HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ham­burg, Ur­teil vom 17.04.2008, 1 Sa 10/07

   
Schlagworte: Lohnwucher
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Aktenzeichen: 1 Sa 10/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.04.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg
   

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg


Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes
 


Geschäfts­zei­chen:

1 Sa 10/07
(26 Ca 241/02 ArbG Ham­burg)

In dem Rechts­streit


Verkündet am: 17. April 2008

-Kläge­rin / Be­ru­fungskläge­rin-

ge­gen

An­ge­stell­te
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le 

 

- Be­klag­ter / Be­ru­fungs­be­klag­ter-

er­kennt das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg, Ers­te Kam­mer,
auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 21. Fe­bru­ar 2008
durch den Präsi­den­ten des Lan­des­ar­beits­ge­richts Dr. Nau­se als Vor­sit­zen­den
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Gruhl
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Lang­hein

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für Recht:

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 4. Mai 2007 – 26 Ca 241/02 – wird auf ih­re Kos­ten zurück­zu­wei­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.


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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g


Ge­gen die­ses Ur­teil kann die Kläge­rin Re­vi­si­on bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt wer­den. Die Re­vi­si­on kann nur dar­auf gestützt wer­den, dass das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts auf der Ver­let­zung ei­ner Rechts­norm be­ruht.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss ent­hal­ten:
- die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird;
- die Erklärung, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wird.
Mit der Re­vi­si­ons­schrift soll ei­ne Aus­fer­ti­gung oder be­glau­big­te Ab­schrift des an­ge­foch­te­nen Ur­teils vor­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on ist zu be­gründen. Die Re­vi­si­ons­be­gründung muss ent­hal­ten:
- die Erklärung, in­wie­weit das Ur­teil an­ge­foch­ten und des­sen Auf­he­bung be­an­tragt wird (Re­vi­si­ons­anträge),
- die An­ga­be der Re­vi­si­ons­gründe, und zwar,
a) die be­stimm­te Be­zeich­nung der Umstände, aus de­nen sich die Rechts­ver­let­zung er­gibt,
b) so­weit die Re­vi­si­on dar­auf gestützt wird, dass das Ge­setz in Be­zug auf das Ver­fah­ren ver­letzt sei, die Be­zeich­nung der Tat­sa­chen, die den Man­gel er­ge­ben.

Ei­ne Re­vi­si­on kann nur ein Rechts­an­walt oder ei­ne Rechts­anwältin, der bzw. die bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­sen ist, ein­le­gen und be­gründen.

Die Frist für die Ein­le­gung der Re­vi­si­on (Not­frist) beträgt ei­nen Mo­nat, die Frist für die Be­gründung der Re­vi­si­on zwei Mo­na­te. Die Re­vi­si­ons­be­gründungs­frist kann auf An­trag ein­mal bis zu ei­nem wei­te­ren Mo­nat verlängert wer­den.

Die Re­vi­si­ons­frist und die Re­vi­si­ons­be­gründungs­frist be­gin­nen mit dem Ta­ge der von Amts we­gen er­folg­ten Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils des Lan­des­ar­beits­ge­richts, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.


Hin­weis:

1. Die An­schrift des Bun­des­ar­beits­ge­richts lau­tet:

Hu­go-Preuß-Platz 1 – 99084 Er­furt

2. Aus tech­ni­schen Gründen sind die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift und die sons­ti­gen wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren in sie­ben­fa­cher Aus­fer­ti­gung (und für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ei­ne Aus­fer­ti­gung mehr) bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­zu­rei­chen.
 

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T A T B E S T A N D

Die Kläge­rin ver­langt mit der Kla­ge Zah­lung rest­li­chen Ent­gelts.

Der Be­klag­te ist In­ha­ber ei­nes Gar­ten­bau­be­trie­bes mit Be­triebsstätten in H. B. und St., in de­nen hauptsächlich Ro­sen an­ge­baut wer­den. Die Kläge­rin ist por­tu­gie­si­sche Staats­an­gehöri­ge und der deut­schen Spra­che nicht mäch­tig. Sie verfügt über kei­ne gärt­ne­ri­sche Aus­bil­dung. Sie war vom 10. April 1992 an zu­sam­men mit ih­rem Ehe­mann im Be­trieb des Be­klag­ten beschäftigt. Ent­spre­chend ei­nem in por­tu­gie­si­scher Spra­che ver­fass­ten Ar­beits­ver­trag, der ei­ne Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum 31. De­zem­ber 1993 vor­sah und we­gen des­sen Ein­zel­hei­ten auf die An­la­ge zum Schrift­satz des Be­klag­ten vom 2. Ju­li 2002 (Bl. 63 ff d.A.) ver­wie­sen wird, er­hielt sie ein Ent­gelt in Höhe von DM 6,00 pro St­un­de. Für Ar­beit am Sonn­tag wur­de ihr ins­ge­samt DM 10 net­to zusätz­lich ge­zahlt. Die Par­tei­en setz­ten das Ar­beits­verhält­nis über den 31. De­zem­ber 1993 hin­aus fort. Zum 1. Ja­nu­ar 2002 wur­de das Ent­gelt der Kläge­rin auf € 3,25 je St­un­de erhöht.

Die be­trieb­li­chen Ar­beits­zei­ten leg­te der Be­klag­te für mon­tags bis don­ners­tags von 6.00 bis 17.00 Uhr, frei­tags von 6.00 bis 16.00 Uhr und sonn­abends von 6.00 bis 12.00 Uhr fest. Von 9.00 bis 9.30 Uhr wur­de ei­ne be­zahl­te Pau­se so­wie mon­tags bis frei­tags von 12.00 bis 13.00 Uhr ei­ne un­be­zahl­te Pau­se gewährt.

Die Kläge­rin wohn­te zu­sam­men mit ih­rem Ehe­mann und zwei min­derjähri­gen Söhnen in ei­nem Gebäude auf ei­ner Be­triebsstätte des Be­klag­ten in St. bei H.. Die für Wohn­zwe­cke ge­nutz­te Grundfläche be­trug 50 qm. Als Wert des Sach­be­zu­ges für die Wohnstätte ein­sch­ließlich sämt­li­cher ver­brauchs­abhängi­ger und -un­abhängi­ger Ne­ben­kos­ten mit Aus­nah­me der Te­le­fon­kos­ten wur­den in den Ab­rech­nun­gen der Kläge­rin und ih­res Ehe­man­nes ins­ge­samt im De­zem­ber 1999 DM 280, im Jah­re 2000 DM 282,50 und im Jah­re 2001 DM 290 net­to pro Mo­nat an­ge­setzt. Die Kläge­rin nutz­te außer­dem noch meh­re­re hun­dert Qua­drat­me­ter des Grundstücks des Be­klag­ten als Gemüse­gar­ten und ei­nen Schup­pen als Hühner­stall, für den der Be­klag­ten den elek­tri­schen Strom zahl­te.

Im Rah­men­ta­rif­ver­trag für die Gar­ten­bau­be­trie­be in den Ländern Bre­men, Ham­burg, Nie­der­sach­sen, Schles­wig-Hol­stein und Hes­sen ist un­ter an­de­rem Fol­gen­des vor­ge­se­hen:

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„§ 2 Lohn­grup­pen­ein­tei­lung

A. Für Beschäftig­te nach § 1, Punkt 2, gärt­ne­ri­scher Be­reich

7. Ar­beit­neh­mer oh­ne gärt­ne­ri­sche Be­rufs­aus­bil­dung nach zweijähri­ger Be­triebs­zu­gehörig­keit.
8. Ar­beit­neh­mer oh­ne gärt­ne­ri­sche Be­rufs­aus­bil­dung bis zu zwei Jah­ren Be­triebs­zu­gehörig­keit.
9. a) un­re­gelmäßig beschäftig­te un­ge­lern­te Ar­beit­neh­mer (z.B. Ern­te­hel­fer),
b) un­ge­lern­te Ju­gend­li­che, die der Be­rufs­schul­pflicht un­ter­lie­gen.


§ 5 Ar­beits­zeit
1. Die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit beträgt 39 St­un­den. Ei­ne an­de­re Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit ist im Rah­men der Jah­res­ar­beits­zeit von 2036 St­un­den zulässig.

