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LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.07.2008, 8 Sa 3/08
Schlagworte: | Annahmeverzug, Kündigung: Änderungskündigung, Änderungskündigung, Kündigung: Fristlos | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg | |
Aktenzeichen: | 8 Sa 3/08 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 01.07.2008 | |
Leitsätze: | Nach Ausspruch einer (offensichtlich unwirksamen) fristlosen betriebsbedingten Änderungskündigung ist die Weiterbeschäftigung zu den neuen, schlechteren Arbeitsbedingungen vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist den Arbeitnehmern nicht zumutbar. Die Ablehnung eines entsprechenden Prozessbeschäftigungsangebotes stellt kein böswilliges Unterlassen im Sinne der §§ 11 Ziff. 2 KSchG, 615 Satz 2 BGB dar. | |
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Heilbronn, Urteil vom 19.09.2007, 6 Ca 217/07 | |
Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg
Verkündet
am 01.07.2008
Aktenzeichen (Bitte bei allen Schreiben angeben)
8 Sa 3/08
6 Ca 217/07
Arbeitsgericht Heilbronn
Habermann, Angestellte
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
- Klägerin/Berufungsklägerin -
Proz.-Bev.:
gegen
- Beklagte/Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 8. Kammer –
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Kaiser,
den ehrenamtlichen Richter Schardt
und den ehrenamtlichen Richter Schmied
auf die mündliche Verhandlung vom 01.07.2008
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 19.09.2007, Aktenzeichen 6 Ca 217/07, abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 97.683,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.12.2006 zu bezahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche aus übergegangenem Recht. Wegen des Parteivortrages und der Sachanträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 19.09.2007 (Bl. 167 ff. der Akte) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, ein Anspruch bestehe deshalb nicht, weil sich die betreffenden Arbeitnehmer auf ihren Annahmeverzugslohn böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen müssten. Inhaltlich werde von den Arbeitnehmern nichts Unzumutbares verlangt, da sie ab Januar 2007 die selbe Arbeit wie zuvor weiterverrichten sollten. Die Reduzierung der Vergütung liege mit ca. 14 % im Rahmen dessen, was nach § 11 KSchG noch zumutbar sei. Bezogen auf den regionalen Arbeitsmarkt sei die Vergütung nicht unüblich. Sie sei auch auf die Dauer des Kündigungsschutzprozesses beschränkt. Schließlich müsse die wirtschaftliche Situation der Beklagten berücksichtigt werden.
Das Urteil ist der Klägerin am 24.12.2007 zugestellt worden. Mit der am 24.01.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und innerhalb der bis 10.03.2008 verlängerten Beru-fungsbegründungsfrist am 10.03.2008 ausgeführten Berufung rügt die Klägerin, das Arbeitsgericht habe für die Prüfung der Zumutbarkeit nicht alle Umstände gewürdigt. Es habe auch nicht zwischen der Zumutbarkeit der Arbeitsbedingungen und der Böswilligkeit der Arbeitnehmer unterschieden. Die Klägerin kritisiert die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach die Überschreitung des Direktionsrechts nicht mehr regelmäßig zur Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen führt. Die Klägerin meint, den Arbeitnehmern könne tatsächlich kein Vorwurf gemacht werden, dass sie die Prozessbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht angenommen hätten. Jedenfalls liege die Darlegungs- und Beweislast für die Zumutbarkeit bei der Beklagten. Zu berücksichtigen sei auch die Rolle der Gewerkschaft und des Betriebsrates, die den Arbeitnehmern zur Ablehnung der Arbeitsbedingungen geraten hätten. Der Betriebsrat sei auch mit den Prozessbeschäftigungsverhältnissen nicht einverstanden gewesen und zwar sowohl im individuellen Interesse der jeweiligen Arbeitnehmer als auch wegen Verletzung von Betriebsverfassungsrechten. Die Arbeitnehmer hätten diesen Empfehlungen vertrauen dürfen. Die Klägerin meint, jedenfalls die Alternative der neuen Beschäftigungsbedingungen, wonach die Wochenarbeitszeit erhöht werden sollte, sei mitbestimmungspflichtig, die Arbeitnehmer hätten sie nicht akzeptieren müssen. Ihnen könne dann nicht vorgeworfen werden, mit einer Reduzierung ihres Einkommens nicht einverstanden zu sein. Die Klägerin sieht einen Wertungswiderspruch zu § 102 BetrVG, da bei einem Widerspruch des Betriebsrates der Arbeitgeber den Arbeitnehmer sogar nach Ablauf der Kündigungsfrist weiter beschäftigen müsse, bei der fristlosen betriebs-
