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BAG, Urteil vom 15.12.2009, 9 AZR 795/08
Schlagworte: | Urlaub, Freizeitausgleich | |
Gericht: | Bundesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 9 AZR 795/08 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 15.12.2009 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 11.12.2007, 1 Ca 207/07 Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 5.06.2008, 7 Sa 4/08 |
|
BUNDESARBEITSGERICHT
9 AZR 795/08
7 Sa 4/08
Landesarbeitsgericht
Hamburg
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
15. Dezember 2009
URTEIL
Brüne,
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger,
pp.
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,
hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter am
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Bundesarbeitsgericht Düwell, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gallner, den Richter am Bundesarbeitsgericht Reinfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Faltyn und Dr. Starke für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 5. Juni 2008 - 7 Sa 4/08 - teilweise aufgehoben und im Hauptausspruch zur Klar-stellung insgesamt neu gefasst:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2007 - 1 Ca 207/07 - teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, das Freizeitkonto des Klägers per 1. Januar 2007 um 20 Tage zu er-höhen und die Verdienstabrechnungen des Klägers seit Januar 2007 hinsichtlich des Freizeit-kontos entsprechend zu ändern.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Der Kläger ist der weitergehenden Revision verlustig.
Der Kläger hat 73 % der Kosten erster und zweiter Instanz zu tragen, die Beklagte 27 %. Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger 81 % zu tragen, die Beklagte 19 %.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe des Freizeitkontos des Klägers und die Änderung seiner Verdienstabrechnungen.
Der Kläger ist seit 1996 als Kapitän eines Bergungskrans für die Beklagte tätig. Der Bergungskran ist in B stationiert. Auf das Heuerverhältnis der Parteien ist kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für die deutsche Seeschifffahrt idF vom 24. August 2005 anzuwenden (MTV-See).
Der MTV-See lautet auszugsweise:
„§ 22 Urlaubsanspruch
(1) Die Beschäftigten haben Anspruch auf bezahlten Urlaub.
(2) Der Anspruch wird je Kalendermonat erworben. Für Teile von Monaten ist der Anspruch anteilig zu ermitteln, wobei der Monat mit 30 Tagen gerechnet wird; Bruchteile sind vorzutragen. Bei Antritt des Urlaubs und bei Beendigung des Heuerverhältnisses sind Bruchteile, die mindestens einen halben Tag ergeben, aufzurunden, andere Bruchteile bleiben unberücksichtigt.
...
(5) Leisten die Beschäftigten Dienst an Bord, befinden sie sich auf der An- oder Abreise oder halten sie sich auf Weisung des Reeders abrufbereit, so erwerben sie einen Gesamturlaubsanspruch. Dieser setzt sich zusammen aus dem Jahresurlaub und dem Ausgleich für die Sonnabende, Sonntage und Feiertage während der Zeiten nach Satz 1. Mit dem Gesamturlaubsanspruch sind alle Ansprüche auf Urlaub und für auf See verbrachte Sonnabende, Sonntage und Feiertage - auch für Jugendliche - abgegolten. Der Anspruch beträgt je Monat:
1. im 1. bis 5. Beschäftigungsjahr 11,5 Urlaubstage;
2. im 6. bis 10. Beschäftigungsjahr 12,5 Urlaubstage;
3. ab 11. Beschäftigungsjahr 13,5 Urlaubstage.
...
(6) Leisten die Beschäftigten Dienst an Land, nehmen sie an einer Wehrübung, an einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und internationale Übereinkünfte vorgeschriebenen Aus- und/oder Weiterbildungsmaßnahme teil, sind sie krank oder seedienstuntauglich an Land oder nehmen sie an einer Rehabilitationsmaßnahme nach § 26 Abs. 1 teil, so beträgt der Anspruch je Monat:
1. im 1. bis 5. Beschäftigungsjahr 2,3 Urlaubstage;
2. im 6. bis 10. Beschäftigungsjahr 3,1 Urlaubstage;
3. ab 11. Beschäftigungsjahr 4,0 Urlaubstage.
...
§ 34 Ausschlussfrist
(1) Ansprüche aus dem Heuerverhältnis verfallen, wenn
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sie nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Eintritt der Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden (Ausschlussfrist). Bei Heueransprüchen beginnt die Ausschlussfrist erst ab Zugang der Abrechnung zu laufen. Für die Beschäftigten, die sich im Zeitpunkt der Fälligkeit an Bord oder im Ausland befinden, beginnt der Lauf der Ausschlussfrist nach Ablösung und Rückkehr nach Deutschland.
(2) Die Vorschriften über die Verjährung von Ansprüchen nach §§ 194 bis 218 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleiben durch Absatz 1 unberührt.“
In Anlage IV MTV-See in der vom 1. Juli 2002 bis 31. Dezember 2008 geltenden Fassung sind Sonderbestimmungen für die Beschäftigten der Beklagten enthalten (Anlage IV MTV-See aF). Diese Regelungen lauten in Teilen:
„Der MTV-See und der HTV-See gelten für die Beschäftigten mit folgender Maßgabe:
An die Stelle der Vorschriften der
§ 1 Abs. 1, § 9, § 11 Abs. 3, § 16 Abs. 3 Nr. 2, § 17 Abs. 4, § 22, § 23 Abs. 1 MTV-See
treten die nachfolgenden Bestimmungen.