§ 6 Ar­beits­zeit-Son­der­re­ge­lun­gen

6. Die Zu­schläge be­tra­gen
1. für Mehr­ar­beit 25 %
2. für Nacht­ar­beit 20 %
3. für Sonn­tags­ar­beit 50 %
4. für Fei­er­tags­ar­beit 150 %

Tref­fen meh­re­re Zu­schläge (Zif­fer 1 bis 5) zu­sam­men, so ist der je­weils höchs­te Zu­schlag zu zah­len.

§ 15 Aus­schluss­fris­ten
1. …
2. Lohn­ansprüche al­ler Art und al­le übri­gen bei­der­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis sind in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Aushändi­gung der Ab­rech­nung bzw. nach ih­rem Ent­ste­hen schrift­lich gel­tend zu ma­chen.“

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Nach dem Lohn­ta­rif­ver­trag für die Gar­ten­bau­be­trie­be in den Ländern Schles­wig-Hol­stein, Nie­der­sach­sen, Ham­burg und Bre­men be­trug für die Lohn­grup­pe 7 das Ent­gelt pro St­un­de ab dem 1. Ju­li 2000 DM 15,07, ab dem 1. April 2001 DM 15,33 und ab dem 1. Ja­nu­ar 2002 € 7,84. Bis zum 30. Ju­ni 2000 be­trug der Ta­rif­lohn DM 14,77 pro St­un­de. Das Ta­ri­fent­gelt für die Lohn­grup­pe 9 be­trug in der Zeit vom 1. Ju­li 2000 bis zum 31. De­zem­ber 2001 DM 11,10 pro St­un­de und ab dem 1. Ja­nu­ar 2002 € 5,68 pro St­un­de.

Mit Schrei­ben vom 13. Ja­nu­ar 1998 (An­la­ge Bk 1 zur Be­ru­fungs­be­gründung, Bl. 315 d.A.) leg­te der Be­klag­te für die Kläge­rin und ih­ren Ehe­mann Ar­beits­zei­ten für die ein­zel­nen Wo­chen­ta­ge mit und erklärte, dass darüber hin­aus­ge­hen­de Ar­beits­zei­ten nicht be­zahlt würden.

We­gen der Ein­zel­hei­ten der der Kläge­rin für den Zeit­raum von De­zem­ber 1999 bis De­zem­ber 2001 vom Be­klag­ten er­teil­ten Ent­gel­tab­rech­nun­gen wird auf das An­la­gen­kon­vo­lut K 3 zur Klag­schrift (Bl. 21 ff d.A.) ver­wie­sen, we­gen der Ein­zel­hei­ten von St­un­den­auf­stel­lun­gen für die Mo­na­te Ja­nu­ar 2000 bis De­zem­ber 2001 auf das An­la­gen­kon­vo­lut K 8 zum Schrift­satz der Kläge­rin vom 14. Fe­bru­ar 2003 (Bl. 85 ff d.A.) und für die Mo­na­te De­zem­ber 1999 so­wie Ja­nu­ar bis Mai 2002 auf das An­la­gen­kon­vo­lut K 9 zum Schrift­satz der Kläge­rin vom 9. Fe­bru­ar 2005 (Bl. 141 ff d.A.). In die­sen St­un­den­auf­stel­lun­gen sind für Ar­bei­ten an Fei­er­ta­gen mehr St­un­den als die tatsächlich ge­leis­te­ten auf­ge­nom­men wor­den. Im April 2000 wur­den tatsächlich 287 St­un­den, im Mai 2000 346 St­un­den, im Ju­ni 2000 352 St­un­den, im Ok­to­ber 2000 295 St­un­den, im April 2001 282 St­un­den, im Mai 2001 334 St­un­den, im Ju­ni 2001 334 St­un­den, im Ok­to­ber 2001 321 St­un­den, im April 2002 231 St­un­den und im Mai 2002 229 St­un­den ge­leis­tet. Die in den St­un­den­auf­stel­lun­gen aus­ge­wie­se­nen St­un­den sind vom Be­klag­ten be­zahlt wor­den.

Mit Schrei­ben vom 18. April 2002 (An­la­ge K 6 zur Klag­schrift, Bl. 48 ff d.A.) ver­trat die Kläge­rin die Auf­fas­sung, dass die Ent­gelt­ver­ein­ba­rung zwi­schen den Par­tei­en we­gen Lohn­wu­chers nich­tig sei, und for­der­te den Be­klag­ten un­ter Frist­set­zung bis zum 2. Mai 2002 auf, für die Zeit ab dem 1. Ja­nu­ar 2002 Ab­rech­nun­gen über die zu­tref­fen­de Vergütung auf Grund­la­ge der ta­rif­li­chen Sätze zu er­tei­len und die sich zu­guns­ten der Kläge­rin er­ge­ben­den Beträge nach­zu­zah­len. Die­ses lehn­te der Be­klag­te mit Schrei­ben vom 7. Mai 2002 ab.

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Die Kläge­rin hat vor­ge­tra­gen, dass sie im Prin­zip An­alpha­be­tin sei. Sie sei auf An­wei­sung des Be­klag­ten ge­hal­ten ge­we­sen, im Re­gel­fall 300 St­un­den und bis zu 350 St­un­den Mehr­ar­beit pro Mo­nat zu leis­ten. Bei der von der Fa­mi­lie der Kläge­rin ge­nutz­ten Wohnfläche ha­be es sich um ei­nen Teil ei­nes Gewächs­hau­ses ge­han­delt. Bau­ord­nungs­recht­lich dürf­te die Be­hau­sung nicht für Wohn­zwe­cke zulässig sein. Sa­nitärräum­lich­kei­ten befänden sich et­wa 30 m von der Woh­nungs­ein­gangstür ent­fernt in ge­mein­schaft­li­chen So­zi­alräum­en für al­le Beschäftig­ten. Un­mit­tel­bar vor der Woh­nungs­ein­gangstür befände sich ei­ne Ro­sen­kul­tur, die zum Wohn­be­reich nur durch un­dich­tes Ple­xi­glas ab­ge­trennt sei. In frühe­ren Zei­ten sei die Fa­mi­lie für meh­re­re Ta­ge aus­quar­tiert wor­den, wenn die Ro­sen ge­spritzt wor­den sei­en. Die­se Schutz­maßnah­me sei dann je­doch un­ter­blie­ben. Auf­grund feh­len­der Sprach­kennt­nis­se, des Bil­dungs­stan­des und der Un­kennt­nis über Ar­beit­neh­mer­schutz­vor­schrif­ten ha­be die Kläge­rin das Ver­hal­ten des Be­klag­ten hin­neh­men müssen. Da die zwi­schen den Par­tei­en ge­trof­fe­ne Vergütungs­re­ge­lung we­gen Lohn­wu­chers nich­tig sei, könne die Kläge­rin die übli­che Vergütung ver­lan­gen. Darüber hin­aus ha­be sie Ansprüche auf Mehr­ar­beits­zu­schläge. Nach­dem die Kläge­rin und ihr Ehe­mann außer­ge­richt­lich ih­re jetzt mit der Kla­ge ver­folg­ten Ansprüche gel­tend ge­macht hätte, sei­en sie und ihr Ehe­mann mit Se­ri­en von Ab­mah­nun­gen über­zo­gen wor­den, mit de­nen teil­wei­se fast vier Mo­na­te zurück­lie­gen­de Vor­komm­nis­se her­an­ge­zo­gen wor­den sei­en. Die Ar­beits­platz­pro­ble­ma­tik ha­be zu re­ak­ti­ven de­pres­si­ven Störun­gen bei der Kläge­rin und ih­rem Ehe­mann geführt. Der Or­ga­ni­sa­ti­ons­grad im Gar­ten­bau­ver­band Nord e.V. Ham­burg, dem maßgeb­li­chen Ar­beit­ge­ber­ver­band für die Länder Ham­burg und Schles­wig-Hol­stein, lie­ge bei min­des­tes 45 %. Die­ses gel­te ins­be­son­de­re auch für Be­trie­be, die Schnitt­blu­men an­bau­ten. Im Rah­men des Schnitt­blu­men­an­baus ge­be es Be­trie­be, die An­ge­stell­te beschäftig­ten. Die Agen­tur für Ar­beit er­tei­le Ar­beits­er­laub­nis­se für ausländi­sche Sai­son­ar­beits­kräfte, wenn die­se nach der Lohn­grup­pe 9 A des Ta­rif­ver­tra­ges vergütet wer­den. Die Kläge­rin ha­be Brut­to­bezüge er­hal­ten, die 40 bis 50 % un­ter dem Ta­rif­lohn für die Lohn­grup­pe 7 ge­le­gen hätten. Die Ent­gelt­ver­ein­ba­rung zwi­schen den Par­tei­en sei mit­hin nich­tig, so dass die Kläge­rin An­spruch auf die übli­che Vergütung ha­be. Da­nach sei die Kläge­rin auf Grund­la­ge der Lohn­grup­pe 7 mit ei­ner Wo­chen­ar­beits­zeit von 39 St­un­den bei ei­nem Mehr­ar­beits­zu­schlag von 25 %, ei­nem Sonn­tags­zu­schlag von 50 % und ei­nem Fei­er­tags­zu­schlag von 150 % zu vergüten. Ins­ge­samt könne die Kläge­rin für den Zeit­raum von De­zem­ber 1999 bis Mai 2002 € 36.855,96 vom Be­klag­ten ver­lan­gen. We­gen der Be­rech­nung der Ansprüche für die ein­zel­nen Mo­na­te wird auf Bl. 4 bis 10 des Schrift­sat­zes der Kläge­rin vom 9. Fe­bru­ar 2005 (Bl. 133 ff d.A.) ver­wie­sen.

