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LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.02.2015, 3 Sa 318/13
Schlagworte: | Befristung: Missbrauch, Befristung: Gerichtlicher Vergleich, Befristung: Kettenbefristung, Befristungskontrollklage | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt | |
Aktenzeichen: | 3 Sa 318/13 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 26.02.2015 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Magdeburg, Urteil vom 13.06.2013, 4 Ca 3755/12 nachgehend: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2017, 7 AZR 369/15 |
|
Aktenzeichen:
3 Sa 318/13
4 Ca 3755/12
ArbG Magdeburg
verkündet am
26. Februar 2015
, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
LANDESARBEITSGERICHT
SACHSEN-ANHALT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
- Berufungsklägerin und Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Berufungsbeklagte und Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
w e g e n Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2015 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht …… als Vorsitzende, die ehrenamtliche Richterin …… und den ehrenamtlichen Richter ….. als Beisitzer
für R e c h t erkannt:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 13. Juni 2013 - 4 Ca 3755/12 – abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz trägt die Klägerin.
4. Die Revision wird zugelassen.
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T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses durch gerichtlichen Vergleich.
Die am . …. geborene Klägerin ist verheiratet und hat ein Kind. Sie war seit dem 1. August 2000 bei der Beklagten aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge als Codiererin in der Niederlassung …… der Beklagten beschäftigt. Es handelt sich im Einzelnen um folgende Verträge:
- Arbeitsvertrag vom 31.07.2000 für die Zeit vom 1. August 2000 bis zum 31. Dezember 2000, befristet nach Beschäftigungsförderungsgesetz
- Arbeitsvertrag vom 12.12.2000 für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Juli 2002, befristet nach Beschäftigungsförderungsgesetz
- Arbeitsvertrag vom 22.07.2002 für die Zeit vom 1. August 2002 bis zum 14. Januar 2003, befristet nach § 14 Abs. 2 TzBfG
- Arbeitsvertrag vom 20.03.2006 für die Zeit vom 3. April 2006 bis längstens zum 14. Mai 2006, befristet nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 TzBfG wegen des Aufbaus des INA-Rücksendezentrums bei der Niederlassung …………..
- Arbeitsvertrag vom 08.05.2006 für die Zeit vom 15. Mai 2006 bis längstens zum 10. August 2006, befristet nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 TzBfG, Vertretung der Arbeitnehmerin ……….. welche sich im Mutterschutzurlaub befand
- Arbeitsvertrag vom 19.07.2006 für die Zeit vom 11. August 2006 bis längstens zum 28. Februar 2007, befristet nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 TzBfG, Vertretung der Arbeitnehmerin ……….., die Elternzeit bzw. Elterngeld in Anspruch nahm
- Arbeitsvertrag vom 14.02.2007 für die Zeit vom 1. März 2007 bis längstens zum 30. Juni 2007, befristet nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 TzBfG, Vertretung der Arbeitnehmerin ………, die Elternzeit bzw. Elterngeld in Anspruch nahm
- Arbeitsvertrag vom 18.06.2007 für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis längstens zum 31. Dezember 2007, befristet nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 TzBfG, Vertretung der Arbeitnehmerin ……….., die Elternzeit bzw. Elterngeld in Anspruch nahm
- Arbeitsvertrag vom 07.04.2008 für die Zeit vom 11. April 2008 bis längstens zum 30. September 2008, befristet nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 TzBfG, Vertretung der Arbeitnehmerin ……….., welche sich im Mutterschutzurlaub befand
- Änderungsvertrag vom 19.09.2008 Verlängerung der Befristungsdauer bis längstens zum 30. Dezember 2008, weitere Vertretung der Arbeitnehmerin A. ………….
- Arbeitsvertrag vom 13.01.2011 für die Zeit vom 17. Januar 2011 bis längstens zum 28. Februar 2011, befristet nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 TzBfG, Vertretung der Arbeitnehmerin R.. …………, welche erkrankt war
- Änderungsvertrag vom 23.02.2011 Verlängerung der Befristungsdauer bis zum 31. März 2011, weitere Vertretung der Arbeitnehmerin R. …………………
- Arbeitsvertrag vom 02.12.2011 für die Zeit vom 6. Dezember 2011 bis zum 28. Januar 2012, befristet nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 TzBfG, Vertretung der Arbeitnehmerin G. ……….. welche vorübergehend wegen Krankheit abwesend war
- Arbeitsvertrag vom 05.01.2012 für die Zeit vom 29. Januar 2012 bis längstens zum 29. Februar 2012, befristet nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 TzBfG, weitere Vertretung der Arbeitnehmerin G.
