HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 14.11.2005, 10 TaBV 46/05

   
Schlagworte: Ethikrichtlinie, Gesamtbetriebsrat
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 10 TaBV 46/05
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 14.11.2005
   
Leitsätze:

1. Ethikrichtlinien einer US-amerikanischen Muttergesellschaft, die über die deutsche Arbeitgeberin in den Betrieben in Deutschland eingeführt werden, unterliegen dann der betrieblichen Mitbestimmung, wenn und soweit Mitbestimmungsrechte nach dem BetrVG berührt sind.

2. Führt die deutsche Arbeitgeberin diese Richtlinien deutschlandweit in ihren Betrieben ein, hat der Gesamtbetriebsrat das Mitbestimmungsrecht wahrzunehmen. Nach dem Selbstverständnis des Unternehmens kann die Ethikrichtlinie nur in allen Betrieben einheitlich eingeführt werden.

3. Ordnet die Arbeitgeberin an, dass ihr jeglicher Verstoß gegen die Ethikrichtlinie entweder über den Vorgesetzten, über eine anonyme Telefonhotline oder über ein Ethikbüro mitgeteilt werden muss, unterliegt dieses Verfahren der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Ob der Betriebsrat auch darüber mitbestimmen muss, bei welchen Verstößen eine Unterrichtung zu erfolgen hat, bleibt offen.

4. Bestimmt die Arbeitgeberin in der Ethikrichtlinie, dass die Arbeitnehmer von Lieferanten keine Geschenke und Zuwendungen entgegennehmen dürfen, hat der Gesamtbetriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, das auch die Frage umfasst, ob auch die gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenke wie z.B. Kugelschreiber, einfacher Kalender, Feuerzeuge u.a. von diesem Verbot erfasst werden und wie sich der Arbeitnehmer insoweit verhalten soll.

5. Verbietet die Arbeitgeberin in der Ethikrichtlinie jegliche Belästigung von Mitarbeitern, ohne dass sich dieses Gebot ausschließlich auf sexuelle Belästigung beschränkt, unterliegt dieses Verbot der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats. Wird eine sexuelle Belästigung von einem Mitarbeiter nicht erkennbar abgelehnt, hat der Gesamtbetriebsrat jedenfalls bei den vorbeugenden Maßnahmen nach § 2 Abs. 1 BeschSchG ein Mitbestimmungsrecht. Es besteht kein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats bei der Anordnung der Arbeitgeberin, dass auf ihrem Betriebsgelände oder während der Arbeit ausnahmslos keine Gewalt ausgeübt oder angedroht wird.

6. Der Gesamtbetriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf die Anweisung in einer Ethikrichtlinie, die Mitarbeiter dürften nicht ohne Zustimmung der Arbeitgeberin Pressemitteilungen abgeben; es fehlt an dem für die Mitbestimmung notwendigen Regelungsspielraum.

7. Regelt die Ethikrichtlinie, dass nur berechtigte Personen Einblick in die Personal- und Krankenakte nehmen dürfen, besteht mangels Regelungsspielraum kein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats. Der Gesamtbetriebsrat kann nicht darüber mitentscheiden, wer Einblick nehmen darf.

8. Eine Ethikrichtlinie, die bestimmt, dass Mitarbeiter nicht mit jemandem ausgehen oder in eine Liebesbeziehung eingehen dürfen, der Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen kann oder deren Arbeitsbedingungen von der anderen Person beeinflusst werden können, verstößt gegen das Grundgesetz (Artikel 1 und 2 GG); sie ist unwirksam.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Wuppertal, 15.06.2005, 5 BV 20/05,
nachgehend:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 12.12.2005, 10 TaBV 46/05
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf, 10 TaBV 46/05


Te­nor:

Auf die Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Wup­per­tal vom 15.06.2005 5 BV 20/05 - un­ter Zurück­wei­sung im Übri­gen da­hin­ge­hend ab­geändert, dass es wie folgt heißt:

1. Der Ar­beit­ge­be­rin wird auf­ge­ge­ben, es bei Mei­dung ei­nes Ord­nungs­gel­des für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung von bis zu 250.000,00 (in Wor­ten: zwei­hun­dertfünf­zig­tau­send EU­RO) zu un­ter­las­sen, den bei ihr beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern i.S.d. § 5 Be­trVG auf­zu­ge­ben oder zu emp­feh­len, sich nach den nach­fol­gen­den Ab­schnit­ten der ethi­schen Richt­li­nie des Ver­hal­tens­ko­de­xes der Ar­beit­ge­be­rin zu rich­ten bzw. die­se an­zu­wen­den und/oder ein Pos­ter mit ei­nem Aus­zug oder ei­ner in­halt­li­chen Zu­sam­men­fas­sung des Ko­de­xes, der die nach­fol­gen­den Ab­schnit­te enthält, in den Räum­lich­kei­ten der Be­trie­be der Ar­beit­ge­be­rin aus­zuhängen oder sonst

wie den Ar­beit­neh­mern zugäng­lich zu ma­chen bzw. die nach­fol­gen­den Ab­schnit­te des Ver­hal­tens­ko­de­xes den Ar­beit­neh­mern i.S.d. § 5 Be­trVG ge­genüber zur An­wen­dung zu brin­gen, oh­ne dass die Zu­stim­mung des Ge­samt­be­triebs­ra­tes hier zu vor­liegt oder durch den Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le er­setzt wor­den ist:

Ab­schnitt Ver­ant­wor­tung der Mit­ar­bei­ter , Sei­te 3 des Ko­de­xes, vier­ter Spie­gel­strich von oben (BI. 16 d.A.)

ge­sam­ter Ab­schnitt Wie Sie ethi­sche An­lie­gen vor­brin­gen (Sei­te 5 des Ko­de­xes, BI. 18 d.A.) ge­sam­ter Ab­schnitt Ge­schen­ke und Zu­wen­dung (Sei­te 9 des Ko­de­xes, BI. 22 d.A.)

ge­sam­ter Ab­schnitt Belästi­gung und un­an­ge­mes­se­nes Ver­hal­ten (Sei­te 14, 15 des Ko­de­xes, BI. 27, 28 d.A.) mit Aus­nah­me des Sat­zes: Außer­dem to­le­riert X.-N. kei­ne Ge­walt und An­dro­hung von Ge­walt auf X.-N.-Gelände oder in Ausübung der Tätig­keit bei X.-N.

5. Spie­gel­strich des als An­la­ge AG 1 (BI. 91 d.A.) zu den Ak­ten ge­reich­ten Pos­ters (Ge­schen­ke bzw. Gra­ti­fi­ka­tio­nen dürfen nicht an­ge­nom­men wer­den)

Der Ab­satz Falls Sie Fra­gen ha­ben...[bis] wer­den an­onym und ver­trau­lich be­han­delt des als An­la­ge AG 1 (BI. 91 d.A.) zu den Ak­ten ge­reich­ten Pos­ters.

2. Der Ar­beit­ge­be­rin wird auf­ge­ge­ben, es bei Mel­dung ei­nes Ord­nungs­gel­des für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung von bis zu 250.000,00 (in Wor­ten: zwei­hun­dertfünf­zig­tau­send EU­RO) zu un­ter­las­sen, die Te­le­fon­hot­linie für glo­ba­le Un­ter­neh­mens­ethik (0000-000-0000) zu be­trei­ben, oh­ne dass die Zu­stim­mung des Ge­samt­be­triebs­ra­tes hier­zu vor­liegt oder durch den Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le er­setzt wor­den ist.

3. Die Rechts­be­schwer­de wird für die Ar­beit­ge­be­rin als auch für den Ge­samt­be­triebs­rat zu­ge­las­sen.

 


Gründe: 1
A. 2

Die Ar­beit­ge­be­rin, die Fir­ma X.-N. (nach­fol­gend: Ar­beit­ge­be­rin), ist ein Han­dels­un­ter­neh­men mit in Deutsch­land z.Zt. 74 Fi­lia­len mit ca. 10.500 Ar­beit­neh­mern. Der An­trag­stel­ler des Be­schluss­ver­fah­rens ist der dort ge­bil­de­te Ge­samt­be­triebs­rat (nach­fol­gend: Ge­samt­be­triebs­rat).

3

Die Fir­ma X.-N. ist ein deut­sches Toch­ter­un­ter­neh­men der US-ame­ri­ka­ni­schen Fir­ma X.-N.-Sto­res, Inc., die an der New York Stock Ex­ch­an­ge ge­lis­tet ist. Nach Sec. 303 A Ziff. 10 des New York Stock Ex­ch­an­ge's Lis­ted Com­pa­ny Ma­nu­als sind die ihr un­ter­fal­len­den Un­ter­neh­men zur Einführung und Veröffent­li­chung ei­nes Code of busi­ness con­duct and ethics ver­pflich­tet, der Re­ge­lun­gen zur Ver­hin­de­rung von und zum Um­gang mit In­ter­es­sen­kon­flik­ten, zur Ver­schwie­gen­heit, zu lau­te­rem und fai­rem Geschäfts­ge­ba­ren, zum Schutz von Un­ter­neh­mens­ei­gen­tum, zur Ver­pflich­tung der Mit­ar­bei­ter zu ge­set­zes­kon­for­men Ver­hal­ten und zur Er­mu­ti­gung der Mit­ar­bei­ter, Ge­set­zes­verstöße und Verstöße ge­gen den Ko­dex zu mel­den, enthält. Die Us-ame­ri­ka­ni­sche Mut­ter­ge­sell­schaft hat da­her für al­le welt­weit bei ihr beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter ei­nen Ver­hal­tens­ko­dex er­ar­bei­tet, der so­dann in die deut­sche Spra­che über­setzt wur­de. Der ins­ge­samt 28-sei­ti­ge Ver­hal­tens­ko­dex enthält Re­ge­lun­gen über das Ver­hal­ten der Mit­ar­bei­ter un­ter­ein­an­der, Ver­ant­wor­tung ge­genüber Un­ter­neh­men und Ak­ti­onären, Ver­ant­wor­tung ge­genüber Lie­fe­ran­ten, Wett­be­wer­bern, Kun­den, Ge­mein­den und Behörden so­wie Ver­ant­wor­tung hin­sicht­lich in­ter­na­tio­na­ler Geschäfts­prak­ti­ken. Die­se Ethik­richt­li­nie wur­de von der Ar­beit­ge­be­rin in die X.-N.-Pipe­line und da­mit ins In­ter­net ein­ge­stellt.