Die Vorschriften der § 8 und § 10 MTV-See werden durch die nachfolgenden Bestimmungen ergänzt.
...
§ 22 Grundsätze für Einsatz- und Urlaubszeiten
(1) Die Beschäftigten haben für jedes Kalenderjahr Anspruch auf bezahlte Urlaubs- und Verfügungstage. Für die Berechnung der Einsatzzeit und Urlaubszeit ist das Kalenderjahr maßgebend. Das Kalenderjahr setzt sich aus folgenden Einsatzzeiten und Urlaubszeiten zusammen:
1. 183 Tagen Borddienstzeit (Absatz 4)
2. 32 Tagen Verfügungszeit (Absatz 5)
3. 144 Tagen Urlaubszeiten (Absatz 6)
4. 6 Tagen Urlaubszeiten nach § 139 des Seemannsgesetzes (Absatz 6).
...
(3) Für Teile eines Kalenderjahres sind die Tage für die Borddienstzeit, Verfügungszeit und Urlaubszeiten anteilig
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zu ermitteln.
(4) Die Beschäftigten sind verpflichtet, innerhalb eines Zeitraums von einem Kalenderjahr 183 Tage Dienst an Bord zu leisten (Borddienstzeit). Ablösetage zählen zur Borddienstzeit.
(5) Der Reeder ist berechtigt, innerhalb eines Kalenderjahres
1. 50 vom Hundert der individuell anfallenden Ablöse-tage (An- und Abmusterung)
2. für betriebliche Weiterbildung und Wehrübungen
3. für durch Unfall und Krankheit entstandene Besetzungsengpässe 32 Tage zu nutzen (Verfügungszeit). Die Zeiten nach Nummer 3 sind innerhalb des Kalenderjahres nachzugewähren. Nicht genutzte Verfügungszeit wird dem Urlaubskonto gutgeschrieben. Die Verfügungszeit ist über das Kalenderjahr hinaus nicht übertragbar. Ein am Ende eines Kalenderjahres bestehender Plus- oder Minussaldo ist bis zum 31. März des Folgejahres auszugleichen.
(6) Die Beschäftigten haben Anspruch auf 150 Tage Urlaub pro Kalenderjahr (Urlaubszeit). Der Urlaub wird vom Reeder unter tunlichster Berücksichtigung der Wünsche der Beschäftigten gewährt. Dabei sind zweimal im Kalenderjahr 21 Kalendertage zusammenhängend Urlaub zu gewähren.
(7) Leisten die Beschäftigten Dienst an Land, so haben sie einen Urlaubsanspruch von 80 Tagen pro Kalenderjahr. Für diese Zeit wird der Anspruch der Borddienstzeit, Verfügungszeit und Urlaubszeit ausgesetzt und anteilig berechnet.
(8) Das Einsatz- und Urlaubszeitkonto ist den Beschäftigten einmal kalenderjährlich bekanntzugeben. Darüber hinaus wird auf Wunsch Auskunft über das jeweilige Einsatz- und Urlaubskonto erteilt.“
Die Tarifvertragsparteien, der Verband Deutscher Reeder e. V. und die Gewerkschaft ver.di, gaben unter dem 6. März 2009 eine gemeinsame Stellungnahme zu Anlage IV MTV-See aF ab. Sie brachten dort ua. zum Ausdruck, dass der sog. große Urlaubsanspruch iSv. § 22 Abs. 6 Anlage IV MTV-See aF nur dann bestehe, wenn Borddienst geleistet worden sei. Für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit stehe den Arbeitnehmern lediglich der sog. kleine Urlaubs-
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anspruch iSv. § 22 Abs. 7 Anlage IV MTV-See aF zu. Hätten die Tarifvertragsparteien das Problem in den Verhandlungen über Anlage IV MTV-See aF gesehen, hätten sie für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nur den kleinen Urlaubsanspruch vereinbart.
Der Verband Deutscher Reeder e. V. und ver.di trafen unter dem 16. Januar 2009 mit Wirkung vom 1. Januar 2009 die Vereinbarung (§ 22 Anlage IV MTV-See nF):
„§ 22 der Anlage IV des Manteltarifvertrages für die deutsche Seeschifffahrt (MTV-See) vom 11. März 2002, gültig ab 1. Juli 2002, zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 24. August 2005, wird um den folgenden neuen Abs. 7a ergänzt:
(7a) Nehmen die Beschäftigten an einer Wehrübung oder an einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und internationale Übereinkünfte vorgeschriebenen Aus-und/oder Weiterbildungsmaßnahme teil, sind sie krank oder seedienstuntauglich an Land oder nehmen sie an einer Rehabilitationsmaßnahme nach § 26 Abs. 1 teil, so haben sie einen Urlaubsanspruch von 42 Kalendertagen pro Kalenderjahr. Für diese Zeiten wird der Anspruch der Borddienstzeit, Verfügungszeit und Urlaubszeit gemäß Abs. 1 ausgesetzt und anteilig neu berechnet. Dies gilt nicht, soweit diese Zeiten vom Reeder als Verfügungszeit gemäß Abs. 5 Ziffer 2 genutzt werden. Sofern der Urlaubsanspruch gemäß Satz 1 zum Tragen kommt, muss dieser Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung dieses Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegen-de Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgen-den Kalenderjahres gewährt und genommen werden. § 4 Abs. 1 ArbPlSchG bleibt unberührt.“
Der Kläger arbeitete im Jahr 2006 an 189 Tagen. Er nahm in diesem Jahr an zwei Wehrübungen von jeweils zwölf Kalendertagen teil und war an 42 Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt. An 19 Kalendertagen besuchte der Kläger einen Lehrgang zur Weiterbildung als Fachkraft für den Seebetrieb. Die Beklagte gewährte dem Kläger 2006 insgesamt 110 freie Tage. Dabei handelte es sich um 91 Urlaubstage und die 19 Tage des Weiterbildungslehrgangs.
