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LAG München, Urteil vom 24.06.2010, 4 Sa 1029/09
Schlagworte: | Urlaubsabgeltung, Urlaub: Krankheit, Urlaubsabgeltung, Krankheit: Urlaub, Ausschlussfrist | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht München | |
Aktenzeichen: | 4 Sa 1029/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 24.06.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Regensburg, Urteil vom 12.10.2009, 3 Ca 861/09 | |
4 Sa 1029/09
3 Ca 861/09 (ArbG Regensburg)
Verkündet am: 24.06.2010
Heger Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht München
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
A.
A-Straße, A-Stadt
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt B. B-Straße, B-Stadt
gegen
Firma C. GmbH D-Straße, D-Stadt
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte E. E-Straße, E-Stadt
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hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger und die ehrenamtlichen Richter Herbst und Peter
für Recht erkannt:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 12. Oktober 2009 - 3 Ca 861/09 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Der Kläger macht gegenüber der Beklagten als seiner früheren Arbeitgeberin einen Urlaubsabgeltungsanspruch - zuletzt ausgehend vom gesetzlichen Mindesturlaub - geltend.
Der am 0.0.1962 geborene Kläger war auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.07.1984 (Bl. 72 - 77 d. A.) ab diesem Zeitpunkt bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter im Innen- und Außendienst mit einer Vergütung von zuletzt durchschnittlich etwa 0.- € brutto monatlich beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde nach einer Arbeitgeberkündigung der Beklagten vom 04.08.2007 im Rahmen des hierüber geführten Kündigungsschutzprozesses durch, bestandskräftig gewordenen, gerichtlichen Vergleich vom 24.10.2007 (Anlage K 1, Bl. 5 - 7 d. A.) zum 31.03.2008 beendet.
Der Kläger war ab dem 06.06.2007 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt und - nach seinen unbestrittenen Einlassungen in den mündlichen Verhandlungen im erstinstanzlichen und im zweitinstanzlichen Verfahren - über das Ende des Arbeitsverhältnisses (31.03.2008) hinaus weiter bis zu seiner Verrentung zum 01.08./01.09.2008 - Beginn des Bezugs einer Rente wegen Erwerbsminderung - durchgehend arbeitsunfähig.
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Mit Klageschriftsatz vom 16.03.2009 machte der Kläger einen Anspruch auf Abgeltung zunächst, erstinstanzlich, noch seines vollständigen vertraglichen (restlichen) Urlaubsanspruchs für das Urlaubsjahr 2007 und anteilig für das erste Quartal 2008, bis zu seinem Ausscheiden zum 31.03.2008, in Höhe von damit insgesamt 31 Urlaubstagen mit der Begründung geltend, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie nachfolgend des Bundesarbeitsgerichts nunmehr ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch bei über das Ende des Arbeitsverhältnisses andauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bestehe - dem die Ausschlussfristenregelung im allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag für den Groß- und Außenhandel in Bayern, falls anwendbar, im Hinblick auf die bisherige etablierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht entgegenstehen könne -, jedenfalls ein entsprechender Schadensersatzanspruch aufgrund Verstoßes gegen die Vorschriften des Nachweisgesetzes gegeben wäre. Demgegenüber beruft sich die Beklagte im Wesentlichen auf einen Verfall von, bereits nicht in das Urlaubsjahr 2008 übertragenen, etwaigen Urlaubsabgeltungsansprüchen für das Urlaubsjahr 2007, im Übrigen grundsätzlich auf die Ausschlussfristenregelung im, von ihr für anwendbar gehaltenen, einschlägigen Manteltarifvertrag für den Groß- und Außenhandel in Bayern und hinsichtlich eines etwaigen Schadensersatzanspruchs auch darauf, dass sie mit dem vor Inkrafttreten des Nachweisgesetzes abgeschlossenen Arbeitsvertrag nicht gegen dessen Vorschriften verstoßen habe.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts Regensburg vom 12.10.2009, das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 05.11.2009 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses die Klage in der Sache mit der Begründung abgewiesen hat, dass der Kläger im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2008 trotz fortbestehender Arbeitsunfähigkeit aufgrund der nunmehrigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwar einen Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs für die nicht eingebrachten Urlaubstage aus den Jahren 2007 und 2008 gehabt habe, der eben zum 31.03.2008 fällig geworden sei, dieser jedoch wegen Versäumung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist in § 18 des nach seinem betrieblichen Geltungsbereich auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Manteltarifvertrages für die bayerischen Betriebe des Groß- und Außenhandels erloschen sei. Die allgemeine Geltendmachung
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von Zahlungsansprüchen und der dortige Verweis auf Resturlaubsansprüche des Klägers im Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 30.10.2007 seien als allgemeine Hinweise und damit nicht als konkrete Geltendmachung eines fälligen Zahlungsanspruchs im Sinne der Ausschlussfristenregelung zu werten. Entgegen der bislang herrschenden Meinung und Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach auf den Urlaubsabgeltungsanspruch eine tarifliche Ausschlussfrist im Hinblick auf § 13 Abs. 1 BUrlG keine Anwendung finden könne, habe der Kläger ungeachtet einer möglichen Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs aufgrund seiner fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit nach aktueller Rechtsprechung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen fälligen Urlaubsabgeltungsanspruch als allein finanziellen Anspruch gehabt, der deshalb nunmehr unter den Geltungsbereich einer tariflichen Ausschlussfrist wie hier fallen müsse. Der Anwendbarkeit der tariflichen Ausschlussfrist