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Die Kläge­rin hat be­an­tragt,
die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin brut­to € 36.855,96 nebst Zin­sen in Höhe von je 4 % auf € 669,92 seit dem 1. Ja­nu­ar 2000, auf wei­te­re € 1.086,23 seit dem 1. Fe­bru­ar 2000, auf wei­te­re 876,88 seit dem 1. März 2000, auf wei­te­re € 1.169,47 seit dem 1. April 2000, auf wei­te­re € 1.292,96 seit dem 1. Mai 2000, und in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz auf wei­te­re € 1.351,33 seit dem 1. Ju­ni 2000, auf wei­te­re € 1.409,93 seit dem 1. Ju­li 2000, auf wei­te­re € 1.348,51 seit dem 1. Au­gust 2000, auf wei­te­re € 975,98 seit dem 1. Sep­tem­ber 2000, auf wei­te­re € 1.241,80 seit dem 1. Ok­to­ber 2000, auf wei­te­re € 1.241,71 seit dem 1. No­vem­ber 2000, auf wei­te­re € 1.220,34 seit dem 1. De­zem­ber 2000, auf wei­te­re € 1.357,35 seit dem 1. Ja­nu­ar 2001, auf wei­te­re € 1.264,96 seit dem 1. Fe­bru­ar 2001, auf wei­te­re € 1.113,98 seit dem 1. März 2001, auf wei­te­re € 1.376,79 seit dem 1. April 2001, auf wei­te­re € 1.308,49 seit dem 1. Mai 2001, auf wei­te­re € 1.438,07 seit dem 1. Ju­ni 2001, auf wei­te­re € 1.478,26 seit dem 1. Ju­li 2001, auf wei­te­re € 1.151,18 seit dem 1. Au­gust 2001, auf wei­te­re € 1.486,60 seit dem 1. Sep­tem­ber 2001, auf wei­te­re € 1.485,23 seit dem 1. Ok­to­ber 2001, auf wei­te­re € 1.469,00 seit dem 1. No­vem­ber 2001, auf wei­te­re € 1.215,04 seit dem 1. De­zem­ber 2001, auf wei­te­re € 1.224,45 seit dem 1. Ja­nu­ar 2002, auf wei­te­re € 1.237,80 seit dem 1. Fe­bru­ar 2002, auf wei­te­re € 785,17 seit dem 1. März 2002, auf wei­te­re € 1.004,61 seit dem 1. April 2002, auf wei­te­re € 1.043,64 seit dem 1. Mai 2002 und auf wei­te­re € 1.171,28 seit dem 1. Ju­ni 2002 zu zah­len.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt,
die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat vor­ge­tra­gen, dass Ansprüche vor dem 1. Ja­nu­ar 2002 verjährt sei­en. Der Be­klag­te könne, wol­le und müsse oh­ne Gefähr­dung der Exis­tenz sei­nes Be­trie­bes kein höhe­res Ent­gelt zah­len. Mehr­ar­beit sei von der Kläge­rin nur in den Sai­son­mo­na­ten ge­leis­tet wor­den. Maßstab für die Prüfung des Lohn­wu­chers könne nicht der Ta­rif­ver­trag sein, weil die Par­tei­en sich be­wusst nicht ta­rif­ge­bun­den hätten. Die­ses hätte der Be­klag­te un­ter an­de­rem des­halb nicht ge­tan, weil die durch die Leis­tung der Kläge­rin er­ziel­te Wertschöpfung für sei­nen Be­trieb nicht mit ta­rif­li­chen Zah­lun­gen gleich­zu­set­zen sei, die Be­trie­be leis­ten könn­ten, die auf ei­nem ganz an­de­ren wirt­schaft­li­chen Ni­veau ar­bei­te­ten. Die Er­kun­di­gun­gen des Be­klag­ten hätten er­ge­ben, dass al­len­falls 40 % der Gärt­ne­rei­be­trie­be Ham­burgs im

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Ar­beit­ge­ber­ver­band or­ga­ni­siert sei­en. Der Be­trieb des Be­klag­ten sei nicht mit an­de­ren Gar­ten­bau­be­trie­ben in den Vier­lan­den ver­gleich­bar, weil der Be­klag­te aus­sch­ließlich Schnit­tro­sen an­baue. Da die­ses ei­ne leicht ver­derb­li­che Wa­re sei, sei ein ho­her Wa­ren­be­stand Aus­schuss­wa­re und könne nicht ver­kauft wer­den. Außer­dem sei der Be­trieb des Be­klag­ten ex­trem sai­son- und im be­son­de­ren Maße wit­te­rungs­abhängig. Be­son­ders schwie­rig sei die Si­tua­ti­on ge­ra­de für Be­trie­be der Art des Be­klag­ten, weil seit Jah­ren und in zu­neh­men­der Wei­se Schnit­tro­sen aus al­ler Welt zu ab­so­lu­ten Bil­lig­prei­sen den Markt über­schwemm­ten, die zum Teil nur 0,3 Cent kos­te­ten. Be­trie­be die­ser Art könn­ten in Deutsch­land und den Vier­lan­den über­haupt nur als Fa­mi­li­en­be­trie­be exis­tie­ren, al­so oh­ne oder mit sehr we­ni­gen An­ge­stell­ten und Mit­ar­beit der Fa­mi­li­en­mit­glie­der in ei­nem Um­fang, wel­cher mit ta­rif­ver­trag­li­chen Re­geln nicht ver­gleich­bar sei. Hierfür sei der Be­trieb des Be­klag­ten wie­der­um zu groß. Die­ses ände­re aber an den Ge­winn­mar­gen nichts. Ak­tu­ell und in den letz­ten Jah­ren hätte der Be­trieb des Be­klag­ten ei­nen durch­schnitt­li­chen Jah­res­ver­lust von DM 500.000 hin­neh­men müssen. Ver­gleich­ba­re Be­trie­be sol­cher Art mit der­ar­ti­gen be­trieb­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten zahl­ten kei­ne höhe­ren Löhne. Die von der Kläge­rin vor­ge­tra­ge­nen Ar­beits­zei­ten gälten nur in der Sai­son. In der Zeit von Ok­to­ber bis Fe­bru­ar hätte die Kläge­rin kei­ne Über­stun­den zu leis­ten. Es fal­le dann kaum Ar­beit an und die meis­ten Beschäftig­ten würden ent­las­sen. Die Kläge­rin ar­bei­te durch, weil sie den Be­klag­ten inständig dar­um ge­be­ten ha­be. Der Be­klag­te ha­be die­ses aus Gefällig­keit gewährt, ob­wohl der Be­trieb in den Mo­na­ten De­zem­ber, Ja­nu­ar und Fe­bru­ar prak­tisch kei­ne Ein­nah­men ha­be. Die Kläge­rin sei der deut­schen Spra­che recht gut mäch­tig, wenn sie die­ses wol­le. In der fest ge­mau­er­ten Woh­nung der Kläge­rin befände sich ei­ne ab­ge­schlos­se­ne Sa­nitärräum­lich­keit für die Fa­mi­lie der Kläge­rin und die­se. Die Woh­nung ha­be tatsächlich ei­nen Wohn­kalt­wert von min­des­tens DM 7,50 net­to pro Qua­drat­me­ter.