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Die monatlichen Verdienstabrechnungen des Klägers enthielten verschiedene Angaben zu seinem Freizeitkonto. Sein Freizeitkonto für 2006 wurde mit insgesamt 170 Tagen ausgestattet. Die Verdienstabrechnung für Januar 2006 enthielt keinen Übertrag aus dem Freizeitkonto des Vormonats. Für Januar, März, April, Mai, Juni, Juli, August, Oktober und Dezember 2006 wurden dem Kläger jeweils 15,25 Freizeittage auf dem Freizeitkonto gut-geschrieben. Im Februar 2006 wurde ihm ein Freizeitanspruch von 14,25 Tagen gutgebracht. Im September und im November 2006 betrug der gutgeschriebene Freizeitanspruch jeweils 9,25 Tage. Die Beklagte übertrug aus dem Jahr 2006 einen Freizeitsaldo von 39 Tagen in das Jahr 2007.
Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 31. Dezember 2006 erfolglos dazu auf, sein Freizeitkonto zu berichtigen.
Der Kläger meint, ihm stehe für das Jahr 2006 nach § 22 Abs. 6 Anlage IV MTV-See aF ein großer Urlaubsanspruch von insgesamt 150 Tagen zu. Die Krankheitstage und die Tage der beiden Wehrübungen seien nicht als Landarbeitstage iSv. § 22 Abs. 7 Anlage IV MTV-See aF zu werten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, sein Freizeitkonto per 1. Januar 2007 um 65 Tage auf 104 Tage zu erhöhen und die Verdienstabrechnungen per 1. Januar 2007 entsprechend zu korrigieren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, dem Kläger stehe für die Krankheitszeiten und die Tage der Wehrübungen nur der kleine Urlaubsanspruch iSv. § 22 Abs. 7 Anlage IV MTV-See aF zu. § 22 Abs. 6 Anlage IV MTV-See aF, der den großen Urlaubsanspruch regle, sei im Zusammenhang mit § 22 Abs. 1 Anlage IV MTV-See aF zu sehen. Danach setze eine Urlaubszeit von 150 Tagen eine Borddienstzeit von 183 Tagen voraus. Aus der Tarifgeschichte der Anlage IV MTV-See aF und der Stellungnahme der Tarifvertragsparteien ergebe sich, dass Arbeitnehmern für Krankheits- und Wehrübungszeiten nur der kleine Urlaubsanspruch zukomme.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht
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hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung des Klägers teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, das Freizeitkonto des Klägers per 1. Januar 2007 um sieben Tage auf 46 Tage zu erhöhen und die Verdienstabrechnungen entsprechend zu korrigieren. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger zunächst seinen bisherigen Klageantrag in vollem Umfang weiterverfolgt. In der Revisionsverhandlung hat er seinen Sachantrag darauf beschränkt, die Beklagte zu verurteilen, sein Freizeitkonto per 1. Januar 2007 um weitere 13 Tage zu erhöhen und das Freizeitkonto in den Verdienstabrechnungen entsprechend zu korrigieren. Der Kläger hat die weitergehende Revision zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
A. Die noch anhängige Revision ist erfolgreich. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte sein Freizeitkonto mit Wirkung vom 1. Januar 2007 um weitere 13 Tage erhöht und das Freizeitkonto in den Verdienstabrechnungen seitdem in dieser Höhe ausweist. Dem Kläger steht einschließlich der vom Landesarbeitsgericht rechtskräftig zuerkannten sieben Tage eine Gutschrift von weiteren 20 Tagen zu. Er ist aufgrund der teilweisen Rücknahme der Revision seines weitergehenden Rechtsmittels verlustig (vgl. §§ 565, 516 ZPO).
I. Die noch zur Entscheidung des Senats angefallene Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
1. Die mit der Klage auf Erhöhung des Freizeitkontos erstrebte Handlung ist erkennbar. Die Beklagte soll dem Freizeitkonto des Klägers mit Wirkung vom 1. Januar 2007 weitere 13 Tage gutschreiben. Die Beklagte führt ein solches Freizeitkonto für den Kläger. Ein Freizeitkonto drückt aus, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Vergütung beanspruchen kann, ohne Arbeit zu leisten. Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass dieses Konto richtig geführt wird.
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Erworbene Freizeitansprüche sind in das Konto aufzunehmen, ihm „gutzuschreiben“ (vgl. zu einem Zeitkonto, dem sog. Plusstunden gutzuschreiben waren, BAG 14. August 2002 - 5 AZR 417/01 - zu I 1 der Gründe, AP EntgeltFG § 2 Nr. 10 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 4; zu einem Arbeitszeitkonto 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn.10, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1; zu einem Urlaubskonto Senat 16. Dezember 2008 - 9 AZR 164/08 - Rn. 16, AP BUrlG § 7 Nr. 40 = EzA BUrlG § 7 Nr. 120).