auf den Urlaubsabgeltungsanspruch ab 31.03.2008 stehe auch nicht § 242 BGB entgegen. Das Bundesarbeitsgericht habe bereits darauf hingewiesen, dass mit Bekanntgabe des Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.08.2006 zum Europäischen Gerichtshof mit einer möglichen Änderung der Rechtsprechung zur Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG zu rechnen gewesen sei, weshalb ein Arbeitnehmer trotz durchgehender Arbeitsunfähigkeit vorsorglich seine Urlaubsansprüche bzw. -abgeltungsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend hätte machen müssen, um zunächst die erste Stufe der zweistufigen tarifvertraglichen Ausschlussfrist in § 18 des einschlägigen Tarifvertrages zu wahren. Bei gerichtlicher Geltendmachung zur Wahrung deren zweiter Stufe hätte ein anhängiger Rechtsstreit bis zu der zu erwartenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ausgesetzt werden oder beide Parteien hätten außergerichtlich eine Vereinbarung zum zulässigen einstweiligen Unterbleiben einer Klageerhebung treffen können. Auch bestehe kein Schadensersatzanspruch wegen eines von der Beklagten etwa pflichtwidrig unterlassenen Hinweises gem. § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG, da dieses elf Jahre nach Abschluss des Arbeitsvertrages der Parteien in Kraft getreten und die Beklagte als Arbeitgeberin hier auch nicht nach § 3 NachwG verpflichtet gewesen sei, dem Kläger wegen etwaiger Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen eine schriftliche Mitteilung zu geben: Hier sei im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Nachweisgesetzes bereits ein früherer Manteltarifvertrag für den Groß-und Außenhandel in Bayern allgemeinverbindlich gewesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 01.12.2009, am selben Tag zunächst per Telefax beim Landesar-
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beitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung er nach auf seinen Antrag erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 05.02.2010 mit Schriftsatz von diesem Tag, am selben Tag zunächst wiederum zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, ausgeführt hat, dass er seinen Zahlungsanspruch auf Urlaubsabgeltung nunmehr noch in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs weiterverfolge. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei dieser Urlaubsabgeltungsanspruch für die unstreitig nicht eingebrachten Urlaubstage für die Jahre 2007 und - anteilig - 2008 nicht zum 31.03.2008 entstanden und damit fällig geworden, da der Kläger nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts überhaupt keinen Urlaubsabgeltungsanspruch, auch nicht in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs, gehabt habe, weil dieser wegen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit des Klägers erloschen gewesen sei. Damit hätte dieser nicht, auch nicht innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist, geltend gemacht werden können. Der Kläger hätte deshalb trotz ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann trotzdem einen bereits erloschenen Anspruch geltend machen müssen, was per se nicht nachvollziehbar sei. Auch sei der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht wegen Versäumung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist im Manteltarifvertrag für den bayerischen Groß- und Außenhandel erloschen, da er nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eben bereits zum 31.03.2008 nicht mehr bestanden habe, also nicht nochmals durch Nichtgeltendmachung innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist erlöschen hätte können. Erst durch die geänderte Rechtsprechung auf der Grundlage der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sei der Urlaubsabgeltungsanspruch wieder entstanden und habe dann auch klageweise fristgerecht geltend gemacht werden können. Auch habe der Kläger durch Schreiben vom 30.10.2007 grundsätzlich und klar zum Ausdruck gebracht gehabt, dass im Zusammenhang mit dem bestehenden Resturlaubsanspruch evtl. noch Ansprüche im Raume stünden, was eine entsprechende Geltendmachung auch i. S. der tarifvertraglichen Ausschlussfrist darstelle. Das Arbeitsgericht meine rechtsfehlerhaft, dass nunmehr die tarifvertragliche Ausschlussfrist auf den Urlaubsabgeltungsanspruch anwendbar sein solle, wobei es dies unter dem unrichtigen Ansatzpunkt der Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs zum 31.03.2008 beurteile, was zu diesem Zeitpunkt auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eben nicht der Fall gewesen sei. Weiter habe das Arbeitsgericht das Vorliegen einer unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB zu Unrecht mit dem Hinweis abgelehnt, dass bereits bei Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens
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des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.08.2006 mit einer möglichen Änderung der Rechtsprechung zur Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG zu rechnen gewesen sei. Ein Arbeitnehmer habe nach der zum Zeitpunkt des 31.03.2008 geltenden gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen zu diesem Zeitpunkt als erloschen anzusehenden Urlaubsabgeltungsanspruch nicht trotzdem noch geltend machen und auch noch deswegen Klage erheben können. Die vom Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang erwogene vorsorgliche Klageerhebung oder die Möglichkeit einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Prozessgegner wären nicht möglich bzw. dem Kläger nicht zumutbar gewesen. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht das Vorliegen eines entsprechenden Schadensersatzanspruchs wegen pflichtwidrig unterlassenen Hinweises nach dem Nachweisgesetz rechtsfehlerhaft verneint, da hier nach Inkrafttreten des Nachweisgesetzes ein neuer allgemeinverbindlicher Manteltarifvertrag die Vertragsbedingungen geändert habe, weshalb dann § 3 Satz 1 NachwG gelten müsse und das Unterlassen eines entsprechenden Hinweises durch die Beklagte diese somit schadensersatzpflichtig mache.
Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 12.10.2009, Az. 3 Ca 861/09, wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.192,30 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu bezahlen.
Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Antrags auf Zurückweisung der Berufung vor, dass es hinsichtlich eines Urlaubsabgeltungsanspruches für das Urlaubsjahr 2007 eines Übertragungsantrags des Klägers vor dem 31.12.2007 bedurft hätte - wie nicht geschehen -, weshalb der diesbezügliche Urlaub mangels Übertragung in das Urlaubsjahr 2008 von vornherein verfallen gewesen sei. Die Nichtanwendung eines Vertrauensschutzes habe sich auch auf den Kläger als Arbeitnehmer bezogen. Jedenfalls wäre ein Urlaubsabgeltungsanspruch wegen Versäumung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist gem. § 18 des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrages für den Groß- und Außenhandel in Bayern - dessen Anwendbarkeit der Kläger nunmehr nicht mehr bestreite - erloschen, da
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das allgemeine Schreiben des Klägers vom 30.10.2007 bereits mangels Substanziierung keine Geltendmachung i. S. der Ausschlussfrist dargestellt habe, zumal der Anspruch zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht fällig gewesen sei. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei ungeachtet der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum 31.03.2008 nicht erloschen und auch fällig gewesen, da durch die Rechtsprechung der Obergerichte kein neues Recht geschaffen werde, sondern allenfalls die richtige Rechtslage festgestellt werde, weshalb von einem objektiven Erlöschen eines Urlaubsabgeltungsanspruchs zum 31.03.2008 nicht ausgegangen habe werden können. Wollte man der Auffassung des Klägers hinsichtlich eines erfolgten Erlöschens des Urlaubsabgeltungsanspruchs zu diesem Termin folgen, würde dies ohne weiteres zur Unbegründetheit seiner Klage führen, da ein erloschener Anspruch endgültig verloren sei und nicht wieder aufleben, der Kläger kein neues Entstehen des Abgeltungsanspruchs ableiten könne. Er hätte deshalb seinen Urlaubsabgeltungsanspruch zunächst schriftlich und dann gerichtlich geltend machen müssen, obwohl dieser zum damaligen Zeitpunkt keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte - derartige Fallkonstellationen seien in der arbeitsrechtlichen Praxis nicht ungewöhnlich. Hinsichtlich der vom Arbeitsgericht ebenfalls zu Recht verneinten Anwendung des § 242 BGB bezüglich der Anwendung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist hätten nicht nur der Europäische Gerichtshof, sondern auch das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass bereits mit Vorlage der Rechtsfrage durch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf an den Europäischen Gerichtshof vom 02.08.2006 mit einer Änderung der Rechtsprechung gerechnet habe werden müssen. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Nachweisgesetz scheide ebenso aus, da der Manteltarifvertrag mit den Ausschlussfristen, ohne deren spätere Änderung, bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Nachweisgesetzes vom 20.07.1995 vorhanden gewesen sei.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 05.02.2010 und vom 09.03.2010 sowie ihre ergänzenden Einlassungen im Rahmen ihrer Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren gem. der entsprechenden Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 27.05.2010 Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend und inhaltlich ausführlich und überzeugend begründet entschieden - worauf zunächst Bezug genommen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG) -, dass dem Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers, den er, in rechnerisch unstreitiger Höhe, mit der Berufung nur noch in Höhe des (jeweiligen) gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs geltend macht (§§ 3 und 5 Abs. 1 lit. c, Abs. 2 BUrlG) - nur insoweit das Ersturteil anficht -, jedenfalls nunmehr dessen Verfall aufgrund Versäumung der Ausschlussfrist(en) des einschlägigen Manteltarifvertrages entgegensteht (dazu 1.), auch kein entsprechender Schadensersatzanspruch gegeben ist (dazu 2.).
