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Sächsisches LAG, Urteil vom 16.07.2015, 9 Sa 15/15
Schlagworte: | Außerordentliche Kündigung, Geschäftsführer | |
Gericht: | Sächsisches Landesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 9 Sa 15/15 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 16.07.2015 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Dresden, Urteil vom 08.12.2014, 11 Ca 3260/13 nachgehend: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.06.2017, 6 AZR 720/15 |
|
Sächsisches
Landesarbeitsgericht
Zwickauer Straße 54, 09112 Chemnitz
Postfach 7 04, 09007 Chemnitz
Bitte bei allen Schreiben angeben:
Az.: 9 Sa 15/15
11 Ca 3260/13 ArbG Dresden
Verkündet am 16. Juli 2015
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
...
hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 9 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2015
für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 08.12.2014 – 11 Ca 3260/13 – wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das erstinstanzliche Urteil in seiner Ziffer 1
a b g e ä n d e r t
und die Klage auch insoweit abgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin; die erstinstanzlichen Kosten haben die Klägerin zu 5/6 und der Beklagte zu 1/6 zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
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T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch über die Wirksamkeit zweier fristloser, hilfsweise ordentlicher Kündigungen vom 07.10.2013 und vom 22.04.2014.
Die 1961 geborene Klägerin ist beim Beklagten als Geschäftsführerin angestellt. Sie selbst geht von einer anrechenbaren Betriebszugehörigkeit seit dem 01.02.2003 aus, der Beklagte dagegen stellt insoweit auf das Datum 01.11.2011 ab. Arbeitsvertraglich haben die Parteien die Anwendung des TV-L Ost vereinbart. Das monatliche Arbeitsentgelt der Klägerin lag zuletzt bei 4.504,98 € brutto. Mangels ausreichender Beschäftigtenzahl findet das Kündigungsschutzgesetz vorliegend keine Anwendung.
Beim Beklagten handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein, dessen Zweck die Förderung der Unfallverhütung ist.
Die Satzung des Beklagten bestimmt in ihren §§ 11 und 12 u. a. Folgendes:
"§ 11
Präsidium
(1) Das Präsidium besteht aus
- dem Präsidenten
- den drei Vizepräsidenten
- dem Schatzmeister
(2) Je zwei Mitglieder des Präsidiums vertreten gemeinsam die Landesverkehrswacht Sachsen.
(3) Das Präsidium leitet die Landesverkehrswacht und beschließt über deren laufende Geschäfte, soweit sie nicht nach der Satzung in die Zuständigkeit anderer Vereinsorgane fallen. Das Präsidium ist beschlussfähig, wenn drei Mitglieder anwesend sind.
(4) Das Präsidium bleibt bis zur Wahl von Nachfolgern im Amt. Zur Aufrechterhaltung seiner Arbeitsfähigkeit kann der Vorstand eines seiner Mitglieder bis zur Wahl mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines Präsidiumsmitgliedes beauftragen.
...
- 3 -
§ 12
Geschäftsführung
(1) Am Sitz der ... wird eine Geschäftsstelle unterhalten, die von einem Geschäftsführer oder einer Geschäftsführerin geleitet wird.
(2) Der (die) Geschäftsführer(in) wird vom Präsidium angestellt und bei Erfordernis vom Präsidium entlassen.
..."
Zwischen der Klägerin und dem Präsidenten des Beklagten kam es zu Unstimmigkeiten, u. a. wegen Reisekostenabrechnungen des Präsidenten sowie von der Klägerin ihrer Ansicht nach geleisteter Überstunden.
Ab dem 06.08.2013 versandte die Klägerin an einen Rechtsanwalt ... verschiedene E-Mails, die u. a. die Taktik der Klägerin zum Gegenstand hatten, den Präsidenten zum Rücktritt zu bewegen. Wegen des genauen Inhalts dieser E-Mails wird auf die Anlagen B 1 bis B 3 verwiesen (vgl. Bl. 49 bis 51 d. A.).