4
In die­sem Ko­dex ist, so­weit für das Be­schwer­de­ver­fah­ren noch von Be­deu­tung, u.a. ge­re­gelt. 5
Sei­te 3 vier­ter Spie­gel­strich von oben der Richt­li­nie: 6
Ver­ant­wor­tung der Mit­ar­bei­ter 7

. Sie müssen die Möglich­kei­ten ken­nen, ethi­sche Be­den­ken vor­zu-brin­gen. Sie können sie bei ei­nem X.-N.- Vor­ge­setz­ten vor­brin­gen,

8

oder so­fern Sie dies vor­zie­hen, durch ei­ne ver­trau­lich ar­bei­ten­de,

9

an­ony­me Hot­line oder durch di­rek­ten Kon­takt mit dem Eh­tik-Büro.

10

Die Möglich­kei­ten, Be­den­ken vor­zu­brin­gen sind un­ten de­tail­liert be-

11

schrie­ben. Wenn Sie ethi­sche Be­den­ken vor­brin­gen, aber das An­lie-

12

gen nicht gelöst wird, soll­ten Sie es durch ei­ne an­de­re Stel­le er­neut

13

vor­brin­gen.

14
Sei­te 5 der Richt­li­nie: 15
Wenn Sie ein ethi­sches An­lie­gen ha­ben 16
Ei­ne der wich­tigs­ten Auf­ga­ben ei­nes X.-N. Mit­ar­bei­ters ist die Ver- 17

pflich­tung, ein An­lie­gen über ei­ne mögli­che Ver­let­zung der X.-N.-

18

Richt­li­nie oder der Ge­set­ze vor­zu­brin­gen. Wenn Sie die­ses An­lie­gen

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nicht vor­brin­gen möch­ten, soll­ten Sie be­den­ken, dass es un­se­rem Un-

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ter­neh­men und den Mit­ar­bei­tern scha­den könn­te, wenn wir An­lie­gen

21

zur Ethik oder Richt­li­ni­en nicht vor­brin­gen. Tatsächlich sind un­se­re Mit-

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ar­bei­ter ver­pflich­tet, je­de be­kann­te oder ver­mu­te­te Ver­let­zung der

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Ge­set­ze, gülti­gen Be­stim­mun­gen, die­ser Un­ter­neh­mens­ethik oder ei­ner

24

X.-N. Richt­li­nie mit­zu­tei­len.

25
Wie Sie ethi­sche An­lie­gen vor­brin­gen 26

Sie können ethi­sche An­lie­gen oder mögli­che Ver­let­zun­gen die­ser Un-

27

ter­neh­mens­ethik oder an­de­rer X.-N. Richt­li­ni­en gemäß den nach­fol-

28

gen­den Me­tho­den vor­brin­gen:

29

Nut­zen Sie die Po­li­tik der Of­fe­nen Tür. Die Of­fe­ne Tür ist der

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di­rek­tes­te Weg, ein An­lie­gen dem Vor­ge­setz­ten zu mel­den. Wenn

31

Sie den­ken, Ihr di­rek­ter Vor­ge­setz­ter ist bei die­sem Fehl­ver­hal­ten

32

be­tei­ligt, brin­gen Sie das Fehl­ver­hal­ten der nächst höhe­ren Stel­le

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vor, von der Sie an­neh­men, dass die­se nicht in­vol­viert ist oder

34

nut­zen Sie ei­nen der un­ten ge­nann­ten Kanäle.

35
- oder - 36
Kon­tak­tie­ren Sie das Ethik-Büro. 37

Te­le­phon. X.-N. hat ei­ne Ethik-Hot­line, die es Ih­nen ermöglicht, jeg­li­che Verstöße auf ei­ner ver­trau­li­chen und an­ony­men Ba­sis vor­zu­brin­gen.

38

[…]

[…]

Je­der An­ge­stell­ter, der in gu­tem Glau­ben über ei­ne Miss­ach­tung be-

48
rich­tet, braucht für die­sen Be­reich kei­nen ne­ga­ti­ven Kon­se­quen­zen 49
zu fürch­ten. 50
Sei­te 9 der Richt­li­nie: 51

Ge­schen­ke und Zu­wen­dun­gen

52
Es ist Ih­nen nicht er­laubt, von ei­nem Lie­fe­ran­ten, po­ten­ti­el­len Lie­fe­ran­ten 53

oder ei­ner an­de­ren Per­son, von der Sie an­neh­men, dass die­se Per­son da­durch Ein­fluss auf ei­ne Geschäfts­ent­schei­dung oder Trans­ak­ti­on, bei

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der X.-N. in­vol­viert ist, ge­win­nen möch­te, Ge­schen­ke und Zu­wen­dun­gen zu fördern, an­zu­fra­gen oder an­zu­neh­men. Das glei­che gilt für die

55

Ab­tei­lun­gen. Lie­fe­ran­ten dürfen X.-N. kei­ne Ge­genstände schen­ken, um da­mit Geld­mit­tel für ka­ri­ta­ti­ve Zwe­cke oder ge­meinnützi­ge Or­ga­ni­sa­tio­nen zu er­hal­ten. Mit­ar­bei­ter dürfen auch kei­ne Ge­schen­ke

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oder Zu­wen­dun­gen von ei­nem Kun­den für Ar­bei­ten an­neh­men, die der

57

Mit­ar­bei­ter in ei­nem Sto­re er­le­digt hat, es sei denn, die re­gio­na­le oder

58

Na­tio­na­le Richt­li­nie ge­stat­tet dies.

59

Bei­spie­le für Ge­schen­ke oder Zu­wen­dun­gen sind:

60

kos­ten­lo­se Wa­ren

61 

Ti­ckets für Sport- oder Un­ter­hal­tungs­ver­an­stal­tun­gen

62

Schmier­gel­der in Form von Geld oder Wa­re

63

ab­ge­lau­fe­ne oder nicht länger ge­nutz­te Mus­ter

64

vom Lie­fe­ran­ten ge­zahl­te Rei­sen

65

Al­ko­hol oder Le­bens­mit­tel/Es­sen

66

Trink­gel­der

67

Persönli­che Dienst­leis­tun­gen oder Ge­fal­len

68

Zu BE­ACH­TEN:

69

. Je­des Ge­schenk oder Zu­wen­dung von ei­nem Lie­fe­ran­ten muss un­ter An­ga­be die­ser Richt­li­nie zurück­ge­ge­ben wer­den.

70

. So­fern Rück­ga­be unmöglich ist, geht das Ge­schenk in das Ei-

71

gen­tum von X.-X. über.

72

. Je­des An­ge­bot über ein Ge­schenk oder ei­ne Zu­wen­dung ist dem

73

Vor­ge­setz­ten zu mel­den.

74
Sei­te 13 der Richt­li­nie: 75
Pres­se­mit­tei­lun­gen 76
Es ist Ih­nen oh­ne vor­he­ri­ge Zu­stim­mung durch die Ab­tei­lung Un­ter- 77

 

neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on (und bzgl. Aus­sa­gen mit finan­zi­el­lem In­halt

78

durch die Fi­nanz­ab­tei­lung) nicht ge­stat­tet, im Na­men von X.-N.

79

Aus­sa­gen (schrift­lich oder münd­lich) ge­genüber der Pres­se, Zei­tun-

80

 

gen oder an­de­ren Quel­len zu ma­chen. Für wei­te­re In­for­ma­tio­nen le­sen

81

Sie bit­te die Richt­li­nie X.-N. Pu­blik Re­la­ti­ons, CA-10.

82

ZU BE­ACH­TEN!

83

. Ver­wei­sen Sie bei An­fra­gen nach ei­ner Mit­tei­lung im Na­men von

84

X.-N. stets an die Ab­tei­lung Un­ter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on.

85

. Ma­chen Sie kei­ne Aus­sa­gen zu An­fra­gen oh­ne vor­he­ri­ge Zu-

86

stim­mung durch die Ab­tei­lung Un­ter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on.

87
Sei­te 14 der Richt­li­nie: 88
Belästi­gung und un­an­ge­mes­se­nes Ver­hal­ten 89
Belästi­gung je­der Art ge­genüber Kol­le­gen, Lie­fe­ran­ten, Kun­den oder 90

je­der an­de­ren Per­son, die mit X.-N. in Geschäfts­be­zie­hung steht,

91

wer­den nicht to­le­riert. Belästi­gung ist großzügig de­fi­niert und schließt

92

Ver­hal­ten ein, das ei­ne ne­ga­ti­ve Aus­wir­kung auf die Ar­beits­leis­tung hat,

93

die Würde ei­ner Per­son her­ab­setzt oder ei­ne einschüchtern­de, feind-

94

li­che oder an­der­wei­tig agres­si­ve Ar­beits­um­ge­bung schafft.

95

Ver­ba­le Äußerun­gen, Ges­ten und Bli­cke so­wie körper­li­che Hand­lun­gen

96

se­xu­el­ler Na­tur gehören nicht an den Ar­beits­platz und können rechts-

97

wid­ri­ge se­xu­el­le Belästi­gung dar­stel­len. Bei­spie­le sind hierfür:

98

Se­xu­el­le Annäherung, Bit­ten um se­xu­el­le Gefällig­kei­ten, Gos­sen-

99

spra­che, zwei­deu­ti­ge Wit­ze, Be­mer­kun­gen über den Körper oder

100

die se­xu­el­len Ak­ti­vitäten ei­ner Per­son;

101

Zur Schau­stel­lung von se­xu­ell sug­ges­ti­ven Bil­dern oder Din­gen,

102

lüster­ne oder anzügli­che Bli­cke oder als se­xu­ell deut­ba­re Kom­mu-

103

ni­ka­ti­on je­der Art; oder

104

Un­an­ge­mes­se­nes An­fas­sen.