1. a) Der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers, den er nunmehr noch in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs geltend macht, war zwar zum 31.03.2008 als Zeitpunkt des gem. Prozessvergleichs vom 24.10.2007 festgelegten Ende des Arbeitsverhältnisses zunächst entstanden und damit gleichzeitig fällig, wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat.
aa) Wegen des nachfolgenden Ergebnisses des Erlöschens jeglichen Urlaubsabgeltungsanspruchs aufgrund der Ausschlussfristenregelung des Anwendung findenden Man-
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teltarifvertrages (dazu lit. b) wird zum Einwand der Beklagten, der noch offene Resturlaubsanspruch des Klägers für das Urlaubsjahr 2007 sei mangels vorheriger Geltendmachung bereits mit Ablauf des 31.12.2007 als Ende dieses Urlaubsjahres erloschen und damit nicht in das Urlaubsjahr 2008 übertragen worden, lediglich ergänzend und in der hiernach gebotenen Kürze darauf hingewiesen, dass wegen der unstreitig über das Jahresende 2007 hinaus fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers dessen Urlaubsanspruch für 2007 damit gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG - die Erkrankung des Arbeitnehmers stellt den typischen Fall eines „in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grundes“ in diesem Sinn dar - ohne weiteres, ohne die Notwendigkeit einer besonderen Geltendmachung oder einer anderen Rechtshandlung des Klägers, in das neue Urlaubsjahr (2008) übertragen worden war (vgl. nur BAG, U. v. 05.12.1995, 9 AZR 871/94, AP Nr. 70 zu § 7 BUrlG Abgeltung - II. 2. a) der Gründe, m. w. N. -; s. a. BAG, U. v. 24.03.2009, 9 AZR 983/07, AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG = NZA 2009, 538 f - Rz. 42 -).
bb) Der somit in das Urlaubsjahr 2008 übertragene restliche - als solche unstreitige -
Urlaubsanspruch des Klägers für das Urlaubsjahr 2007 und sein Teilurlaubsanspruch für die ersten drei Monate des Urlaubsjahres 2008 - § 5 Abs. 1 lit. c BUrlG - waren entgegen der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht deswegen als erloschen anzusehen, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig aus dem Arbeitsverhältnis ausschied (und weiter arbeitsunfähig war).
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.03.2009 (aaO) in der Folge der Schultz-Hoff-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 (C 350/06, etwa NJW 2009, S. 495 f) seine bisherige Rechtsprechung - der gesetzliche Urlaubsanspruch wandle sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dann nicht in den Ersatz eines Urlaubsabgeltungsanspruchs nach § 7 Abs. 4 BUrlG um, wenn der Urlaubsanspruch am Ende des Urlaubsjahres oder, im Falle seiner Übertragung, am Ende des Übertragungszeitraums wegen Arbeitsunfähigkeit nicht als Freizeitanspruch erfüllbar gewesen wäre, sondern erlösche, weil der Abgeltungsanspruch grundsätzlich an dieselben Voraussetzungen wie der Urlaubsfreizeitanspruch als solcher gebunden ist („Surrogatstheorie“) - ausdrücklich aufgegeben und nunmehr entschieden, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch bei bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums fortdauernder Erkrankung/Arbeitsunfähigkeit nicht erlischt.
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cc) Der Urlaubsanspruch des Klägers insgesamt, hinsichtlich des übertragenen offenen Resturlaubs für das Urlaubsjahr 2007 und des Teilurlaubs für das Urlaubsjahr 2008, war deshalb mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsvertrages zum 31.03.2008 - gleichzeitig Ende des Übertragungszeitraums für den Resturlaub 2007 - nicht erloschen, sondern hier wegen Endes des Arbeitsverhältnisses zu eben diesem Termin gleichzeitig als Urlaubsabgeltungsanspruch (§ 7 Abs. 4 BUrlG) entstanden und fällig geworden.
Anders als der Kläger insbesondere in seiner Berufung argumentiert, war der Urlaub zu diesem Zeitpunkt nicht etwa aufgrund der „Geltung“ - Maßgabe - der damaligen anderslautenden ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, im objektiven Sinn, „erloschen“ (was ihn deshalb von vornherein an einer damaligen, rechtzeitigen, Geltendmachung/Klageerhebung gehindert hätte):
Die Annahme des Erlöschens des Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruchs bei über das Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers - was im Bundesurlaubsgesetz nicht von vornherein so angelegt ist (BAG, U. v. 24.03.2009, aaO - Rz. 62 -) - war keine objektive, insbesondere durch eine eindeutige Rechtslage - eine gesetzliche Regelung des Bundesurlaubsgesetzes - unmittelbar angeordnete Rechtsfolge, sondern Rechtsprechung - deren Auslegung der gesetzlichen Regelung, eine dies lediglich feststellende richterrechtliche Annahme, wie die Beklagte hierzu zu Recht ausführt. Richterrecht kann nicht genuin neues Recht schaffen bzw. konstitutiv geltende Rechtsvorschriften generieren, sondern das geltende Recht nur auslegen und in seinem Inhalt, seiner Geltung und seiner Reichweite deklaratorisch feststellen.
