HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 06.05.1998, 5 AZR 247/97

   
Schlagworte: Arbeitnehmer
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 5 AZR 247/97
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 06.05.1998
   
Leitsätze: 1. Beschäftigte, die Kunden ihres Dienstherrn in der Bedienung von Geräten gemäß den terminlichen Wünschen und in den Räumlichkeiten dieser Kunden nach inhaltlichen Vorgaben des Dienstherrn zu unterweisen haben, sind regelmäßig Arbeitnehmer.
Vorinstanzen: ArbG Düsseldorf Landesarbeitsgericht Düsseldorf
   

5 AZR 247/97
2 Sa 1461/96 Düssel­dorf


Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

6. Mai 1998

Ur­teil

Brüne,
Reg. Ober­se­kretärin
als Ur­kunds­be­am­ter 

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

pp.

hat der Fünf­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 6. Mai 1998 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter Grie­be­ling, die Rich­ter Dr. Rei­ne­cke und Kreft so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Glau­bitz und An­thes für Recht er­kannt:
 


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1. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 5. Fe­bru­ar 1997 - 2 Sa 1461/96 - wird zurück­ge­wie­sen.


2. Die Be­klag­te hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten um die Wirk­sam­keit ei­ner Kündi­gung ih­res Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses durch die Be­klag­te. In die­sem Zu­sam­men­hang sind die Par­tei­en un­ter­schied­li­cher Auf­fas­sung darüber, ob die Kläge­rin als freie Mit­ar­bei­te­rin oder als Ar­beit­neh­me­rin für die Be­klag­te tätig war.


Die Be­klag­te ver­treibt elek­tro­ni­sche Büro­geräte. Die 43 Jah­re al­te Kläge­rin wur­de von ihr seit dem 1. Ok­to­ber 1989 als sog. Kun­den­be­ra­te­rin beschäftigt. Grund­la­ge der Rechts­be­zie­hun­gen der Par­tei­en ist ein von der Be­klag­ten for­mu­lier­ter „Ho­no­rar­ver­trag" vom 16. Au­gust 1989. Er hat aus­zugs­wei­se fol­gen­den In­halt:


„Der Be­ra­ter ist selbständi­ger Ge­wer­be­trei­ben­der, un­ter­liegt kei­nen Wei­sun­gen durch R (die Be­klag­te) für die kon­kre­te Er­brin­gung sei­ner Leis­tun­gen und wird in den Be­trieb der nicht ein­ge­glie­dert.

1. Der Be­ra­ter wird ab 1. Ok­to­ber 1989 auf Ho­no­rar­ba­sis für die R GmbH, Geschäfts­stel­le , Schreib­ma­schi­nen­vorführun­gen so­wie die Be­treu­ung von De­mo­stel­lun­gen bei In­ter­es­sen­ten durchführen. Der Be­ra­ter wird acht Ar­beits­ta­ge im Mo­nat zur Verfügung ste­hen. Die ge­nau­en Ter­mi­ne wer­den zwi­schen dem Be­ra­ter und den Ver­triebs­lei­tern der je­wei­li­gen Geschäfts­stel­le je­weils 14 Ta­ge im vor­aus fest­ge­legt.


2. Der Be­ra­ter erhält für sei­ne Leis­tun­gen ein Pau­schal­ho­no­rar von DM 1.500,00 und im übri­gen pro durch­geführ­te Vorführung ei­ne va­ria­ble Vergütung, die sich aus nach­fol­gen­der Ma­trix er­gibt. Darüber hin­aus erhält der Be­ra­ter für
 


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den Fall, daß über das vor­geführ­te Gerät durch den Verkäufer ein Ver­trag ab­ge­schlos­sen wird, je nach Geräte­typ ei­ne va­ria­ble Vergütung ...


3. Der Be­ra­ter wird even­tu­ell er­for­der­li­che behörd­li­che Ge­neh­mi­gun­gen selbst be­schaf­fen. Al­le in der Tätig­keit des Be­ra­ters an­fal­len­den ge­setz­li­chen Ab­ga­ben sind vom Be­ra­ter in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung selbst zu ent­rich­ten.

4. Der Be­ra­ter wird von aus­rei­chend ge­schult und ver­pflich­tet sich, an den er­for­der­li­chen Trai­nings­maßnah­men
der teil­zu­neh­men.

