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LAG Hamm, Ur­teil vom 04.11.2010, 8 Sa 711/10

   
Schlagworte: Kündigung, Abmahnung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 8 Sa 711/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 04.11.2010
   
Leitsätze: Verzehrt der im Mensabetrieb langjährig als Hilfskraft beschäftigte, tariflich nur noch aus wichtigem Grund kündbare Arbeitnehmer gegen den ausdrücklichen Protest des Vorgesetzten zwei unbezahlte verkaufsfähige Frikadellen, so rechtfertigt weder die hierin liegende Eigentumsverletzung noch das offen gezeigte Weigerungsverhalten des Arbeitnehmers eine fristlose Kündigung ohne vorangehende Abmahnung.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bochum, Urteil vom 17.12.2009, 4 Ca 1973/09
   

8 Sa 711/10

4 Ca 1973/09 ArbG Bo­chum

 

Verkündet am 04.11.2010

Ba­bus­z­ak Re­gie­rungs­beschäftig­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In dem Ver­fah­ren

hat die 8. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 04.11.2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Du­den­bos­tel
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Doh­men und Kratzsch

f ü r Recht er­kannt :

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bo­chum vom 17.12.2009 – 4 Ca 1973/09 – wird auf Kos­ten der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

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Tat­be­stand:

Mit sei­ner Kla­ge wen­det sich der im Jah­re 1959 ge­bo­re­ne Kläger, wel­cher seit dem Jah­re 1991 bei der Be­klag­ten als Mit­ar­bei­ter in der Cam­pus-Gas­tro­no­mie ge­gen ein mo­nat­li­ches Ge­halt von ca. 2.341,-- € tätig und ta­rif­lich nur noch aus wich­ti­gem Grund künd­bar ist, ge­gen die Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses durch außer­or­dent­li­che frist­lo­se und hilfs­wei­se mit so­zia­ler Aus­lauf­frist aus­ge­spro­chen Kündi­gung vom 20.07.2010.

Die an­ge­grif­fe­ne Kündi­gung hat die Be­klag­te, wel­che in der Rechts­form der An­stalt Öffent­li­chen Rechts u. a. die Cam­pus-Gas­tro­no­mie für die vier B5 Hoch­schu­len be­treibt, nach vor­an­ge­hen­der Anhörung des Klägers gem. Ak­ten­ver­merk vom 08.07.2009 (Bl 104 d. A.) und Be­tei­li­gung des Per­so­nal­rats (Bl. 106 ff. d. A.) mit der Be­gründung aus­ge­spro­chen, der Kläger ha­be am 07.07.2010 nach Ar­beits­auf­nah­me um 12 Uhr beim Durch­gang durch die Küche zunächst ei­ni­ge nicht mehr für den Ver­zehr be­stimm­te Pom­mes fri­tes mit den Fin­gern aus dem Behält­nis ent­nom­men, um die­se zu ver­zeh­ren. Dies ha­be der Vor­ge­setz­te und Pro­duk­ti­ons­lei­ter A3 be­ob­ach­tet und den Kläger un­ter Hin­weis auf den dies­bezügli­chen Be­triebs­aus­hang dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es nicht zulässig sei, Le­bens­mit­tel oh­ne Be­zah­lung zu ent­neh­men und Spei­sen so­wie Spei­sen­res­te zu ver­zeh­ren. Trotz die­ses Hin­wei­ses ha­be der Kläger sich der Kläger so­dann zur Aus­ga­be be­ge­ben, ha­be dort oh­ne Be­zah­lung zwei zum Ver­kauf be­stimm­te Fri­ka­del­len aus der Aus­la­ge ent­nom­men und in ein Schälchen ge­legt, um sich so­dann in Rich­tung Pau­sen­raum be­ge­ben. Auf die Erklärung des Vor­ge­setz­ten, der Kläger ha­be jetzt kei­ne Pau­se, sol­le sich an die Pau­sen­re­ge­lung hal­ten und we­gen des Dieb­stahls der Fri­ka­del­len mit in das Büro kom­men, ha­be der Kläger ge­ant­wor­tet, er wol­le in Ru­he ge­las­sen wer­den, er wis­se was er tue und ha­be an­sch­ließend von den nicht be­zahl­ten Fri­ka­del­len ge­ges­sen. Auch der er­neu­ten Auf­for­de­rung, ihm – dem Vor­ge­setz­ten – in das Büro zu fol­gen, ha­be sich der Kläger wi­der­setzt und sei erst nach Ein­schal­tung wei­te­rer Vor­ge­setz­ter zum Gespräch er­schie­nen, des­sen Ver­lauf im Ak­ten­ver­merk des Lei­ters Gas­tro­no­mie Z3 vom 07.07.2009 (Bl. 103 d. A.) Bl. fest­ge­hal­ten sei. Die