2. Auch die Klage, die auf Änderung des seit Januar 2007 in den Verdienstabrechnungen wiedergegebenen Freizeitkontos gerichtet ist, genügt dem Bestimmtheitsgebot.
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift ua. die bestimmte Angabe von Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs enthalten. Der Streitgegenstand und der Umfang der Rechtskraft des erstrebten Urteils müssen bestimmt werden können (Senat 16. Dezember 2008 - 9 AZR 164/08 - Rn. 14, AP BUrlG § 7 Nr. 40 = EzA BUrlG § 7 Nr. 120).
b) Die Klage wird diesen Anforderungen gerecht. Der Kläger meint mit Verdienstabrechnungen die monatlich zu erstellenden Verdienstabrechnungen seit Januar 2007. Die Beklagte nutzt die Abrechnungen im gegenseitigen Einvernehmen, um dem Kläger monatlich Auskunft über das Einsatz- und Urlaubskonto nach § 22 Abs. 8 Satz 2 Anlage IV MTV-See aF zu erteilen.
II. Die noch rechtshängige Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Freizeitkonto des Klägers seit 1. Januar 2007 über die bereits vom Landesarbeitsgericht rechtskräftig zuerkannten sieben Tage hinaus weitere 13 Tage aus dem Jahr 2006 gutzuschreiben (§ 22 Abs. 1, 6 und 8 Anlage IV MTV-See aF iVm. § 241 Abs. 2 BGB).
1. Nach § 22 Abs. 8 Satz 1 Anlage IV MTV-See aF ist das Einsatz- und Urlaubszeitkonto den Beschäftigten einmal kalenderjährlich bekannt zu geben. Darüber hinaus wird auf Wunsch Auskunft über das jeweilige Einsatz- und Urlaubskonto erteilt (§ 22 Abs. 8 Satz 2 Anlage IV MTV-See aF). Aus diesen
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tariflichen Bestimmungen ergibt sich zugleich die Pflicht des Arbeitgebers, das Urlaubskonto richtig zu führen. Sonst könnte der Arbeitgeber seine Verpflichtung, eine verlässliche Auskunft über den Umfang des bereits gewährten und des noch offenen Urlaubsanspruchs zu geben, nicht erfüllen. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass der Arbeitgeber die ihm noch zustehenden Urlaubsansprüche im Urlaubskonto zutreffend ausweist und ggf. nötige Korrekturen vornimmt.
2. Die Beklagte führt das Urlaubskonto als Freizeitkonto. In dieses Konto stellt sie die Urlaubstage des Klägers ein. Der Kläger erwarb für das Kalenderjahr 2006 ohne Verfügungstage einen Urlaubsanspruch von 150 Tagen (§ 22 Abs. 6 Anlage IV MTV-See aF).
a) Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Anlage IV MTV-See aF haben die Beschäftigten für jedes Kalenderjahr Anspruch auf bezahlte Urlaubs- und Verfügungstage. Für die Berechnung der Einsatzzeit und Urlaubszeit ist das Kalenderjahr maßgebend (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Anlage IV MTV-See aF).
b) Der Jahresurlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2006 steht dem Kläger nicht nur zeitanteilig zu, obwohl er an Wehrübungen teilnahm. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen.
aa) Eine spezialgesetzliche Grundlage, den Jahresurlaub des Klägers für die Zeiten der Teilnahme an Wehrübungen zu kürzen, besteht nicht. Nach § 1 Abs. 1 iVm. § 10 ArbPlSchG in der bis 17. Juni 2009 geltenden Fassung (aF) ruht das Arbeitsverhältnis während des Wehrdienstes, wenn der Arbeitnehmer zu einer Wehrübung (ggf. aufgrund freiwilliger Verpflichtung) einberufen wird.
(1) Ruht das Arbeitsverhältnis iSd. Arbeitsplatzschutzgesetzes, entfallen die gegenseitigen Hauptleistungspflichten, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wird. Der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses bleibt dennoch unberührt. Nach § 4 Abs. 1 iVm. § 10 ArbPlSchG aF kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für ein Urlaubsjahr aus dem
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Arbeitsverhältnis zusteht, allerdings für jeden vollen Kalendermonat, den der Arbeitnehmer Wehrdienst leistet, um ein Zwölftel kürzen.
(2) Der Kläger nahm an 24 Kalendertagen im Jahr 2006 an Wehrübungen teil. Die Grenze eines vollen Kalendermonats war nicht erreicht. Die Beklagte war deshalb nicht berechtigt, den Jahresurlaub zu kürzen. Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts kommt auch keine anteilige Kürzung in Betracht, wenn die Zeit des Wehrdienstes unter einem vollen Kalendermonat liegt (vgl. Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. Teil II Urlaub und Wehrdienst Rn. 10; Neumann/Fenski Bundesurlaubsgesetz 9. Aufl. ArbPlSchG Rn. 5 ff.).
bb) Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während der Teilnahme an Wehrübungen führt auch nicht aufgrund allgemeiner Bestimmungen dazu, dass der tarifliche Jahresurlaubsanspruch zeitanteilig entfällt.
