensicherheit maßgebende Wert ist der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert im hiesigen Rechtsstreit. Dieser ist ausgehend von einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt des Klägers in Höhe von rund 13.600,00 EUR mit mindestens 62.350,00 EUR anzusetzen. | ||||||||||
27 |
aa) Die Beklagte ist zutreffend der Auffassung, dass der Berechnung insoweit die arbeitsvertragliche Vergütung, die der Kläger im Konzernunternehmen mit seiner Arbeitgeberin vereinbarte, in Höhe von monatlich rund 13.600,00 EUR brutto zugrunde zu legen ist. Eine abweichende Vereinbarung der Parteien wurde insoweit nicht getroffen. Es kann auch nicht — wie der Kläger meint — derjenige Wert in Ansatz gebracht werden, den die Bundesagentur für Arbeit ausweislich der vorliegenden Anlage K6 für ihre Zustimmung nach § 39 Aufenthaltsgesetz zugrunde gelegt hat. So ist daraus in keiner Weise ersichtlich, dass es sich bei dem aufgeführten Betrag von monatlich 7.535,00 EUR brutto um das tatsächlich zwischen den Parteien vereinbarte Bruttomonatsentgelt des Klägers handeln würde. Dieses wurde auch durch den Kläger nicht behauptet. | ||||||||||
28 |
bb) Der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert beträgt danach für die mit der Klageschrift angekündigten Anträge mindestens 62.350,00 EUR. - 8 - | ||||||||||
29 | (1) So ist Antrag Ziff. 1, gerichtet auf die Feststellung des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien, entsprechend § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG mit der Summe eines Vierteljahresgehalts zu.bemessen. Dieses beträgt 40.800,00 EUR. | ||||||||||
30 | (2) Für die Anträge Ziff. 2 und 3, in denen der Kläger jeweils die Erteilung von Arbeitspapieren seit dem 13. November 2018 geltend macht, sowie für den Antrag Ziff. 5, der ebenfalls auf die Erteilung eines Arbeitspapiers gerichtet ist, wird nach § 3 ZPO ein Streitwert von je 250,00 EUR pro eingefordertem Arbeitspapier zugrunde gelegt. Die Anträge Ziff. 2, 3 und 5 sind danach mit insgesamt 750,00 EUR in die Berechnung einzustellen. | ||||||||||
31 | (3) Der Antrag Ziff. 4 auf Erteilung ordnungsgemäßer Gehaltsabrechnungen kann nach § 3 ZPO mit einem Wert in Höhe von 300,00 EUR pro Gehaltsabrechnung bewertet werden. Der Kläger beantragt, ihm Gehaltsabrechnungen für die Zeit vom 13. September 2018 bis 31. Juli 2020 zu erteilen. Er fordert damit insgesamt 23 Gehaltsabrechnungen. Bei der Berechnung des Gegenstandswerts ist der Antrag Ziff. 4 deshalb in einer Höhe von 7.200,00 EUR zu berücksichtigen. | ||||||||||
32 | (4) Antrag Ziff. 6, gerichtet auf die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses, wird nach § 3 ZPO mit einem Bruttomonatsgehalt des Klägers in Höhe von 13.600,00 EUR bewertet. | ||||||||||
33 | c) Prozesskostensicherheit hat der Kläger zu leisten für die zu erwartenden Gerichtsgebühren erster und zweiter Instanz sowie die zu erwartenden Rechtsanwaltsgebühren der Beklagten in der Berufungsinstanz. Darüber hinaus gehende Kosten eines etwaigen Revisionsverfahrens sind für die Bemessung der vom Kläger zu stellenden Prozesskostensicherheit ebenso wenig zu berücksichtigen, wie die der Beklagten erstinstanzlich entstehenden Rechtsanwaltsgebühren. | ||||||||||
34 |
aa) In § 112 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist geregelt, dass bei der Festsetzung der zu leistenden Sicherheit derjenige Betrag der Prozesskosten zugrunde zu legen ist, den die Beklagte wahrscheinlich aufzuwenden haben wird. Bei der Ermittlung des betragsmäßigen Umfangs hat das Gericht von den Prozesskosten auszugehen, die der Beklagten wahrscheinlich erwachsen werden. Hierzu zählen die von ihr bereits erbrachten und voraussichtlich noch aufzuwendenden gerichtlichen und außergerichtlichen Prozesskosten (MüKo-ZPO/Schulz 6. Aufl. 2020 § 112 Rn. 4).