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Un­zulässig­keit des Spei­sen­ver­zehrs sei dem Kläger so­wohl aus schrift­li­chen An­wei­sun­gen (Bl. 99, 100 d. A.) wie auch aus dem ent­spre­chen­den Be­triebs­aus­hang (Bl. 98 d. A.) be­kannt ge­we­sen.

Dem­ge­genüber hat der Kläger, wel­cher im Übri­gen die ord­nungs­gemäße Un­ter­rich­tung des Per­so­nal­rats be­strei­tet und die Kündi­gung un­ter Hin­weis auf § 174 BGB mit der Be­gründung zurück­ge­wie­sen hat, er hal­te die vor­ge­leg­te Voll­machts­ur­kun­de (Bl. 5 d. A.) für un­zu­rei­chend, die Be­rech­ti­gung des Kündi­gungs­vor­wurfs be­strit­ten und hier­zu vor­ge­tra­gen, der Vor­ge­setz­te A3 ha­be we­der auf ein Ver­bot des Spei­sen­ver­zehrs oh­ne Be­zah­lung noch auf die Pau­sen­re­ge­lung hin­ge­wie­sen, son­dern al­lein den Kläger auf­ge­for­dert, er möge, an­statt mit den Fin­gern zu es­sen, sich Schälchen und Ga­bel neh­men. Im Übri­gen tref­fe es we­der zu, dass der Ver­zehr von Spei­sen grundsätz­lich un­ter­sagt sei, noch ent­spre­che ein der­ar­ti­ges Ver­bot der tatsächli­chen Hand­ha­bung im Be­trieb. Un­ter die­sen Umständen könne ei­ne Kündi­gung je­den­falls nicht oh­ne vor­an­ge­hen­de Ab­mah­nung aus­ge­spro­chen wer­den.

Durch Ur­teil vom 17.12.2009, auf wel­ches we­gen des wei­te­ren erst­in­stanz­li­chen Sach­vor­tra­ges und der ge­stell­ten Anträge Be­zug ge­nom­men wird, hat das Ar­beits­ge­richt an­trags­gemäß fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die an­ge­grif­fe­ne Kündi­gung nicht be­en­det wor­den ist. Zur Be­gründung ist im We­sent­li­chen aus­geführt wor­den, be­reits die ord­nungs­gemäße Anhörung des Per­so­nal­rats sei zwei­fel­haft, da der Be­klag­ten­vor­trag nicht er­ken­nen las­se, ob der Per­so­nal­rat auch über die So­zi­al­da­ten des Klägers un­ter­rich­tet wor­den sei. Un­abhängig hier­von feh­le es je­den­falls an ei­nem „wich­ti­gen Grund" im Sin­ne des § 626 BGB, da dem Kläger we­der ein Dieb­stahl vor­zu­wer­fen noch ein dies­bezügli­cher Ver­dacht ge­recht­fer­tigt sei. Ein Dieb­stahl der ver­zehr­ten Spei­sen schei­de schon im Hin­blick dar­auf aus, dass sich der ge­sam­te Vor­gang in un­mit­tel­ba­rer Kennt­nis des Vor­ge­setz­ten ab­ge­spielt ha­be. Dass sich die­ser ge­genüber dem Kläger nicht ha­be durch­set­zen können, ste­he ei­nem Vermögens­de­likt nicht gleich. Dem­ge­genüber genüge al­lein die Wi­der­setz­lich­keit des Klägers ge­genüber dem Vor­ge­setz­ten nicht, um ei­ne vollständi­gen Zerstörung der ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­trau­ens­be­zie­hung an­zu­neh­men, zu­mal vom Kläger gg­fls. Be­zah­lung der un­be­rech­tigt ver­zehr­ten