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bedingten Änderungskündigung dies jedoch nicht einmal bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu tun brauche. Weiter sei zu berücksichtigen, dass den Arbeitnehmern Arbeitslosengeld bezahlt worden sei und dass die Beklagte offensichtlich rechtswidrige fristlose Kündigungen ausgesprochen habe. Es sei noch nicht einmal § 17 KSchG berücksichtigt worden. Von Böswilligkeit könne deshalb nicht auf Seiten der Arbeitnehmer, wohl aber auf Seiten der Beklagten, deren Standpunkt zur Wirksamkeit der Kündigungen nicht vertretbar sei und die Rechtsbruch begangen habe, ausgegangen werden. Da zudem fast alle Arbeitnehmer lange Kündigungsfristen hätten, seien diese durch die Prozessbeschäftigung monatelang gebunden gewesen, ohne neue, besser bezahlte Arbeit annehmen zu können. Auch sei das Insolvenzrisiko zu berücksichtigen. Eine fristlose Änderungskündigung setze voraus, dass der Arbeitgeber unmittelbar vor der Insolvenz stehe. Es sei unzumutbar, dass die Arbeitnehmer mindestens drei Monate dieses Risiko tragen sollten. Das Angebot sei auch dehalb unzumutbar, weil sich die zweite Alternative (Mehrarbeit) nicht rückgängig machen lassen. Schließlich habe das Arbeitsgericht nicht erörtert, ob es der Beklagten im Rahmen des Rücksichtnahmegebotes nicht eher zumutbar gewesen sei, die bisherige Vergütung weiter zu bezahlen.
Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn (Aktenzeichen 6 Ca 217/07) vom 19.09.2007 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 97.683,49 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagerhebung zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und meint, die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht einschlägig; die Arbeitsverhältnisse seien durch die Kündigungen zum 31.12.2006 beendet worden, die Prozessarbeitsverhältnisse seien erst Anfang Januar 2006 als neue, befristete Arbeitsverhältnisse angeboten worden. Die Beklagte habe daher keine objektiv vertragswidrige Arbeit angeboten. Die Beklagte meint, die Arbeitnehmer hätten fehlerhaften Rat eingeholt und befolgt, wenn sie sich auf die Auskünfte von Gewerkschaft und Betriebsrat verlassen hätten, die in der Sphäre der Arbeitnehmer stünden, gehe dies nicht zu Lasten der Beklagten. Die Beklagte meint, Betriebsrat und Gewerkschaft seien als juristische Laien nicht einmal befugt gewesen, Rechtsrat zu er-
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teilen. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrates zur Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit ermächtige die Arbeitnehmer nicht zur Leistungsverweigerung. Die Beklagte hätte die Zustimmung des Betriebsrates gegebenenfalls ersetzen lassen, ebenso wie sie es bei in dieser Zeit eingesetzten Leiharbeitnehmern getan habe. Da das Widerspruchsrecht des Betriebsrates nur bei der ordentlichen Kündigung bestehe, entstehe kein Wertungswiderspruch zu § 102 BetrVG. Sie habe ihre Kündigungen umfangreich begründet, ein Gutachten eingeholt, das dringenden Handlungsbedarf festgestellt habe und damit keine bewusst rechtswidrige Kündigungen ausgesprochen. § 17 KSchG sei nicht einschlägig. Die Arbeitnehmer seien durch die Prozessarbeitsverhältnisse auch nicht unzumutbar gebunden worden, da sie tatsächlich kurze Kündigungsfristen hätten und im Übrigen kein „günstigeres“ Arbeitsverhältnis in Aussicht gestanden habe. Die Mitarbeiter seien selbst nicht von einem Insolvenzrisiko ausgegangen, da sie sich entschlossen hätten, im Mai schließlich Prozessarbeitsverhältnisse mit der Beklagten einzugehen. Die ihnen angetragenen Änderungen seien gerade zur dauerhaften Vermeidung der Insolvenz vom Steuerberater vorgeschlagen worden. Eine Arbeitszeit von 35 Stunden in der Woche sei zwischenzeitlich nicht mehr üblich. Eine Obliegenheit bestehe auch zur Annahme einer Beschäftigung bei mehr Wochenstunden als bisher.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 10.03.2008 und die Berufungserwiderung vom 28.03.2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, in gehöriger Form und Frist eingelegte und ausgeführte Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, aus übergangenem Recht Arbeitsentgelt betreffend die Arbeitnehmer A., B., B., D., D., E., G., G., H., H., H., H., H., H., K., K., K., L., S., W., W., W. und K. bis zur Höhe des von der Klägerin geleisteten Arbeitslosengeldes, das sind insgesamt 97.683,49 € zu bezahlen.