Das Ar­beits­ge­richt Ham­burg hat durch Be­schluss vom 7. April 2005 (Pro­to­koll der Sit­zung vom 7. April 2005, Bl. 161 f d.A.) ent­schie­den, Auskünf­te ein­zu­ho­len. Der Nord­west­deut­sche Gar­ten­bau­ver­band mit Schrei­ben vom 28. April 2005 (Bl. 168 d.A.), der Gar­ten­bau­ver­band Nord mit zwei Schrei­ben un­ter dem Da­tum des 3. Mai 2005 (Bl. 170 und 175 d.A.) und der Lan­des­ver­band Gar­ten­bau Nie­der­sach­sen mit Schrei­ben vom 24. Mai 2005 so­wie die Bun­des­agen­tur für Ar­beit mit Schrei­ben vom 18. Ju­li und 1. Au­gust 2005 (Bl. 185 und 188 d.A.) und die In­dus­trie­ge­werk­schaft Bau­en-Agrar-Um­welt mit Schrei­ben vom 17. Ok­to­ber 2005 (Bl. 191 d.A.) ha­ben Auskünf­te er­teilt. Das Ar­beits­ge­richt hat sich mit Schrei­ben vom 16. März 2006 an das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt (Bl. 198 d.A.) ge­wandt und um ei­ne wei­te­re

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Aus­kunft ge­be­ten. Wei­ter hat es mit Schrei­ben an die In­dus­trie­ge­werk­schaft Bau­en-Agrar-Um­welt und an den Gar­ten­bau­ver­band Nord e.V., bei­de vom 16. März 2006 (Bl. 199 f d.A.), um ei­ne Ergänzung der von die­sen er­teil­ten Auskünf­te ge­be­ten. Das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt hat mit Schrei­ben nebst An­la­gen vom 30. März 2006 (Bl. 201 ff d.A.) auf die An­fra­ge des Ar­beits­ge­richts ge­ant­wor­tet, die In­dus­trie­ge­werk­schaft Bau­en-Agrar-Um­welt mit Schrei­ben vom 9. Ju­ni 2006 (Bl. 210 d.A.) und der Gar­ten­bau­ver­band Nord e.V. mit Schrei­ben vom 26. Ju­ni 2006 (Bl. 211 f d.A.).

Durch Be­schluss vom 18. Ok­to­ber 2006 (Bl. 227 d.A.) hat das Ar­beits­ge­richt Ham­burg ent­schie­den, ei­ne Aus­kunft des Sta­tis­ti­schen Am­tes für Ham­burg und Schles­wig-Hol­stein ein­zu­ho­len. Die­se Aus­kunft ist mit Schrei­ben nebst An­la­gen vom 14. No­vem­ber 2005 (Bl 232 ff d.A.) er­teilt wor­den.

Fer­ner hat das Ar­beits­ge­richt mit Schrei­ben vom 23. No­vem­ber 2006 (Bl. 237 d.A.) von der Ham­bur­ger Behörde für Stadt­ent­wick­lung und Um­welt ei­ne Aus­kunft zu Miet­prei­sen er­be­ten, die mit Schrei­ben nebst An­la­gen vom 29. No­vem­ber 2006 er­teilt wur­de.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge mit Ur­teil vom 4. Mai 2007 ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es aus­geführt, dass das Ent­gelt bei Be­gründung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht wu­che­risch nied­rig ge­we­sen sei, weil es mehr als zwei Drit­tel des sei­ner­zeit gel­ten­den Ta­rif­lohns der Grup­pe 7 und 8 be­tra­gen ha­be. Ei­ne späte­re Verände­rung des Verhält­nis­ses zwi­schen Ta­rif­lohn und ge­zahl­tem Ent­gelt sei für den Lohn­wu­cher oh­ne Be­deu­tung, weil es da­bei al­lein auf den Zeit­punkt der Be­gründung des Ver­trags­verhält­nis­ses an­kom­me. Ei­ne an­de­re An­spruchs­grund­la­ge für das Ver­lan­gen der Kläge­rin sei nicht ge­ge­ben. Ge­gen die­ses Ur­teil, das der Kläge­rin am 24. Sep­tem­ber 2007 zu­ge­stellt wur­de, hat sie mit Schrift­satz vom 8. Ok­to­ber 2007, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen am 9. Ok­to­ber 2007, Be­ru­fung ein­ge­legt. Mit Schrift­satz vom 23. No­vem­ber 2007, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen am sel­ben Ta­ge, hat die Kläge­rin die Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist um ei­nen Mo­nat bis zum 27. De­zem­ber 2007 be­an­tragt. Die­sem An­trag hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt durch Be­schluss vom 26. No­vem­ber 2007 statt­ge­ge­ben. Mit Schrift­satz vom 27. De­zem­ber 2007, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen am sel­ben Ta­ge, hat die Kläge­rin die Be­ru­fung be­gründet.

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Die Kläge­rin hält das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts aus Rechts­gründen für un­zu­tref­fend. Un­ter Berück­sich­ti­gung des Um­fangs der Ar­beits­zeit und des Feh­lens von Zu­schlägen für Sonn- und Fei­er­tags­ar­beit sei schon bei Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­ne Nich­tig­keit der Ver­ein­ba­rung ge­ge­ben ge­we­sen. Auch sei zu berück­sich­ti­gen, dass die Kläge­rin kein Ur­laubs­geld er­hal­ten ha­be und ihr der ta­rif­ver­trag­li­che Ur­laub nicht gewährt wor­den sei. Mit dem Schrei­ben vom 13. Ja­nu­ar 1998 sei zwi­schen den Par­tei­en still­schwei­gend ei­ne Ar­beits­zeit von 60 St­un­den pro Wo­che ver­ein­bart wor­den. Die Woh­nung sei nicht als Vor­teil zu berück­sich­ti­gen, viel­mehr sei ein Wert­ab­schlag vor­zu­neh­men, weil die Kläge­rin we­gen der un­mit­tel­ba­ren räum­li­chen Nähe zum Be­trieb un­ter ei­nem ständi­gen Leis­tungs- und Ar­beits­druck ge­stan­den ha­be. Außer­dem ha­be die Kläge­rin mit ih­rer Fa­mi­lie mehr­mals ge­ra­de­zu flucht­ar­tig die Be­hau­sungsmöglich­keit ver­las­sen müssen, weil die Ro­sen­kul­tu­ren mit Fun­gi­zi­den, Her­bi­zi­den und Pes­ti­zi­den be­han­delt wor­den sei­en.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

den Be­klag­ten un­ter Auf­he­bung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 11. Mai 2007 zur Geschäfts­num­mer 26 Ca 241/02 zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin brut­to € 36.855,96 nebst Zin­sen in Höhe von je 4 % auf € 669,92 seit dem 1. Ja­nu­ar 2000, auf wei­te­re € 1.086,23 seit dem 1. Fe­bru­ar 2000, auf wei­te­re 876,88 seit dem 1. März 2000, auf wei­te­re € 1.169,47 seit dem 1. April 2000, auf wei­te­re € 1.292,96 seit dem 1. Mai 2000, und in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz auf wei­te­re € 1.351,33 seit dem 1. Ju­ni 2000, auf wei­te­re € 1.409,93 seit dem 1. Ju­li 2000, auf wei­te­re € 1.348,51 seit dem 1. Au­gust 2000, auf wei­te­re € 975,98 seit dem 1. Sep­tem­ber 2000, auf wei­te­re € 1.241,80 seit dem 1. Ok­to­ber 2000, auf wei­te­re € 1.241,71 seit dem 1. No­vem­ber 2000, auf wei­te­re € 1.220,34 seit dem 1. De­zem­ber 2000, auf wei­te­re € 1.357,35 seit dem 1. Ja­nu­ar 2001, auf wei­te­re € 1.264,96 seit dem 1. Fe­bru­ar 2001, auf wei­te­re € 1.113,98 seit dem 1. März 2001, auf wei­te­re € 1.376,79 seit dem 1. April 2001, auf wei­te­re € 1.308,49 seit dem 1. Mai 2001, auf wei­te­re € 1.438,07 seit dem 1. Ju­ni 2001, auf wei­te­re € 1.478,26 seit dem 1. Ju­li 2001, auf wei­te­re € 1.151,18 seit dem 1. Au­gust 2001, auf wei­te­re € 1.486,60 seit dem 1. Sep­tem­ber 2001, auf wei­te­re € 1.485,23 seit dem 1. Ok­to­ber 2001, auf wei­te­re € 1.469,00 seit dem 1. No­vem­ber 2001, auf wei­te­re € 1.215,04 seit dem 1. De­zem­ber 2001, auf wei­te­re € 1.224,45 seit dem 1. Ja­nu­ar 2002, auf wei­te­re € 1.237,80 seit dem 1. Fe­bru­ar 2002, auf wei­te­re € 785,17 seit dem 1. März 2002, auf wei­te­re € 1.004,61