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Spei­sen ver­langt und mit ge­eig­ne­ten dis­zi­pli­na­ri­schen Maßnah­men auf das Fehl­ver­hal­ten des Klägers re­agiert wer­den könne.

Mit ih­rer recht­zei­tig ein­ge­leg­ten und be­gründe­ten Be­ru­fung wen­det sich die Be­klag­te ge­gen den Stand­punkt des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils, es feh­le be­reits an ei­ner vollständi­gen Un­ter­rich­tung des Per­so­nal­rats. Tatsächlich sei­en dem Per­so­nal­rat vollständi­ge Un­ter­la­gen – auch zu den so­zia­len Verhält­nis­sen des Klägers – vor­ge­legt wor­den. Von ei­ner un­vollständi­gen oder gar un­rich­ti­gen Un­ter­rich­tung des Per­so­nal­rats könne da­nach kei­ne Re­de sein. In der Sa­che ha­be das Ar­beits­ge­richt zu Un­recht ei­nen Dieb­stahl in Be­zug auf die kei­nes­wegs zur Ent­sor­gung be­stimm­ten Fri­ka­del­len ver­neint, al­lein die Be­ob­ach­tung durch den Vor­ge­setz­ten schließe den Tat­be­stand des Dieb­stahls nicht aus. Schon auf­grund der schrift­li­chen An­wei­sun­gen so­wie des un­miss­verständ­li­chen Be­triebs­aus­hangs (Bl. 162 d. A.) und erst recht auf­grund der Erklärun­gen des Vor­ge­setz­ten könne dem Kläger das Ver­bo­ten­sein des un­be­zahl­ten Spei­sen­ver­zehrs nicht ver­bor­gen ge­blie­ben sein. Da ei­ne Hin­nah­me des kläge­ri­schen Ver­hal­tens durch die Be­klag­te of­fen­sicht­lich aus­ge­schlos­sen ge­we­sen sei, ha­be es auch kei­ner Ab­mah­nung vor Aus­spruch der Kündi­gung be­durft, um den Kläger vor den Fol­gen sei­nes ver­trags­wid­ri­gen Ver­hal­tens zu war­nen. Zum Be­wei­se für die Rich­tig­keit des vor­ge­tra­ge­nen Her­gangs be­ruft sich die Be­klag­te auf den Zeu­gen A3 so­wie den In­halt der Ak­ten­ver­mer­ke vom 07.07. und 08.07.2009 (Bl. 101 ff. d. A.).

Die Be­klag­te be­an­tragt

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bo­chum vom 17.12.2009
– 4 Ca 1973/09 – ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt

Die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

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Er ver­tei­digt die ar­beits­ge­richt­li­che Ent­schei­dung als zu­tref­fend und legt zum Be­wei­se für den von ihm vor­ge­tra­ge­nen Her­gang ei­ne ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung des ge­gen­be­weis­lich be­nann­ten Zeu­gen G2 vor.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat Be­weis er­ho­ben zur vollständi­gen Un­ter­rich­tung des Per­so­nal­rats gemäß dem Be­weis­be­schluss vom 05.10.2010 (Bl. 177 d. A.) durch un­eid­li­che Ver­neh­mung der Per­so­nal­rats­vor­sit­zen­den W1 im We­ge der schrift­li­chen Zeu­gen­ver­neh­mung. We­gen des Er­geb­nis­ses der Be­weis­auf­nah­me, wel­ches Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 04.11.2009 war, wird auf Bl.186 f. d. A. ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist un­be­gründet.