Gem. § 115 SGB X geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelts nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat.
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Die Klägerin hat an die oben genannten Arbeitnehmer die in der Tabelle (Bl. 44 der Akte) im Einzelnen aufgeführten Arbeitslosengeldbeträge geleistet. Die jeweiligen Erstattungszeiträume ergeben sich ebenfalls aus der Bl. 44 der Akte ergebenden Tabelle. Sie beginnen mehrheitlich am 01.01.2006, in Einzelfällen am 04.01.2006, 06.01.2006, 10.01.2006 und 13.01.2006 und reichen bis längstens 30.06.2006. Für die betreffenden Zeiträume stand den Arbeitnehmern Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen die Beklagte zu. Die Beklagte befand sich ab dem 01.01.2006 im Verzug mit der Annahme der Arbeitsleistung der Kläger gem. den §§ 293, 296 BGB. Sämtliche Kündigungsschutzstreitigkeiten sind rechtskräftig zugunsten der Arbeitnehmer entschieden, die entsprechenden außerordentlichen Änderungskündigungen vom 23.12.2006 damit unwirksam. Danach bestand das Arbeitsverhältnis zwischen der Be-klagten und dem betroffenen Arbeitnehmern über den 31.12.2005 hinaus zu den bisherigen Bedingungen jedenfalls bis zum 30.06.2006 fort.
Den Annahmeverzugslohnansprüchen der Arbeitnehmer steht nicht entgegen, dass sie sich gem. § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG diejenige Vergütung anrechnen lassen müssten, die sie hätten verdienen können, wenn sie das Prozessbeschäftigungsangebot der Beklagten vom 02.01.2006 angenommen hätten. Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, muss sich der Arbeitnehmer nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Diese Anrechnungsvorschrift ist eine Sonderregelung zu § 615 Satz 2 BGB. Trotz des nicht völlig identischen Wortlautes sind die Vorschriften inhaltsgleich (BAG AP BGB § 615 Nr. 47). Nach beiden Bestimmungen ist zu prüfen, ob dem Arbeitnehmern nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Artikel 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist (BAG AP KSchG 1969, § 11 Nr. 4). Eine Anrechnung kommt auch in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers im Verzug befindet (BAG AP KSchG 1969, § 11 Nr. 2). Ob die 23 Arbeitnehmer es böswillig unterlassen haben, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, indem sie die mit Schreiben vom 02.01.2006 angebotenen Prozessarbeitsverhältnisse ablehnten, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zu beurteilen. Die Anwendung des § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG setzt zunächst voraus, dass dem Arbeitnehmer die angebotene Arbeit zumutbar ist. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles. Bei der Prüfung sind das dem Arbeitnehmer gem. Artikel 12 GG zustehende Grundrecht der freien Arbeitsplatzwahl sowie der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten. Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen ihren Grund haben
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(BAGE 88, 196 ff.) Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt böswillig der Arbeitnehmer, dem ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzuges trotz Kenntnis aller objektiven Umstände (Arbeitsmöglichkeit, Zumutbarkeit der Arbeit und Nachteilsfolgen für den Arbeitgeber) vorsätzlich untätig bleibt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert (vgl. z. B. BAG AP BGB, § 615 Böswilligkeit Nr. 2).
Die Zumutbarkeit der neuen Arbeitsbedingungen im Rahmen des § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG ist nicht generell schon deshalb zu bejahen, weil Änderungsschutzklage oder Kündigungsschutzklage erhoben wurde. Der Maßstab des § 2 Satz 1 KSchG ist ein anderer als der des § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG, weil § 2 Satz 1 KSchG im Gegensatz zu § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG die betriebliche Situation bei dem kündigenden Arbeitgeber entscheidend berücksichtigt. Demgegenüber kommt es bei § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG in erster Linie auf die Verhältnisse des gekündigten Arbeitnehmers an. Eine Unzumutbarkeit kann sowohl bei ungerechtfertigter wie auch bei gerechtfertigter Änderungskündigung gegeben sein (BAG, AP Nr. 11 zu § 615 BGB Böswilligkeit).