(1) Der Mindesturlaubsanspruch iSv. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (sog. Arbeitszeitrichtlinie) und §§ 1, 3 BUrlG entsteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet (vgl. beispielhaft für den Fall der Arbeitsunfähigkeit EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [verbundene Rechtssachen Schultz-Hoff, Stringer ua.] Rn. 41, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1; Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 21, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15). Das Seemannsgesetz enthält keine hiervon abweichenden Bestimmungen (§ 53 Abs. 2 SeemG). Soweit in einem Tarifvertrag für den tariflichen Urlaubsanspruch keine anderslautenden Regelungen getroffen werden, gelten die gesetzlichen Vorschriften (vgl. Senat 28. April 1998 - 9 AZR 314/97 - zu I 4 der Gründe, BAGE 88, 315).
(2) Weder der MTV-See noch seine Anlage IV bestimmen, dass für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis wegen der Teilnahme an Wehrübungen ruht, kein Urlaubsanspruch entsteht. Der im Jahr 2006 entstandene Urlaubsanspruch des Klägers darf daher nicht auf der Grundlage von 341 Kalendertagen anstelle von 365 Kalendertagen berechnet werden. Eine solche Kürzungsmöglichkeit ergibt sich insbesondere nicht aus § 22 Abs. 3 Anlage IV MTV-See aF. Diese
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Vorschrift ist nur dann anzuwenden, wenn das Arbeitsverhältnis nicht während des gesamten Kalenderjahres besteht.
c) Der im Jahr 2006 entstandene Urlaubsanspruch des Klägers bestimmt sich nach § 22 Abs. 6 und nicht nach § 22 Abs. 7 Anlage IV MTV-See aF. Dem Kläger steht der große Urlaubsanspruch zu. Es ist unschädlich, dass er 2006 an 42 Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt war, an 24 Tagen an Wehrübungen teilnahm und sich während dieser Zeiten - jedenfalls nach dem Vorbringen der Beklagten - an Land befand. Entscheidend ist, dass der Kläger ohne die Hinderungsgründe verpflichtet gewesen wäre, Borddienst zu versehen.
aa) Regelmäßig wird der große Urlaubsanspruch aus § 22 Abs. 6 Anlage IV MTV-See aF erworben. Lediglich unter den in § 22 Abs. 7 Anlage IV MTV-See aF genannten Voraussetzungen ist der Urlaubsanspruch ausnahmsweise auf der Grundlage von 80 Tagen pro Kalenderjahr zu berechnen.
bb) Der Ausnahmetatbestand des kleinen Urlaubsanspruchs aus § 22 Abs. 7 Anlage IV MTV-See aF ist hier nicht erfüllt. Der Kläger leistete in den Zeiten, in denen er an Wehrübungen teilnahm oder arbeitsunfähig erkrankt war, keinen Dienst an Land iSd. der tariflichen Bestimmung. Er war in diesen Zeiträumen nicht verpflichtet, Dienst an Land zu leisten. Ein Beschäftigter leistet nur dann Dienst an Land iSv. § 22 Abs. 7 Anlage IV MTV-See aF, wenn er - zB aufgrund einer vertraglichen Abrede oder einer wirksamen Weisung - verpflichtet ist, anstelle des Borddienstes Dienst an Land zu leisten. Für Zeiten, in denen der Beschäftigte arbeitsunfähig erkrankt ist oder an Wehrübungen teilnimmt, ist entscheidend, ob er verpflichtet gewesen wäre, Dienst an Land zu leisten, wenn der Hinderungsgrund für den Borddienst durch Erkrankung oder Teilnahme an einer Wehrübung hinweggedacht wird. Es kommt nicht darauf an, wo sich der Arbeitnehmer in diesen Zeiten tatsächlich aufhält. Das ergibt die Auslegung der tariflichen Bestimmungen.
(1) Der normative Teil eines Tarifvertrags ist grundsätzlich nach den für Gesetze geltenden Regeln auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Auf dieser Grundlage ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien
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zu ermitteln, soweit er sich in den tariflichen Regelungen niedergeschlagen hat. Der tarifliche Zusammenhang kann Aufschluss über den von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck geben. Auch auf die Entstehungsgeschichte und die Tarifpraxis kann zurückgegriffen werden. Praktikabilität und Sinn des Auslegungsergebnisses sind im Auge zu behalten. Im Zweifel ist die Auslegung vorzugswürdig, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. für die st. Rspr. Senat 19. Mai 2009 - 9 AZR 135/08 - Rn. 22; 20. Januar 2009 - 9 AZR 677/07 - Rn. 35, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 43 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 30).
(2) Wortlaut und Zusammenhang der Regelungen in § 22 Anlage IV MTV-See aF zeigen, dass § 22 Abs. 6 Anlage IV MTV-See aF hinsichtlich des Umfangs des Urlaubsanspruchs der Regeltatbestand für die Arbeitnehmer der Beklagten ist.