- Arbeitsvertrag vom 17.02.2012 für die Zeit vom 1. März 2012 bis längstens zum 30. April 2012, befristet nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 TzBfG, weitere Vertretung der Arbeitnehmerin G. ………. bis 04.03.2012 und ab 05.03.2012 Vertretung der Arbeitnehmerin K. ………….., welche erkrankt war
- Arbeitsvertrag vom 19.04.2012 für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis längstens zum 26. Mai 2012, befristet nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 TzBfG, weitere Vertretung der Arbeitnehmerin K. ……………….
Die mit Vertrag vom 19.04.2012 vereinbarte (damals letzte) Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 26. Mai 2012 griff die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Magdeburg mit einer Befristungskontrollklage an. Am 5. Juni 2012 fand eine Güteverhandlung statt, die ohne Einigung der Parteien endete. In einem an das Arbeitsgericht gerichteten Schriftsatz vom 14.06.2012 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass sich die Parteien zwischenzeitlich geeinigt haben und bat, den Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO folgenden Vergleich vorzuschlagen und dessen Zustandekommen durch Beschluss festzustellen. Er erklärte die Zustimmung der Klägerin zu dem unterbreiteten Vergleichsvorschlag, der lautete:
„1. Die Parteien sind sich dahingehend einig, dass die Beklagte die Klägerin im Zeitraum vom 01.07.2012 bis 31.12.2012 befristet als Codiererin zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 19.04.2012 in ihrer Niederlassung ……………. weiterbeschäftigt.
2. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.“
Die Beklagte schlug mit Schriftsatz vom 18.06.2012 folgenden Vergleichstext vor:
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„1. Die Parteien sind sich einig, dass das streitgegenständliche mit Vertrag vom 19.04.2012 vereinbarte Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 26.05.2012 durch Fristablauf geendet hat.
2. Sie vereinbaren ein neues Arbeitsverhältnis, das befristet vom 01.07.2012 bis zum 31.12.2012 dauert. Hierfür gelten im Übrigen die gleichen vertraglichen Arbeitsbedingungen wie im Vertrag vom 19.04.2012. Frühere Beschäftigungszeiten werden angerechnet.
3. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.“
Letztendlich erklärten die Parteien zu einem Vergleich die Zustimmung, der Ziffer 1. des Vergleichsvorschlags der Klägerin sowie Ziffer 1. des Vergleichsvorschlags der Beklagten beinhalten sollte. Durch Beschluss vom 21. Juni 2012 stellte das Arbeitsgericht Magdeburg daraufhin gemäß § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen folgenden Vergleichs fest:
1. Die Parteien sind sich einig, dass das streitgegenständliche mit Vertrag vom 19.04.2012 vereinbarte Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 26.05.2012 durch Fristablauf geendet hat.
2. Die Parteien sind sich weiterhin dahingehend einig, dass die Beklagte die Klägerin im Zeitraum vom 01.07.2012 bis 31.12.2012 befristet als Codiererin zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 19.04.2012 in ihrer Niederlassung …………… weiterbeschäftigt.
3. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
Mit der am 13. Dezember 2012 beim Arbeitsgericht Magdeburg eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2012 gewandt und unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 7. Februar 2012 – 7 AZR 734/10 – die Auffassung vertreten, ein nach § 278 Abs. 6 Satz 1, Alt. 1 ZPO festgestellter Vergleich sei kein gerichtlicher Vergleich im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG, der die Befristung eines Arbeitsvertrages zu rechtfertigen könne. Es bestehe ein struktureller Unterschied zwischen einem Vergleichsabschluss gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 und Alt. 2 ZPO, da bei ersterem der gerichtliche Beitrag von vornherein auf eine Feststellungsfunktion beschränkt sei. Die Möglichkeit des Gerichts, auf den Inhalt des Vergleichs unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Arbeitnehmers Einfluss nehmen zu können, sei bei § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO schon durch die Verfahrensgestaltung begrenzt. Das Gericht habe in dem Fall, in dem die Parteien ihm einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten, dessen
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Zustandekommen und Inhalt, abgesehen von Verstößen gegen Strafgesetze oder gegen die §§ 134, 138 BGB, nur noch festzustellen. Der allein in der Protokollierung von Einigungsentwürfen liegende gerichtliche Beitrag sei keine „Mitwirkung“ im Sinne der inhaltlichen Verantwortung, die der Intention des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG entspreche.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristung laut dem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Magdeburg vom 21.06.2012 zum Az. 9 Ca 1499/12 zum 31.12.2012 nicht beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen unbefristet fortbesteht.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht Magdeburg hat der Klage mit Urteil vom 13. Juni 2013 stattgegeben.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Befristung des Arbeitsvertrages der Parteien zum 31. Dezember 2012 sei unwirksam, weil sie nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt sei. Der in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG normierte Sachgrund liege im Streitfall nicht vor, weil der von den Parteien im Verfahren 9 Ca 1499/12 am 21. Juni 2012 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossene Vergleich nicht aufgrund eines schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts zustande gekommen sei. Es handele sich vielmehr um einen nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO festgestellten Vergleich, der kein gerichtlicher Vergleich im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG sei.
Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 und 5 (Bl. 83, 84 d. A.) des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 13. Juni 2012 – 4 Ca 3755/12 - verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 20. Juni 2013 zugestellte Urteil am 17. Juli 2013 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 20. September 2013 begründet.
Die Beklagte nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Sie meint, die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2012 fuße auf einem Sachgrund, und zwar auf einen gerichtlichen Vergleich gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG. Das
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Arbeitsgericht stütze sein Auffassung, dass der hier in Rede stehende Vergleich kein Vergleich sei, welcher die Befristung sachlich rechtfertigen könne, ausschließlich auf die Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 15. Februar 2012, Az. 7 AZR 734/10. Ein eigener Begründungsansatz des Arbeitsgerichts finde sich nicht. Das Bundesarbeitsgericht habe in der angeführten Entscheidung ausgeführt, ein eine Befristung tragender Vergleich könne auch im schriftlichen Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen werden, wenn er aufgrund eines Vorschlags des Arbeitsgerichts zustande gekommen sei. Ein Vergleich, der von den Parteien vorgeschlagen worden sei, könne keinen Befristungsgrund abgeben. Der Annahme des Bundesarbeitsgerichts sei insbesondere bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht zu folgen. Denn § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG statuiere den „gerichtlichen Vergleich“ als Sachgrund und lasse nicht ansatzweise erkennen, dass irgendwelche weitergehenden Anforderungen an die Herbeiführung des gerichtlichen Vergleichs zu stellen seien. Es sei keine Differenzierung zwischen einem durch das Gericht unterbreiteten Vergleichsvorschlag und einem von den Parteien übermittelten Vergleichsvorschlag vorzunehmen. In beiden Varianten des Vergleichsabschlusses liege ein gleichgelagertes Mitwirken des Arbeitsgerichts, indem es eine bloße Rechtmäßigkeitsprüfung auf der Grundlage der ihm vorliegenden Informationen vorzunehmen und zu ermitteln habe, ob Verstöße gegen höherrangiges Recht, so zum Beispiel auch gegen Treu und Glauben, vorlägen. Vorliegend komme hinzu, dass der Vergleich auf den ausdrücklichen Vorschlag der Klägerin zurückgehe. Diese habe dem Gericht zweifach einen Einigungsvorschlag unterbreitet gehabt. Das sei zunächst mit ihrem Schreiben vom 14.06.2012 erfolgt. Nachdem sie (Beklagte) dem Arbeitsgericht mit Schreiben vom 18.06.2012 einen anderslautenden Einigungsvorschlag übermittelt gehabt habe, habe das Arbeitsgericht die Parteien mit Schreiben vom 19.06.2012 befragt, welcher Vergleichstext protokolliert werden solle. Daraufhin habe sich die Klägerin veranlasst gesehen, einen abgeänderten Vergleichstext mitzuteilen, dem sie (Beklagte) nur noch mit Schreiben vom 21.06.2012 zugestimmt habe. Das alles zeige, dass zum einen die Initiative zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs von der Klägerin ausgegangen sei und zum anderen der Vergleichstext, der vom Arbeitsgericht protokolliert worden sei, allein aus der Sphäre der Klägerin stamme. Das Arbeitsgericht habe sich selbstverständlich mit den Einigungsvorschlägen der Parteien auseinandergesetzt gehabt. Es sei auch zu vermuten, dass es die notwendige Rechtskontrolle des Vergleichsvorschlags der Klägerin durchgeführt habe. Im Ergebnis habe das Gericht vollständig die Vorstellungen der anwaltlich vertretenen Klägerin umgesetzt. Der Vergleich habe damit die Gewähr dafür geboten, die Klägerin vor einem grundlosen Verlust ihres Arbeitsverhältnisses zu bewahren. Jedenfalls sei unter
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Berücksichtigung dieser Umstände davon auszugehen, dass die Berufung der Klägerin auf die Unwirksamkeit der auf ihrem Vergleich fußenden Befristung treuwidrig sei. Ferner sei die streitgegenständliche Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt, da sie sich gerade zur abermaligen befristeten Beschäftigung der Klägerin zur Vertretung der Arbeitnehmerin ….. die ab 8. Mai 2012 auf unabsehbare Zeit erkrankt gewesen sei, bereit erklärt gehabt habe. Der Vergleich vom 26. Juni 2012 stelle zugleich einen befristeten Arbeitsvertrag dar, dessen Befristung durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 13.06.2013, Az. 4 Ca 3755/12, zugestellt am 20.06.2012, abzuändern und die Klage abzuweisen,
2. die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin nimmt ausdrücklich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug und verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie meint, die Berufungsbegründungsschrift enthalte keinen wesentlichen neuen Sachvortrag. Der Sachvertrag der Beklagten lasse nicht darauf schließen, dass das Arbeitsgericht beim Abschluss des Vergleichs mitgewirkt habe, wie es das Bundesarbeitsgericht verlange.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 20.09.2013, auf die Berufungsbeantwortung vom 22.10. 2013 und auf das Protokoll vom 26.02.2015 Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Die statthafte Berufung der Beklagten ist frist- und formgerecht beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64
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Abs. 1, 2 lit. c, Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO). Die Berufung ist zulässig.