I. In Übe­rein­stim­mung mit dem ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teil ist das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die an­ge­grif­fe­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung we­der mit so­for­ti­ger Wir­kung noch un­ter Ein­hal­tung ei­ner so­zia­len Aus­lauf­frist wirk­sam be­en­det wor­den.

1. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers schei­tert die Wirk­sam­keit der an­ge­grif­fe­nen Kündi­gung nicht an Mängeln der Per­so­nal­rats­anhörung. Wie die im zwei­ten Rechts­zu­ge – im We­ge der schrift­li­chen Zeu­gen­ver­neh­mung – durch­geführ­te Be­weis­auf­nah­me er­ge­ben hat, la­gen dem Per­so­nal­rat vollständi­ge Un­ter­la­gen, auch so­weit sie die so­zia­len Verhält­nis­se des Klägers be­tref­fen, vor. So­weit der Kläger ei­nen Man­gel der Per­so­nal­rats­anhörung dar­in se­hen will, dass dem Per­so­nal­rat ein un­rich­ti­ger Sach­ver­halt ge­schil­dert wor­den sei, kann hier­in je­den­falls kei­ne be­wuss­te Ir­reführung ge­se­hen wer­den, wel­che ge­eig­net wäre, ei­nen we­sent­li­chen Man­gel des Anhörungs­ver­fah­rens zu be­gründen. Viel­mehr hat die Be­klag­te den Per­so­nal­rat so

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in­for­miert, wie sich nach ih­rer Be­haup­tung der Kündi­gungs­sach­ver­halt ab­ge­spielt hat. So­weit dies in der Sa­che nicht zu­trifft, kann hier­aus al­lein die feh­len­de sach­li­che Be­rech­ti­gung der Kündi­gung her­ge­lei­tet wer­den, nicht hin­ge­gen han­delt es sich um ei­nen Man­gel der Per­so­nal­rats­anhörung selbst.

2. In Übe­rein­stim­mung mit dem ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teil fehlt es – auch wenn der ge­sam­te Be­klag­ten­vor­trag als wahr un­ter­stellt wird – an ei­nem „wich­ti­gen Grund" im Sin­ne des § 626 Abs. 1 BGB, wel­cher die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses auch nur die Dau­er der Kündi­gungs­frist un­zu­mut­bar macht. Auch wenn nicht ver­kannt wird, dass sich das Ver­hal­ten des Klägers nicht auf ein Ei­gen­tums­de­likt in Form des un­be­rech­tig­ten Ver­zehrs der noch ver­kaufsfähi­gen Fri­ka­del­len be­schränkt, son­dern als er­schwe­ren­der Um­stand oder als wei­te­re und ei­genständi­ge Ver­trags­pflicht­ver­let­zung die nach­hal­ti­ge Wei­ge­rung des Klägers berück­sich­tigt wird, den Wei­sun­gen des Vor­ge­setz­ten Fol­ge zu leis­ten, war in An­be­tracht der langjähri­gen be­an­stan­dungs­frei­en Tätig­keit des Klägers und der er­reich­ten „ta­rif­li­chen Unkünd­bar­keit" der Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung erst nach vor­an­ge­hen­der Ab­mah­nung zulässig.