Mit Schreiben vom 09.09.2013 (vgl. Bl. 53 ff. d. A.) schrieb Rechtsanwalt ... den Präsidenten des Beklagten unter dessen Privatanschrift an. In dem Schreiben forderte Herr ... den Präsidenten u. a. auf, umfassend zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. Dieses Schreiben erhielten auch alle anderen Präsidiumsmitglieder der ... e. V. zur Kenntnis.
Am 15.09.2013 mailte die Klägerin an die Buchhalterin des Beklagten Frau ... den Entwurf eines Schreibens, wonach die Mitglieder der Verkehrswacht "..." vom Vorstand der ... e. V. die sofortige Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung fordern mit dem Grund Rechenschaftslegung des Präsidiums und dem Zweck der Abwahl des Präsidiums. Mit E-Mail vom 19.09.2013 teilte die Klägerin den Mitgliedern der Landesverkehrswacht nochmals mit, sie benötige bitte von jedem Mitglied ein Schreiben, in dem man sein Unverständnis über ein Schreiben des Präsidenten zum Ausdruck bringe. Es bleibe nur noch die Möglichkeit, eine außerordentliche Mitgliederversammlung zu fordern. Bezüglich des genauen Inhalts
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dieses E-Mail-Verkehrs wird auf die Anlagen B 6 bis B 7 a (vgl. Bl. 56 bis 58 d. A.) Bezug genommen.
In einer Präsidiumssitzung vom 25.09.2013 erfolgte sodann eine Anhörung der Klägerin zu den ihr gemachten Vorwürfen.
Am 04.10.2013 trat Herr ... mit sofortiger Wirkung von seiner Funktion als Vizepräsident des Beklagten zurück. Die vier übriggebliebenen Präsidiumsmitglieder, nämlich der Präsident ..., die Vizepräsidenten ... und ... sowie der Schatzmeister ..., beschlossen dann am 07.10.2013 einstimmig, der Klägerin aufgrund der festgestellten groben Pflichtverletzungen als Geschäftsführerin fristlos, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Das Kündigungsschreiben solle durch den Präsidenten ... und den Vizepräsidenten ... unterschrieben werden. So geschah es dann auch. Mit Schreiben vom 07.10.2013, der Klägerin zugegangen am 09.10.2013, kündigte der Beklagte das bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin.
Nachdem der Beklagte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit entsprechenden Recherchen beauftragt hatte, kündigte er der Klägerin mit Schreiben vom 22.04.2014, der Klägerin zugegangen am 24.04.2014, nochmals fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin. Der Beklagte stützt diese zweite Kündigung u. a. auf diverse Verstöße der Klägerin gegen die Vorgaben der Geschäftsordnung.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen vom 07.10.2013 und vom 22.04.2014 seien bereits unwirksam, weil das Präsidium in diesem Zeitraum aufgrund des Ausscheidens des Herrn ... aus dem Vorstand nicht beschlussfähig gewesen sei. Unstreitig sei Herr ... bereits am 04.10.2013 als Vizepräsident zurückgetreten, ebenso unstreitig sei sein Nachfolger Herr ... erst am 10.05.2014 bestellt worden.
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Unabhängig hiervon lägen auch keine Kündigungsgründe vor. Alles, was sie unternommen habe, sei zum Wohle des Beklagten erfolgt. Da der Präsident des Beklagten die von ihr geleisteten 270 Überstunden für die Buchhaltung nicht beim Sächsischen Staatsministerium des Innern abgerufen habe, sei dem Beklagten ein wirtschaftlicher Schaden in Höhe von über 10.000,00 € entstanden.
Auch habe sie weder die Mitglieder der Landesverkehrswacht noch die Mitarbeiter der Mitgliederorganisationen gegen den Präsidenten des Beklagten aufgehetzt. Als Geschäftsführerin sei es vielmehr ihre Pflicht gewesen, die Mitglieder zu unterrichten, da nur diese die Möglichkeit gehabt hätten, dem vereinsschädigenden Verhalten des Präsidenten wirksam entgegenzutreten.