5. ...

6. Der Be­ra­ter wird sei­ne Leis­tun­gen vor­wie­gend für Kun­den mit Sitz im Ge­biet der Geschäfts­stel­le er­brin­gen, ist im Ein­zel­fall aber auch be­reit, Kun­den außer­halb die­ses Ge­bie­tes zu be­treu­en. Ein Ge­biets­schutz wird aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen. ist be­rech­tigt, im glei­chen Ge­biet auch meh­re­re Be­ra­ter ein­zu­set­zen.

7. ...

8. ..."

Die Kläge­rin stell­te der Be­klag­ten mo­nat­lich Rech­nun­gen. Ihr durch­schnitt­li­cher Ver­dienst sank von ursprüng­lich 4.500,00 DM auf rund 3.500,00 DM im Ju­li 1994 ab. Die ver­trag­li­che Pau­scha­le von 1.500,00 DM er­hielt die Kläge­rin auch bei Ur­laub und Krank­heit.

Zum Ver­trieb ih­rer Geräte un­ter­hielt die Be­klag­te ein Netz von ei­ge­nen Verkäufern. Die Kläge­rin war als Kun­den­be­ra­te­rin für et­wa 30 Verkäufer zuständig. Ih­re Haupt­auf­ga­be war es, Kun­den die­ser Verkäufer nach ei­nem Kauf in der Be­die­nung der Geräte - ins­be­son­de­re von elek­tro­ni­schen Schreib­ma­schi­nen - zu un­ter­wei­sen. Außer­dem hat­te sie po­ten­ti­el­len Käufern bei „De­mo-Ter­mi­nen" die Geräte der Be­klag­ten vor­zuführen.
 


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Die Un­ter­wei­sung in der Be­die­nung ge­kauf­ter Geräte wur­de or­ga­ni­sa­to­risch re­gelmäßig in der Wei­se vor­be­rei­tet, daß die Verkäufer mit den Kun­den de­ren Schu­lungs­be­darf be­spra­chen und spe­zi­el­le Wünsche ent­ge­gen­nah­men. Sol­cher­art Wünsche und ins­be­son­de­re den von den Kun­den be­vor­zug­ten Ter­min der Un­ter­wei­sung ga­ben sie an die Kläge­rin wei­ter. Die­se hat­te in der Geschäfts­stel­le ei­nen Schreib­tisch, auf dem in ih­rer Ab­we­sen­heit ihr Ter­min­ka­len­der lag. War der frag­li­che Ter­min noch nicht be­legt, tru­gen die Verkäufer ihn - in al­ler Re­gel stun­den­ge­nau - ein und bestätig­ten ihn ge­genüber ih­rem Kun­den. An­de­ren­falls nah­men sie mit der Kläge­rin Kon­takt auf oder hin­ter­ließen ei­ne Nach­richt mit der Bit­te, die Ter­mins­kol­li­si­on auf­zulösen. War die Kläge­rin im Büro an­we­send, wur­de die Prio­rität der Kun­den und die Dring­lich­keit der Schu­lung mit den be­trof­fe­nen Verkäufern und ggf. mit den Kun­den selbst meist so­fort te­le­fo­nisch geklärt. Dem­ent­spre­chend stimm­te die Kläge­rin die Schu­lungs­ter­mi­ne auf­ein­an­der ab. Sag­te ein Kun­de ei­nen Ter­min ab, wur­de dies in glei­cher Wei­se an die Kläge­rin wei­ter­ge­ge­ben. Die­se bemühte sich so­dann um ei­nen Al­ter­na­tiv­ter­min.
Im Ide­al­fall wur­de der Kun­de im un­mit­tel­ba­ren An­schluß an die Lie­fe­rung des Geräts noch am sel­ben Ta­ge in des­sen Be­die­nung un­ter­wie­sen. Die Ein­wei­sun­gen wa­ren Teil der ver­trag­li­chen Leis­tun­gen der Be­klag­ten im Verhält­nis zu ih­ren Kun­den. Ihr In­halt war der Kläge­rin und den übri­gen Kun­den­be­ra­te­rin­nen der Be­klag­ten im ein­zel­nen vor­ge­ge­ben. Hat­te ein Kun­de wei­ter­ge­hen­de Un­ter­rich­tungswünsche, so soll­ten sie von der Kläge­rin zwar im Na­men der Be­klag­ten, aber auf ei­ge­ne und vom Kun­den zu be­glei­chen­de Rech­nung durch­geführt wer­den. Tatsächlich ist es zu ei­ner sol­chen zusätz­li­chen Schu­lung nicht ge­kom­men. An­de­re Be­din­gun­gen gal­ten für sog. Großkun­den. Die­se er­hiel­ten auch wei­ter­ge­hen­de Un­ter­wei-
 