a) So­weit es den er­ho­be­nen Dieb­stahl­vor­wurf be­trifft, ist der Be­klag­ten zwar zu­zu­ge­ste­hen, dass auch die Ent­wen­dung ge­ring­wer­ti­ger Ge­genstände an sich ge­eig­net ist, den Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Die Kam­mer teilt auch nicht den Stand­punkt des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils, ein Ei­gen­tums­de­likt schei­te­re un­ter den vor­lie­gen­den Umständen schon dar­an, dass sich der Vor­gang in un­mit­tel­ba­rer und un­ein­ge­schränk­ter Kennt­nis des Vor­ge­setz­ten des Klägers ab­ge­spielt ha­be, wel­chem es le­dig­lich nicht ge­lun­gen sei, sich ge­genüber dem Kläger durch­zu­set­zen. Ab­ge­se­hen da­von, dass es für das Vor­lie­gen ei­nes „wich­ti­gen Grun­des" oh­ne­hin auf die straf­recht­li­che Be­wer­tung des Sach­ver­halts nicht an­kommt, kann nicht zwei­fel­haft sein, dass die Mit­nah­me und der Ver­zehr der Fri­ka­del­len ge­gen den erklärten Wil­len des Vor­ge­setz­ten ei­nen rechts­wid­ri­gen Ein­griff in die Ei­gen­tums­po­si­ti­on der Be­klag­ten dar­stell­te. Al­lein der Um­stand, dass der Vor­ge­setz­te sich ge­genüber dem Kläger nicht durch­ge­setzt und die­sem et­wa nicht das Schälchen mit den Fri­ka­del­len zur Wah­rung der Ei­gen­tums­rech­te der Be­klag­ten ent­ris­sen hat, lässt den An­griff auf das Ei­gen­tum der Be­klag­ten nicht ent­fal­len.

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Zu Un­recht sieht die Be­klag­te in­des­sen al­lein in der Ei­gen­tums­ver­let­zung durch den un­be­fug­ten Fri­ka­del­len­ver­zehr ei­nen die Kündi­gung recht­fer­ti­gen­den wich­ti­gen Grund. Hätte sich das Fehl­ver­hal­ten des Klägers – trotz des durch An­wei­sun­gen und Aus­hang be­kann­ten Ver­bots – auf ei­nen ver­meint­lich un­be­ob­ach­te­ten Ver­zehr der ver­kaufsfähi­gen Fri­ka­del­len be­schränkt, so wäre un­zwei­fel­haft ein sol­cher ein­ma­li­ger Vor­gang un­ter Berück­sich­ti­gung der langjähri­gen Be­triebs­zu­gehörig­keit, feh­len­der förm­li­cher Be­an­stan­dun­gen und der er­wor­be­nen Unkünd­bar­keit un­verhält­nismäßig. Auch oh­ne Rück­griff auf die vom Bun­des­ar­beits­ge­richt in der Ent­schei­dung vom 10.06.2010 (2 AZR 541/09 - NZA 2010, 1227 ff.) vor­ge­nom­me­ne Präzi­sie­rung der An­for­de­run­gen an ei­ne Kündi­gung bei sog. Ba­ga­tell­de­lik­ten könn­te ei­ne ein­ma­li­ge Pflicht­ver­let­zung in Form un­be­rech­tig­ten Fri­ka­del­len­ver­zehrs den Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung oh­ne vor­an­ge­hen­de Ab­mah­nung kei­nes­falls recht­fer­ti­gen.

b) Der vor­lie­gen­de Sach­ver­halt ist al­ler­dings durch die Be­son­der­heit ge­kenn­zeich­net, dass der Kläger – wie die Be­klag­te im Ein­zel­nen vor­ge­tra­gen hat und wie als wahr un­ter­stellt wird – die be­tref­fen­den Fri­ka­del­len ge­gen den erklärten Pro­test des Vor­ge­setz­ten aus der Aus­la­ge ent­nom­men und im Pau­sen­raum ver­zehrt hat und sich darüber hin­aus der Wei­sung des Vor­ge­setz­ten wi­der­setzt hat, we­gen des fest­ge­stell­ten Sach­ver­halts zu ei­nem Per­so­nal­gespräch im Büro zu er­schei­nen.