Die Zwei-Wochen-Frist für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung habe der Beklagte ebenfalls nicht eingehalten. Kenntnis von den vermeintlichen Kündigungsgründen habe der Beklagte nicht erst am 25.09.2013 erlangt. Das Schreiben von Rechtsanwalt ... sei dem Beklagten am 10.09.2013 bekannt gewesen und ihre E-Mail-Korrespondenz seit dem 15.09. bzw. 19.09.2013.
Die Klägerin hat erstinstanzlich, sofern für das Berufungsverfahren noch von Relevanz, sinngemäß beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 07.10.2013 noch durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 22.04.2014 aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat, soweit nunmehr noch von Interesse, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei ihm nicht zumutbar. Die Klägerin habe Mitglieder u. a. dazu aufgefordert, den Präsidenten über eine außerordentliche Mitgliederversamm-
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lung abwählen zu lassen. Das vorwerfbare Verhalten liege in dem Versuch, die Mitglieder zu manipulieren und den Präsidenten zum Rücktritt zu zwingen. Hinzu komme, dass die Klägerin das Präsidium bei ihrer Anhörung in der Sitzung vom 25.09.2013 belogen habe.
Mit Urteil vom 08.12.2014 hat das Arbeitsgericht in Ziffer 1 seines Urteilstenors festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 07.10.2013 beendet worden ist. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei jedoch durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 07.10.2013 mit Ablauf des 31.03.2014 beendet worden. Ein "Erfordernis" i. S. d. § 12 Abs. 2 der Satzung liege vor. Durch das illoyale und intrigante Verhalten der Klägerin gegenüber dem Präsidenten des Beklagten sei die Basis für eine weitere für den Verein gedeihliche Zusammenarbeit irreparabel zerstört. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Entscheidung wird auf das Urteil vom 08.12.2014 verwiesen (vgl. Bl. 332 bis 345 d. A.).
Gegen das ihr am 15.12.2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin am 12.01.2015 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.03.2015 – mit am 02.03.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Diese Berufungsbegründung ist dem Beklagten am 06.03.2015 zugestellt worden. Die Berufungserwiderung ist – zusammen mit der Anschlussberufung und der Begründung der Anschlussberufung – am 24.03.2015 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangen.
Der Wirksamkeit der Kündigungen, so die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung, stehe bereits entgegen, dass der Vizepräsident ... am 04.10.2013 aus seinem Vizepräsidentenamt beim Beklagten ausgeschieden sei. Da somit – insoweit unstreitig – weder am 07.10.2013 noch am 22.04.2014 alle Vorstandsämter besetzt gewesen seien, seien die vom Rumpfpräsidium des Beklagten bezüglich der Kündigun-
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gen der Klägerin gefassten Beschlüsse von vornherein per se unwirksam. Eine Satzungsbestimmung, wonach zur Beschlussfähigkeit des Vorstands die Anwesenheit einer bestimmten Anzahl oder eines Bruchteils der Vorstandsmitglieder notwendig sei, reiche ebenfalls nicht aus, um die Nichtbesetzung eines Vorstandsamtes zu heilen. Vielmehr führe die Nichtbesetzung eines Vorstandsamtes auch dann zur Unwirksamkeit eines Beschlusses, wenn ansonsten die für die Beschlussfassung erforderliche Anzahl von Vorstandsmitgliedern erschienen sei.
Unabhängig hiervon fehle es zudem an einer Abmahnung. Eine solche sei in keinem Falle entbehrlich gewesen, denn sie – die Klägerin – habe nach ihrer inneren Überzeugung stets und ausschließlich zum Wohle und Nutzen des Beklagten gehandelt. Um die Interessen des Beklagten zu vertreten, habe sie den Interessen des Präsidenten entgegentreten müssen. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass sie sich in einem Interessenkonflikt befunden habe zwischen den Interessen des Beklagten einerseits und den Interessen des Präsidenten des Beklagten andererseits.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 08.12.2014 – 11 Ca 3260/13 – teilweise abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch weder durch die ordentliche Kündigung vom 07.10.2013 noch durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 22.04.2014 aufgelöst worden ist.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
auf seine Anschlussberufung das Urteil des Arbeitsgerichts insoweit abzuändern, als dort in der Ziffer 1 des Urteilstenors die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 07.10.2013 festgestellt worden sei, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
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Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Klägerin sei vorliegend die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB vor Ausspruch der Kündigung gewahrt worden. Jedenfalls bis zur Anhörung der Klägerin durch das Präsidium in der Sitzung am 25.09.2013 habe die Zwei-Wochen-Frist nicht zu laufen begonnen.