105

Außer­dem to­le­riert X.-N. kei­ne Ge­walt oder An­dro­hung von Ge­walt auf X.-N.-Gelände oder in Ausübung der Tätig­keit bei X.-N..

106
ZU BE­ACH­TEN! 107

. Ma­chen Sie kei­ne be­lei­di­gen­den oder be­schimp­fen­den Be­mer­kun­gen. Wenn Ih­re Kom­men­ta­re oder Wit­ze je­mand an­de­ren be­lei­di­gen, kann dies als Belästi­gung an­ge­se­hen wer­den.

108

. Wenn Sie durch die Wort­wahl ei­ner Per­son auf­ge­bracht sind,

109

spre­chen Sie sie an. Erklären Sie war­um die Be­mer­kung Sie ge­trof­fen hat und bit­ten Sie sie, dies zu un­ter­las­sen.

110

. Ver­mei­den Sie Wit­ze oder Kom­men­ta­re, ver­wen­den Sie kei­ne

111

Spitz­na­men, wenn Sie nicht si­cher sind, ob die­se kor­rekt sind.

112

. Kei­ne se­xu­el­len Annäherun­gen ge­genüber ei­nem Kol­le­gen oder ei­ner an­de­ren Per­son, mit der Sie zu­sam­men­ar­bei­ten.

113

. Be­vor­zu­gen Sie nie­man­den bei Leis­tungs­be­wer­tun­gen oder bei sons­ti­gen Hand­lun­gen, weil Sie in persönli­cher Be­zie­hung zu die­ser Per­son ste­hen.

114

. Ge­ben Sie un­verzüglich Be­richt über je­de Art von Belästi­gung oder un­an­ge­mes­se­nes Ver­hal­ten.

115

. Für wei­te­re In­for­ma­tio­nen le­sen Sie bit­te die Richt­li­nie Belästi­gung/ un­an­ge­mes­se­nes Ver­hal­ten, PD- 19, und die Richt­li­nie Ge­walt am Ar­beits­platz, PD 48, oder die ent­spre­chen­den na­tio­na­len oder re­gio­na­len Richt­li­ni­en.

116
Sei­te 16,17 der Richt­li­nie: 117
Pri­vat­sphäre 118
X.-N. schützt die Pri­vat­sphäre von Mit­ar­bei­tern gemäß den gülti­gen 119

Ge­set­zen. Nur be­rech­tig­te Mit­ar­bei­ter und sol­che mit ei­nem be­trieb­lich-

120

be­gründe­tem An­lie­gen sind be­rech­tigt, die Per­so­nal- und Kran­ken­ak­ten des Un­ter­neh­mens ein­zu­se­hen. Per­so­nal- und Kran­ken­ak­ten soll­ten nur In­for­ma­tio­nen in Be­zug auf das Ar­beits­verhält­nis ent­hal­ten. Al­le Da­ten im Zu­sam­men­hang mit dem Ar­beits­verhält­nis und Kündi­gung sind ver­trau­lich. An­fra­gen Drit­ter sind an die Rechts­ab­tei­lung wei­ter­zu­lei­ten.

121

X.-N. schützt auch persönli­che In­for­ma­tio­nen, die wir über ein­zel­ne Kun­den ha­ben. Sie ha­ben X.-N. Ge­pflo­gen­hei­ten und Vor-

122

ge­hens­wei­sen zu be­ach­ten, um die Ver­trau­lich­keit der In­for­ma­tio­nen zu

123

be­wah­ren.

124
Sei­te 17 der Richt­li­nie: 125
  126
Pri­va­te Be­zie­hun­gen/Lie­bes­be­zie­hun­gen 127

Von X.-N.-Mit­ar­bei­tern wird ein Ver­hal­ten ver­langt, das Re­spekt, Ver-

128

trau­en, Si­cher­heit und Ef­fi­zi­enz am Ar­beits­platz fördert. Sie dürfen nicht mit Je­man­den aus­ge­hen oder in ei­ne Lie­bes­be­zie­hung mit Je­man­den tre­ten, wenn Sie die Ar­beits­be­din­gun­gen die­ser Per­son be­ein­flus­sen können, oder der Mit­ar­bei­ter Ih­re Ar­beits­be­din­gun­gen be­ein­flus­sen kann.

129

Bei­spie­le für un­er­laub­tes Ver­hal­ten fin­den Sie in der Richt­li­nie Pri­va­te Be­zie­hun­gen/Lie­bes­be­zie­hun­gen, PD- 22, oder in der ent­spre­chen­den na­tio­na­len oder re­gio­na­len Richt­li­nie.

130
Sei­te 17 der Richt­li­nie: 131
Al­ko­hol- und Dro­gen­miss­brauch 132

X.-N. setzt sich für ei­ne Dro­gen- und Al­ko­hol­freie Ar­beits­um­ge­bung ein und hat ei­ne stren­ge Richt­li­nie zu Al­ko­hol- und Dro­gen­miss­brauch.

133

So­fern ge­setz­lich er­laubt, ver­langt X.-N. von al­len Be­wer­bern für

134

ei­nen Ar­beits­platz als Teil des Ein­stel­lungs­pro­zes­ses ei­nen Dro­gen­test.

135

Je­der Be­wer­ber, der po­si­tiv auf Dro­gen ge­tes­tet wird, wird nicht an­ge-

136

stellt. So­fern ge­setz­lich zulässig, wird von Ih­nen ein Dro­gen­test ver-

137

langt, wenn Beförde­rung in ei­ne Ma­nage­ment­po­si­ti­on an­steht, nach

138

Ar­beits­unfällen oder so­fern ein be­gründe­ter Ver­dacht be­steht, dass Sie

139

un­ter Dro­gen ste­hen.

140
ZU BE­ACH­TEN! 141

. Su­chen Sie pro­fes­sio­nel­le Hil­fe, wenn Sie ei­ne Abhängig­keit fest-

142

stel­len, be­vor dies ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf Ih­re persönli­che und be­ruf­li­che Si­tua­ti­on hat.

143

. Für wei­te­re In­for­ma­tio­nen le­sen Sie bit­te die Richt­li­nie Al­ko­hol-

144

und Dro­gen­miss­brauch, PD-16, oder die ent­spre­chen­de na­tio­na­le oder re­gio­na­le Richt­li­nie.

145

Mit den Lohn­ab­rech­nun­gen für den Mo­nat Fe­bru­ar 2005 wur­de den Ar­beit­neh­mern ei­ne vier­sei­ti­ge Zu­sam­men­fas­sung des mo­ra­li­schen Ver­hal­tens bei X.-N. zu­ge­sandt. Zu­dem er­hiel­ten die Sto­re-Ma­na­ger von der Ar­beit­ge­be­rin ein Ethik­pos­ter, wel­ches am schwar­zen Brett so­wie im Per­so­nalbreich per­ma­nent zum Aus­hang kommt. Dort heißt es aus­zugs­wei­se:

146

- Al­le Mit­ar­bei­ter müssen die be­ste­hen­den Ge­set­ze be­ach­ten

147

- Mit­ar­bei­ter müssen ent­spre­chend ih­rer ge­leis­te­ten Ar­beit vergütet wer­den

148

- Ge­schen­ke bzw. Gra­ti­fi­ka­tio­nen dürfen nicht an­ge­nom­men wer­den

149

- Un­an­ge­mes­se­nes Ver­hal­ten am Ar­beits­platz wird nicht ge­dul­det.

150

Außer­dem rich­te­te die Ar­beit­ge­be­rin ent­spre­chend der X.-N.-Ethik­richt­li­nie ei­ne Te­le­fon­hot­line ein, bei der die Mit­ar­bei­ter an­onym Verstöße ge­gen den Ver­hal­tens­ko­dex mel­den können und sol­len. In der den Mit­ar­bei­tern aus­gehändig­ten Zu­sam­men­fas­sung und auf dem Pos­ter heißt es:

151

Falls Sie Fra­gen ha­ben oder ei­nen po­ten­zi­el­len Ver­s­toß ge­gen die Richt­li­nie mel­den möch­ten:

152

1. Nut­zen Sie den Grund­satz der Of­fe­nen Tür bzw.

153

2. Ru­fen Sie die ei­gens dafür ein­ge­rich­te­te Te­le­fon­hot­line für Glo­ba­le Un­ter­neh­mens­ethik an.

154

Tel.: 0000-000-0000

155

E-Mail:ethics@.com

156

(al­le An­ga­ben wer­den an­onym und ver­trau­lich be­han­delt)

157

Der Ge­samt­be­triebs­rat hat im ers­ten Rechts­zug die Mei­nung ver­tre­ten, der Ver­hal­tens­ko­dex un­ter­lie­ge ins­ge­samt sei­nem Mit­be­stim­mungs­recht, je­den­falls ha­be er bei ei­ner Viel­zahl von Ein­zel­re­ge­lun­gen des Ver­hal­tens­ko­de­xes ein Mit­be­stim­mungs­recht.

158
Der Ge­samt­be­triebs­rat hat be­an­tragt, 159

1. der Ar­beit­ge­be­rin auf­zu­ge­ben, es bei Mel­dung ei­nes Ord-

160
nungs­gel­des für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung von bis zu 161
250.000,00 EUR (i.W. Eu­ro zwei­hun­dertfünf­zig­tau­send) zu un­ter- 162
las­sen, den Mit­ar­bei­tern auf­zu­ge­ben oder zu emp­feh­len, sich nach 163

den ethi­schen Richt­li­ni­en des Ver­hal­tens­ko­de­xes der Ar­beit­ge­be­rin zu rich­ten bzw. die­se an­zu­wen­den und/oder ein Pos­ter mit

164
ei­nem Aus­zug oder ei­ner in­halt­li­chen Zu­sam­men­fas­sung des Ko- 165

de­xes in den Räum­lich­kei­ten der Be­trie­be der Ar­beit­ge­be­rin aus­zuhängen oder sonst wie Mit­ar­bei­tern zugäng­lich zu ma­chen

166

bzw. den Ver­hal­tens­ko­dex den Mit­ar­bei­tern ge­genüber zur An­wen-

167

dung zu brin­gen, oh­ne dass die Zu­stim­mung des Ge­samt­be­triebs-

168

rats hier­zu vor­liegt oder durch den Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le

169

er­setzt wor­den ist,

170
  171

2. der Ar­beit­ge­be­rin auf­zu­ge­ben, es bei Mel­dung ei­nes Ord-

172

nungs­gel­des für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung von bis zu

173

250.000,00 EUR (i.W. Eu­ro zwei­hun­dertfünf­zig­tau­send) zu un­ter-

174

las­sen, die Te­le­fon­hot­line für Glo­ba­le Un­ter­neh­mens­ethik

175

(0000-000-0000) zu be­trei­ben, oh­ne dass die Zu­stim­mung des Ge-

176

samt­be­triebs­rats hier­zu vor­liegt oder durch den Spruch der

177

Ei­ni­gungs­stel­le er­setzt wor­den ist.