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sun­gen kos­ten­los. Hat­te ein Kun­de ei­nen sehr spe­zi­el­len Schu­lungs­be­darf, so be­rie­ten sich die Kläge­rin und ih­re Kol­le­gin­nen mit der dafür zuständi­gen „Pro­dukt­ma­na­ge­rin" der Be­klag­ten, um die am bes­ten ge­eig­ne­te Kon­fi­gu­ra­ti­on der Geräte fest­zu­le­gen.

Die Kläge­rin nahm in den ers­ten Jah­ren et­wa 40 Kun­den­ter­mi­ne im Mo­nat wahr. Sie dau­er­ten in der Re­gel ei­ne bis an­dert­halb St­un­den. Bei Großkun­den konn­ten sie bis zu ei­nem hal­ben Tag in An­spruch neh­men.


Ei­nem Kauf vor­an­ge­hen­de „De­mo-Ter­mi­ne" wur­den zwi­schen den Verkäufern und den Kun­den ver­ein­bart und fan­den ent­we­der in der Geschäfts­stel­le der Be­klag­ten oder mit ei­ner Vorführ­ma­schi­ne beim Kun­den statt. Die Kläge­rin schul­te auf Wunsch der Be­triebs­lei­tung auch Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten selbst. Sie wur­de dafür ent­spre­chend be­son­de­rer Ver­ein­ba­run­gen vergütet.


Die Kläge­rin und ih­re Kol­le­gin­nen wur­den von der Be­klag­ten ih­rer­seits - teil­wei­se mehrtägig - ge­schult. Sie wur­den bei sol­chen Trai­nings­maßnah­men mit den je­weils neu­es­ten Geräten, aber auch mit neu­en Be­ra­tungs­kon­zep­ten ver­traut ge­macht. Die Teil­nah­me war nicht ob­li­ga­to­risch in dem Sin­ne, daß die be­tref­fen­de Kun­den­be­ra­te­rin bei Nicht­teil­nah­me ei­ne Schu­lungs­er­laub­nis der Be­klag­ten für das vor­ge­stell­te Gerät nicht er­hal­ten hätte. Die Teil­nah­me wur­de aber er­war­tet. Ge­son­dert vergütet wur­de die Teil­nah­me nicht.
Die Kläge­rin wur­de von der Be­klag­ten zu Präsen­ta­tio­nen der Geräte auf Mes­sen und Aus­stel­lun­gen her­an­ge­zo­gen. Dafür er­hielt sie „Ta­gesho­no­ra­re".
 


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Führ­te der Ver­trieb Ver­an­stal­tun­gen in der Geschäfts­stel­le durch, et­wa ei­nen „Tag der of­fe­nen Tür", so er­ar­bei­te­te die Kläge­rin zu­vor mit Ver­triebs­lei­tung und Ver­kauf die pas­sen­den De­mons­tra­ti­ons­bei­spie­le und gab sie in die be­tref­fen­den Geräte ein.

Ur­laubs­zei­ten hat­te die Kläge­rin der für die Ko­or­di­na­ti­on der Kun­den­be­ra­te­rin­nen zuständi­gen Pro­dukt­ma­na­ge­rin mit­zu­tei­len. In al­ler Re­gel hat­te sie sich zu­vor mit ih­rer Kol­le­gin aus der D Geschäfts­stel­le der Be­klag­ten ab­ge­stimmt. Bei­de ver­tra­ten sich ge­gen­sei­tig.

Mit Schrei­ben vom 27. Ju­li 1994 kündig­te die Be­klag­te das Ver­trags­verhält­nis zum 31. Ok­to­ber 1994. Zur Be­gründung wies sie auf die re­gio­na­le Neu­or­ga­ni­sa­ti­on ih­res Un­ter­neh­mens hin. Im Lau­fe des Ver­fah­rens führ­te sie zu­dem die Auf­ga­be der Schreib­ma­schi­nen­pro­duk­ti­on an. Den in ih­rer Geschäfts­stel­le gewähl­ten Be­triebs­rat hat­te sie zur Kündi­gung nicht an­gehört.