Das Präsidium sei in seiner Sitzung am 07.10.2013 und bei Fassung des Beschlusses zur Kündigung vom 22.04.2014 auch beschlussfähig gewesen.
Die Klägerin beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Es verbleibe dabei, dass der Beklagte infolge der unstreitigen Nichtbesetzung eines Vizepräsidentenamtes sowohl in seiner Sitzung am 07.10.2013 als auch bei der Kündigung vom 22.04.2014 nicht beschlussfähig gewesen sei.
Richtig habe das Arbeitsgericht dagegen erkannt, dass der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung vom 07.10.2013 die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe. Die diverse E-Mail-Korrespondenz, auf die der Beklagte diese fristlose Kündigung stütze, sei diesem bereits seit dem 15.09. bzw. dem 19.09.2013 bekannt gewesen. Mithin lägen mindestens 20 Tage zwischen Kenntnis und Zugang der Kündigung vom 07.10. am 09.10.2013.
Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf ihre wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der letzten mündlichen Verhandlung vom 16.07.2015.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG an sich statthafte, gemäß den §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete, insgesamt daher zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Dagegen ist die Anschlussberufung des Beklagten nicht nur zulässig, sondern auch begründet.
1. Die fristlose Kündigung des Beklagten vom 07.10.2013 ist wirksam. Auf die Anschlussberufung des Beklagten war das erstinstanzliche Urteil in seiner Ziffer 1 dementsprechend abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen.
a) Der Wirksamkeit dieser Kündigung steht zunächst nicht entgegen, dass das Präsidium des Beklagten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am gleichen Tag angeblich nicht beschlussfähig gewesen sein soll.
Die erkennende Kammer folgt insoweit der Auffassung, wonach – sofern nicht die Satzung eine abweichende Bestimmung trifft – ein ordnungsgemäß berufener Vorstand auch dann beschlussfähig ist, wenn nicht alle Ämter besetzt sind (vgl. statt aller etwa Otto in jurisPK-BGB, 7. Auflage, § 28 Rdnr. 5; Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 9. Auflage Rdnr. 325; ebenso jetzt auch Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 19. Auflage Rdnr. 245 a).
Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass nach anderer Auffassung die Beschlussfähigkeit die vollständige Besetzung aller Vorstandssitze voraussetzt. Dies gilt nach völlig herrschender Meinung allerdings nur vorbehaltlich besonderer Regelungen in der Satzung des Vereins (vgl. insoweit statt aller etwa MüKoBGB/Reuter, 6. Auflage, § 28 Rdnr. 3 m. w. N.). Dabei stellt sich die Frage, ob eine Satzungsbestimmung wie vorliegend § 11 Abs. 3 Satz 2 der Satzung, wonach zur Beschlussfähigkeit des Vorstands die Anwesenheit einer bestimmten Anzahl oder eines Bruchteils
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der Vorstandsmitglieder notwendig ist, auch den Fall einschließt, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung dem Vorstand weniger Mitglieder angehören als dies in der Satzung vorgeschrieben ist. Der Bundesgerichtshof hat dies im Falle eines unterbesetzten Aufsichtsrats einer Genossenschaft ohne weiteres bejaht (vgl. Urteil vom 15.12.1951 – II ZR 137/51 –, BGHZ 4, 224 ff.). Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen. Dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes kann dagegen gerade nicht entnommen werden, dass dann, wenn ein Aufsichtsrat nicht satzungsgemäß besetzt ist, sämtliche Aufsichtsratsbeschlüsse fehlerhaft sein sollen (so aber – warum auch immer – die Klägerin auf Seite 8 ihrer Berufungsbegründung).
b) Es bestand auch ein Erfordernis i. S. d. § 12 Abs. 2 der Satzung des Beklagten für die Entlassung der Klägerin durch das Präsidium. Was genau unter einem "Erfordernis" in diesem Sinne zu verstehen sein soll, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist ein Erfordernis gegeben, wenn auch ein fristloser Kündigungsgrund vorliegt. So liegt der Fall hier.
aa) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
(1) Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs ist das Verhalten der Klägerin an sich geeignet, einen außerordentlichen Kündigungsgrund abzugeben.