178

Die Ar­beit­ge­be­rin hat die Zurück­wei­sung der Anträge be­an­tragt und zur Be­gründung aus­geführt, dass die Un­ter­neh­mens­ethik le­dig­lich ei­ne Einführung in Prin­zi­pi­en und Richt­li­ni­en vor­ge­be, die den Mit­ar­bei­tern da­bei be­hilf­lich sein sol­le, selbst zu ent­schei­den, was bei Fra­gen oder Pro­ble­men zu tun sei. Die Mit­ar­bei­ter würden aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sie letzt­lich ge­hal­ten

179

sei­en, sich auf ihr ei­ge­nes Ur­teil und Gespür für ethi­sches Ver­hal­ten zu ver­las­sen, um si­cher­zu­stel­len, dass sie je­weils das Rich­ti­ge tun. Die Zu­sam­men­fas­sung der Un­ter­neh­mens­ethik ent­hal­te da­her zunächst nur stark ab­stra­hier­te Vor­stel­lun­gen vom Ver­hal­ten der Mit­ar­bei­ter. Ein Mit­be­stim­mungs­recht sei nur dann be­trof­fen, wenn ver­bind­li­che Ver­hal­tens­re­geln für die Ar­beit­neh­mer nor­miert würden. Bei dem Ver­hal­tens­ko­dex feh­le es aber an ei­ner aus­rei­chen­den Kon­kre­ti­sie­rung, die die an­ge­grif­fe­nen Aus­sa­gen über­haupt zu ei­ner ver­bind­li­chen Ver­hal­tens­re­ge­lung ma­chen könn­ten. Im Übri­gen ver­wei­se die Un­ter­neh­mens­ethik an vie­len Stel­len aus­sch­ließlich auf ei­ne oh­ne­hin be­ste­hen­de na­tio­na­le, ge­setz­li­che Re­ge­lung. In­so­fern sei ein Mit­be­stim­mungs­recht aus­ge­schlos­sen. Wei­ter­hin wei­se ei­ne Viel­zahl der Klau­seln ei­nen kon­kre­ten Ar­beits­be­zug auf. Auch in­so­weit schei­de ein Mit­be­stim­mungs­recht aus.

180

Hin­sicht­lich der Ein­rich­tung ei­ner Te­le­fon­hot­line für Glo­ba­le Un­ter­neh­mens­ethik hat die Ar­beit­ge­be­rin vor­ge­tra­gen, dass dies ei­ne zulässi­ge Kon­kre­ti­sie­rung ei­ner dem Ar­beit­neh­mer ob­lie­gen­den Ne­ben­pflicht zur Scha­dens­ab­wehr dar­stel­le. Aus dem Ge­sichts­punkt der ar­beits­ver­trag­li­chen Treue­pflicht wer­de ei­ne Pflicht des Ar­beit­neh­mers ge­fol­gert, ihm be­kannt ge­wor­de­ne In­for­ma­tio­nen über ei­nen mögli­chen Scha­den an den Ar­beit­ge­ber wei­ter­zu­lei­ten.

181

Das Ar­beits­ge­richt Wup­per­tal hat durch Be­schluss vom 15.06.2005 dem An­trag des Ge­samt­be­triebs­rats in ins­ge­samt 10 Punk­ten statt­ge­ge­ben und zwar bei den zi­tier­ten Ab­schnit­ten des Ver­hal­tens­ko­de­xes auf den Sei­ten 3,5,9,13,14,16,17 und hin­sicht­lich des Punk­tes auf dem Pos­ter Ge­schen­ke bzw. Gra­ti­fi­ka­tio­nen dürfen nicht an­ge­nom­men wer­den und dem dor­ti­gen Ab­satz Falls Sie Fra­gen ha­ben . (bis) wer­den an­onym und ver­trau­lich be­han­delt . In wei­te­ren 11 Punk­ten hat das Ar­beits­ge­richt den An­trag des

182

Ge­samt­be­triebs­ra­tes zurück­ge­wie­sen. Es hat der Ar­beit­ge­be­rin auf­ge­ge­ben, un­ter An­dro­hung ei­nes Ord­nungs­gel­des für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung in Höhe von bis zu 250.000 € in den 10 Punk­ten den Ver­hal­tens­ko­dex ge­genüber Ar­beit­neh­mern i.S. des § 5 Be­trVG oh­ne Zu­stim­mung des Ge­samt­be­triebs­rats bzw. Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le aus­zuhängen oder sonst wie den Ar­beit­neh­mern zugäng­lich zu ma­chen. Außer­dem hat das Erst­ge­richt der Ar­beit­ge­be­rin un­ter An­dro­hung von Ord­nungs­geld un­ter­sagt, die Te­le­fon­hot­line für glo­ba­le Un­ter­neh­mens­ethik oh­ne Zu­stim­mung des Ge­samt­be­triebs­rats bzw. der Ei­ni­gungs­stel­le zu be­trei­ben.

183

Ge­gen die­sen Be­schluss hat sich die Ar­beit­ge­be­rin mit ih­rer Be­schwer­de ge­wandt. Sie meint, der Ge­samt­be­triebs­rat sei nicht zuständig. Der Ver­hal­tens­ko­dex un­ter­lie­ge ins­ge­samt nicht der Mit­be­stim­mung. Der Ge­samt­be­triebs­rat ver­tei­digt die an­ge­grif­fe­ne Ent­schei­dung.

184

Im zweit­in­stanz­li­chen Kam­mer­ter­min hat sich die Ar­beit­ge­be­rin in ei­nem Teil­ver­gleich ver­pflich­tet, den auf Sei­te 17 der Richt­li­nie ge­nann­ten Punkt Al­ko­hol- und Dro­gen­miss­brauch nur un­ter Be­ach­tung des Mit­be­stim­mungs­rechts des Be­triebs­rats/Ge­samt­be­triebs­rats ein­zuführen.

185

B.

186

Die Be­schwer­de ist, so­weit sie nicht be­reits durch den zweit­in­stanz­lich an­ge­schlos­se­nen Teil­ver­gleich er­le­digt wur­de, in den Punk­ten Pres­se­mit­tei­lun­gen , Pri­vat­sphäre und Pri­va­te Be­zie­hun­gen/Lie­bes­be­zie­hun­gen be­gründet. Sie ist im Übri­gen un­be­gründet und zurück­zu­wei­sen.

187
I. 188
Der Ge­samt­be­triebs­rat ist für die strei­ti­gen Re­ge­lungs­be­rei­che gemäß § 50 Abs. 1 Be­trVG zuständig. 189
1. Die Zuständig­keit des Ge­samt­be­triebs­rats kann nicht mit der Be­gründung ver­neint wer­den, die Us- ame­ri­ka­ni­sche Mut­ter­ge­sell­schaft ha­be die Ethik­richt­li­nie her­aus­ge­ge­ben; sie sei hier­zu nach Us-ame­ri­ka­ni­schen Recht ver­pflich­tet. 190

Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts rich­tet sich der räum­li­che An­wen­dungs­be­reich des Be­trVG nach dem Ter­ri­to­ria­litätsprin­zip (BAG Ur­teil vom 22.03.2000 7 ABR 34/98, BA­GE 94, 144-154 = AP Nr 8 zu § 14 AÜG = BB 2000, 2098-2100 = = NZA 2000, 1119 = EzA § 14 AÜG Nr 4; BAG Ur­teil vom 25. 04.11978 ­6 ABR 2/77, BA­GE 30, 266 = AP In­ter­na­tio­na­les Pri­vat­recht-Ar­beits­recht Nr. 16, zu II 2 a und b der Gründe; BAG Ur­teil vom 27. 05. 1982 - 6 ABR 28/80, BA­GE 39, 108 = AP Be­trVG 1972 § 42 Nr. 3, zu B 2 der Gründe; BAG Ur­teil vom 10. 09. 1985 - 1 ABR 28/83, AP Be­trVG 1972 § 117 Nr. 3 = EzA Be­trVG 1972 § 99 Nr. 41, zu B IV 1 a der Gründe; BAG Ur­teil vom 07. 12.1989 - 2 AZR 228/89, AP In­ter­na­tio­na­les Pri­vat­recht-Ar­beits­recht Nr. 27 = EzA Be­trVG 1972 § 102 Nr. 74, zu 11 der Gründe). Da­nach gilt un­abhängig von der Staats­an­gehörig­keit des Ar­beit­ge­bers und der Ar­beit­neh­mer so­wie un­abhängig von der für die ein­zel­nen Ar­beits­verhält­nis­se maßgeb­li­chen Rechts­ord­nung für sämt­li­che inländi­schen Be­trie­be - auch ausländi­scher Un­ter­neh­mer - das deut­sche Be­trVG.

191

Die Ar­beit­ge­be­rin mag als Toch­ter­ge­sell­schaft des Us-ame­ri­ka­ni­schen Kon­zerns X.-N.-Sto­res Inc. ge­sell­schafts­recht­lich und da­mit in­tern ver­pflich­tet sein, die Ethik­richt­li­nie in ih­ren Be­trie­ben ein­zuführen. Da die Ar­beits­ge­be­rin ih­ren Sitz und ih­re Be­trie­be im In­land hat, muss sie das deut­sche Be­trVG an­wen­den und da­mit auch bei der Einführung ei­ner ihr von der Mut­ter­ge­sell­schaft vor­ge­ge­be­nen Ethik­richt­li­nie das Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats bzw. Ge­samt­be­triebs­rats be­ach­ten. Die­ses wird von der Ar­beit­ge­be­rin auch nicht in Ab­re­de ge­stellt.