Die Kläge­rin hat Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben, die am 16. Au­gust 1994 beim Ar­beits­ge­richt ein­ging. Sie hat die An­sicht ver­tre­ten, sie sei Ar­beit­neh­me­rin der Be­klag­ten. Die Kündi­gung ver­s­toße ge­gen § 102 Be­trVG und sei außer­dem so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt. Die Kläge­rin hat fer­ner ei­nen An­spruch auf Wei­ter­beschäfti­gung und Ge­halts­ansprüche für die Zeit vom 1. No­vem­ber 1994 bis zum 29. Fe­bru­ar 1996 gel­tend ge­macht. Letz­te­re hat sie mit ih­ren durch­schnitt­li­chen Mo­nats­bezügen im Jahr vor Kündi­gungs­aus­spruch in Höhe von je­weils 3.452,38 DM brut­to in An­satz ge­bracht. Als Zwi­schen­ver­dienst hat sie sich für den­sel­ben Zeit­raum 16.000,00 DM an­rech­nen las­sen.

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Die Kläge­rin hat be­an­tragt,


1. fest­zu­stel­len, daß das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 27. Ju­li 1994 nicht auf­gelöst ist;

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, sie als Be­ra­te­rin wei­ter­zu­beschäfti­gen;

3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie 39.238,08 DM brut­to nebst 4 % Zin­sen aus dem sich hier­aus er­ge­ben­den Net­to­be­trag seit dem 1. Ju­li 1995 zu zah­len.


Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Kläge­rin sei ih­re freie Mit­ar­bei­te­rin ge­we­sen. Die Vor­in­stan­zen ha­ben der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Mit ih­rer vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ihr Be­geh­ren auf Kla­ge­ab­wei­sung wei­ter.


Ent­schei­dungs­gründe:

Die Re­vi­si­on ist nicht be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben der Kla­ge zu Recht statt­ge­ge­ben. Die Kläge­rin be­fand sich zur Be­klag­ten in ei­nem Ar­beits­verhält­nis. Die Kündi­gung vom 27. Ju­li 1994 verstößt ge­gen § 102 Abs. 1 Be­trVG und ist im Sin­ne des § 1 Abs. 2 KSchG so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt. Der rech­ne­risch un­strei­ti­ge Zah­lungs­an­spruch steht der Kläge­rin we­gen An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten zu.

1. Der zulässi­ge Fest­stel­lungs­an­trag ist be­gründet.
 


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Zwi­schen den Par­tei­en be­stand von Be­ginn an ein Ar­beits­verhält­nis. Die­ses ist durch die aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung nicht auf­gelöst wor­den.

1. Die Kläge­rin war nicht freie Mit­ar­bei­te­rin, son­dern Ar­beit­neh­me­rin der Be­klag­ten. Dies hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu Recht an­ge­nom­men.

Das Ar­beits­verhält­nis un­ter­schei­det sich vom Rechts­verhält­nis des frei­en Mit­ar­bei­ters durch den Grad der persönli­chen Abhängig­keit, in der sich der zur Dienst­leis­tung Ver­pflich­te­te ge­genüber dem Be­rech­tig­ten be­fin­det. Ar­beit­neh­mer ist, wer sei­ne Dienst­leis­tung im Rah­men ei­ner von sei­nem Ver­trags­part­ner be­stimm­ten Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on er­bringt. Die Ein­glie­de­rung in die frem­de Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on zeigt sich ins­be­son­de­re dar­an, daß der Beschäftig­te ei­nem um­fas­sen­den Wei­sungs­recht sei­nes Ver­trags­part­ners (Ar­beit­ge­bers) un­ter­liegt. Das Wei­sungs­recht kann In­halt, Durchführung, Zeit, Dau­er und Ort der Tätig­keit be­tref­fen. Da­bei sind maßgeb­lich die tatsächli­chen Umstände, die die recht­li­che Be­zie­hung prägen und nach de­nen die­se in Wirk­lich­keit durch­geführt wird. Wie die Par­tei­en selbst ihr Ar­beits­verhält­nis be­zeich­net ha­ben, ist nicht ent­schei­dend. Der je­wei­li­ge Ver­trags­typ er­gibt sich viel­mehr aus dem wirk­li­chen Geschäfts­in­halt. Die­ser folgt aus den ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen und der tatsächli­chen Durchführung des Ver­tra­ges. Wi­der­spre­chen bei­de ein­an­der, ist letz­te­re maßge­bend. Aus der fak­ti­schen Hand­ha­bung und der kon­kre­ten prak­ti­schen Um­set­zung der Ver­trags­ab­spra­chen las­sen sich Rück­schlüsse dar­auf zie­hen, von wel­chen Rech­ten und Pflich­ten die Par­tei­en tatsächlich aus­ge­gan­gen sind (ständi­ge Recht­spre­chung; BAG Ur­teil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängig­keit; BAG Ur­teil vom 26. Ju­li 1995 - 5 AZR 22/94 - AP Nr. 79 zu § 611 BGB Abhängig­keit; BAG Ur­teil vom 11. März
 