(a) § 22 Abs. 6 Anlage IV MTV-See aF begründet selbst keine weiteren Voraussetzungen für die Entstehung eines Jahresurlaubsanspruchs von 150 Tagen. Der Wortlaut stellt nicht darauf ab, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Borddienst leistet, sich an Bord aufhält oder angemustert wurde. Anderes ergibt sich nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 3 Anlage IV MTV-See aF. Dort wird lediglich festgelegt, aus welchen Einsatz- und Urlaubszeiten sich das Kalenderjahr zusammensetzt. Der Begriff „183 Tage Borddienstzeit“ besagt weder, dass zur Borddienstzeit nur solche Tage gehören, an denen der Arbeitnehmer tatsächlich an Bord arbeitet. Der Regelung kann auch nicht entnommen werden, der Urlaubsanspruch in Höhe von 150 Tagen entstehe nur bei tatsächlicher Arbeitsleistung an 183 Tagen an Bord. Die Bezugnahme auf § 22 Abs. 4 Anlage IV MTV-See aF verdeutlicht vielmehr, dass es sich bei der Borddienst-zeit um solche Zeiten handelt, in denen der Beschäftigte grundsätzlich verpflichtet ist, Dienst an Bord zu leisten. Zu der „Borddienstzeit“ gehören daher auch solche Tage, an denen der Arbeitnehmer verpflichtet wäre, Borddienste zu leisten, wenn kein Hinderungsgrund bestünde.
(b) Eine Ausnahme von dem Anspruch auf 150 Tage Urlaub im Kalenderjahr nach § 22 Abs. 6 Anlage IV MTV-See aF ist nur unter den Voraus-
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setzungen des § 22 Abs. 7 Anlage IV MTV-See aF anzunehmen. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Begriff „Dienst an Land leisten“ in § 22 Abs. 7 Anlage IV MTV-See aF zum Ausdruck gebracht, dass es nicht darauf ankommt, wo sich der Arbeitnehmer tatsächlich aufhält. Entscheidend ist, ob er rechtlich verpflichtet ist, statt des Borddienstes Dienst an Land zu leisten. Das wird durch § 22 Abs. 1 und 4 Anlage IV MTV-See aF bestätigt. Ein an Anlage IV MTV-See aF gebundener Arbeitnehmer leistet nur dann Dienst an Land, wenn er abweichend von § 22 Abs. 4 iVm. Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Anlage IV MTV-See aF auch rechtlich verpflichtet ist, Dienst an Land zu leisten. Sonst bleibt es bei seiner Verpflichtung, an 183 Tagen Borddienst zu leisten.
(c) Der tarifliche Gesamtzusammenhang bestätigt dieses Auslegungsergebnis. § 22 Anlage IV MTV-See aF ersetzt § 22 MTV-See.
(aa) In § 22 MTV-See wird hinsichtlich der Höhe des monatlich entstehenden Urlaubsanspruchs ausdrücklich danach unterschieden, ob die Beschäftigten Dienst an Bord leisten, sich auf der An- und Abreise befinden oder sich auf Weisung des Reeders abrufbereit halten. In diesen Fällen erwerben sie einen Gesamturlaubsanspruch (§ 22 Abs. 5 MTV-See). Leisten die Beschäftigten dagegen Dienst an Land, nehmen sie an einer Wehrübung, einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internationale Übereinkünfte vorgeschriebenen Aus- und/oder Weiterbildungsmaßnahme teil, sind sie krank oder seedienstuntauglich an Land oder nehmen sie an einer Rehabilitationsmaßnahme teil, richtet sich die Urlaubshöhe nach § 22 Abs. 6 MTV-See. Diese von der Eingangspassage der Anlage IV MTV-See aF und ihrem § 22 abbedungene Aufzählung zeigt, dass den Tarifvertragsparteien die möglichen unterschiedlichen Fallgestaltungen im Urlaubsjahr bewusst waren.
(bb) Die Tarifvertragsparteien erklärten § 22 MTV-See für die Arbeitnehmer der Beklagten ausdrücklich für unanwendbar und trafen für sie eine Sonderregelung in § 22 Anlage IV MTV-See aF. Aus dem Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der zB an einer Wehrübung teilnimmt, hierfür nach dem MTV-See nur einen geringeren Urlaubsanspruch erwirbt als für Zeiten, in denen er Dienst an Bord leistet, kann deswegen nicht geschlossen werden, diese Wertung habe
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auch für § 22 Anlage IV MTV-See aF zu gelten. § 22 Abs. 6 der Anlage IV MTV-See aF begründet keine weiteren Voraussetzungen. In § 22 Abs. 7 Anlage IV MTV-See aF wird lediglich der Dienst an Land erwähnt. Daran wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien für die Arbeitnehmer der Beklagten in bewusster Abweichung von § 22 MTV-See keinen ausnahmsweise verkürzten „kleinen“ Urlaubsanspruch begründen wollten, wenn der Arbeitnehmer in Zeiten eines eigentlich zu leistenden Borddienstes an einer Wehrübung teilnimmt oder erkrankt.
(d) Die Entstehungsgeschichte der Anlage IV MTV-See aF lässt keinen anderen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien erkennen. Für die Arbeitnehmer der Beklagten galt vor Inkrafttreten der Anlage IV MTV-See aF zunächst der MTV-See idF vom 17. April 1986. Später - nachdem die Beklagte aus der Tarifgemeinschaft ausgetreten war - fand eine Betriebsvereinbarung Anwendung, die hinsichtlich des Urlaubsanspruchs im Krankheitsfall oder bei Teilnahme an einer Wehrübung auf § 57 Abs. 3 MTV-See idF vom 17. April 1986 verwies. Diese Rechtslage änderten die Tarifvertragsparteien bewusst, als sie § 22 MTV-See für die Beschäftigten der Beklagten mit Wirkung vom 1. Juli 2002 durch Anlage IV MTV-See aF ersetzten.