192
2. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Ar­beit­ge­be­rin ist für die Wahr­neh­mung der Mit­be­stim­mungs­rech­te aus der Ethik­richt­li­nie der Ge­samt­be­triebs­rat zuständig. Es han­delt sich nämlich um An­ge­le­gen­hei­ten, die das Ge­samt­un­ter­neh­men be­tref­fen und nicht durch die ein­zel­nen Be­triebsräte in­ner­halb ih­rer Be­trie­be ge­re­gelt wer­den können. Die­ses hat das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend er­kannt. 193

a) Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des BAG ist der Ge­samt­be­triebs­rat dann für die Ausübung des Mit­be­stim­mungs­rechts zuständig, wenn und so­weit ob­jek­tiv ein zwin­gen­des Er­for­der­nis für ei­ne un­ter­neh­mens­ein­heit­li­che oder be­triebsüberg­rei­fen­de Re­ge­lung be­steht. Ein zwin­gen­des Er­for­der­nis kann sich da­bei aus tech­ni­schen oder recht­li­chen Gründen er­ge­ben (BAG Ur­teil vom 26.04.2005 1 AZR 76/04, AP Nr. 12 zu § 87 Be­trVG 1972 = NZA 2005, 892 = EzA § 87 Be­trVG 2001 Be­trieb­li­che Lohn­ge­stal­tung Nr. 6; BAG Be­schluss vom 09.12. 2003 - 1 ABR 49/02, AP Be­trVG 1972 § 50 Nr. 27 = EzA Be­trVG 2001 § 50 Nr. 3 zu B II 1 b aa der Gründe m.w.N). Die Zweckmäßig­keit ei­ner un­ter­neh­mens­ein­heit­li­chen Re­ge­lung kann eben­so we­nig wie ein Kos­ten­in­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers in den An­ge­le­gen­hei­ten der zwin­gen­den

194

Mit­be­stim­mung die Zuständig­keit des Ge­samt­be­triebs­rats be­gründen (BAG Be­schluss vom 15.01.2002 1 ABR 10/01, AP Nr. 23 zu § 50 Be­trVG 1972 = NZA 2002, 988 = EzA § 50 Be­trVG 1972 Nr. 19; BAG Be­schluss vom 11. 12. 2001 - 1 AZR 193/01, BA­GE 100, 60-69 =AP Nr. 22 zu § 50 Be­trVG 1972 = DB 2002, 1276-1278 = NZA 2002, 688-691 = EzA § 50 Be­trVG 1972 Nr. 18; BAG Be­schluss vom 14. 12. 1999 - 1 ABR 27/98, BA­GE 93, 75; BAG Be­schluss vom 11. 11.1998 - 7 ABR 47/97,AP Be­trVG 1972 § 50 Nr. 19 = EzA Be­trVG 1972 § 50 Nr. 17). Ob ein zwin­gen­des Bedürf­nis nach ei­ner be­triebsüberg­rei­fen­den Re­ge­lung be­steht, be­stimmt sich nach dem Mit­be­stim­mungs­tat­be­stand, der ei­ner zu re­geln­den An­ge­le­gen­heit zu­grun­de liegt.

195

b) Es ist der Ar­beit­ge­be­rin ein­zuräum­en, dass im Re­gel­fall der ört­li­che Be­triebs­rat für die Re­ge­lun­gen von zwin­gen­den Mit­be­stim­mungs­tat­beständen z.B. gemäß § 87 Abs. 1 Be­trVG zuständig ist. Er kann vor Ort am bes­ten ent­schei­den, ob z.B. ein Rauch­ver­bot ein­geführt wer­den soll und wie es aus­ge­stal­tet wird.

196

So liegt der Fall hier nicht. Denn hier kann be­reits fak­tisch nicht der ein­zel­ne Be­triebs­rat das Mit­be­stim­mungs­recht z.B. gemäß § 87 Abs. 1 Be­trVG wahr­neh­men. Die Mut­ter­ge­sell­schaft der Ar­beit­ge­be­rin hat die Ethik­richt­li­nie ver­bind­lich für al­le Be­trie­be welt­weit und über die Ar­beit­ge­be­rin auch in Deutsch­land ein­geführt. Da­mit will die Mut­ter­ge­sell­schaft und über sie die Ar­beit­ge­be­rin er­rei­chen, dass al­le Mit­ar­bei­ter in Deutsch­land un­ter­neh­mens­ein­heit­lich nach ein­heit­li­chen Wert­maßstäben ar­bei­ten. Die Ethik­richt­li­ni­en können we­gen die­ses der Ar­beit­ge­be­rin von der Mut­ter­ge­sell­schaft vor­ge­ge­be­nen Selbst­verständ­nis­ses nur ein­heit­lich in al­len Be­trie­ben ein­geführt wer­den; der ethi­sche Maßstab, den die Ar­beit­ge­be­rin bei

197

ih­ren Mit­ar­bei­tern an­setzt, kann nicht un­ter­schied­lich ge­re­gelt wer­den, je nach­dem ob ein Mit­ar­bei­ter im Be­trieb A oder im Be­trieb B der Ar­beit­ge­be­rin ar­bei­tet. Zu­dem soll die Te­le­fon­hot­line von al­len Mit­ar­bei­tern ge­nutzt wer­den. Ge­ra­de we­gen des zwin­gen­den Cha­rak­ters der Ethik­richt­li­nie für al­le Be­trie­be und Ar­beit­neh­mer kann nur ei­ne un­ter­neh­mens­ein­heit­li­che Re­ge­lung und kei­ne Re­ge­lung auf Be­triebs­ebe­ne er­fol­gen (vgl. auch LAG Ber­lin Be­schluss vom 22.04.1987 12 TaBV 1/87, LA­GE § 23 Be­trVG 1972 Nr. 8 für ein un­ter­neh­mens­ein­heit­li­ches Aus­zeich­nungs­pro­gramm).

198
II. 199

Der Ge­samt­be­triebs­rat hat bei den Ab­schnit­ten Sei­te 3 vier­ter Spie­gel­strich von oben der Richt­li­nie: Ver­ant­wor­tung der Mit­ar­bei­ter , (Sei­te 5) Wie Sie ethi­sche An­lie­gen vor­brin­gen , dem Ver­bot der An­nah­me von Ge­schen­ken und Zu­wen­dun­gen (Sei­te 9) so­wie dem Ab­schnitt über die Belästi­gung und un­an­ge­mes­se­nes Ver­hal­ten (Sei­ten 14, 15) mit Aus­nah­me des Sat­zes Außer­dem to­le­riert X.-N. kei­ne Ge­walt und An­dro­hung von Ge­walt auf X.-N.-Gelände oder in Ausübung der Tätig­keit bei X.-N. ein Mit­be­stim­mungs­recht. Ent­ge­gen ei­ner in der Li­te­ra­tur (vgl. Ri­char­di Be­trVG 9. Aufl. § 87 Rd­nr. 195) ver­tre­te­nen Auf­fas­sung be­steht bei der Auf­stel­lung von Ethik­richt­li­ni­en nämlich dann ein Mit­be­stim­mungs­recht, wenn in die­sen Ver­hal­tens­re­geln mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Kom­ple­xe auf­ge­nom­men sind. Denn al­lein mit der Be­zeich­nung Ethik­re­geln und der da­mit ver­folg­ten Ab­sicht, den In­halt des Ar­beits­ver­tra­ges näher zu re­geln, lässt sich ein Mit­be­stim­mungs­recht nicht grundsätz­lich ver­nei­nen. In den ge­nann­ten Punk­ten be­steht je­den­falls ein Mit­be­stim­mungs­recht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG.

200

1. Ge­gen­stand des Mit­be­stim­mungs­rechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG ist das be­trieb­li­che Zu­sam­men­le­ben und Zu­sam­men­wir­ken der Ar­beit­neh­mer (BAG Be­schluss vom 27.01.2004 1 ABR 7/03, BA­GE 109, 235 = NZA 2004, 556-559 = EzA § 87 Be­trVG 2001 Kon­troll­ein­rich­tung Nr. 1, BAG Be­schluss vom 08.06.1999 - 1 ABR 67/98, AP Be­trVG 1972 § 87 Ord­nung des Be­trie­bes Nr. 31 = EzA Be­trVG 1972 § 87 Be­trieb­li­che Ord­nung Nr. 25, zu B I 1 der Grün-

201

de; BAG Be­schluss vom 28. 05. 2002 - 1 ABR 32/01, BA­GE 101, 216, 221 = AP Be­trVG 1972 § 87 Ord­nung des Be­trie­bes Nr. 39 = EzA Be­trVG 1972 § 87 Be­trieb­li­che Ord­nung Nr. 29, zu B 12 a der Gründe; BAG Be­schluss vom 11. 06. 2002 - 1 ABR 46/01, BA­GE 101, 285, 286 = AP Be­trVG 1972 § 87 Ord­nung des Be­triebs Nr. 38 = EzA Be­trVG 1972 § 87 Be­trieb­li­che Ord­nung Nr. 28, zu B I der Gründe). Die­ses kann der Ar­beit­ge­ber kraft sei­ner Lei­tungs­macht durch Ver­hal­tens­re­geln oder sons­ti­ge Maßnah­men be­ein­flus­sen und ko­or­di­nie­ren (BAG Be­schluss vom 11. 06. 2002 - 1 ABR 46/01, a.a.O.). Zweck des Mit­be­stim­mungs­rechts ist es, die Ar­beit­neh­mer hier­an zu be­tei­li­gen. Sie sol­len an der Ge­stal­tung des be­trieb­li­chen Zu­sam­men­le­bens gleich­be­rech­tigt teil­neh­men (BAG Be­schluss vom 28. 05. 2002 - 1 ABR 32/01, a.a.O.; BAG Be­schluss vom 11. 06. 2002 - 1 ABR 46/01, a.a.O.).