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1998 - 5 AZR 522/96 - zur Veröffent­li­chung vor­ge­se­hen). Nach Maßga­be die­ser Grundsätze ist die Kläge­rin als Ar­beit­neh­me­rin an­zu­se­hen.

a) Die Kläge­rin un­ter­lag mit Blick auf In­halt und Durchführung ih­rer ver­trag­li­chen Auf­ga­ben den Wei­sun­gen der Be­klag­ten. Nach den Fest­stel­lun­gen der Vor­in­stan­zen hat die Be­klag­te der Kläge­rin nicht nur ih­re Schu­lungs­auf­ga­be als sol­che vor­ge­ge­ben. Da­zu hätte es genügt, wenn sie der Kläge­rin auf­ge­tra­gen hätte, die Kun­den nach ih­ren - der Kläge­rin - ei­ge­nen Vor­stel­lun­gen in die Be­die­nung des ge­kauf­ten Gerätes ein­zu­wei­sen. Die Be­klag­te hat der Kläge­rin statt des­sen ge­nau vor­ge­schrie­ben, wie­viel Zeit die be­tref­fen­de Schu­lung al­len­falls in An­spruch neh­men dürfe und wel­che Funk­tio­nen da­bei re­gelmäßig erläutert wer­den soll­ten. Die­ses wa­ren al­lein die sog. Ba­sis­funk­tio­nen. Die Be­klag­te hat darüber hin­aus, auch dies ha­ben die Vor­in­stan­zen fest­ge­stellt, den Ab­lauf der Un­ter­wei­sun­gen ge­nau fest­ge­legt. Es han­del­te sich um kei­ne be­son­ders an­spruchs­vol­le Tätig­keit. Für ei­ne selbst­be­stimm­te in­halt­li­che Ge­stal­tung der Auf­ga­ben blieb der Kläge­rin un­ter die­sen Umständen kein Raum.


b) Die Kläge­rin war in die be­trieb­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on der Be­klag­ten ins­be­son­de­re da­durch ein­ge­bun­den, daß sie ih­re Diens­te zu Zei­ten zu er­brin­gen hat­te, auf de­ren La­ge sie selbst kei­nen maßgeb­li­chen Ein­fluß hat­te. Nicht sie selbst sprach nach ei­ge­nen Bedürf­nis­sen Schu­lungs­ter­mi­ne mit den Kun­den ab. Viel­mehr ga­ben die Verkäufer der Be­klag­ten die Kun­denwünsche an sie durch Ein­tra­gung in den Ter­min­ka­len­der oder münd­lich le­dig­lich wei­ter. Ob die Wünsche der Kun­den rea­li­siert wur­den oder nicht, war re­gelmäßig al­lein da­von abhängig, ob zeit­li­che Kol­li­sio­nen mit Wünschen an­de­rer Kun­den auf­tra­ten. Für ei­ne von der Kläge­rin selbst nach pri­va­ten Wünschen und ei­ge­nem Gutdünken or­ga­ni­sier­te Ter­min­pla­nung war kein Raum.