Die Beklagte verweist zu Recht auch auf den grundsätzlichen Widerspruch in der diesbezüglichen Argumentation des Klägers: Hätte die damalige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts tatsächlich objektiv ein endgültiges Erlöschen der Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers (zum 31.03.2008 oder, zeitnah, danach) bewirkt, wäre naturgemäß keine Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers gegeben/erkennbar - sein Urlaubsabgeltungsanspruch würde nicht etwa mit Änderung der Rechtsprechung eo ipso wieder aufleben können -, weshalb seine Klage damit von vornherein eindeutig unschlüssig wäre.
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Im maßgeblichen objektiven Sinn, außerhalb subjektiver richterrechtlicher Auslegung, waren die Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers deshalb am 31.03.2008 insgesamt entstanden und fällig.
b) Jedoch sind die Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers in der Folge wegen
Versäumung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist erloschen.
aa) Mit dem Arbeitsgericht ist auch zur Überzeugung der Berufungskammer davon
auszugehen, dass auf Urlaubsabgeltungsansprüche - auch, soweit sie den gesetzlichen Mindesturlaub betreffen - nunmehr (jedenfalls tarifvertragliche) Ausschlussfristenregelungen zur Anwendung kommen:
(1) Zwar hat das Bundesarbeitsgericht bisher in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass (allgemeine) tarifvertragliche Ausschlussfristen auf Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche keine Anwendung finden, da dies der Befristung dieser Ansprüche auf das Urlaubsjahr bzw. den Übertragungszeitraum als eigenständigen Zeitregimes und auch der Unabdingbarkeit/Unantastbarkeit und damit fehlender Tarifdispositivität des gesetzlichen Mindesturlaubs (§§ 1, 3 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG) widerspräche (BAG, insbes. U. v. 20.01.2009, 9 AZR 650/07, n. v. (Juris) - Rz. 27 -; U. v. 20.05.2008, 9 AZR 219/07, AP Nr. 12 zu § 17 BErzGG = NZA 2008, S. 1237 f - Rz. 48 -; U. v. 21.06.2005, 9 AZR 200/04, AP Nr. 11 zu § 55 InsO - Rz. 35/II. 4. d) aa) der Gründe -; U. v. 18.11.2003, 9 AZR 95/03, AP Nr. 17 zu § 113 InsO - II. 1. der Gründe -; U. v. 23.04.1996, 9 AZR 165/95, AP Nr. 6 zu § 17 BErzGG - II. 4. der Gründe -; U. v. 24.11.1992, 9 AZR 549/91, AP Nr. 23 zu § 1 BUrlG - 3. der Gründe -).
In der Entscheidung vom 24.03.2009 (aaO.) hat das Bundesarbeitsgericht es nunmehr ausdrücklich offen gelassen (dort Rz. 77), ob aufgrund der dort aufgrund der Schultz-Hoff-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 erfolgten Rechtsprechungsänderung noch an dieser Auffassung festzuhalten sei.
(2) Dies kann jedoch, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht mehr gelten, wenn die maßgebliche Begründung dieser Rechtsprechung, vor allem das besonder
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gesetzliche „Zeitregime“ für die Begründung des Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruchs (31.12. des Urlaubsjahres bzw. 31.03. des Folgejahres), weggefallen ist und der Urlaubsabgeltungsanspruch im Ergebnis damit ein üblicher, vom Schicksal des Urlaubs-Freizeitanspruchs (qua „Surrogat“) unabhängiger, originärer finanzieller (Entschädigungs-) Anspruch ist.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts finden tarifvertragliche Ausschlussfristen deshalb nunmehr auf einen Urlaubsabgeltungsanspruch als reinen Zahlungsanspruch, auch, soweit dieser lediglich den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch betrifft, Anwendung (ebenso jetzt: LAG Köln, U. v. 20.04.2010, 12 Sa 1448/09 - Juris, Revision eingelegt (9 AZR 352/10) -; LAG Düsseldorf, U. v. 23.04.2010, 10 Sa 203/10 - Juris, Revision eingelegt (9 AZR 365/10) -; ArbG Regensburg, U. v. 04.02.2010, 8 Ca 1022/09, ZTR 2010, S. 204 f - dazu: Wulfers, ZTR 2010, S. 180 f -; ArbG Herford, U. v. 19.03.2010, 1 Ca 1017/09, Juris; s. a. Grobys, NJW 2009, S. 2177 f/2179; Gaul/Bonanni/Ludwig, DB 2009, S. 1013 f/1016; Schlachter, RdA-Beilage 2009, S. 31 f/36; Gaul/Josten/Strauf, DB 2009, S. 497 f/500; ErfK-Dörner, 10. Aufl. 2010, § 7 BUrlG Rz. 65; jetzt auch Powietzka/Fallen-stein, NZA 2010, S. 673 f/677 f - unter V. 2. -).