Die Unzumutbarkeit für die Arbeitnehmer folgt zwar nicht allein daraus, dass die Beklagte ihnen die Weiterbeschäftigung nur zu geänderten Bedingungen angeboten hat, aber daraus, dass sie ihnen eine erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen fristlos angetragen hat. Die Beklagte hat die Arbeitnehmer aufgefordert, ihre bisherige Arbeit weiterzuleisten und von ihnen damit hinsichtlich der Art der Tätigkeit im Verzugszeitraum nichts unzumutbares verlangt. Grundsätzlich bedeutet auch die Obliegenheit, gegebenenfalls eine minderbezahlte Arbeit anzunehmen, keinen Verstoß gegen den Vertragsinhaltsschutz. Ob der Vertrag und der Vertragsinhalt aufrecht erhalten bleiben (mit der Konsequenz der Nachvergütung) wird von den Gerichten für Arbeitssachen geprüft. Diese gewähren gegebenenfalls den Vertrags- und Inhaltsschutz. Unabhängig hiervon obliegt dem Arbeitnehmer eine mögliche Arbeit zu zumutbaren Bedingungen aufzunehmen oder fortzuführen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vergleiche AP Nr. 11 zu § 615 BGB Böswilligkeit) gebietet dies die Rücksichtnahme gegenüber dem Vertragspartner. Die Fortsetzung derselben Arbeit zu einer verminderten Vergütung ist ebenso nicht von vornherein unzumutbar wie die entsprechende Arbeit zu einer geringeren Vergütung bei einem anderen Arbeitgeber nicht ohne weiteres unzumutbar wäre. Auch bei einem Angebot des bisherigen Arbeitgebers bedarf es einer Einzelfallprüfung. Insbesondere bei Änderungskündigungen, die nur auf geringfügige Änderungen abzielen, kann der Arbeitnehmer, der das Änderungsangebot vorbehaltlos ablehnt und „es darauf ankommen lässt“ rücksichtslos handeln und ist dann nicht schutzwürdig.
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Bei der einzelfallbezogenen Prüfung ist zunächst Umfang und Dauer der Verdiensteinbuße und deren Bedeutung für die Arbeitnehmer zu würdigen. Welcher Verdienst für die Arbeitnehmer noch zumutbar war, hängt maßgeblich von dessen Angemessenheit im Hinblick auf die zu erbringende Arbeit ab. Zu berücksichtigen ist dabei auch das Verhältnis zu dem bisherigen Verdienst, da die Arbeitnehmer von dieser Vertragsgrundlage ausgehen durften. Weiter sind die wirtschaftliche Situation der Beklagten, die Lohnrückstände und das Insolvenzrisiko für die Arbeitnehmer zu würdigen.
Danach ergibt sich zum Einen, dass sich der Verdienst der Arbeitnehmer bei Aufnahme der Prozessbeschäftigung unstreitig im Rahmen der regional- und branchenüblichen Vergütung für vergleichbare Tätigkeiten bewegt hätte. Die Vergütung ist damit ohne weiteres als angemessen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anzusehen. Im Verhältnis zum bisherigen Verdienst bedeuten die den Arbeitnehmern angetragenen Änderungen (gleichgültig ob sie sich für eine Erhöhung der Wochenstundenzahl oder für eine Vergütungsreduzierung entschlossen hätten) ganz gravierende Verschlechterungen, nämlich um zwölf Prozent. Anhaltspunkte für Zahlungsschwierigkeiten oder Gehaltsrückstände und damit ein erhöhtes Insolvenzrisiko sind nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Beklagte aus betriebsbedingten Gründen kündigte und die den Arbeitnehmern angetragenen Vertragsänderungen von ihrem Sanierungsberater zur dauerhaften Abwendung der Insolvenz empfohlen worden waren; die Lohnreduzierung sollte den Arbeitnehmern daher nicht etwa zur Gewinnmaximierung oder aus anderen, möglicherweise sachfremden Motiven zugemutet werden.