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Nach den von den Vor­in­stan­zen ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen, die die Re­vi­si­on in die­sem Punkt mit Ver­fah­rensrügen nicht an­ge­grif­fen hat, war es das Be­stre­ben der Be­klag­ten, ih­ren Kun­den schnellstmöglich ei­ne Ein­wei­sung in die Geräte zu­kom­men zu las­sen. Ziel war „ein per­fek­tes Räder­werk" zwi­schen Kun­den­wunsch und Schu­lungs­an­ge­bot, der an­ge­streb­te Ide­al­fall die am sel­ben Tag statt­fin­den­de Aus­lie­fe­rung und Un­ter­wei­sung. Ab­ge­se­hen von Ur­laubs­zei­ten hat es dem­ent­spre­chend kei­ne Ta­ge ge­ge­ben, die die Kläge­rin im Ter­min­ka­len­der für sich selbst frei­ge­hal­ten hätte. Sie war während der ge­sam­ten Wo­che dienst­be­reit. Schon nach Ziff. 1 des Ver­tra­ges der Par­tei­en hat­te die Kläge­rin an acht Ar­beits­ta­gen im Mo­nat zur Verfügung zu ste­hen. Tatsächlich war sie in den ers­ten Jah­ren an je­dem Ar­beits­tag für die Be­klag­te tätig. Sie nahm mo­nat­lich bis zu 40 Schu­lungs­ter­mi­ne und sie nahm auf die­se Wei­se sämt­li­che Ter­mi­ne wahr, die ihr an­ge­tra­gen wor­den wa­ren. Nach dem Un­ter­neh­mens­kon­zept der Be­klag­ten lag dem nicht nur die selbst­be­stimm­te Be­reit­schaft der Kläge­rin zu­grun­de, son­dern war die Be­klag­te auf die­se Be­reit­schaft zwin­gend an­ge­wie­sen. In der Geschäfts­stel­le gab es außer der Kläge­rin kei­ne wei­te­re Kun­den­be­ra­te­rin. Die Be­klag­te hat in­so­weit von ei­ner fak­tisch un­ein­ge­schränk­ten zeit­li­chen Wei­sungs­be­fug­nis Ge­brauch ge­macht. Hätte die Kläge­rin sich dem ent­zo­gen, hätte es, wie die Vor­in­stan­zen fest­ge­stellt ha­ben, „Pro­ble­me" ge­ge­ben.

Auch auf die zeit­li­che La­ge und Dau­er von „De­mo-Ter­mi­nen" hat­te die Kläge­rin kei­nen Ein­fluß. Sie wur­den von Verkäufer und Kun­den ver­ein­bart.


Von der Kläge­rin wur­de er­war­tet, daß sie - oh­ne Vergütung - an sog. Trai­nings zur ei­ge­nen Schu­lung teil­nahm. Auch auf die­se Wei­se übte die Be­klag­te ihr zeit­li­ches Wei­sungs­recht aus. Daß ei­ne Teil­nah­me auch im ei­ge­nen In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se der Kläge­rin ge­le­gen ha­ben mag, steht dem nicht ent­ge­gen.

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Die Kläge­rin wur­de von der Be­klag­ten außer­dem bei Mes­sen und Aus­stel­lun­gen und an „Ta­gen der of­fe­nen Tür" ein­ge­setzt. Die Vor­in­stan­zen ha­ben al­ler­dings kei­ne Fest­stel­lun­gen darüber ge­trof­fen, ob die Kläge­rin zur Teil­nah­me ver­pflich­tet war. Schon ein „frei­wil­li­ges" Ein­ge­hen auf „Wünsche" des Ver­trags­part­ners, die mit deut­li­cher Er­war­tungs­hal­tung vor­ge­bracht wer­den, würde da­bei genügen, um dem Beschäftig­ten die für die freie Mit­ar­beit ty­pi­sche Ent­schei­dungs­frei­heit hin­sicht­lich des „Ob", der Zeit und des Orts der Dienst­leis­tung zu neh­men.