II. Die Berufung ist begründet. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts und zur Abweisung der Klage. Denn zur Überzeugung des Gerichts sind die Anforderungen an den Sachgrund des gerichtlichen Vergleichs im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG i. V. m. § 278 Abs. 6 ZPO im hier zu beurteilenden Fall erfüllt, so dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 31. Dezember 2012 endete.
1. Die am 13. Dezember 2012 erhobene Befristungskontrollklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete entsprechend der im gerichtlichen Vergleich vom 21. Juni 2012 vereinbarten Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2012.
1.1. Die Befristung des Arbeitsvertrages zum 31. Dezember 2012 gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG i. V. m. § 7 Halbsatz 1 KSchG als wirksam, da die Klägerin deren Unwirksamkeit rechtzeitig unter Wahrung der Frist des § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hat.
1.2. Die Befristung des letzten Arbeitsvertrages der Parteien zum 31. Dezember 2012 ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG sachlich gerechtfertigt.
a) Das Arbeitsgericht ist mit seiner Entscheidung voll umfänglich der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Februar 2012 – 7 AZR 734/10 – (AP Nr. 95 zu § 14 TzBfG) gefolgt. Danach ist ein nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO festgestellter Vergleich kein gerichtlicher Vergleich im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG, der geeignet ist, die Befristung eines Arbeitsvertrages zu rechtfertigen. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Februar 2012, welche an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23. November 2006 – 6 AZR 394/06 –(AP Nr. 8 zu § 623 BGB) anknüpft, kann es sich nur um einen Sachgrund im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG handeln, wenn die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts, der eine Befristungsabrede beinhaltet, durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen und das Gericht durch Beschluss das Zustandekommen dieses Vergleichs feststellt. Dabei kann sich das Gericht auch einen von den Parteien vorgelegten Einigungsentwurf als seinen Vorschlag zu eigen gemacht und diesen den Parteien unterbreitet haben. Mit der Entscheidung vom 15. Februar 2012 hat der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der von ihm erkannten strukturellen
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Unterschiede zwischen den beiden Alternativen des § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO differenziert. Danach ist bei einem nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO geschlossenen Vergleich der gerichtliche Beitrag von vornherein auf eine Fest-stellungsfunktion beschränkt, die Möglichkeit des Gerichts, auf den Inhalt des Vergleichs unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Arbeitnehmers Einfluss zu nehmen, schon durch die Verfahrensgestaltung begrenzt, der strukturell allein in der Protokollierung von (nicht gesetzwidrigen) Einigungsentwürfen liegende gerichtliche Beitrag keine „Mitwirkung“ im Sinne einer inhaltlichen Verantwortung, die der verlautbaren Intention des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG entspricht, und die erforderliche Mitwirkung des Gerichts allein bei einem nach § 278 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 TzBfG zustande gekommenen Vergleich gewährleistet. Diese Rechtsprechung setzte das Bundesarbeitsgericht mit seinen Entscheidungen vom 12. November 2014 – 7 AZR 891/12 – (NZA 2015, 379-384) und vom 14. Januar 2015 – 7 AZR 2/14 – (AP-Newsletter 2015, 101-112) fort.
b) Dieser Rechtsprechung folgt die erkennende Kammer nicht, da sie mit dem Wortlaut der Gesetzesvorschriften sowie dem Sinn und Zweck der gesetzlich zum 1. September 2004 (1. JuMoG, BGBl. I S. 2198) erweiterten Fassung des § 278 Abs. 6 ZPO nicht im Einklang steht. Die erkennende Kammer teilt die vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen im Urteil vom 5. November 2013 – 1 Sa 489/13 – (LAGE § 14 TzBfG Nr. 79) vertretene Auffassung.