Dass ein illoyales und intrigantes Verhalten einer Geschäftsführerin gegenüber dem Präsidenten ihres Vereins an sich geeignet ist, einen außerordentlichen Kündigungsgrund abzugeben, ist offensichtlich. Dies wird auch von der Klägerin nicht infrage gestellt.
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(2) Unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ist festzustellen, dass auch im konkreten Fall dem Beklagten die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar war. Dies gilt unabhängig davon, ob man mit dem Beklagten von einer ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.10.2013 oder mit der Klägerin zum 31.03.2014 ausgeht.
(a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und ihrer wirtschaftlichen Folgen –, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (vgl. BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 –, AP Nr. 229 zu § 626 BGB m. w. N.).
(b) Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs überwiegen im Ergebnis die Interessen des Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs verfügte die Klägerin zwar nach eigenen Angaben über eine Betriebszugehörigkeit von mehr als zehneinhalb Jahren. Demgegenüber ist objektiv durch die Schwere der Pflichtverletzungen das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin derart erschüttert, dass dessen Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien ausgeschlossen erscheint.
(aa) In den Entscheidungsgründen seines Urteils hat das Arbeitsgericht hierzu ausgeführt, das illoyale intrigante Verhalten der Klägerin gegenüber dem Präsiden-
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ten des Beklagten habe die Basis für eine weitere für den Verein gedeihliche Zusammenarbeit irreparabel zerstört. Aus dem E-Mail-Verkehr der Klägerin mit Rechtsanwalt ... gehe ihre Zielsetzung eindeutig hervor, dass sie Gründe gesucht habe, um den Präsidenten selbst zum Rücktritt zu bewegen. Als dieses Ansinnen "ohne große Öffentlichkeit" nicht gefruchtet habe, habe sie sich veranlasst gesehen, die Mitglieder aufzufordern, bis zum 24.09.2013 die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zu beantragen und als Grund anzugeben "Abwahl des Präsidenten". Der Inhalt der von der Klägerin verfassten E-Mails weise unzweideutig aus, dass es der Klägerin nicht um die Beseitigung oder Bereinigung von Unstimmigkeiten zwischen ihr und dem Präsidenten gegangen sei, sondern einzig und allein um die Instrumentalisierung der Verkehrswachten, um eine Lösung der bestehenden Unstimmigkeiten in ihrem Sinne herbeizuführen, verbunden mit dem ungeheuerlichen Vorwurf, der Präsident füge dem Verein Schaden zu, weil er sich weigere, die von ihr als Buchhalterin geleisteten Stunden gegenüber dem Ministerium abzurechnen. Ersichtlich sei es der Klägerin darum gegangen, sich vom Präsidenten 270 Überstunden genehmigen zu lassen, um diese dann gegenüber dem Ministerium gesondert abrechnen zu können "zum Wohle des Vereins". Durch dieses Verhalten habe die Klägerin das Ansehen des Präsidenten bei den Mitgliedern des Beklagten in Misskredit gebracht bzw. bringen wollen. Ein solches Verhalten belege, dass eine weitere, für den Verein gedeihliche Zusammenarbeit zwischen dem Präsidenten und der Klägerin als Geschäftsführerin ausgeschlossen sei.