Ei­ner wei­te­ren Aufklärung be­durf­te die­ser Punkt nicht. Schon aus den bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen er­gibt sich, daß die Kläge­rin in zeit­li­cher Hin­sicht in der für ein Ar­beits­verhält­nis kenn­zeich­nen­den Wei­se in die be­trieb­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on der Be­klag­ten ein­ge­glie­dert war. Der Um­stand, daß sie Ur­laub je­der­zeit dann neh­men konn­te, wenn sie für ei­ne Ver­tre­tung ge­sorgt hat­te, steht dem nicht ent­ge­gen. Auch im Ar­beits­verhält­nis ist es nicht un­ty­pisch, daß die Beschäftig­ten un­ter­ein­an­der für ei­ne be­trieb­lich rei­bungs­lo­se Ur­laubs­ent­wick­lung sor­gen und der Ar­beit­ge­ber sich mit der Kennt­nis­nah­me und ei­ner Kon­trol­le des Ur­laub­s­um­fan­ges be­gnügt. Dafür, daß die Kläge­rin in ei­nem über das für Ar­beits­verhält­nis­se übli­che zeit­li­che Maß hin­aus­ge­hen­den Um­fang Ur­laub ge­nom­men und sich dar­in ih­re Wei­sungs­un­abhängig­keit ge­zeigt hätte, ist nichts vor­ge­tra­gen.


c) Die Kläge­rin un­ter­lag fer­ner mit Blick auf den Ort ih­rer Tätig­keit dem Wei­sungs­recht der Be­klag­ten. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, zwar ha­be die Kläge­rin nicht in­ner­halb ei­ner räum­lich fes­ten Or­ga­ni­sa­ti­on ar­bei­ten müssen. Es ha­be sich aber aus der Na­tur der Sa­che er­ge­ben, daß die Schu­lun­gen ent­we­der bei Kun­den selbst oder, so bei „De­mo-Ter­mi­nen", in den Geschäftsräum­en der Be­klag­ten hätten statt­fin­den müssen. Der Vor­trag der Be­klag­ten, die Kläge­rin ha­be selbst
 


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be­stim­men können, wo sie die Schu­lun­gen ab­hal­ten wol­le, er­wei­se sich als „rein theo­re­tisch". Die Re­vi­si­on hat in die­sem Zu­sam­men­hang ei­nen Ver­s­toß des Be­ru­fungs­ge­richts ge­gen § 139 ZPO we­gen man­geln­der Sach­aufklärung gerügt. Das Be­ru­fungs­ge­richt hätte die Fra­ge aufklären müssen, ob die Kläge­rin we­gen des Schu­lungs­or­tes an­ge­wie­sen wor­den sei. Dann hätte es er­fah­ren, daß sie je­der­zeit den Ort für ih­re Un­ter­wei­sun­gen frei ha­be wählen können.


Die Rüge ist nicht be­gründet. Mit der Be­deu­tung des Leis­tungs­orts hat­te sich schon das Ar­beits­ge­richt aus­ein­an­der­ge­setzt. Des­sen Auf­fas­sung hat die Be­klag­te in ih­rer Be­ru­fungs­be­gründung ausführ­lich dis­ku­tiert. Zu die­ser wie­der­um hat die Kläge­rin in ih­rer Er­wi­de­rung Stel­lung ge­nom­men. Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen und Rechts­an­sich­ten bei­der Par­tei­en wa­ren dem Lan­des­ar­beits­ge­richt bei der münd­li­chen Ver­hand­lung dar­um be­kannt. Daß es sei­ne Ent­schei­dung womöglich auch auf die­sen Punkt ab­stel­len würde, konn­te die Be­klag­te nicht über­ra­schen. Ih­re Rüge be­schränkt sich der Sa­che nach dar­auf, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be aus den vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen fal­sche Schlüsse ge­zo­gen. Der Vor­wurf man­geln­der Aufklärung geht fehl.

Die Re­vi­si­on rügt im sel­ben Zu­sam­men­hang ei­nen Ver­s­toß ge­gen § 286 ZPO. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be bloße Ver­mu­tun­gen über ei­ne feh­len­de Möglich­keit der frei­en Wahl des Leis­tungs­orts an­ge­stellt, statt von Tat­sa­chen aus­zu­ge­hen. Auch die­se Rüge ist nicht be­gründet. Ein Ge­richt verstößt ge­gen die Vor­schrift des § 286 ZPO, wenn es bei sei­ner Ent­schei­dung darüber, ob ei­ne be­stimm­te Tat­sa­che als wahr zu er­ach­ten sei oder nicht, ge­gen die Ge­set­ze der Lo­gik, ge­gen Na­tur­ge­set­ze oder ge­gen all­ge­mei­ne Er­fah­rungssätze verstößt. Wenn das Lan­des­ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men hat, aus der „Na­tur der Sa­che", d.h. aus den na­he­lie­gen­den Bedürf­nis­sen der Be­tei­lig­ten er­ge­be sich, daß die Kläge­rin in der Wahl des
 