§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG schafft einen Sachgrund zur Befristung durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs. Außergerichtliche Vergleiche können somit keinen Sachgrund schaffen, es sei denn, der Arbeitgeber kann sich auf einen der Sachgründe Nr. 1 bis 7 des § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG berufen. Eine weitere Einschränkung, unter welchen Voraussetzungen ein gerichtlicher Vergleich zustande kommen kann, bestimmt § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG nicht. Wie ein gerichtlicher Vergleich zustande kommt, ergibt sich aus § 278 Abs. 6 ZPO in seiner jeweils gültigen Fassung. Insoweit geht es hier um eine begriffliche Verweisung. Sind also die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 278 Abs. 6 ZPO erfüllt, so handelt es sich auch um einen gerichtlichen Vergleich im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG. Der innersystematische Aufbau des § 278 Abs. 6 ZPO in seiner neuen Fassung ab 1. September 2004 zeigt keine Differenzierung seiner Alternativen auf und verbietet deshalb deren unterschiedliche Behandlung (vgl. dazu Serr, SAE 2013, Seite 44 f; Marschner, Anmerkung EzTöD 100 § 30 Abs. 1 TVöD-AT Sachgrundbefristung Nr. 42).
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Mit der Neufassung des § 278 Abs. 6 ZPO hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eines gerichtlichen Vergleichsabschlusses gewollt erweitert, wie aus der Entwurfsbegründung zu § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO n. F. hervorgeht. Hier heißt es:
„Die neue Regelung ... ermöglicht nunmehr den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs auch dadurch, dass die Parteien einem ihnen unterbreiteten schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts schriftlich zustimmen können“ (BT Drucksache 14/4722, S. 82).
Damit konnte und kann jetzt auch außerhalb der mündlichen Verhandlung ein gerichtlicher Vergleich geschlossen werden. Die in der Praxis häufig auftretende Fallgestaltung, dass die Parteien den Vergleich aushandeln, schriftlich fixieren und dem Gericht zur Feststellung übersenden, sollte ebenfalls im Interesse einer weiteren Vereinfachung des Abschlusses eines gerichtlichen Vergleichs zulässig sein. Denn es heißt dazu in der Gesetzesbegründung:
„... dass auch der von den Parteien unterbreitete Vergleichsvorschlag zum Gegenstand des gerichtlichen Vergleichs werden kann“ (BT Drucksache 15/3482, S. 17).
Das Teilzeit- und Befristungsgesetz erfuhr im Zusammenhang mit der Erweiterung der Möglichkeit des Abschlusses eines gerichtlichen Vergleichs keine Änderung. Das erlaubt den Schluss, dass der Gesetzgeber die Möglichkeiten des Abschlusses von gerichtlichen Vergleichen in der mündlichen und außerhalb der mündlichen Verhandlung, mit gerichtlichem Vergleichsvorschlag und auf übereinstimmenden Vortrag der Parteien gleichbehandeln wollte und will.
Nach Auffassung der erkennenden Kammer liegt auch in der Protokollierung nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO eine ausreichende Mitwirkung des Gerichts im Sinne einer inhaltlichen Verantwortung. Darin, den Vergleichsentwurf einer Kontrolle nach Verstößen gegen Strafgesetze oder nach den §§ 134, 138 BGB zu unterziehen und im Falle eines Verstoßes gegen Strafgesetze, gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten der Vergleichsabschluss zu unterbinden, liegt zur Überzeugung des erkennenden Gerichts eine Mitwirkung im Sinne einer inhaltlichen Verantwortung, die Schutzinteressen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Für diese Mitwirkung spricht weiter, dass das Gericht verpflichtet ist, bei Übernahme eines zwischen den Parteien abgestimmten Entwurfs zur Feststellung des Zustandekommens und des Inhalts eines gerichtlichen Vergleichs vor
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der Beschlussfassung, die – später – im Vergleich festgeschriebenen Pflichten zu prüfen und die Parteien entsprechend § 17 Abs. 2 Beurkundungsgesetz zu belehren (u. a. Zöller, ZPO, 30. Aufl., - Greger - § 278 ZPO Rn. 32).