(e) Der Tarifzweck erlaubt kein anderes Auslegungsergebnis. Der von der Beklagten angeführte Sinn des Ausgleichs der tatsächlichen Arbeitsbelastung durch Urlaub ist in § 22 Anlage IV MTV-See aF nicht ausgedrückt. Dieser Zweck entspricht auch nicht den Bestimmungen in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie, im BUrlG und im SeemG. Danach entsteht der Mindesturlaubsanspruch selbst dann, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet (vgl. für den Fall der Arbeitsunfähigkeit EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [verbundene Rechtssachen Schultz-Hoff, Stringer ua.] Rn. 41, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1; Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 21, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15).
(f) Die gemeinsame Erklärung beider Tarifvertragsparteien vom 6. März 2009, nach der der große Urlaubsanspruch nur bei tatsächlichem Aufenthalt an
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Bord erworben werden kann, führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Übereinstimmende Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien können bei der Ermittlung des objektiven Tarifinhalts hilfreich sein. Der Wille der Tarifvertragsparteien, wie er in der gemeinsamen Stellungnahme vom 6. März 2009 ge-äußert wurde, hat sich jedoch nicht in Wortlaut und Zusammenhang der Tarifvorschriften niedergeschlagen. Auf sie kommt es bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags entscheidend an (vgl. zB BAG 5. August 2009 - 10 AZR 1006/08 - Rn. 21 mwN, AP TVG § 4 Nr. 32). Aus dem eindeutigen tariflichen Wortlaut des § 22 Abs. 7 Anlage IV MTV-See aF ergibt sich vielmehr, dass sich der kleine Urlaubsanspruch auf Zeiten, in denen der Arbeitnehmer Dienst an Land leistet, beschränkt.
(g) § 22 Abs. 6 Anlage IV MTV-See aF ist als Regeltatbestand für den Urlaubsanspruch formuliert. Die Voraussetzungen der Ausnahme des kleinen Urlaubsanspruchs aus § 22 Abs. 7 Anlage IV MTV-See aF sind nicht erfüllt. § 22 Abs. 6 Anlage IV MTV-See aF erfasst auch die Fälle, in denen ein grundsätzlich zum Borddienst verpflichteter Arbeitnehmer im Kalenderjahr zeitweise aufgrund einer Erkrankung arbeitsunfähig ist oder an Wehrübungen teilnimmt. Eine unbewusste Tariflücke, die durch Rechtsfortbildung ausgefüllt werden könnte, scheidet deshalb aus (vgl. dazu BAG 5. August 2009 - 10 AZR 1006/08 - Rn. 17, AP TVG § 4 Nr. 32). Eine auszufüllende Tariflücke kommt nicht in Betracht, wenn der Tarifvertrag selbst ein in sich geschlossenes Regelwerk enthält. Das gilt auch dann, wenn die Tarifvertragsparteien später zum Ausdruck bringen, sie hätten einen nicht bedachten Umstand anders regeln wollen, als er sich aus dem Wortsinn des Tarifvertrags ergibt. Die Tarifvertragsparteien sind dann gehalten, den Tarifvertrag zu ändern. Eine solche Änderung haben die Tarifvertragsparteien nun mit der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Vereinbarung vom 16. Januar 2009 vorgenommen. Der neu geschaffene Abs. 7a in § 22 Anlage IV MTV-See nF enthält nicht nur eine Klarstellung, sondern eine neue Urlaubsregelung.
3. Der im Kalenderjahr entstandene und noch nicht verbrauchte Urlaub nach Anlage IV MTV-See aF ist zeitlich nicht befristet (vgl. für den Gesamt-
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urlaubsanspruch nach dem MTV-See Senat 16. Dezember 2008 - 9 AZR 164/08 - Rn. 40 mwN, AP BUrlG § 7 Nr. 40 = EzA BUrlG § 7 Nr. 120).
a) Anders als § 7 Abs. 3 BUrlG und § 55 Abs. 3 SeemG sehen der MTV-See und Anlage IV MTV-See aF keine zeitliche Befristung des Urlaubsanspruchs vor. Sie kennen weder eine Befristung auf das Kalenderjahr noch einen Übertragungszeitraum.
b) Auf die gesetzlichen Bestimmungen kann nicht zurückgegriffen werden. § 23 Abs. 1 idF der Anlage IV MTV-See aF und § 23 Abs. 2 bis 9 MTV-See enthalten abschließende Regelungen für die Urlaubsgewährung. Nach § 23 Abs. 2 MTV-See muss der Urlaub genommen werden. Bis zu welchem Zeitpunkt der Urlaub zu nehmen ist, ist nicht vorgegeben. Der daraus folgende Wille, einen unbefristeten Urlaubsanspruch zu begründen, wird bestätigt von § 22 Abs. 5 und 8 Anlage IV MTV-See aF. In § 22 Abs. 5 Satz 4 Anlage IV MTV-See aF ist nur für die Verfügungszeit ausdrücklich bestimmt, dass sie über das Kalenderjahr hinaus nicht übertragbar ist. Nach § 22 Abs. 8 Satz 1 Anlage IV MTV-See aF ist das Einsatz- und Urlaubszeitkonto dem Beschäftigten einmal im Kalenderjahr bekannt zu geben. Das ist nur sinnvoll, wenn die Urlaubszeiten auch auf das neue Kalenderjahr übertragen werden können. Hinzu kommt, dass es sich bei dem Urlaubsanspruch aus § 22 Abs. 6 und 7 Anlage IV MTV-See aF um einen gemischten Anspruch handelt, der den eigentlichen Urlaubsanspruch mit Ausgleichsansprüchen für Arbeit an Sonn- und Feiertagen verbindet. Das zeigt die Dauer der sog. großen und kleinen Urlaubsansprüche.