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seit dem 1. April 2002, auf wei­te­re € 1.043,64 seit dem 1. Mai 2002 und auf wei­te­re € 1.171,28 seit dem 1. Ju­ni 2002 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,
die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie hält das Ur­teil aus Rechts­gründen für zu­tref­fend.


E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E

Die Be­ru­fung ist zulässig, aber un­be­gründet und des­halb zurück­zu­wei­sen.

1. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist zulässig. Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buch­sta­be b ArbGG ist sie statt­haft. Sie ist im Sin­ne der §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und frist­gemäß ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

2. Die Be­ru­fung ist un­be­gründet, weil die Kla­ge zwar zulässig, aber un­be­gründet ist.

a) Die Kla­ge ist zulässig. Mit ih­rem Haupt­an­trag ver­langt die Kläge­rin ei­ne hin­rei­chend be­stimm­te Leis­tung, nämlich die Zah­lung von Geld. Zulässig sind auch die von der Kläge­rin für die Ent­gelt­ansprüche ab Mai 2000 ver­folg­ten Zins­anträge, ob­wohl in ih­nen die Höhe des Zins­sat­zes nicht be­stimmt an­ge­ge­ben ist, son­dern Zinssätze von fünf Pro­zent­punk­ten über dem der Höhe nach nicht ge­nann­ten Ba­sis­zins­satz ver­langt wer­den. Die­se Be­zeich­nung ist aus­rei­chend. Durch den Be­zug auf den Ba­sis­zins­satz ist es möglich, den Zins­satz zu be­stim­men. Die­ser Satz wird re­gelmäßig öffent­lich be­kannt ge­ge­ben. Ein An­trag muss nicht möglichst be­stimmt, son­dern hin­rei­chend be­stimmt sein. Dass der Schuld­ner, der die Zin­sen durch man­geln­de Zah­lung ver­an­lasst hat, da­durch mehr be­las­tet wird als durch ei­ne An­ga­be in Pro­zent­punk­ten, ist un­er­heb­lich (BAG, Ur­teil vom 1. Ok­to­ber 2002, Az: 9 AZR 215/01, AP Nr. 37 zu § 253 ZPO, EzA § 4 TVG Aus­schluss­fris­ten Nr. 157).

Sons­ti­ge Be­den­ken ge­gen die Zulässig­keit der Kla­ge sind nicht er­sicht­lich.

b) Die Kla­ge ist un­be­gründet.

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Die Kläge­rin hat kei­ne Ansprüche auf Ent­gelt­zah­lun­gen ge­gen den Be­klag­ten, die den ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Ent­gelt­an­spruch über­stei­gen. Ei­ne Grund­la­ge für der­ar­ti­ge Ansprüche be­steht nicht.

aa) Ansprüche der Kläge­rin fol­gen nicht aus ei­ner Nich­tig­keit der zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Ent­gelt­ver­ein­ba­rung in Ver­bin­dung mit § 612 Abs. 2 BGB.

aaa) Die zwi­schen den Par­tei­en ge­trof­fe­ne Ent­gelt­ver­ein­ba­rung ist nicht anfäng­lich nach § 134 BGB in Ver­bin­dung mit dem straf­recht­li­chen Wu­cher­tat­be­stand oder nach § 138 Abs. 1 und 2 BGB nich­tig. Vor­aus­set­zung für ei­ne der­ar­ti­ge Nich­tig­keit wäre un­ter an­de­rem, dass zwi­schen der von der Kläge­rin zu er­brin­gen­den Leis­tung und dem dafür ver­spro­che­nen Ent­gelt ein auffälli­ges Miss­verhält­nis be­stan­den hätte. Für die Fest­stel­lung ei­nes auffälli­gen Miss­verhält­nis­ses gel­ten fol­gen­de Grundsätze: Maßgeb­lich ist ein Ver­gleich zwi­schen dem ver­ein­bar­ten Ent­gelt und - so­weit vor­han­den - dem Ta­ri­fent­gelt, und zwar oh­ne ta­rif­li­che Zu­satz­leis­tun­gen. In Be­rei­chen, in de­nen kei­ne ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge exis­tie­ren, sind ver­wand­te Ta­rif­verträge als Ver­gleichs­maßstab her­an­zu­zie­hen. Erhält ei­ne Ar­beit­neh­me­rin 70 % des Ta­ri­fent­gelts, soll kein auffälli­ges Miss­verhält­nis ge­ge­ben sein, das bei 63 % oder zwei Drit­teln des Ver­gleichs­ent­gelts aber ge­ge­ben sein soll (ErfK/Preis, § 612 BGB, Rd­nr. 3).

Maßgeb­li­cher Zeit­punkt für die Er­mitt­lung des auffälli­gen Miss­verhält­nis­ses zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung bei Ver­trags­ab­schluss ist vor­lie­gend spätes­tens der 1. Ja­nu­ar 1994, an dem das Ar­beits­verhält­nis nach Ab­lauf der Be­fris­tung am 31. De­zem­ber 1993 un­verändert fort­ge­setzt wur­de. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin kann nicht auf die An­wei­sung des Be­klag­ten hin­sicht­lich der Ar­beits­zei­ten vom 13. Ja­nu­ar 1998 ab­ge­stellt wer­den, weil es sich da­bei nicht um ei­ne Ände­rung des Ar­beits­ver­tra­ges han­delt. Der Be­klag­te berühmt sich viel­mehr mit die­sem Schrei­ben ei­nes ein­sei­ti­gen Wei­sungs­rechts und lässt ge­ra­de nicht den Wil­len er­ken­nen, den bis­he­ri­gen In­halt des Ar­beits­ver­tra­ges mit der Kläge­rin ein­ver­nehm­lich ändern zu wol­len. We­der kann des­halb sei­ne Erklärung als An­ge­bot auf Ver­tragsände­rung ver­stan­den wer­den noch kommt der rüge­lo­sen Fort­set­zung der Ar­beit durch die Kläge­rin der schlüssi­ge Erklärungs­wert zu, mit ei­ner dem In­halt der Erklärung des Be­klag­ten ent­spre­chen­den Ver­tragsände­rung ein­ver­stan­den zu sein. Die Erklärung des Be­klag­ten und das Ver­hal­ten der Kläge­rin können nicht da­hin­ge­hend ver­stan­den wer­den, dass

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sie auf die Er­zie­lung ei­nes Ein­ver­neh­mens hin­sicht­lich der ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen ge­rich­tet sind.