Die von der herrschenden Meinung anerkannte Doppelnatur des Prozessvergleichs bleibt auch bei einer Feststellung des Zustandekommens und des Inhalts des Vergleichs durch Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO erhalten. Der feststellende Beschluss entfaltet nicht nur prozessrechtliche Folge, sondern ordnet das Rechtsverhältnis der Parteien auch materiell-rechtlich. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass eine unterschiedliche Behandlung bzw. Bewertung der gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO zustande gekommenen gerichtlichen Vergleiche zur Rechtsunsicherheit führt.
c) In dem hier zu beurteilenden Einzelfall hatte die Klägerin gegen die (vorletzte) Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 26. Mai 2012, vereinbart im Arbeitsvertrag vom 19.04.2012, rechtzeitig eine Befristungskontrollklage erhoben. Die damalige Befristungskontrollklage richtete sich auch gegen die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum30. April 2012, vereinbart im Arbeitsvertrag vom 17.02.2012. Der Rechtsstreit war vor dem Arbeitsgericht Magdeburg unter dem Aktenzeichen – 9 Ca 1499/12 – anhängig. Die Klägerin hatte die Auffassung vertreten, die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten sei unwirksam und das Arbeitsverhältnis bestehe über den 26. Mai 2012 hinaus auf Dauer fort. Die Beklagte hatte an der vereinbarten Befristung festgehalten und eine Beschäftigung der Klägerin über den 26. Mai 2012 hinaus abgelehnt. In der Güteverhandlung am 5. Juni 2012 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Aus dem Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 11.06.2012 (Bl. 73 d. A.), dem die Klägerin nicht widersprochen hat, folgt, dass der Vorsitzende der 9. Kammer des Arbeitsgerichts Magdeburg u. a. darauf hingewiesen hat, dass die im Vertrag vom 17.02.2012 vereinbarte Befristung nicht mehr gerichtlich überprüft werden könne und es hinsichtlich der Befristung bis zum 26. Mai 2012 auf die Prognose des Bedarfswegfalls ankomme, die der Arbeitgeber darlegen müsse. Im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage wurde durch den Vorsitzenden der Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs zur Beilegung des Rechtsstreits angeregt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärte, dass die Klägerin zum Abschluss eines Vergleichs des Inhalts, dass das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 5.000,00 € beendet werde oder die Beklagte sie befristet weiterbeschäftige, bereits sei. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagte erwiderte darauf, im Betrieb über die
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Vorschläge der Klägerin Rücksprache zu nehmen und danach ggf. mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Kontakt aufzunehmen. Am 5. Juni 2012 kam es nicht zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches, aber es wurde augenscheinlich ein solcher unter Mitwirkung des Gerichts in Angriff genommen. Bereits am 7. Juni 2012 schlug die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin deren befristete Weiterbeschäftigung bis zum 31. Dezember 2012 vor. Die Antwort darauf war das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 14.06.2012 an das Arbeitsgericht (Bl. 39, 40 d. A.), in dem er im Einvernehmen mit der Klägerin deren befristete Weiterbeschäftigung vom 1. Juli bis 31. Dezember 2012 vorschlägt und darum ersucht, das Zustandekommen eines gerichtlichen Vergleiches mit diesem Inhalt durch Beschluss festzustellen. Die Beklagte ihrerseits schlug mit dem beim Arbeitsgericht eingegangenen Schreiben vom 18.06.2012 einen etwas anderen Vergleichstext, mit aber demselben Inhalt vor. Dafür, dass das Gericht sich mit beiden Vergleichsvorschlägen beschäftigt hat, spricht das an beide Parteien gerichtete gerichtliche Schreiben vom 19.06.2012, auf das es zur Zustimmung beider Parteien zu dem von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20.06.2012 unterbreiteten Vergleichsvorschlag und zum Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21. Juni 2012 kam, mit welchem das Zustandekommen und der Inhalt des gerichtlichen Vergleichs festgestellt wurde, den die Klägerin vorliegend mit ihrer Befristungskontrollklage angegriffen hat.
Der nach § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO am 21. Juni 2012 zustande gekommene gerichtlichen Vergleich erfüllt die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG. Die Befristung und damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31. Dezember 2012 ist insoweit gerechtfertigt. Durch das Zustandekommen dieses gerichtlichen Vergleichs wurde der zwischen den Parteien damals bestandene offene Streit über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses beigelegt. In der Güteverhandlung am 5. Juni 2012 hatte das Arbeitsgericht unter Berücksichtigung der Beschäftigungsdauer der Klägerin bei der Beklagten, des Sachgrundes der Vertretung für die Befristung des Arbeitsvertrages zum 26. Mai 2012 und der Prozessaussichten am Zustandekommen und dem Inhalt des Vergleichs mitgewirkt sowie nach Eingang der von den Parteien unterbreiteten Vergleichs-vorschläge diese darauf hin kontrolliert, ob gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen wird. Für die damals zwischen den Parteien streitbefangene Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 26. Mai 2012 lag ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vor. Die befristete Beschäftigung der Klägerin war zur Vertretung der Arbeitnehmerin …. erfolgt, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihre Arbeit als Codiererin wegen Krankheit voraussichtlich nicht vor Ende Mai 2012 habe aufnehmen
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können. Die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderliche Mitwirkung des Arbeitsgerichts beim Zustandekommen eines gerichtlichen Vergleichs sieht das erkennende Gericht unter diesen Umständen als erbracht an. Auch dem Schutzinteresse der anwaltlich vertretenen Klägerin wurde Genüge getan. Dabei kann es dahinstehen, ob die Berücksichtigung von Schutzinteressen einer Prozesspartei zusätzlich zur Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der Befristung des Arbeitsvertrages mit der richterlichen Unparteilichkeit vereinbar ist. Dass der gerichtliche Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO zustande gekom-men ist, ist – wie oben ausgeführt – nicht entscheidend.
2. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es der Klägerin nicht nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der im Vergleich vom 21. Juni 2012 vereinbarten Befristung zu berufen.
a) Es verstößt nicht grundsätzlich gegen Treu und Glauben, wenn eine Partei ein unter ihrer Beteiligung zustande gekommenes Rechtsgeschäft angreift. Widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn dadurch für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BAG vom 18.06.2008 – 7 AZR 214/07 – Rn. 32 mwN, AP Nr. 50 zu § 14 TzBfG).
b) Treuwidriges Verhalten kann der Klägerin nicht vorgehalten werden, da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie in dem Bewusstsein um eine Unwirksamkeit der im Vergleich vereinbarten Befristung die Beklagte zum Vergleichsabschluss gedrängt hätte, also aus diesem Grund den Vergleich im Wege des § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO abschließen wollte. Allein deshalb, weil die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2012 in einem Vergleich entsprechend der Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung (zum 26. Mai 2012) vereinbart worden ist, durfte die Beklagte nicht auf deren Wirksamkeit vertrauen (BAG vom 15.02.2012 – 7 AZR 734/10 – Rn. 28, AP Nr. 95 zu § 14 TzBfG).
3. Vorliegend bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Möglichkeit zur wiederholten Befristung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin rechtsmissbräuchlich ausgenutzt hat.
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a) Die Klägerin war bei der Beklagten in der Niederlassung Brief Magdeburg als Codiererin aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge vom 1. August 2000 bis zum 14. Januar 2003, vom 3. April 2006 bis 31. Dezember 2007, vom 11. April 2008 bis 30. Dezember 2008, vom 17. Januar 2011 bis 31. März 2011, vom 6. Dezember 2011 bis 26. Mai 2012 und vom 1. Juli bis 31. Dezember 2012 beschäftigt. Dabei wurde sie ab 15. Mai 2006 zur Vertretung verschiedener Arbeitnehmerinnen beschäftigt, die wegen Mutterschutzurlaub, Bezug von Elterngeld oder Krankheit zeitweilig an der Erbringung der vertraglichen Arbeitsleistung verhindert waren.
b) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes folgt aus dem bloßen Umstand, dass ein Bedarf an Vertretungskräften durch den Abschluss unbefristeter Arbeitsverträge gedeckt werden könne, nicht, dass ein Arbeitgeber missbräuchlich handele und somit gegen § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung als auch nationale Regelungen zu ihrer Umsetzung verstoße, wenn er beschließe, auf befristete Verträge zurückzugreifen, um auf einen vorübergehenden Mangel an Arbeitskräften zu reagieren, selbst wenn dieser wiederholt und sogar dauerhaft auftrete, bleibe der Bedarf an Vertretungskräften ein vorübergehender, weil der vertretene Arbeitnehmer nach Beendigung seines Urlaubs, der den Grund für die zeitweilige Verhinderung an der Wahrnehmung der Aufgaben darstelle, seine Tätigkeit wieder aufnehmen werde (EuGH vom 26.01.2012 – C-586/10 – (Kücük) Rn 38, 50, AP Richtlinie 99/70/EG Nr. 9 = EzA TzBfG § 14 Nr. 80).
Auch der Europäische Gerichtshof sieht es für die Sachgrundprüfung als entscheidend an, dass bei einer Mehrzahl von aufeinanderfolgenden Verträgen jeder der befristeten Verträge für sich geschlossen wird, um eine vorübergehende Vertretung sicherzustellen. Die Befristungskontrolle ist nach der Konzeption des Europäischen Gerichtshofes nicht in jedem Fall mit der Feststellung des Vorliegens des Sachgrundes abgeschlossen. Vielmehr ist es nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes „notwendig“, dass die zuständigen Stellen auch bei Vorliegen eines sachlichen Grundes, der grundsätzlich den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, erforderlichenfalls alle mit der Verlängerung dieser Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse verbundenen Umstände berücksichtigen, da sie die Hinweise auf einen Missbrauch geben können, den die in § 5 Nr. 1 Buchst. b und c der Rahmenvereinbarung über befristete Verträge vorgesehenen Präventivmaßnahmen verhindern sollen (EuGH vom 26.01. 2012 – C-586/10 – (Kücük) Rn 43, aaO).