202
  203
Der Be­triebs­rat hat nur mit­zu­be­stim­men bei Maßnah­men, die das sog. Ord­nungs­ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer im Be­trieb be­tref­fen (vgl. BAG Be­schluss vom 27.01.2004 1 ABR 7/03, a.a.O.; BAG Be­schluss vom 28. 05. 2002 - 1 ABR 32/01, BA­GE 101, 216, 223 = AP Be­trVG 1972 § 87 Ord­nung des Be­trie­bes Nr. 39 = EzA Be­trVG 1972 § 87 Be­trieb­li­che Ord­nung Nr. 29, zu B 12 d der Gründe m.w.N). Nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG mit­be­stim­mungs­pflich­tig sind da­ge­gen Maßnah­men, die das sog. Ar­beits­ver­hal­ten re­geln sol­len. Dies sind sol­che Maßnah­men, mit de­nen die Ar­beits­pflicht un­mit­tel­bar kon­kre­ti­siert und ab­ge­for­dert wird (BAG Be­schluss 204

vom 27.01.2004 1 ABR 7/03, a.a.O.; BAG Be­schluss vom 11. 06. 2002 -1 ABR 46/01, BA­GE 101, 285, 287 = AP 205 Be­trVG 1972 § 87 Ord­nung des Be­trie­bes Nr. 38 = EzA Be­trVG 1972 § 87 Be­trieb­li­che Ord­nung Nr. 28, zu B I der Gründe). Ein Mit­be­stim­mungs­recht be­steht al­ler­dings nur, wenn ein Re­ge­lungs­spiel­raum be­steht; sei­ne Ausfüllung ver­langt ei­ne Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats (BAG Be­schluss vom 25.01.2000 1 ABR 3/99, BA­GE 93, 276-288 = AP Nr. 34 zu § 87 Be­trVG 1972 Ord­nung des Be­trie­bes = NZA 2000, 665 =EzA § 87 Be­trVG 1972 Be­trieb­li­che Ord­nung Nr. 26).

205
2. Aus­ge­hend von die­ser Rechts­la­ge sind die un­ter B II 1. Ab­satz ge­nann­ten Ab­schnit­te mit­be­stim­mungs­pflich­tig. 206

Auf Sei­te 3 vier­ter Spie­gel­strich von oben der Richt­li­nie: Ver­ant­wor­tung der Mit­ar­bei­ter wird den Mit­ar­bei­tern die Möglich­keit auf­ge­zeigt, wie sie ethi­sche Be­den­ken , die sie bezüglich mögli­cher Ver­let­zun­gen der Ethik­richt­li­nie oder an­de­rer X.-N.-Richt­li­ni­en oder bezüglich Anträgen oder Hand­lun­gen ha­ben, die mögli­cher­wei­se die Un­ter­neh­mens­ethik oder ei­ne X.-N.-Richt­li­nie ver­let­zen (vgl. Sei­te 3 drit­ter Spie­gel­strich von oben), vor­brin­gen können. Als An­sprech­part­ner wer­den der X.-N.-Vor­ge­setz­te, die an­ony­me Hot­linie oder der di­rek­te Kon­takt mit dem Ethikbüro ge­nannt. Da auf Sei­te 5 die­ser Richt­li­nie un­ter dem Punkt Wenn Sie ein ethi­sches An­lie­gen ha­ben die Mit­ar­bei­ter ver­pflich­tet wer­den, ein An­lie­gen über ei­ne mögli­che Ver­let­zung der X.-N.-Richt­li­nie oder der Ge­set­ze vor­zu­brin­gen , was in die­sem Kom­plex noch­mals mit dem Satz Tatsächlich sind un­se­re Mit­ar­bei­ter ver­pflich­tet, je­de be­kann­te

207

oder ver­mu­te­te Ver­let­zung der Ge­set­ze, gülti­gen Be­stim­mun­gen, die­ser Un­ter­neh­mens­ethik oder ei­ne X.-N.- Richt­li­nie mit­zu­tei­len , be­kräftigt wird, kann der Ab­satz auf Sei­te 3 vier­ter Spie­gel­strich nur da­hin ver­stan­den wer­den, dass die Mit­ar­bei­ter ver­pflich­tet sind, schon bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen die Ethik­richt­li­nie ei­ne der drei Stel­len ein­zu­schal­ten.

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aa) Der Ar­beit­neh­mer ist auf Grund sei­ner Treue­pflicht ver­pflich­tet, vom Ar­beit­ge­ber so­wie von an­de­ren Ar­beit­neh­mern Schäden ab­zu­wen­den, so­weit dies möglich und zu­mut­bar ist (h.M. vgl. statt al­ler ErfK-Preis 5. Aufl. 230 BGB 611 Rd­nr. 906; Schaub/Linck Ar­beits­rechts­hand­buch 11. Aufl. § 53 Rd­nr. 14). Die Ethik­richt­li­nie der Ar­beit­ge­be­rin geht über die­se Scha­dens­ab­wen­dungs­pflicht des Ar­beit­neh­mers weit hin­aus. Die Mit­ar­bei­ter müssen be­reits dann die Ar­beit­ge­be­rin un­ter­rich­ten, wenn ein Mit­ar­bei­ter ge­gen die Ethik­richt­li­nie ver­s­toßen hat, in­dem er z.B. bei der Ar­beit­ge­be­rin aus Gefällig­keit ei­ni­ge St­un­den oh­ne Be­zah­lung ge­ar­bei­tet hat (vgl. Sei­te 15 Stich­wort: Be­zah­lung), oh­ne dass ein Scha­den ent­stan­den ist oder zu ent­ste­hen droht. In­dem die Mit­ar­bei­ter ver­pflich­tet wer­den, auch ei­nen sol­chen Ver­s­toß ge­gen die Ethik­richt­li­nie an­zu­zei­gen, kann das Zu­sam­men­le­ben in der Be­triebs­ge­mein­schaft und der Be­triebs­frie­den nach­hal­tig gestört wer­den.

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Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt aus­geführt, dass es sich bei die­ser Ver­hal­tens­re­gel um ei­ne sog. Whist­leb­lo­wer-Klau­sel han­delt, mit der Mit­ar­bei­ter ver­pflich­tet wer­den, ei­nen Ver­s­toß u.a. ge­gen die Ethik­richt­li­nie mit­zu­tei­len, mit­hin Ar­beits­kol­le­gen zu ver­pfei­fen oder Alarm zu schla­gen (Sau­er DÖD 2005, 121). Zwar wird durch die Auf­for­de­rung zur An­zei­ge von Kol­le­gen, die ge­gen die be­triebs­in­ter­nen Ver­hal­tens­richt­li­ni­en ver­s­toßen oder mögli­cher­wei­se

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ver­s­toßen ha­ben, in ers­ter Li­nie das Verhält­nis von Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber und da­mit das mit­be­stim­mungs­freie Ar­beits­ver­hal­ten be­trof­fen (so Wiss­kir­chen/Jor­dan/Bis­sels DB 2005, 2190, 2191). Tatsächlich kon­kre­ti­siert die Ar­beit­ge­be­rin je­doch nicht bloß die ar­beits­ver­trag­li­che Treue­pflicht des Ar­beit­neh­mers, son­dern er­mun­tert die Mit­ar­bei­ter, un­abhängig von der ar­beits­ver­trag­li­chen Treue­pflicht jeg­li­chen selbst ei­nen nur mögli­chen Ver­s­toß ge­gen die Ethik­richt­li­nie mit­zu­tei­len, oh­ne dass ein Scha­den ein­ge­tre­ten ist oder ein­zu­tre­ten droht, und da­mit ih­re Ar­beits­kol­le­gen zu de­nun­zie­ren . Ob ei­ne sol­che Be­stim­mung das mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Ord­nungs­ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer oder noch de­ren mit­be­stim­mungs­frei­es Ar­beits­ver­hal­ten be­trifft, brauch­te je­doch letzt­lich nicht ent­schie­den zu wer­den. Denn be­reits aus an­de­ren Gründen muss­te der Ar­beit­ge­be­rin un­ter­sagt wer­den, die­se Be­stim­mun­gen der Ethik­richt­li­nie wei­ter­hin an­zu­wen­den.

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bb) Denn die Ar­beit­ge­be­rin legt den Ar­beit­neh­mern be­stimm­te Ver­hal­tens­pflich­ten auf, in­dem sie vor­schreibt, dass der Vor­ge­set­ze zu in­for­mie­ren oder die an­ony­me Hot­line zu nut­zen oder der di­rek­te Kon­takt des Ethik-Büros zu su­chen ist. Die Ar­beit­ge­be­rin legt mit­hin ein Ver­fah­ren fest, wie die Mit­ar­bei­ter auf ei­nen er­kann­ten oder mögli­chen Ver­s­toß ge­gen die Ethik­richt­li­nie re­agie­ren müssen. Da­mit ist nicht mehr das mit­be­stim­mungs­freie Ar­beits­ver­hal­ten, son­dern das be­trieb­li­che Zu­sam­men­le­ben und Zu­sam­men­wir­ken der Ar­beit­neh­mer und da­mit die be­trieb­li­che Ord­nung i.S. des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG be­trof­fen (vgl. Wiss­kir­chen/Jor­dan/Bis­sels DB 2005, 2190, 2191; Jun­ker BB 2005, 604 f; Schus­ter/Dar­sow NZA 2005, 276). Der mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Tat­be­stand liegt in der an al­le Ar­beit­neh­mer ge­rich­te­ten ver­bind­li­chen An­ord­nung, bei ei­nem fest­ge­stell­ten oder als möglich

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an­ge­se­he­nen Ver­s­toß ge­gen die Ethik­richt­li­nie ei­ne von drei Stel­len zu un­ter­rich­ten. Ei­ne sol­che Ver­fah­rens­re­ge­lung un­ter­liegt aber der Mit­be­stim­mung (vgl. BAG Be­schluss vom 21.01.1997 1 ABR 53/97, AP Nr. 27 zu § 87 Be­trVG 1972 Ord­nung des Be­trie­bes = NZA 1997, 785 = BB 1997, 1690 = EzA § 87 Be­trVG 1972 Be­trieb­li­che Ord­nung Nr. 23: An­ord­nung des Ar­beit­ge­bers, bei Arzt­be­su­chen ei­ne von ihr vor­ge­ge­be­ne Be­schei­ni­gung zu be­nut­zen, die be­stimm­te An­ga­ben ver­langt). Da bei den Ver­fah­rens­vor­schrif­ten in der Ethik­richt­li­nie das Mit­be­stim­mungs­recht des Ge­samt­be­triebs­rats nicht be­ach­tet wur­de und die Ar­beit­ge­be­rin des­halb die­ses Ver­fah­ren nicht mehr durchführen darf, war gleich­zei­tig aus­zu­spre­chen, dass die Ar­beit­ge­be­rin oh­ne Zu­stim­mung des Ge­samt­be­triebs­rats bzw. der Ei­ni­gungs­stel­le Sei­te 3 4. Spie­gel­strich von oben und Sei­te 5 der Richt­li­nie mit der Über­schrift Wenn Sie ein ethi­sches An­lie­gen ha­ben nicht mehr an­wen­den darf.