Es kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Bundesarbeitsgericht, wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, in der Vergangenheit bei anderen gesetzlich unabdingbaren Ansprüchen wie denjenigen auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von der Möglichkeit deren Verfalls aufgrund einer (tarifvertraglichen) Ausschlussfrist ausgegangen ist (U. v. 25.05.2005, 5 AZR 572/04, AP Nr. 1 zu § 310 BGB; U. v. 16.01.2002, 5 AZR 430/00, AP Nr. 13 zu § 3 EntgeltFG - 2. b) cc) der Gründe -).
Im Übrigen schützt das Gemeinschaftsrecht nur den Arbeitnehmer, der objektiv - wegen Arbeitsunfähigkeit - an der Realisierung seiner Urlaubsansprüche gehindert ist, nicht aber denjenigen, der lediglich untätig bleibt (ErfK-Dörner, aaO, aE).
bb) (1) Unstreitig fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien (seit jeher) der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels (zuletzt i. d. F. vom 23.06.1997 - im Folgenden: MTV -) Anwendung. Der Kläger hatte das erstinstanzliche Vorbringen der Be-
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klagten, dass sie nahezu ausschließlich Großhandel im unmittelbaren Sinn betreibe und deshalb (auch) dem betriebliche Anwendungsbereich gem. § 1 Ziff. 2 MTV unterfalle, in der Folge nicht mehr bestritten, weshalb das Arbeitsgericht zu Recht von dessen Anwendbarkeit ausgegangen ist - was der Kläger auch in der Berufung nicht mehr in Zweifel zieht.
(2) § 18 MTV enthält folgende Regelung:
„§ 18 Geltendmachung von Ansprüchen, Gerichtsstand
1. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind gegenüber der Geschäftsleitung oder der von ihr bezeichneten Stelle zunächst mündlich, bei Erfolglosigkeit schriftlich innerhalb der folgenden Fristen geltend zu machen:
a) Ansprüche wegen Nichtübereinstimmung des ausgezahlten Betrages mit der Entgeltabrechnung bzw. dem Entgeltnachweis:
unverzüglich.b) Ansprüche wegen fehlerhafter Errechnung des Entgelts oder der Abzüge: 4 Wochen nach Aushändigung der Entgeltabrechnung.
c) Alle übrigen Ansprüche:
2 Monate nach Fälligkeit (Urlaub 3 Monate nach Ende des Urlaubsjahres).d) Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses: 2 Monate nach dem Ausscheiden.
...3. Die Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht vor Ablauf der in Ziffer 1 b) bis d) genannten Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind (Ausschlussfristen).
4. Sind die Ansprüche fristgerecht geltend gemacht, ist ihre Erfüllung aber von der Geschäftsleitung abgelehnt worden oder erklärt sich die Geschäftsleitung innerhalb von zwei Wochen nicht, so muss der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin, sofern er/sie das Arbeitsgericht anrufen will, nach Ablehnung oder nach Fristablauf innerhalb von zwei Monaten Klage erheben. Geschieht dies nicht, so erlöschen die Ansprüche.
Dies gilt auch sinngemäß für Ansprüche des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin.
...“
cc) Hiernach hat der Kläger sowohl die erste Stufe dieser zweistufigen tarifvertraglichen Ausschlussfristenregelung in § 18 MTV - schriftliche Geltendmachung innerhalb von zwei Monaten nach dem Ausscheiden zum 31.03.2008 (§ 18 Ziff. 1 lit. d MTV) - als auch die zweite Stufe sich anschließender gerichtlicher Geltendmachung innerhalb einer weite-
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ren Frist von ebenfalls zwei Monaten nach näherer Maßgabe der Bestimmungen in § 18 Ziff. 4 MTV versäumt.
Die sich aus dem Ablauf der Ausschlussfrist ergebenden Rechtsfolgen treten grundsätzlich auch dann ein, wenn der Arbeitnehmer, zu dessen Ungunsten die Ausschlussfrist sich auswirkt, die rechtzeitige Geltendmachung seiner Ansprüche schuldlos oder nur leicht fahrlässig versäumt oder die Rechtslage falsch beurteilt (vgl. näher etwa BAG, U. v. 22.01.2008, 9 AZR 416/07, AP Nr. 191 zu § 4 TVG Ausschlussfristen - Rz. 25 -; BAG, U. v. 13.12.2007, 6 AZR 222/07, NZA 2008, S. 478 f; s. a. LAG Schleswig-Holstein, U. v. 23.01.2008, 3 Sa 333/07 (juris), Rz. 40; LAG Hamm, U. v. 26.04.2007, 17 Sa 1914/06 (juris), Rzn. 127 f - jeweils m. w. N. -).