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b) Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist diese je nach den Umständen trotz des Vorliegens eines Sachgrundes gebotene umfassende Missbrauchskontrolle erforderlichenfalls in einem zweiten Schritt entsprechend den Maßstäben eines institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) durchzuführen (BAG vom 18.07. 2012 – 7 AZR 783/10 – AP Nr. 100 zu § 14 TzBfG, Rn 35 bis 43). Dabei sind Kriterien von besonderer Bedeutung, die bei einer Gesamtwürdigung auf einen Gestaltungsmissbrauch hindeuten können, die Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen, die Laufzeit der einzelnen befristeten Verträge, sowie die Fragen, ob und in welchem Maße die vereinbarte Befristungsdauer hinter dem zu erwartenden Vertretungsbedarf zurückbleibt und ob der Arbeitnehmer stets auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wird. Daneben können zahlreiche weitere Gesichtspunkte bei der Gesamtwürdigung eine Rolle spielen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts würden genaue quantitative Vorgaben hinsichtlich Gesamtdauer und/oder Anzahl der befristeten Verträge, nach denen ein Missbrauch anzunehmen ist, dem Gebot, im Einzelfall alle Umstände in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen, nicht gerecht werden. Für die Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen kann in quantitativer Hinsicht an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG angeknüpft werden. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG enthaltenen Grenzwerte (Abschluss von befristeten Verträgen bis zur festgelegten Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit) den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu. Werden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für eine sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten, besteht bei Vorliegen eines die Befristung rechtfertigenden Sachgrundes regelmäßig kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 26. Januar 2012 – C-586/10 – (Kücük) – selbst ein dauerhafter Vertretungsbedarf dem Abschluss von Vertretungsbefristungen nicht grundsätzlich entgegensteht und der Arbeitgeber einem ständigen Vertretungsbedarf nicht durch eine Personalreserve begegnen muss, die von vornherein den Raum für eine unternehmerische Planung einengt.
c) Die Klägerin war bei der Beklagten zuletzt durchgehend in der Zeit vom 6. Dezember 2011 bis 31. Dezember 2012 aufgrund von vier befristeten Verträgen und dem gerichtlichen Vergleich vom 21. Juni 2012 beschäftigt. Damit sind die Grenzen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht erreicht bzw. nicht um ein Mehrfaches überschritten. Eine
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rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der Möglichkeit zur Befristung des Arbeitsverhältnisses ergibt sich auch bei einer Berücksichtigung der vorangegangenen Beschäftigungszeiten nicht. Die Klägerin war in der Zeit vom 1. August 2000 bis zum 31. Dezember 2012 insgesamt ca. 6,2 Jahre aufgrund von einschließlich des gerichtlichen Vergleichs 17 befristeten Verträgen bei der Beklagten beschäftigt. Es ist aber zu berücksichtigen, dass zwischen den befristeten Arbeitsverhältnissen mehrfach nicht unerhebliche zeitliche Unterbrechungen lagen. Das gilt insbesondere für die Unterbrechung vom 15. Januar 2003 bis 2. April 2006 sowie für die Unterbrechung vom 31. Dezember 2008 bis 16. Januar 2011. Unterbrechungen von drei Jahren und 2,5 Monaten sowie von zwei Jahren und einen halben Monat schließen die Annahme von „aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen“ bzw. „Befristungsketten“ aus. Die Beschäftigungszeiten vor dem 17. Januar 2011 sind daher nicht zu berücksichtigen. Seit dem 17. Januar 2011 war die Klägerin insgesamt ca. 13,5 Monate aufgrund von vier befristeten Verträgen und dem gerichtlichen Vergleich vom 21. Juni 2012 beschäftigt. Damit ist die Zeitgrenze des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht erreicht und die Anzahl der befristeten Verträge nicht um ein Mehrfaches überschritten. Das spricht eindeutig gegen die Annahme der rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung der Möglichkeit zur Befristung von Arbeitsverhältnissen. Abgesehen davon würde eine Feststellung, die im gerichtlichen Vergleich vom 21. Juni 2012 vereinbarte Befristung sei unter Berücksichtigung der vorausgegangener Befristungen von Arbeitsverträgen unwirksam, zur Umgehung der Bestimmung in § 17 Satz 1 TzBfG führen, da die Klägerin nach Jahren erstmals im Jahr 2012 eine Befristungskontrollklage erhoben hatte.
Nach alldem war das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Beklagten abzuändern und die Klage als unbegründet abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
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