- 9 - | ||||||||||
35 | bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten bedeutet dies jedoch nicht, dass grundsätzlich sämtliche Prozesskosten aller in Betracht kommenden Rechtszüge bei der Bemessung der Höhe der zu leistenden Prozesskostensicherheit zugrunde zu legen sind. Dies würde nach Auffassung der Kammer bereits dem Grundgedanken des § 12a Abs. 1 Satz 1 Ar-GG zuwiderlaufen. Dieser sieht für Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs vor, dass kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kost6n für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands besteht. Es soll damit gerade der Zugang zu den Gerichten für Arbeitssachen erleichtert werden, indem die Parteien unabhängig vom tatsächlichen Ausgang ihres Rechtsstreits erster Instanz nicht befürchten müssen, die außergerichtlich entstandenen Kosten des Prozessgegners tragen zu müssen (GMP/Germelmann/Künzl 9. Aufl. 2017 ArbGG § 12a Rn. 1; zweifelnd Pfitzer/Augenschein in: Natter/Gross Arbeitsgerichtsgesetz 2. Auflage 2013 § 12a Rn. 6). Hierfür spricht auch § 11 Satz 1 GKG, in dessen Konsequenz die Leistung eines Prozesskostenvorschusses bei Erhebung einer Klage vor den Gerichten für Arbeitssachen gerade nicht erforderlich ist. Dieses gesetzgeberische Ansinnen würde konterkariert, wenn die Partei mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb von EU und EWR befürchten müsste, bereits kurz nach der Klageerhebung erster Instanz sogleich eine Prozesskostensicherheit über die Gerichtsgebühren dreier Instanzen zuzüglich der Rechtsanwaltsgebühren des Prozessgegners leisten zu müssen. | ||||||||||
36 | cc) Hinzu kommt, dass nur diejenige Summe als Prozesskostensicherheit zu hinterlegen ist, die die Beklagte wahrscheinlich aufzuwenden haben wird. Es ist jedoch keineswegs wahrscheinlich, dass jedes arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren bis hin zur Revisionsinstanz betrieben wird. Eine solche Wahrscheinlichkeit mag vorliegend noch für die Berufungsinstanz angenommen werden können, da die Parteien dem Grunde nach letztlich über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses überhaupt streiten. Der Ausgang des Rechtsstreits ist für die Parteien daher mit möglichen hohen wirtschaftlichen Folgekosten bzw. -ansprüchen verbunden, je nachdem, ob letztlich ein Arbeitsverhältnis besteht oder nicht. Dass darüber hinaus jedoch die Einlegung bzw. Zulassung einer Revision oder gegebenenfalls eine solche nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde als wahrscheinlich anzunehmen wäre, wurde durch die Beklagte bereits nicht näher dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. | ||||||||||
37 |
dd) Letztlich spricht auch § 112 Abs. 3 ZPO für die Begrenzung der hier zunächst zu leistenden Prozesskostensicherheit auf zwei Instanzen. Ergibt sich im Laufe des Rechtsstreits
- 10 - nämlich, dass die geleistete Sicherheit nicht hinreicht, so kann die Beklagte die Leistung einer weiteren Sicherheit verlangen, sofern nicht ein zur Deckung ausreichender Teil des erhobenen Anspruchs unbestritten ist. Aufgrund der umfassenden Beantragung einer drei Instanzen abdeckenden Prozesskostensicherheit wäre es der Beklagten danach unbenommen, eine absehbare Unterdeckung der Prozesskostensicherheit oder aber sich ergebende konkrete Anhaltspunkte für eine Fortführung des Rechtsstreits vor dem Bundesarbeitsgericht zum Anlass zu nehmen, eine weitere Sicherheitsleistung nach § 112 Abs. 3 ZPO zu verlangen. | ||||||||||
38 | ee) Angesichts dessen erschiene es dem erkennenden Gericht eine Überspannung der Grenzen billigen Ermessens, auch etwaige Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren eines Revisionsverfahrens bei der durch den Kläger zu Beginn der ersten Instanz zu leistenden Pro-zesskostensicherheit einzurechnen. | ||||||||||
39 | ff) Da nach § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG zudem wie bereits erläutert kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung ihrer erstinstanzlich außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren besteht, haben diese bei der Bemessung der zu leistenden Pro-zesskostensicherheit ebenfalls außer Betracht zu bleiben. | ||||||||||
40 | d) Die durch den Kläger zu leistende Prozesskostensicherheit in Höhe von 7.633,33 EUR berechnet sich ausgehend von einem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert in Höhe von 62.350,00 EUR danach im Einzelnen wie folgt: | ||||||||||
41 |
aa) Gerichtsgebühren: | ||||||||||
42 |
| ||||||||||
43 |
| ||||||||||
44 |
bb) Rechtsanwaltsgebühren für die zweite Instanz: | ||||||||||
45 |
- 11 -
| ||||||||||
46 |
| ||||||||||
47 | 4. Gemäß § 113 ZPO ist dem Kläger eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb derer die Sicherheit zu leisten ist. Angemessen ist — auch angesichts des diesbezüglich am 03. Dezember 2020 zu Protokoll erklärten Einverständnisses der Beklagten — eine Frist bis zum 29. Januar 2021. Dies ermöglicht die länderübergreifende Stellung der Prozesskostensicherheit in Form der Hinterlegung beim zuständigen Amtsgericht. Hierbei berücksichtigt das Gericht einerseits zu erwartende eingeschränkte Bank- und Gerichtsöffnungszeiten während der Weihnachtsfeiertage und zugleich zum Zeitpunkt der Verkündung des Zwischenurteils zu erwartende weitere Kontaktbeschränkungen angesichts der derzeitigen Corona-Pandemie, die sich grundsätzlich auch auf den Gerichtsbetrieb und die tatsächliche Durchführung der Hinterlegung auswirken können. Nach Ablauf der Frist ist auf Antrag der Beklagten, wenn die Sicherheit bis zur Entscheidung nicht geleistet ist, die Klage für zurückgenommen zu erklären (LG Köln 02. März 2012 — 82 0 154/11 —).
III. | ||||||||||
48 | Für das Zwischenurteil war eine Kostenentscheidung nicht zu treffen (MüKoZPO/Musielak 6. Aufl. 2020, ZPO § 303 Rn. 5). | ||||||||||
49 | Dieses Zwischenurteil ist isoliert nicht anfechtbar. |
D. Vorsitzende:
Dr. Hübenthal
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