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b) Dem Ge­samt­be­triebs­rat steht bei dem Kom­plex Ver­bot der An­nah­me von Ge­schen­ken und Zu­wen­dun­gen eben­falls ein Mit­be­stim­mungs­recht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG zu.

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aa) Es ver­steht sich von selbst, dass ein Ar­beit­neh­mer bei der Erfüllung sei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten von Drit­ten kein Schmier­geld ent­ge­gen­neh­men darf. Denn wer als Ar­beit­neh­mer bei der Ausführung von ver­trag­li­chen Auf­ga­ben sich Vor­tei­le ver­spre­chen lässt oder ent­ge­gen­nimmt, die da­zu be­stimmt oder auch nur ge­eig­net sind, ihn in sei­nem geschäft­li­chen Ver­hal­ten zu­guns­ten Drit­ter und zum Nach­teil sei­nes Ar­beit­ge­bers zu be­ein­flus­sen, und da­mit ge­gen das sog. Schmier­geld­ver­bot verstößt, han­delt den In­ter­es­sen sei­nes Ar­beit­ge­bers zu­wi­der und gibt die­sem da­mit re­gelmäßig so­gar ei­nen Grund zur frist­lo­sen Kündi­gung. Da­bei kommt es grundsätz­lich nicht dar­auf an, ob es zu ei­ner den Ar­beit­ge­ber schädi­gen­den Hand­lung

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ge­kom­men ist. Es reicht viel­mehr aus, dass der gewähr­te Vor­teil all­ge­mein die Ge­fahr be­gründet, der An­neh­men­de wer­de nicht mehr al­lein die In­ter­es­sen des Geschäfts­herrn wahr­neh­men. In Fällen die­ser Art liegt die ei­gent­li­che Ur­sa­che dafür, dass ein sol­ches Ver­hal­ten so­gar die außer­or­dent­li­che Kündi­gung recht­fer­tigt, nicht so sehr in der Ver­let­zung ver­trag­li­cher Pflich­ten, son­dern in der da­mit zu Ta­ge ge­tre­te­nen Ein­stel­lung des Ar­beit­neh­mers, un­be­denk­lich ei­ge­ne Vor­tei­le bei der Erfüllung von Auf­ga­ben wahr­neh­men zu wol­len, ob­wohl er sie al­lein im In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers durch­zuführen hat. Durch sein ge­zeig­tes Ver­hal­ten zerstört er das Ver­trau­en in sei­ne Zu­verlässig­keit und Red­lich­keit (vgl. wie hier BAG Ur­teil vom 21.06.2001 2 AZR 30/00, NZA 2002, 232 = EzA § 626 BGB Unkünd­bar­keit Nr. 7, BAG Ur­teil vom 17. 08. 1972 - 2 AZR 415/71, BA­GE 24, 401, 408; Münche­ner Hand­buch-Blo­mey­er 2. Aufl. § 53 Rd­nr. 98; ErfK-Preis 5. Aufl. BGB 230 § 611 BGB Rd­nr. 884; HZA-Künzl Grup­pe 1 Teil­be­reich 5 Rd­nr. 1884). Der Ar­beit­neh­mer muss des­halb Schmier­geld al­ler Art und Höhe ab­leh­nen.

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bb) Die Ar­beit­ge­be­rin ver­bie­tet in ih­rer Ethik­richt­li­nie je­doch nicht bloß die An­nah­me von Schmier­gel­dern, son­dern die An­nah­me von al­len Ge­schen­ken und Zu­wen­dun­gen wie z.B. Trink­gel­dern und kos­ten­lo­sen Wa­ren von Lie­fe-

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ran­ten oder po­ten­ti­el­len Lie­fe­ran­ten oder an­de­ren Per­so­nen, von de­nen der Ar­beit­neh­mer an­nimmt, dass die­se Per­so­nen Ein­fluss auf ei­ne Geschäfts­ent­schei­dung oder Trans­ak­ti­on, bei der die Ar­beit­ge­be­rin in­vol­viert ist, ge­win­nen möch­ten. Erhält der Ar­beit­neh­mer ei­ne sol­che Zu­wen­dung, muss er sie an den Lie­fe­ran­ten zurück­ge­ben, sie bei Unmöglich­keit der Rück­ga­be der Ar­beit­ge­be­rin übe­reig­nen und je­des An­ge­bot dem Vor­ge­setz­ten mel­den.

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Die übli­chen Wer­be­ge­schen­ke wie Ku­gel­schrei­ber, ein­fa­che Ka­len­der, Feu­er­zeug usw. sind je­doch kei­ne Schmier­gel­der(vgl. Stau­din­ger/Ri­char­di 13. Aufl. § 611 BGB Rz. 426 m.w.N.; HZA-Künzl a.a.O. Rd­nr. 1085). Denn mit die­sen Ge­schen­ken ist nicht die Ab­sicht des Schen­ken­den ver­bun­den, im geschäft­li­chem Ver­kehr Vor­tei­le zu er­zie­len oder gewährt zu er­hal­ten. Sie drücken statt­des­sen die Wertschätzung des Be­schenk­ten aus.

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Der Ge­samt­be­triebs­rat hat ein Mit­be­stim­mungs­recht bei Einführung der Ethik­re­ge­lung über Ge­schen­ke und Zu­wen­dun­gen, weil die Ar­beit­ge­be­rin selbst die übli­chen Trink­gel­der oder klei­nen Ge­schen­ke zum Zei­chen der Ver­bun­den­heit (z.B. anläss­lich Weih­nach­ten oder Neu­jahr) ver­bie­tet; sie schreibt zu­dem den Mit­ar­bei­tern vor, wie bei ei­nem An­ge­bot oder der An­nah­me sol­cher übli­chen Ge­le­gen­heits­ge­schen­ke zu ver­fah­ren ist. Sie be­stimmt in der Ethik­richt­li­nie, dass die Mit­ar­bei­ter die­se Ge­schen­ke an den Schen­ken­den zurück­ge­ben oder sie an die Ar­beit­ge­be­rin übe­reig­nen müssen, soll­te ei­ne Rück­ga­be nicht möglich sein, und in je­dem Fall den Vor­ge­setz­ten un­ter­rich­ten müssen. Bei die­sen in der Wirt­schaft übli­chen Ge­le­gen­heits­ge­schen­ken, mit de­nen verständ­li­cher­wei­se kein Ein­fluss auf das Ver­hal­ten der Mit­ar­bei­ter ge­nom­men wer­den kann, hat der Ge­samt­be­triebs­rat ein Mit­be­stim­mungs­recht, ob und in wel­chem Wert die Mit­ar­bei­ter die­se gebräuch­li­chen Wer­be­ge­schen­ke be­hal­ten dürfen, wann sie sie an den Lie­fe­ran­ten zurück­ge­ben, wann sie sie an die Ar­beit­ge­be­rin her­aus­ge­ben müssen und schließlich in wel­chen Fällen der Vor­ge­setz­te in­for­miert wer­den muss (so Däubler/Kle­be Be­trVG 9. Aufl., § 87 Rd­nr. 55; LAG L. Be­schluss vom 20.06.1984 5 TaBV 20/84, DB 1984, 2202; a.A. GK-Wie­se Be­trVG 7. Aufl. § 87 Rd­nr. 227; Hess/Sch­lochau­er/Worz­al­la/Glock Be­trVG. 6. Aufl. § 87 Rd­nr. 114). Es geht da­bei nicht um die mit­be­stimm­te Ab­gren­zung, wann Schmier­geld ge­zahlt wird

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oder was als übli­ches Ge­le­gen­heits­ge­schenk an­zu­se­hen ist, son­dern um die Fra­ge, in wel­chen Fällen die Mit­ar­bei­ter das Emp­fan­ge­ne zurück­wei­sen bzw. ab­lie­fern und wann sie den Vor­ge­setz­ten in­for­mie­ren müssen. Bei die­sem Kom­plex gibt es ei­nen wei­ten Re­ge­lungs­spiel­raum, der von dem Ge­samt­be­triebs­rat ge­mein­sam mit der Ar­beit­ge­be­rin aus­ge­stal­tet wer­den kann.

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Die Ar­beit­ge­be­rin hat mit ih­rer An­wei­sung in der Ethik­richt­li­nie das Ver­hal­ten der Mit­ar­bei­ter dem Un­ter­neh­men ge­genüber und nicht et­wa ge­genüber den Lie­fe­ran­ten ge­re­gelt, in­dem sie be­stimm­te, dass in al­len Fällen Ge­schen­ke und Zu­wen­dun­gen zurück­ge­wie­sen bzw. ab­ge­lie­fert wer­den müssen und der Vor­ge­setz­te zu in­for­mie­ren ist. Es kann des­halb nicht der Auf­fas­sung ge­folgt wer­den, bei der Re­ge­lung über die An­nah­me von den übli­chen Ge­le­gen­heits­ge­schen­ken ge­he es nicht um Ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer im Be­trieb ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber, son­dern ge­genüber außen­ste­hen­den Drit­ten (so aber Schus­ter/Dar­sow NZA 2005, 276; Breit­feld/Kle­ber Per­so­nal­ma­ga­zin 6/2005, 39; Wiss­kir­chen/Jor­dan/Bis­sels NZA 2005, 2190,2191).