Der allgemeine Hinweis im vorgerichtlichen Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 30.10.2007 (Anlage K 2, Bl. 21/22 d. A.), dass der Kläger „noch 25 Tage Resturlaub für das Jahr 2007“ habe und „sodann noch weitergehender Urlaub für 2008 für die verbleibenden 3 Monate von 6 Tagen“ bestehe - „ob und inwieweit dieser dann abzugelten sein wird, bleibt abzuwarten. Sofern mein Mandat bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Arbeitsfähigkeit wieder erlangt, wird der Urlaub in Natura eingebracht“ -, stellt keine Geltendmachung eines bereits entstandenen und fälligen Anspruchs i. S. der Ausschlussfristenregelung dar, sondern lediglich einen vorläufigen und frühen abstrakten Hinweis, nachdem und zumal zum damaligen Zeitpunkt - eine Woche nach Abschluss des für den Kläger mit einer Frist von zwei Wochen widerruflichen Beendigungs-Prozessvergleichs vom 24.10.2007 (Anlage K 1, Bl. 5 - 7 d. A.), dessen Widerrufsfrist noch eine weitere Woche, bis 07.11.2007, lief - weder das Ende des Arbeitsverhältnisses noch insbesondere ein etwaiges Ende der Arbeitsunfähigkeit des Klägers und damit die Möglichkeit einer Urlaubsfreizeitnahme endgültig feststehen/bekannt sein konnten, wie er dort auch selbst ausführen lässt.
dd) Der Beklagten ist es nicht etwa nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles „verwehrt“, sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auf das Eingreifen der tarifrechtlichen Ausschlussfrist und damit den Verfall seiner Urlaubsabgeltungsansprüche „zu berufen“ (§ 242 BGB - unzulässige Rechtsausübung -), wie der Kläger geltend macht.
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(1) Die Berufung auf eine Ausschlussfrist kann zwar im Einzelfall nach § 242 BGB treuwidrig sein und damit eine unzulässige Rechtsausübung darstellen. Dies kann dann gegeben sein, wenn die zum Verfall des Anspruches führende Untätigkeit des Gläubigers hinsichtlich der erforderlichen Geltendmachung des Anspruchs durch ein Verhalten des Schuldner veranlasst worden ist, dieser den Gläubiger von der Geltendmachung des Anspruchs bzw. der Einhaltung der Verfallfrist abgehalten hat, was etwa vorliegt, wenn der Arbeitgeber durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Arbeitnehmer die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht bzw., an objektiven Maßstäben gemessen, den Eindruck erweckt hat, der Arbeitnehmer könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist erfüllt werde. In solchen Fällen würde sich der Arbeitgeber in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten setzen, wenn er den Arbeitnehmer zunächst zu Untätigkeit veranlasst und dann, indem er den Verfall geltend macht, aus dieser Untätigkeit einen Vorteil für sich ableiten will (vgl. etwa BAG, U. v. 22.01.2008, aaO, Rz. 39 der Gründe; BAG, U. v. 13.12.2007, aaO, Rz. 32 der Gründe; BAG, U. v. 17.01.2006, 9 AZR 558/04, Rz. 23; BAG, U. v. 10.03.2005, 6 AZR 217/04, AP Nr. 38 zu § 70 BAT; BAG, U. v. 10.03.2005, 6 AZR 217/04, ZTR 2005, S. 366 - II. 1. der Gründe -; BAG, U. v. 10.10.2002, 8 AZR 8/02, AP Nr. 169 zu § 4 TVG Ausschlussfristen - II. 2. e) bb) (3) der Gründe -; BAG, U. v. 05.08.1999, 6 AZR 752/97, ZTR 2000, S. 36 f - 2. a) der Gründe -).
(2) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor (ungeachtet dessen, dass eine Ausschlussfrist, anders als die Verjährung als lediglich rechtshemmende - die Durchsetzbarkeit eines als solchen weiterbestehenden Anspruchs hindernde - Einrede, rechtsdogmatisch eine rechtsvernichtende Einwendung darstellt, die somit von Amts wegen zu beachten ist und vor allem mit ihrem Ablauf den Anspruch als solchen erlöschen lässt - weshalb auch die Annahme einer Unzulässigkeit eines subjektives „Berufens“ des Schuldners auf die Ausschlussfrist - deren bereits stattgefundene Wirkung - den einmal verfallenen Anspruch eigentlich nicht wieder zum Leben erwecken und ihn etwa konstitutiv neu begründen könnte ...):
Zum einen hat hier nicht die Beklagte den Kläger, zumal in treuwidriger, in irgendeiner nicht zu rechtfertigenden Weise in diesem Sinn, von der Einhaltung der tarifvertrag-
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lichen Ausschlussfrist abgehalten. Die Annahme des Klägers hinsichtlich eines Nichtverfalls von Urlaubsabgeltungsansprüchen mit Ablauf des 31.03.2008 ergab sich vielmehr später aus einer, durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Schultz-Hoff-Entscheidung vom 20.01.2009, aaO) veranlassten, Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit Urteil vom 24.03.2009 - also ca. ein Jahr nach dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses. Dies ist nicht der Beklagten zuzurechnen, geschweige denn ihr als treuwidriges Handeln gegenüber dem Kläger im Rahmen ihres (fehlenden) „Berufen-Dürfens“ auf die tarifrechtliche Ausschlussfrist anzulasten.