Zum dem da­mit maßgeb­li­chen Zeit­punkt am 1. Ja­nu­ar 1994 be­stand zwi­schen der Leis­tung der Kläge­rin und der Ge­gen­leis­tung des Be­klag­ten kein auffälli­ges Miss­verhält­nis. Ein Ent­gelt von DM 6,00 net­to pro St­un­de über­steigt of­fen­sicht­lich zwei Drit­tel des sei­ner­zei­ti­gen ta­rif­li­chen St­un­den­loh­nes von DM 11,20 brut­to, al­so DM 7,47 brut­to. Ob und ggf. in wel­cher Höhe der Wert des der Kläge­rin zur Verfügung ge­stell­ten Wohn­raums sei­ner­zeit berück­sich­tigt wer­den konn­te, kann da­hin­ge­stellt blei­ben, weil die Kläge­rin nicht an­ge­ge­ben hat, wel­chen Sach­be­zugs­wert der Be­klag­te hierfür im Ja­nu­ar 1994 zu­grun­de ge­legt hat. Auch kommt es zur Er­mitt­lung ei­nes auffälli­gen Miss­verhält­nis­ses zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung nicht auf den tatsächli­chen Wohn­wert an. Die Par­tei­en ha­ben sich zwar ge­ei­nigt, dass der Kläge­rin und ih­rem Ehe­mann der Wohn­raum zur Verfügung ge­stellt wird. Sie ha­ben aber hierfür ver­trag­lich kei­nen Miet­wert fest­ge­legt. Hätte der Be­klag­te in den Ab­rech­nun­gen ei­nen zu ho­hen Wert für den Sach­be­zug ein­ge­stellt, ergäbe sich dar­aus nicht, dass die Ent­gelt­ver­ein­ba­rung we­gen ei­nes auffälli­gen Miss­verhält­nis­ses zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung nich­tig wäre, son­dern nur, dass der Be­klag­te von ei­nem un­zu­tref­fen­den Wert aus­ge­gan­gen ist, des­sen Kor­rek­tur die Kläge­rin je­der­zeit und un­abhängig von dem Vor­lie­gen ei­nes Lohn­wu­chers ver­lan­gen könn­te. Die­ses er­gibt sich dar­aus, dass es der Wert des Sach­be­zugs nicht zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bart ist und des­halb schlüssig der „rich­ti­ge“ Sach­be­zugs­wert zu­grun­de zu le­gen ist.

Bei ei­nem St­un­den­lohn der Kläge­rin von DM 6,00 net­to kann nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass mehr als zwei Drit­tel so­wohl des im Ja­nu­ar 1994 gel­ten­den ta­rif­li­chen St­un­den­loh­nes von DM 11,20 brut­to, al­so DM 7,47 brut­to, als auch des ab Mai 1994 gel­ten­den ta­rif­li­chen St­un­den­loh­nes von DM 12,98 brut­to, al­so DM 8,65 brut­to, nicht er­reicht wer­den. Tat­sa­chen, aus de­nen sich die­ses er­ge­ben könn­te, sind nicht er­sicht­lich, ins­be­son­de­re von der Kläge­rin nicht vor­ge­tra­gen wor­den. Die­ses geht zu ih­ren Las­ten, weil sie als An­spruch­stel­le­rin die Dar­le­gungs­last dafür trägt, dass zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung ein auffälli­ges Miss­verhält­nis be­stand. Die­ses ist nämlich die Vor­aus­set­zung für ei­ne Nich­tig­keit der Lohn­ver­ein­ba­rung, aus der sich er­ge­ben soll, dass an die Kläge­rin der von ihr ver­lang­te übli­che höhe­re Lohn zu zah­len ist. Je­den­falls wenn mehr als zwei Drit­tel des ta­rif­li­chen Ent­gelts ge­zahlt wur­den, kann ein auffälli­ges Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung nicht an­ge­nom­men wer­den.

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bbb) Ei­ne Nich­tig­keit der Ent­gelt­ver­ein­ba­rung nach § 134 BGB in Ver­bin­dung mit dem straf­recht­li­chen Wu­cher­tat­be­stand oder nach § 138 Abs. 1 und 2 BGB folgt nicht dar­aus, dass sich mögli­cher­wei­se im Ver­lau­fe des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zu dem hier streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum von De­zem­ber 1999 bis Mai 2002 ein auffälli­ges Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung da­durch ent­wi­ckelt hat, dass das Ent­gelt der Kläge­rin nicht, wohl aber das Ta­rif- oder sons­ti­ge Ver­gleichs­ent­gelt erhöht wur­de. Ei­ne Nich­tig­keit nach § 138 Abs. 1 oder 2 BGB kann nur ein­tre­ten, wenn nach den Verhält­nis­sen zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses ein auffälli­ges Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung vor­lag, nicht wenn sich die­ses erst im Lau­fe des Ver­trags­verhält­nis­ses er­gibt. Die Auf­fas­sung, dass für die Prüfung des Miss­verhält­nis­ses nicht auf den Zeit­punkt des Ver­trags­ab­schlus­ses, son­dern auf den streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum ab­zu­stel­len sei (ErfK/Preis, § 612 BGB, Rd­nr. 3), ist un­zu­tref­fend. Sie fin­det kei­ne Stütze im Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 23. Mai 2001 (5 AZR 527/99, EzA BGB § 138 Nr. 29, zi­tiert nach Ju­ris), weil das Ge­richt in die­ser Ent­schei­dung nur zum Aus­druck bringt, dass selbst dann, wenn es auf den streit­ge­genständ­li­chen Zeit­punkt an­kom­men soll­te, kein auffälli­ges Miss­verhält­nis ge­ge­ben ist. Al­lein der Zeit­punkt des Ver­trags­ab­schlus­ses und nicht der streit­ge­genständ­li­che Zeit­raum kann her­an­ge­zo­gen wer­den, weil die ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten zum Ent­gelt­wu­cher je­weils auf das zu­grun­de lie­gen­de Rechts­geschäft und nicht auf den Zeit­punkt des tatsächli­chen Leis­tungs­aus­tau­sches ab­stel­len. Ein sol­cher Leis­tungs­aus­tausch ist ei­ner „Nich­tig­keits­fol­ge“ un­zugäng­lich. So­weit die Ar­beit­neh­me­rin bei ihm ei­ne Ar­beits­leis­tung er­bringt, fehlt es schon an ei­nem Rechts­geschäft, weil es sich da­bei um ein tatsächli­ches Ver­hal­ten han­delt. Zwar be­inhal­tet die Ent­gelt­zah­lung des Ar­beit­ge­bers ein Rechts­geschäft, weil da­bei ei­ne Übe­reig­nung statt­fin­det, je­doch ist die­ses ein rei­nes Erfüllungs­geschäft, das kei­ne Re­ge­lung zur Höhe der Ge­gen­leis­tung trifft. So­weit § 138 Abs. 2 BGB vor­sieht, dass auch das Rechts­geschäft nich­tig ist, durch das sich der Wu­che­rer die Vermögens­vor­tei­le gewähren lässt, be­deu­tet die­ses nach den zu­tref­fen­den Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts nur, dass bei Vor­lie­gen ei­nes Wu­chers die Nich­tig­keits­fol­ge auch das Erfüllungs­geschäft be­trifft.

bb) Die Kläge­rin hat kei­ne Ansprüche ge­gen den Be­klag­ten auf Leis­tung von Scha­dens­er­satz aus Ver­let­zung ei­ner Ver­trags­pflicht, mit de­nen die­ser im Er­geb­nis ver­pflich­tet wäre, ganz oder teil­wei­se höhe­re Mo­nats­ent­gel­te an die Kläge­rin zu zah­len. Zwar kann bei ei­ner an den Grund­rech­ten ori­en­tier­ten Aus­le­gung des Ar­beits­ver­tra­ges nach §§ 133, 157 BGB

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ins­be­son­de­re un­ter Berück­sich­ti­gung der so­zia­len Schutz­bedürf­tig­keit der Ar­beit­neh­me­rin ei­ne un­ge­schrie­be­ne ar­beits­ver­trag­li­che Ne­ben­pflicht des Ar­beit­ge­bers ge­ben, der Ar­beit­neh­me­rin im Ver­lau­fe ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses Ent­gel­terhöhun­gen je­den­falls in der Höhe an­zu­bie­ten, dass es nicht zu ei­nem auffälli­gen Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung kommt. Selbst wenn die­se Pflicht an­ge­nom­men wer­den könn­te, hätte der Be­klag­te sie vor­lie­gend aber nicht ver­letzt. Es kann des­halb da­hin­ge­stellt blei­ben, ob und in wel­chem Um­fang die Kläge­rin im Fal­le ei­ner Ver­trags­ver­let­zung ein Mit­ver­schul­den dar­an tref­fen würde. Maßgeb­lich ist, dass das ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te und der Kläge­rin gewähr­te Ent­gelt je­den­falls vor­lie­gend noch nicht in ei­nem sol­chen Miss­verhält­nis zu der von ihr er­brach­ten und ge­schul­de­ten Ar­beits­leis­tung stand, dass der Be­klag­te zu ei­ner Ent­gel­terhöhung ver­pflich­tet ge­we­sen wäre.