c) Bedenken an der Wirksamkeit der tariflichen Bestimmungen bestehen nicht. Der Fortbestand der Urlaubsansprüche über die Dauer des Kalenderjahres oder eines Übertragungszeitraums hinaus ist für den Arbeitnehmer günstiger als die gesetzliche Regelung (vgl. Senat 19. Januar 1993 - 9 AZR 79/92 - zu II 2 der Gründe, BAGE 72, 153).
4. Der Anspruch auf Erhöhung des Freizeitkontos ist nicht nach § 34 MTV-See verfallen. Er wird während des bestehenden Heuerverhältnisses vor
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Antritt des Urlaubs nicht fällig iSd. tariflichen Ausschlussfrist. Das gilt auch für den zeitlich unbefristeten Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers.
a) Der Begriff der Fälligkeit im Sinn einer tariflichen Ausschlussfrist kann nicht für alle Ansprüche in gleicher Weise bestimmt werden. Er ist unter Einbeziehung des Kenntnisstands des Gläubigers und subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte interessengerecht auszulegen. Die Festlegung des Fälligkeitszeitpunkts ist abhängig von dem Charakter des Anspruchs und den Umständen seiner Entstehung (vgl. ausführlich BAG 18. Dezember 2008 - 8 AZR 105/08 - Rn. 48, NZA-RR 2009, 314).
b) Der Anspruch des Klägers auf Gutschrift von weiteren 13 Tagen auf seinem Freizeitkonto beruht auf § 22 Abs. 1, 6 und 8 der Anlage IV MTV-See aF. Aufgrund der Natur des Anspruchs kann er während des bestehenden Heuerverhältnisses nicht fällig iSd. tariflichen Ausschlussfrist werden. Sonst würde der mit § 22 Abs. 8 Anlage IV MTV-See aF verfolgte Zweck, dass der Beschäftigte jederzeit eine verlässliche und zutreffende Auskunft über die Höhe seines noch offenen Urlaubsanspruchs erhalten kann, nicht erreicht. Damit unterfällt auch der tarifliche Urlaubsanspruch des Klägers nicht der tariflichen Ausschlussfrist. Er wird während des bestehenden Heuerverhältnisses vor Gewährung des Urlaubs nicht fällig iSv. § 34 MTV-See (vgl. zu § 22 MTV-See Lindemann/Bemm Seemannsgesetz und Manteltarifvertrag für die deutsche Seeschifffahrt 6. Aufl. § 32 Rn. 20). Der Urlaubsanspruch nach § 22 Anlage IV MTV-See aF entsteht ohne Wartezeit mit Beginn des Heuerverhältnisses oder - bei schon bestehendem Heuerverhältnis - mit Beginn des Kalenderjahres. Bereits zu diesem Zeitpunkt kann der Beschäftigte den Urlaub vom Reeder verlangen. Griffe die tarifliche Ausschlussfrist ein, müsste der Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Beginn des Heuerverhältnisses oder nach Jahresbeginn seinen Urlaubsanspruch schriftlich geltend machen. Das entspricht nicht dem in § 22 Anlage IV MTV-See aF und § 23 MTV-See zum Ausdruck gebrachten Willen der Tarifvertragsparteien. Dort haben die Tarifvertragsparteien den Urlaubsanspruch zeitlich nicht befristet, ihn also weder an das Kalenderjahr noch an einen Übertragungszeitraum gebunden.
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5. Der Kläger hatte für das Kalenderjahr 2006 nach § 22 Abs. 6 Anlage IV MTV-See aF Anspruch auf insgesamt 150 Urlaubstage. Im Umfang von 91 Tagen sind die Freizeitansprüche durch Gewährung sog. Urlaubs nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Dem Freizeitkonto des Klägers waren demnach mit Wirkung vom 1. Januar 2007 noch 59 Urlaubstage aus dem Jahr 2006 gutzuschreiben. Die Beklagte schrieb dem Freizeitkonto nach den nicht an-gegriffenen und damit bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) 39 Tage aus dem Jahr 2006 gut. In diesem Umfang ist der Anspruch des Klägers auf Gutschrift der Ansprüche im Freizeitkonto nach § 362 Abs. 1 BGB erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte ferner rechtskräftig verurteilt, das Freizeitkonto des Klägers per 1. Januar 2007 um sieben weitere Tage zu erhöhen. Der Kläger kann deshalb noch beanspruchen, dass seinem Freizeitkonto weitere 13 Tage gutgeschrieben und die Verdienstabrechnungen seit Januar 2007 entsprechend geändert werden.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., § 97 Abs. 1, §§ 565, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Düwell
W. Reinfelder
Gallner
Faltyn
Starke
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