Zum anderen hat das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt, dass der Kläger selbst keinen Vertrauensschutz genießen kann, weil die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 und nachfolgend des Bundesarbeitsgerichts vom 24.03.2009 „zurückwirken“ - kein Vertrauensschutz hinsichtlich einer auch rückwirkend geltenden Rechtsprechungsänderung besteht, weil mit Veröffentlichung des zugrunde liegenden Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.08.2006 (somit ca. im Herbst 2006) bzw. bereits mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG vom 23.11.1996 damit zu rechnen sein musste, dass sich die Rechtsprechung i. S. der seit 1989 ständig geübten Kritik des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf künftig ändern und deshalb unabhängig von einer Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ein Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsanspruch nicht mehr verfallen würden (BAG, U. v. 24.03.2009, aaO - Rzn. 69 f/76 -; jetzt U. v. 23.03.2010, 9 AZR 128/09).
(3) Hiernach hätte es dem Kläger unschwer möglich und auch zumutbar sein müssen, seinen (etwaigen) Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch zeitnah nach seinem, bereits Anfang November 2007 mit Ablauf der Widerrufsfrist des Prozessvergleichs vom 24.10.2007 feststehenden, Ausscheiden zum 31.03.2008 prophylaktisch zunächst außergerichtlich und sodann ggf. gerichtlich geltend zu machen. Eine förmliche Aussetzung eines gerichtlichen Verfahrens (§ 148 ZPO - entsprechend -) oder, wie in der Praxis in der Tat nicht unüblich, ein (auch informelles) Ruhen eines solchen Rechtsstreits jedenfalls bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wäre nicht ungewöhnlich und prozesstaktisch zumindest sinnvoll gewesen.
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Dies unterlassen zu haben, kann jedoch keinen Vorwurf, gegenüber der Beklagten, begründen, diese verstoße mit ihrem „Berufen“ auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im vorstehenden Sinn, vergleichbar einer der dort genannten Fallgestaltungen.
2. Auch ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Verstoßes der Beklagten gegen ihre Pflichten aus dem Nachweisgesetz (§§ 286, 284, 249 f BGB) besteht nicht.
Auch insoweit zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass hier das Arbeitsverhältnis ab 01.07.1984 und damit lange vor Inkrafttreten des Nachweisgesetzes (zum 28.07.1995) bestand und der Kläger weder eine - den Vorgaben in § 2 NachwG vollständig entsprechende - Niederschrift in diesem Sinne (bis Ende September 1995) verlangt hatte (§ 4 Sätze 1 und 2 NachwG) noch eine schriftliche Mitteilungspflicht der Beklagten nach § 3 Satz 1 NachwG bestand, da auch die Vorgänger-Manteltarifverträge für den Groß- und Außenhandel in Bayern - auch derjenige, der zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers im Jahr 1984 galt - jeweils bereits für allgemeinverbindlich erklärt waren (weshalb danach auch keine erstmalige Tarifgeltung, mit Hinweispflicht gem. § 3 Satz 1 NachwG, bestand: BAG, U. v. 05.11.2003, 5 AZR 469/02, AP Nr. 1 zu § 3 NachwG), noch dies bei späterer Novellierung des unverändert jeweils für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrages - zumal ohne Veränderung der tradierten Ausschlussfristenregelung jetzt in § 18 MTV aktueller Fassung - erforderlich war (§ 3 Satz 2 NachwG).
Im Übrigen hätte der Kläger nach seinen eigenen Ausführungen auch bei Kenntnis der Geltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist aufgrund seiner anzunehmenden - von ihm selbst herausgestellten - Unkenntnis einer künftigen Rechtsprechungsänderung - deren fehlender Antizipation - eine rechtzeitige prophylaktische Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche unterlassen (auch: rechtmäßiges Alternativverhalten).
3. Deshalb kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
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III.
Der Kläger hat damit die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
IV.
Die Revision war bereits im Hinblick auf die Abweichung von der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur entscheidungserheblichen Rechtsfrage zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG). Im Einzelnen gilt:
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann der Kläger Revision einlegen.
Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.
Die Revision muss beim
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
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Postanschrift:
Bundesarbeitsgericht
99113 Erfurt
Telefax-Nummer:
0361 2636-2000
eingelegt und begründet werden.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände
- für ihre Mitglieder
- oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder
oder
von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,
- wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt
- und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.
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Zur Möglichkeit der Revisionseinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de
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