Bei dem in­so­weit vor­zu­neh­men­den Ver­gleich der Brut­to­ent­gel­te ist für die Er­mitt­lung des der Kläge­rin zu­ge­flos­se­nen Brut­to­ent­gelts der Sach­be­zug „Woh­nung“ mit den vom Be­klag­ten in der Ab­rech­nung zu­grun­de ge­leg­ten Wer­ten von DM 140,00 net­to im De­zem­ber 1999, je DM 141,25 net­to von Ja­nu­ar bis De­zem­ber 2000, je DM 145 von Ja­nu­ar bis De­zem­ber 2001 und mo­nat­lich je € 76,25 seit Ja­nu­ar 2002 bzw. in den Mo­na­ten, in de­nen der Ehe­mann der Kläge­rin kei­nen Ent­gelt­an­spruch ge­gen den Be­klag­ten hat­te, mit dem Dop­pel­ten die­ser Beträge zu berück­sich­ti­gen. An­ge­sichts des Um­stan­des, dass die Kläge­rin und ihr Ehe­mann für die Woh­nung kei­ner­lei ver­brauchs­abhängi­ge und -un­abhängi­ge Ne­ben­kos­ten zu zah­len hat­ten, han­delt es sich da­bei um an­ge­mes­se­ne Beträge. Der Auf­fas­sung der Kläge­rin, dass die kos­ten­freie Stel­lung der Woh­nung für sie und ih­ren Ehe­mann kei­ner­lei Wert hat­te, kann schon des­halb nicht ge­folgt wer­den, weil sie sich sonst an­der­wei­tig um ei­ne Woh­nung hätten kümmern müssen, für die sie Mie­te und ver­brauchs­abhängi­ge und -un­abhängi­ge Ne­ben­kos­ten zu zah­len ge­habt hätten. Durch die Möglich­keit, beim Be­klag­ten in je­der Hin­sicht kos­ten­frei zu woh­nen, ha­ben sie des­halb ei­nen wirt­schaft­li­chen Vor­teil ge­habt, der Ge­gen­leis­tung für die dem Be­klag­ten er­brach­te Ar­beits­leis­tung war. Außer­dem ist für den Wert zu berück­sich­ti­gen, dass die Kläge­rin ei­nen Teil des Grundstücks des Be­klag­ten als Gemüse­gar­ten und ei­nen Schup­pen als Hühner­stall nut­zen konn­te. Auch hier­bei han­delt es sich um den Wohn­wert stei­gern­de Umstände, weil der­ar­ti­ge zusätz­li­che Möglich­kei­ten re­gelmäßig nur durch die Zah­lung ei­ner höhe­ren Mie­te er­langt wer­den können. Ein sub­stan­zi­ier­ter Vor­trag der Kläge­rin da­zu, wel­cher Wert für die Woh­nung nebst Ne­ben­kos­ten und sons­ti­gen Nut­zungsmöglich­kei­ten an­zu­neh­men war, fehlt. Die Kläge­rin be­schränkt sich viel­mehr dar­auf, die vom Ge­richt nicht ge­teil­te Auf­fas­sung zu ver­tre­ten, dass es ei­nen sol­chen

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wirt­schaft­li­chen Wert nicht gab. Da­mit fehlt es an ei­nem Tat­sa­chen­vor­trag der Kläge­rin, der ei­nen Ver­gleich zwi­schen dem von ihr an­ge­nom­me­nen „wah­ren“ Wohn­wert für ei­ne der­ar­ti­ge Woh­nung in St. und dem vom Be­klag­ten an­ge­setz­ten Wert ermöglicht hätte. Das Vor­brin­gen des Be­klag­ten zu dem Wohn­wert ist von der Kläge­rin nicht in be­acht­li­cher Wei­se be­strit­ten wor­den und der Ent­schei­dung zu­grun­de zu le­gen.

Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Wohn­wer­te be­stand zwi­schen der Ar­beits­leis­tung der Kläge­rin und dem dafür vom Be­klag­ten ge­zahl­ten Ent­gelt in dem streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum von De­zem­ber 1999 bis Mai 2002 kein auffälli­ges Miss­verhält­nis. Als Ta­ri­fent­gelt ist für die Zeit von De­zem­ber 1999 bis Ju­ni 2000 ein St­un­den­lohn von DM 14,77 brut­to, für die Zeit von Ju­li 2000 bis März 2001 ein St­un­den­lohn von DM 15,07 brut­to, für die Zeit von April 2001 bis De­zem­ber 2001 ein St­un­den­lohn von DM 15,33 brut­to und ab Ja­nu­ar 2002 ein St­un­den­lohn von € 7,84 brut­to zu berück­sich­ti­gen. Es kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob ent­spre­chend der Auf­fas­sung des Be­klag­ten die­ses Ta­ri­fent­gelt für sei­nen Be­trieb nach des­sen Struk­tur oh­ne Aus­sa­ge­kraft ist, weil selbst bei Berück­sich­ti­gung die­ses Ta­ri­fent­gelts kein auffälli­ges Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung be­steht, aus dem sich ein ver­trag­li­cher An­spruch auf Erhöhung des Ent­gelts ergäbe. Ta­rif­li­che Zu­schläge für Mehr-, Sonn- und Fei­er­tags­ar­beit blei­ben bei der Prüfung des auffälli­gen Miss­verhält­nis­ses außer Be­tracht, weil es nach den oben ge­nann­ten Grundsätzen al­lein auf den St­un­den­lohn oh­ne ta­rif­li­che Zu­satz­leis­tun­gen an­kommt.

Für den Mo­na­te De­zem­ber 1999, Ja­nu­ar 2000 und Ja­nu­ar 2001 ist nicht ex­akt er­mit­tel­bar, wel­ches Ent­gelt die Kläge­rin pro Ar­beits­stun­de er­hal­ten hat, weil dar­in Ur­laubs­zei­ten la­gen. Für ih­re Ar­beit im Übri­gen hat die Kläge­rin pro St­un­de er­hal­ten
- im Fe­bru­ar 2000 61 % des Ta­rif­lohns von DM 14,77 (DM 1.830,81 brut­to: 213 St­un­den = DM 8,96 pro St­un­de),
- im März 2000 67 % des Ta­rif­lohns von DM 14,77 (DM 2.778,55 brut­to: 290 St­un­den = DM 9,58 pro St­un­de),
- im April 2000 74 % des Ta­rif­lohns von DM 14,77 (DM 3.136,08 brut­to: 287 St­un­den = DM 10,93 pro St­un­de),
- im Mai 2000 72 % des Ta­rif­lohns von DM 14,77 (DM 3.671,99 brut­to: 346 St­un­den = DM 10,61 pro St­un­de),
- im Ju­ni 2000 76 % des Ta­rif­lohns von DM 14,77 (DM 3.967,89 brut­to: 352 St­un­den = DM 11,27 pro St­un­de),