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Schu­lungs­orts nur „theo­re­tisch" frei war, so ist die­se Würdi­gung von sol­cher­lei Feh­lern frei. Sie liegt im Ge­gen­teil auf der Hand. Die Re­vi­si­on hat nicht ei­nen für die Kläge­rin kon­kret mögli­chen Weg auf­ge­zeigt, die Ein­wei­sung in die bei den Kun­den in­stal­lier­ten Geräte an­ders­wo als bei die­sen und die von der Be­klag­ten an­ge­setz­ten „De­mo-Ter­mi­ne" an­ders­wo als in der von ihr - der Be­klag­ten - selbst dafür vor­ge­se­he­nen Geschäfts­stel­le statt­fin­den zu las­sen. Der Hin­weis auf die Möglich­keit, ge­eig­ne­te Räume an­zu­mie­ten, bleibt an­ge­sichts des­sen abs­trakt und im De­tail un­zu­rei­chend. Die Fest­stel­lung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, der Ort der Dienst­leis­tung ha­be fak­tisch nicht zur Dis­po­si­ti­on der Kläge­rin ge­stan­den, ist re­vi­si­ons­recht­lich un­ter die­sen Umständen nicht zu be­an­stan­den.


Die Kläge­rin un­ter­lag da­mit ei­nem um­fas­sen­den Wei­sungs­recht der Be­klag­ten. Sie hat­te ih­re Tätig­keit in persönli­cher Abhängig­keit zu er­brin­gen. Sie war als Ar­beit­neh­me­rin und nicht als freie Mit­ar­bei­te­rin für die Be­klag­te tätig.

2. Un­ter die­ser Vor­aus­set­zung ist die aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung rechts­un­wirk­sam. Die Kündi­gung verstößt ge­gen § 102 Abs. 1 Be­trVG. Vor ih­rem Aus­spruch hätte die Be­klag­te den in ih­rer Geschäfts­stel­le gewähl­ten Be­triebs­rat anhören müssen. Dies hat sie un­ter­las­sen.


Die Kündi­gung verstößt außer­dem ge­gen § 1 Abs. 2 KSchG. Nach Maßga­be sei­ner §§ 1 und 23 fin­det das Kündi­gungs­schutz­ge­setz auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en An­wen­dung. Die Kläge­rin hat recht­zei­tig im Sin­ne des § 4 KSchG Kla­ge er­ho­ben. Für die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung hat sie sich ursprüng­lich auf das Kündi­gungs­schutz­ge­setz aus­drück­lich be­ru­fen. Auch wenn sie sich später nur noch auf § 102 Be­trVG be­zo­gen hat, recht­fer­tigt das nicht die An­nah­me, sie ha­be auf die
 


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Über­prüfung der so­zia­len Recht­fer­ti­gung der Kündi­gung ver­zich­ten wol­len. Da­mit ist die aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung nur wirk­sam, wenn sie durch Gründe in der Per­son oder im Ver­hal­ten der Kläge­rin oder durch drin­gen­de be­trieb­li­che Bedürf­nis­se be­gründet ist, die ih­rer Wei­ter­beschäfti­gung ent­ge­gen­ste­hen. Die Be­klag­te hat da­zu nichts vor­ge­tra­gen. Die Kündi­gung vom 27. Ju­li 1994 ist dar­um auch so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt.

II. Mit der re­vi­si­ons­ge­richt­li­chen Fest­stel­lung des Fort­be­stan­des des Ar­beits­verhält­nis­ses hat sich der Kla­ge­an­trag zu 2) als An­trag auf vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung er­le­digt.


III. Der Zah­lungs­an­trag ist be­gründet. Er folgt aus § 615 BGB. Oh­ne daß es ei­nes tatsächli­chen oder ei­nes wört­li­chen An­ge­bots der Kläge­rin be­durft hätte, ist die Be­klag­te mit dem Ab­lauf der Kündi­gungs­frist in An­nah­me­ver­zug ge­ra­ten. Rech­ne­risch steht die Zah­lungs­for­de­rung außer Streit.


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