Da­bei kann in recht­li­cher Hin­sicht of­fen blei­ben, ob das so ge­schil­der­te Wei­ge­rungs­ver­hal­ten des Klägers – wie die Be­klag­te vor­ge­tra­gen hat – als zusätz­li­cher Um­stand er­scheint, wel­cher im Zu­sam­men­hang mit dem Dieb­stahl­vor­wurf bei der ge­bo­te­nen In­ter­es­sen­abwägung er­schwe­rend zu berück­sich­ti­gen ist oder wei­ter­ge­hend als ei­genständi­ge schwe­re Pflicht­ver­let­zung zu würdi­gen ist, wel­che – mehr noch als der Dieb­stahl­vor­wurf – an sich ge­eig­net ist, den Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Das von der Be­klag­ten ge­schil­der­te Ver­hal­ten stellt sich als be­wuss­te Auf­leh­nung ge­gen die be­rech­tig­te Wei­sung des Vor­ge­setz­ten dar, mit wel­cher die­ser das Ei­gen­tum der Be­klag­ten zu ver­tei­di­gen und dem ver­trags­wid­ri­gen Ver­hal­ten des Klägers Ein­halt zu ge­bie­ten such­te. Auch wenn in der kon­kre­ten Si­tua­ti­on mit dem Ver­zehr der Fri­ka­del­len ei­ne Ar­beits­versäum­nis nicht ver­bun­den war, weil – wie der Kläger un­wi­der­spro­chen vor­ge­tra­gen hat – im frag­li­chen Zeit­punkt Rei­ni­gungs­ar­bei­ten durch­geführt wur­den,

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wel­che ei­ne Ar­beits­auf­nah­me am zu­ge­wie­se­nen Ar­beits­platz ent­ge­gen­stan­den, war doch die Ver­hal­tens­wei­se des Klägers nicht an­ders als die Ver­wei­ge­rung ei­ner Ar­beits­auf­nah­me dar­auf ge­rich­tet, ge­gen den erklärten Wil­len des Vor­ge­setz­ten zu han­deln. Eben­so wie die hartnäcki­ge Ver­let­zung der Ar­beits­pflicht muss die hartnäcki­ge Wei­ge­rung, von ei­nem rechts­wid­ri­gen Ein­griff in die Ei­gen­tums­rech­te des Ar­beit­ge­bers ab­zu­las­sen, als schwe­re Ar­beits­ver­trags­ver­let­zung an­ge­se­hen wer­den. Nach dem In­halt des Ar­beits­ver­tra­ges ist der Ar­beit­neh­mer nicht nur zur Erfüllung der Haupt­leis­tungs­pflicht – zur Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung – ver­pflich­tet, viel­mehr kommt re­le­van­te Be­deu­tung auch der Ne­ben­pflicht zu, das Ei­gen­tum des Ar­beit­ge­bers zu ach­ten und kon­kret hier­auf be­zo­ge­nen Wei­sun­gen Fol­ge zu leis­ten.

c) Nicht an­ders als bei der hartnäcki­gen Ar­beits­ver­wei­ge­rung be­darf es vor Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung je nach den Umständen ei­ner vor­an­ge­hen­den Ab­mah­nung, um dem Ar­beit­neh­mer auf die­se Wei­se die Rechts­wid­rig­keit sei­nes Han­delns und den dro­hen­den Ar­beits­platz­ver­lust vor Au­gen zu führen. Rich­tig ist zwar, dass dem Kläger das Ver­bo­ten­sein sei­nes Han­delns schon auf der Grund­la­ge der schrift­li­chen An­wei­sun­gen und – wie als wahr un­ter­stellt wird – auf­grund des Be­triebs­aus­hangs vor Au­gen ste­hen muss­te. Selbst wenn – wie der Kläger vorträgt – in der Ver­gan­gen­heit die dar­ge­stell­ten Re­geln nicht kon­se­quent ein­ge­hal­ten wur­den, wa­ren dies­bezügli­che Un­klar­hei­ten je­den­falls in der kon­kre­ten Si­tua­ti­on da­durch aus­geräumt, dass der Vor­ge­setz­te des Klägers ge­gen den Fri­ka­del­len­ver­zehr kon­kre­te Ein­wen­dun­gen er­ho­ben hat­te. Auf der Grund­la­ge die­ser ak­tu­el­len Wei­sung konn­te für den Kläger die Ver­trags­wid­rig­keit sei­nes Han­delns nicht zwei­fel­haft sein.