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- im Ju­li 2000 66 % des Ta­rif­lohns von DM 15,07 (DM 3.179,58 brut­to: 318 St­un­den = DM 10,00 pro St­un­de),
- im Au­gust 2000 61 % des Ta­rif­lohns von DM 15,07 (DM 2.663,69 brut­to: 288 St­un­den = DM 9,25 pro St­un­de),
- im Sep­tem­ber 2000 63 % des Ta­rif­lohns von DM 15,07 (DM 2.702,71 brut­to: 286 St­un­den = DM 9,45 pro St­un­de),
- im Ok­to­ber 2000 68 % des Ta­rif­lohns von DM 15,07 (DM 3.019,30 brut­to: 295 St­un­den = DM 10,23 pro St­un­de),
- im No­vem­ber 2000 63 % des Ta­rif­lohns von DM 15,07 (DM 2.751,80 brut­to: 286 St­un­den = DM 9,55 pro St­un­de),
- im De­zem­ber 2000 61 % des Ta­rif­lohns von DM 15,07 (DM 2.478,42 brut­to: 286 St­un­den = DM 9,45 pro St­un­de),
- im Ja­nu­ar 2001 66 % des Ta­rif­lohns von DM 15,07 (DM 2.721,17 brut­to: 274 St­un­den = DM 9,93 pro St­un­de),
- im Fe­bru­ar 2001 58 % des Ta­rif­lohns von DM 15,07 (DM 2.198,12 brut­to: 250 St­un­den = DM 8,79 pro St­un­de),
- im März 2001 65 % des Ta­rif­lohns von DM 15,07 (DM 3.148,28 brut­to: 323 St­un­den = DM 9,73 pro St­un­de),
- im April 2001 68 % des Ta­rif­lohns von DM 15,33 (DM 2.950,43 brut­to: 282 St­un­den = DM 10,46 pro St­un­de),
- im Mai 2001 69 % des Ta­rif­lohns von DM 15,33 (DM 3.514,48 brut­to: 334 St­un­den = DM 10,52 pro St­un­de),
- im Ju­ni 2001 68 % des Ta­rif­lohns von DM 15,33 (DM 3.477,57 brut­to: 334 St­un­den = DM 10,41 pro St­un­de),

- im Ju­li 2001 66 % des Ta­rif­lohns von DM 15,33 (DM 3.486,15 brut­to: 349 St­un­den = DM 10,08 pro St­un­de),
- im Au­gust 2001 65 % des Ta­rif­lohns von DM 15,33 (DM 3.440,63 brut­to: 347 St­un­den = DM 9,92 pro St­un­de),
- im Sep­tem­ber 2001 64 % des Ta­rif­lohns von DM 15,33 (DM 3.238,34 brut­to: 329 St­un­den = DM 9,84 pro St­un­de),
- im Ok­to­ber 2001 65 % des Ta­rif­lohns von DM 15,33 (DM 3.193,44 brut­to: 321 St­un­den = DM 9,94 pro St­un­de),
- im No­vem­ber 2001 58 % des Ta­rif­lohns von DM 15,33 (DM 2.413,49 brut­to: 270 St­un­den = DM 8,93 pro St­un­de),

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- im De­zem­ber 2001 57 % des Ta­rif­lohns von DM 15,33 (DM 2.116,82 brut­to: 241 St­un­den = DM 8,78 pro St­un­de),
- im Fe­bru­ar 2002 59 % des Ta­rif­lohns von € 7,84 (€ 870,34 brut­to: 189 St­un­den = € 4,60 pro St­un­de),
- im März 2002 60 % des Ta­rif­lohns von € 7,84 (€ 1.027,45 brut­to: 219 St­un­den = € 4,69 pro St­un­de),
- im April 2002 66 % des Ta­rif­lohns von € 7,84 (€ 1.199,61 brut­to: 231 St­un­den = € 5,19 pro St­un­de) und
- im Mai 2002 69 % des Ta­rif­lohns von € 7,84 (€ 1.229,94 brut­to: 229 St­un­den = € 5,37 pro St­un­de).

Im Durch­schnitt der Mo­na­te hat die Kläge­rin da­mit pro Ar­beits­stun­de 65 % des Ta­ri­fent­gelts be­zo­gen. Die­ses ist zwar ge­ringfügig we­ni­ger als zwei Drit­tel des Ta­rif­lohns, aber nicht aus­rei­chend, um aus­nahms­wei­se ei­nen An­spruch auf Erhöhung des Ent­gelts an­neh­men zu können. Dafür ist maßgeb­lich, dass es kei­ne fes­te Gren­ze für die An­nah­me ei­nes auffälli­gen Miss­verhält­nis­ses zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung gibt. Während ei­ner­seits bei 70 % des Ta­ri­fent­gelts die­ses auffälli­ge Miss­verhält­nis nicht an­ge­nom­men können wer­den soll, soll es an­de­rer­seits bei 63 % oder zwei Drit­teln des Ta­ri­fent­gelts vor­lie­gen. We­gen der Un­be­stimmt­heit der Grenz­zie­hung und den er­heb­li­chen Schwan­kun­gen, de­nen dass Ent­gelt der Kläge­rin im Brut­to­be­reich be­reits des­halb un­ter­wor­fen war, weil es sich um ein Net­to­ent­gelt han­delt, ist bei ei­nem Durch­schnitt von 65 % des Ta­ri­fent­gelts kei­ne aus­rei­chen­de Grund­la­ge dafür ge­ge­ben, ei­nen Ent­gel­terhöhungs­an­spruch des Be­klag­ten an­zu­neh­men. Der An­spruch aus ver­trag­li­cher Ne­ben­pflicht kann aus Gründen der Rechts­si­cher­heit al­len­falls dann an­ge­nom­men wer­den, wenn ei­ne deut­li­che und greif­ba­re Un­ter­schrei­tung des Ta­ri­fent­gelts in ei­ner Höhe vor­liegt, bei der ein auffälli­ges Miss­verhält­nis un­zwei­fel­haft be­steht. Dar­an fehlt es vor­lie­gend. Ein Ent­gel­terhöhungs­an­spruch aus ver­trag­li­cher Ne­ben­pflicht ist auch des­halb zu ver­nei­nen, weil der Be­klag­te das Ent­gelt zum 1. Ja­nu­ar 2002 um mehr als 8 % erhöht hat, oh­ne dass sich die­ses in den beschäfti­gungs­star­ken Som­mer­mo­na­ten zu­guns­ten der Kläge­rin hätte aus­wir­ken können. Die Kam­mer sieht sich nicht in der La­ge, ei­nen Ent­gel­terhöhungs­an­spruch der Kläge­rin al­lein des­halb an­zu­neh­men, weil der Be­klag­te die Kläge­rin in ei­nem ganz außer­gewöhn­li­chen, ar­beits­zeit­lich un­zulässi­gen und sei­ner Schutz­ver­pflich­tung für die Kläge­rin nicht ent­spre­chen­den Um­fang hat tätig wer­den las­sen. Die Be­wer­tung die­ses Um­stan­des führt nicht da­zu, dass die Kläge­rin ein ge­rin­ge­res Ent­gelt pro St­un­de er­hal­ten hat.

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3. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 ZPO, die Ent­schei­dung zum Streit­wert aus § 3 ZPO.

Ge­gen die­ses Ur­teil ist für die Kläge­rin nach § 72 Abs. 1 ArbGG das Rechts­mit­tel der Re­vi­si­on ge­ge­ben. Die Re­vi­si­on ist nach § 72 Abs. 2 Zif­fer 1 ArbGG zu­zu­las­sen, weil die vom Bun­des­ar­beits­ge­richt bis­lang nicht ent­schie­de­ne Rechts­fra­ge, ob im Ver­lau­fe des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­ne Nich­tig­keit der Ent­gelt­ver­ein­ba­rung nach § 134 in Ver­bin­dung mit dem straf­recht­li­chen Wu­cher­tat­be­stand oder nach § 138 Abs. 1 und 2 BGB ein­tre­ten kann, von grundsätz­li­cher Be­deu­tung ist. Zu ei­ner sol­chen Nich­tig­keit könn­te es vor­lie­gend kom­men, ob­wohl das Ge­richt an­ge­nom­men hat, dass ein zu ei­ner Ent­gel­terhöhung ver­pflich­ten­des auffälli­ges Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung noch nicht an­ge­nom­men wer­den kann. An­ders als bei der Prüfung ei­ner sol­chen ver­trag­li­chen Ne­ben­pflicht wäre der Wu­cher­tat­be­stand mögli­cher­wei­se be­reits an­zu­neh­men, wenn es ein­ma­lig oder je­den­falls mehr­mals zu ei­nem er­heb­li­chen Zurück­blei­ben des Ent­gelts hin­ter dem Ta­ri­fent­gelt blie­be. Das war hier der Fall, weil die Kläge­rin in ei­ni­gen Mo­na­ten we­ni­ger als 60 % des Ta­ri­fent­gelts er­hielt.

Für den Be­klag­ten ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben, weil er da­durch nicht be­schwert ist.

(Gruhl) 

(Dr. Nau­se) 

(Dr. Lang­hein)

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