Zu berücksichtigen ist andererseits auch der Grund für die Ablehnung der neuen Arbeit durch die Arbeitnehmer (BAG Urteil vom 07.02.2007 SAE 05/08). Vorliegend haben sowohl der Betriebsrat, (wegen angeblichen Verstoßes gegen Mitbestimmungsrechte) wie auch Gewerkschaftsvertreter den Arbeitnehmern empfohlen, die Prozessbeschäftigungen abzulehnen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass der Betriebsrat bzw. seine Mitglieder als juristische Laien nicht dafür kompetent sind, Rat in individualrechtlichen Angelegenheiten zu geben. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Arbeitnehmer diese Stellen als ihre Interessenvertreter ansahen und in gewisser Weise auf die Maßgeblichkeit ihrer Empfehlung vertrauten. Es erscheint vor diesem Hintergrund ausgesprochen problematisch, den Arbeitnehmern Böswilligkeit, gar Rücksichtslosigkeit vorzuwerfen.
Maßgeblich für die Kammer war allerdings die Tatsache, dass die Beklagte mit den fristlosen betriebsbedingten Änderungskündigungen offensichtlich unwirksame Kündigungen ausgesprochen hat. § 1 Abs. 2 KSchG lässt aus betrieblichen Gründen lediglich eine ordentliche
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Kündigung zu. Eine außerordentliche fristlose betriebsbedingte Kündigung ist regelmäßig unzulässig, weil mit ihr eine unzulässige Verlagerung des Wirtschafts- und Betriebsrisikos auf den Arbeitnehmer einhergeht (allgemeine Auffassung, vergleiche Stahlhacke/Preis/Vossen: Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, Randziffer 767 mit Rechtsprechungs- und Literaturhinweisen). Nur wenn eine ordentliche Kündigung (tarif-) vertraglich ausgeschlossen ist und keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb oder Unternehmen besteht, hat das Bundesarbeitsgericht eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit in Ausnahmefällen anerkannt (vergleiche z.B. BAG AP Nr. 207 zu § 626 BGB). In jedem Fall ist bei einer derartigen Kündigung die gesetzliche oder tarifvertragliche Kündigungsfrist einzuhalten, die gelten würde, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre (vgl. BAG am angegebenen Ort; BAG AP § 626 BGB Nr. 143).
Die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung bei Arbeitnehmern, die ordentlich kündbar sind, wird arbeitsrechtlich noch nicht einmal diskutiert; selbst die behördlich verfügte Betriebsschließung fällt in das Betriebsrisiko des Arbeitgebers, weshalb eine außerordentliche Kündigung aus diesem Grund ausgeschlossen ist.
Die Arbeitnehmer im vorliegenden Fall sind sämtlich ordentlich kündbar. Die zur Entgeltreduzierung ausgesprochenen fristlosen Änderungskündigungen sind damit offensichtlich unwirksam. Bei solchen offensichtlich unwirksamen Kündigungen können die Arbeitnehmer aber nicht gehalten sein, das Weiterbeschäftigungsangebot zu verschlechternden Bedingungen anzunehmen (ebenso Sandmann RdA 2005, 1155). Seitens der Beklagten wurde mit Ausspruch der offensichtlich unwirksamen Kündigungen ein Zustand der Unzumutbarkeit geschaffen; die Weiterarbeit vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist war den Arbeitnehmern damit nicht zumutbar.
Die Höhe der Forderung ist zwischen den Parteien nicht streitig.
Auf die Berufung der Klägerin war das Urteil des Arbeitsgerichts daher abzuändern und die Beklagte zur Zahlung von 97.683,49 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (08.12.2006) zu verurteilen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Revision ist zugelassen worden, da das Urteil von dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 04.05.2007 AZ: 5 Sa 8/07 abweicht.
Rechtsmittelbelehrung
1. Gegen dieses Urteil kann d. Bekl. schriftlich Revision einlegen. Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat, die Revisionsbegründung innerhalb einer Frist von zwei Monaten bei dem
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
eingehen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revision und die Revisionsbegründung müssen von einem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen:
a. Rechtsanwälte,
b. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse sol-cher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
c. juristische Personen, die die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ArbGG erfüllen.
In den Fällen der lit. b und c müssen die handelnden Personen die Befähigung zum Rich-teramt haben.
2. Für d. Kläg. ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.
gez. Kaiser
gez. Schardt
gez. Schmied
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