Das Er­for­der­nis der Ab­mah­nung vor Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung be­schränkt sich in­des­sen nicht auf ei­ne der­ar­ti­ge „Hin­weis­funk­ti­on", Sinn und Zweck des Ab­mah­nungs­er­for­der­nis­ses lie­gen viel­mehr zu­gleich auch dar­in, den Ar­beit­neh­mer, wel­cher sich mögli­cher­wei­se über Schwe­re und Aus­wir­kun­gen der Pflicht­ver­let­zung nicht im Kla­ren ist, die hier­mit ver­bun­de­nen Fol­gen vor Au­gen zu führen („Warn­funk­ti­on").

(1) Wie auch die Be­klag­te in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht in Ab­re­de ge­stellt hat, er­scheint das Ver­hal­ten des Klägers aus Sicht des verständi­gen Be­ob­ach­ters als voll­kom­men un­verständ­lich.

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Ir­gend­ei­ne Erklärung dafür, wes­halb der Kläger den Vor­hal­ten des Vor­ge­setz­ten kei­ne Be­deu­tung bei­maß und ge­gen des­sen erklärten Wil­len zum Ver­zehr der aus der Aus­la­ge ent­nom­me­nen Fri­ka­del­len schritt, war in der da­ma­li­gen Si­tua­ti­on wie auch ge­genwärtig nicht er­kenn­bar. Ei­ner­seits spricht das ge­zeig­te Ver­hal­ten für ei­ne ge­stei­ger­te Un­ein­sich­tig­keit des Klägers und ei­nen ge­wis­sen Rea­litäts­ver­lust, an­de­rer­seits er­scheint kaum plau­si­bel, dass dem Kläger in der be­tref­fen­den Si­tua­ti­on der un­gestörte Fri­ka­del­len­ver­zehr der­art wich­tig war, dass er selbst bei An­dro­hung ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung den Ge­nuss der Fri­ka­del­len dem Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses vor­ge­zo­gen hätte. Selbst wenn – wofür der schriftsätz­li­che Par­tei­vor­trag kei­ne wei­te­ren An­halts­punk­te bie­tet – zwi­schen dem Kläger und dem Vor­ge­setz­ten A3 Span­nun­gen be­stan­den und das Mo­tiv des Klägers dar­in lag, dem Vor­ge­setz­ten zu zei­gen, die­ser ha­be ihm – dem Kläger – als älte­ren und langjährig beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter kei­ne Vor­schrif­ten zu ma­chen, folgt hier­aus nicht, dass es von vorn­her­ein aus­sichts­los ge­we­sen wäre, durch Er­tei­lung ei­ner Ab­mah­nung dem Kläger die Be­deut­sam­keit sei­nes Wei­ge­rungs­ver­hal­tens und die Ge­fahr für den Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses vor Au­gen zu führen.