(bb) Diese Ausführungen des Arbeitsgerichts macht sich die Berufungskammer ausdrücklich zu Eigen. Die Klägerin hingegen setzt sich mit dieser Argumentation des Erstgerichts im gesamten Berufungsrechtszug so gut wie gar nicht auseinander. Jedenfalls in seiner Gesamtheit lässt der vom Beklagten zur Gerichtsakte gereichte E-Mail-Verkehr der Klägerin auch zur Überzeugung des Landesarbeitsgerichts nur den Schluss zu, dass sich diese gegenüber dem Präsidenten ihres Vereins in höchstem Maße illoyal verhalten hat. Es ging ihr erkennbar nicht um das Ausräumen von Meinungsverschiedenheiten "mit offenem Visier". Der gesamte E-Mail-Verkehr ist vielmehr davon gekennzeichnet, dass es der Klägerin hauptsäch-
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lich darauf ankam, ihren Präsidenten bewusst in eine Falle tappen zu lassen. Etwa die E-Mail der Klägerin vom 12.08.2013 an ihren Anwalt hatte zum Gegenstand, von diesem eine Taktik zu erfragen, auf welche Anfragen von ihr der Präsident möglichst wie antwortet, damit die Verkehrswachten "rot" sehen.
(c) Vor Ausspruch der Kündigung bedurfte es schließlich auch keiner vorherigen Abmahnung durch den Beklagten.
Zwar setzt sowohl die ordentliche als auch die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Eine solche ist ausnahmsweise aber dann entbehrlich, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (vgl. BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 –, a. a. O. m. w. N.). So liegt der Fall hier: Die Brisanz ihrer zahlreichen E-Mails konnte der Klägerin unmöglich verborgen geblieben sein. Es war gerade ihre Absicht, den Präsidenten des Beklagten durch ihre taktischen Spielchen bewusst dumm dastehen zu lassen und diesem einen gravierenden Imageverlust zuzufügen. Nicht nur aus Sicht des Beklagten, sondern auch objektiv ist das Vertrauen in die Loyalität der Klägerin derart erschüttert, dass dessen Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien ausgeschlossen erscheint. Die Klägerin konnte nicht damit rechnen, der Beklagte werde ihr Verhalten auch nur einmalig hinnehmen, ohne eine Kündigung auszusprechen.
bb) Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ist ebenfalls gewahrt.
Es ist anerkannt, dass die Anhörung des Arbeitnehmers den Fristablauf hemmen kann (vgl. statt aller nur KR-Fischermeier, 10. Auflage, § 626 BGB Rdnr. 330; ähnlich HWK/Sandmann, 5. Auflage, § 626 BGB Rdnr. 360). So liegt der Fall auch hier: Wie die Klägerin etwa in ihrem Schriftsatz vom 27.04.2015 selbst erkennt, existiert jedenfalls noch eine E-Mail von ihr vom 19.09.2013, auf die der Beklagte die Kündigung stützt. Die Anhörung der Klägerin hat dann innerhalb von einer Woche nach
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dieser Mail, nämlich am 25.09.2013, stattgefunden. Darauf, ob diese Anhörung beim Beklagten mit der Gewinnung neuer Erkenntnisse verbunden war, kommt es dagegen nicht an. Innerhalb von zwei Wochen nach dieser Anhörung ist der Klägerin dann auch die fristlose Kündigung vom 07.10.2015 zugegangen, nämlich am 09.10.2015.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB daher unproblematisch eingehalten.
2. War nach alledem auf die Anschlussberufung bereits die fristlose Kündigung des Beklagten vom 07.10.2013 zu bestätigen und deshalb die Klage auch insoweit abzuweisen, so folgt hieraus, dass der Berufung der Klägerin, die auf Feststellung der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 07.10.2013 sowie der fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 22.04.2014 gerichtet war, in Gänze der Erfolg zu versagen war.
3. Der Klägerin war auch keine Schriftsatzfrist zum Schriftsatz des Beklagten vom 09.07.2015 mehr nachzulassen. Seiner Entscheidungsfindung hat das Berufungsgericht keinerlei Tatsachenvortrag des Beklagten zugrunde gelegt, der erstmals mit Schriftsatz vom 09.07.2015 vorgebracht worden wäre.
4. Die Kammer stellt abschließend klar, dass sie das gesamte Vorbringen der Klägerin zur Kenntnis genommen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung gezogen hat. Sie hat dem Vortrag der Klägerin, soweit oben nicht ausdrücklich beschieden, jedoch keine weitere Relevanz beigemessen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 und 97 ZPO.
6. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst; auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.
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