(2) Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht aus den von der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten Ak­ten­ver­mer­ken vom 07. und 08.07.2009, wel­che im An­schluss an das Wei­ge­rungs­ver­hal­ten des Klägers er­stellt wor­den sind. So­weit es dies­bezüglich im Ver­merk des Herrn Z3 vom 07.07.2009 (Bl. 103 d.A.) heißt, der Kläger be­fol­ge die An­wei­sung sei­ner Vor­ge­setz­ten nicht und ma­che nur, was er für rich­tig hal­te, mag hier­aus her­ge­lei­tet wer­den, dass es auch in der Ver­gan­gen­heit Au­to­ritäts­pro­ble­me ge­ge­ben hat. An­de­rer­seits deu­ten die im Ak­ten­ver­merk wie­der­ge­ge­be­nen Äußerun­gen des Klägers, er sei kein Skla­ve, so wie man mit ihm re­de, re­de er mit sei­nem Vor­ge­setz­ten auch, ha­be auch ei­ne Würde und las­se sich nicht an­schrei­en, dass es im Ar­beits­be­reich des Klägers ge­le­gent­lich zu Span­nun­gen zwi­schen dem Kläger und sei­nem Vor­ge­setz­ten ge­kom­men ist, wel­che nicht al­lein auf die Fra­ge der sach­ge­rech­ten Ar­beits­er­le­di­gung be­zo­gen wa­ren. Er­sicht­lich ha­ben we­der die Vor­ge­setz­ten des Klägers auf et­wai­ge Fehl­ver­hal­tens­wei­sen des Klägers förm­lich re­agiert, noch sind von Sei­ten der Per­so­nal­ver­wal­tung ge­eig­ne­te Maßnah­men er­grif­fen wor­den sind, um den Kläger zu ei­nem ver­trags­ge­rech­ten Ver­hal­ten zu ver­an­las­sen. Un­ter die­sen Umständen kann aber aus dem hier zu be­ur­tei­len­den Fehl­ver­hal­ten des Klägers nicht ge­fol­gert wer­den, der Kläger sei voll­kom­men

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un­ein­sich­tig, kei­ner Be­leh­rung zugäng­lich und un­ter kei­nen Umständen be­reit, sich in die be­ste­hen­de be­trieb­li­che Ord­nung ein­zufügen und wer­de auch nach förm­li­cher Ab­mah­nung mit Kündi­gungs­an­dro­hung an der Vor­stel­lung fest­hal­ten, er könne sich fol­gen­los über die Wei­sung von Vor­ge­setz­ten hin­weg­set­zen.

d) Berück­sich­tigt man die Tat­sa­che, dass der Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung nicht der Sank­tio­nie­rung be­gan­ge­ner Pflicht­ver­let­zun­gen dient, viel­mehr die sach­li­che Be­rech­ti­gung der Kündi­gung und das Merk­mal des „wich­ti­gen Grun­des" da­nach zu be­ur­tei­len sind, ob für die Zu­kunft ein ver­trags­ge­rech­tes Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers zu er­war­ten ist oder als gänz­lich un­rea­lis­tisch er­scheint, so bleibt fest­zu­hal­ten, dass das ein­ma­li­ge Fehl­ver­hal­ten des Klägers nach Über­zeu­gung der Kam­mer die aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung nicht trägt. Auch wenn das Ver­hal­ten des Klägers als grob ver­trags­wid­rig und völlig un­verständ­lich er­scheint, fehlt es doch an der er­for­der­li­chen „letz­ten War­nung". Ge­ge­be­nen­falls mag die Be­klag­te den der Kündi­gung zu­grun­de­lie­gen­den Vor­wurf noch nachträglich zum An­lass neh­men, den Kläger auf die Be­deu­tung der be­ste­hen­den Re­ge­lun­gen und der be­trieb­li­chen Hier­ar­chie hin­zu­wei­sen und im We­ge der förm­li­chen Ab­mah­nung auf die Ge­fah­ren für den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses hin­zu­wei­sen.

II

Die Kos­ten der er­folg­lo­sen Be­ru­fung hat die Be­klag­te zu tra­gen.

III

Die Vor­aus­set­zun­gen für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on gemäß § 72 ArbGG lie­gen nicht vor.

RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG:

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Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

We­gen der Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de wird auf § 72a ArbGG ver­wie­sen.

 

Dr. Du­den­bos­tel 

Doh­men

Kratzsch

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