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c) Der Ge­samt­be­triebs­rat hat bei den Ver­hal­tens­maßre­geln Belästi­gung und un­an­ge­mes­se­nes Ver­hal­ten (Sei­te 14, 15 des Ko­de­xes, BI. 27, 28 d.A.) mit Aus­nah­me des Sat­zes: Außer­dem to­le­riert X.-N. kei­ne Ge­walt und An­dro­hung von Ge­walt auf X.-N.-Gelände oder in Ausübung der Tätig­keit bei X.-N. ein Mit­be­stim­mungs­recht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG.

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aa) Die Ar­beit­ge­be­rin hat die Ar­beit­neh­mer vor se­xu­el­ler Belästi­gung am Ar­beits­platz zu schützen. Die­ses Ge­bot re­gelt § 2 Abs. 1 Be­schSchG. Da­mit ist aber der Re­ge­lungs­spiel­raum des Ge­samt­be­triebs­rats und der Ar­beit­ge­be­rin im

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Rah­men des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG nicht nach § 87 Abs. 1 Ein­lei­tungs­satz Be­trVG so ein­ge­schränkt, dass kein Re­ge­lungs­spiel­raum mehr be­steht. Denn die Ar­beit­ge­be­rin muss erst dann ein­grei­fen und ge­eig­ne­te Maßnah­men nach § 4 Abs. 1 Be­schSchG er­grei­fen, wenn ein Be­trof­fe­ner ei­ne se­xu­el­le Belästi­gung er­kenn­bar ab­lehnt, § 2 Abs. 2 Nr. 2 Be­schSchG. Die Ar­beit­ge­be­rin kann zwar nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Be­schSchG vor­beu­gend tätig wer­den. In wel­cher Wei­se dies ge­schieht al­so nicht um das Ob , son­dern um das Wie - et­wa durch Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tun­gen, Aufklärung, Hin­wei­se, Einführung be­trieb­li­cher Ver­hal­tens­re­geln oder durch Aus­ge­stal­tung der Ar­beits­um­ge­bung wie z.B. durch die Ver­mei­den von Engpässen bei Durchgängen, durch die Be­leuch­tung von Parkplätzen und We­gen, Sicht­blen­den an Ar­beits­ti­schen u.a. (vgl. ErfK-Schlach­ter 5.Aufl. 190 Be­schSchG § 2 Rd­nr. 3) un­ter­liegt der Mit­be­stim­mung des Ge­samt­be­triebs­rats.

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bb) Zu­dem geht es bei dem Kom­plex Belästi­gung und un­an­ge­mes­se­nes Ver­hal­ten nicht al­lein um se­xu­el­le Belästi­gung. Die Ar­beit­ge­be­rin de­fi­niert die Belästi­gung großzügig und ver­bie­tet in ih­rer Richt­li­nie jeg­li­ches Ver­hal­ten, das ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Ar­beits­leis­tung hat, die Würde ei­ner Per­son her­ab­setzt oder ei­ne einschüchtern­de, feind­li­che oder an­der­wei­tig ag­gres­si­ve Ar­beits­um­ge­bung schafft. Da­mit wer­den auch Ver­hal­tens­wei­sen ver­bo­ten, die noch nicht ei­ne se­xu­el­le Belästi­gung, wie sie in § 2 Abs. 2 Be­schSchG be­schrie­ben wer­den, dar­stel­len. In der Ru­brik ZU BE­ACH­TEN wer­den als Bei­spie­le be­lei­di­gen­de oder be­schimp­fen­de Be­mer­kun­gen ge­nannt, oh­ne dass der Be­zug zur se­xu­el­len Belästi­gung her­ge­stellt sein muss. Da­mit geht die Ar­beit­ge­be­rin er­heb­lich über die Re­ge­lun­gen des Beschäftig­ten­schutz­ge­set­zes hin­aus. In die­ser Ethik­be­stim­mung wird so­mit ins­ge­samt das Zu­sam­men­le­ben in­ner­halb des Be­trie­bes und da­mit das sog. Ord­nungs­ver­hal­ten der

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Ar­beit­neh­mer im Be­trieb i.S. des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG ge­re­gelt; die­ses un­ter­liegt aber dem Mit­be­stim­mungs­recht des Ge­samt­be­triebs­rats.

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cc) Al­ler­dings be­steht kein Mit­be­stim­mungs­recht bei dem Pas­sus: Außer­dem to­le­riert X.-N. kei­ne Ge­walt und An­dro­hung von Ge­walt auf X.-N.-Gelände oder in Ausübung der Tätig­keit bei X.-N. . Die Ar­beit­ge­be­rin kann in Wahr­neh­mung ih­res Haus­rechts und zur Er­hal­tung des Be­triebs­frie­dens an­ord­nen, dass auf ih­rem Be­triebs­gelände oder während der Ar­beit aus­nahms­los kei­ne Ge­walt aus­geübt oder an­ge­droht wird. In­so­weit fehlt es an dem für die Ausübung des Mit­be­stim­mungs­rechts not­wen­di­gen Re­ge­lungs­spiel­raum.

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III. 229

Da die Ar­beit­ge­be­rin auf den aus­gehäng­ten Pos­tern den Mit­ar­bei­tern ver­bie­tet, Ge­schen­ke bzw. Gra­ti­fi­ka­tio­nen an­zu­neh­men, und sie auf­for­dert, die Te­le­fon-Hot­line zu nut­zen, in die­sen bei­den Punk­te aber ein Mit­be­stim­mungs­recht des Ge­samt­be­triebs­rats be­steht, war der Ar­beit­ge­be­rin zu un­ter­sa­gen, in­so­weit das Pos­ter wei­ter­hin zu nut­zen. Zu­dem war der Ar­beit­ge­be­rin zu ver­bie­ten, wei­ter­hin die Te­le­fon­hot­linie für glo­ba­le Un­ter­neh­mens­ethik (0000-000-0000) zu be­trei­ben. Denn bei der Fra­ge, ob bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen die Ethik­richt­li­nie der Vor­ge­setz­te zu in­for­mie­ren, die Te­le­fon­hot­line zu nut­zen oder das Ethikbüro ein­zu­schal­ten ist, be­steht ein Mit­be­stim­mungs­recht des Ge­samt­be­triebs­rats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG. Die Ar­beit­ge­be­rin darf des­halb die Te­le­fon­hot­line nicht mehr be­trei­ben, so­lan­ge die Fra­ge der Re­ak­ti­on auf Verstöße ge­gen die Ethik­richt­li­nie nicht mit­be­stimmt ge­re­gelt wur­de. Ob der

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Ge­samt­be­triebs­rat bei der Nut­zung der Te­le­fon­hot­line ein Mit­be­stim­mungs­recht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG hat­te, brauch­te da­her nicht ent­schie­den zu wer­den.

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IV. 232

Auf An­trag des Ge­samt­be­triebs­rats muss­te die Kam­mer der Ar­beit­ge­be­rin auf­ge­ben, es bei Mei­dung ei­nes Ord­nungs­gel­des für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung von bis zu 250.000,00 € (in Wor­ten: zwei­hun­dertfünf­zig­tau­send EU­RO) zu un­ter­las­sen, den bei ihr beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern i.S.d. § 5 Be­trVG auf­zu­ge­ben oder zu emp­feh­len, sich nach den ge­nann­ten Ab­schnit­ten der ethi­schen Richt­li­nie des Ver­hal­tens­ko­de­xes der Ar­beit­ge­be­rin zu rich­ten bzw. die­se an­zu­wen­den und/oder ein Pos­ter mit ei­nem Aus­zug oder ei­ner in­halt­li­chen Zu­sam­men­fas­sung des Ko­de­xes, die die ge­nann­ten Ab­schnit­te enthält, in den Räum­lich­kei­ten der Be­trie­be der Ar­beit­ge­be­rin aus­zuhängen oder sonst wie den Ar­beit­neh­mern zugäng­lich zu ma­chen bzw. die ge­nann­ten Ab­schnit­te des Ver­hal­tens­ko­de­xes den Ar­beit­neh­mern i.S.d. § 5 Be­trVG ge­genüber zur An­wen­dung zu brin­gen, oh­ne dass die Zu­stim­mung des Ge­samt­be­triebs­ra­tes hier­zu vor­liegt oder durch den Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le er­setzt wor­den ist. Denn nach der Recht­spre­chung des BAG steht dem Be­triebs­rat im Fal­le der Ver­let­zung sei­ner Mit­be­stim­mungs­rech­te un­abhängig von § 23 Abs. 3 Be­trVG ein all­ge­mei­ner Un­ter­las­sungs­an­spruch zu (vgl. grund­le­gend BAG 03. 05. 1994 - 1 ABR 24/93, BA­GE 76, 364; vgl. auch Raab ZfA 1997,183; BAG Be­schluss vom 26.07.2005 1 ABR 29/04, n.v.). Die­ser be­ruht auf ei­ner sich aus dem Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats i.V.m. § 2 Be­trVG er­ge­ben­den

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Ne­ben­pflicht des Ar­beit­ge­bers. Zwar führt nicht je­de Ver­let­zung von Rech­ten des Be­triebs­rats oh­ne wei­te­res zu ei­nem Un­ter­las­sungs­an­spruch. Viel­mehr kommt es auf die ein­zel­nen Mit­be­stim­mungs­tat­bestände, de­ren kon­kre­te ge­setz­li­che Aus­ge­stal­tung und die Art der Rechts­ver­let­zung an. Es ist aber an­er­kannt, dass ein Un­ter­las­sungs­an­spruch bei Verstößen ge­gen § 87 Be­trVG be­steht (vgl. zu­letzt BAG Be­schluss vom 26.07.2005 1 ABR 29/04, n.v.) Denn dem Ge­samt­be­triebs­rat steht kein an­de­rer wirk­sa­mer Weg zur Durch­set­zung die­ses Mit­be­stim­mungs­rechts zur Verfügung. Des­sen Si­che­rung ist auch nicht auf an­de­re Wei­se gewähr­leis­tet. Dem Ar­beit­ge­ber dro­hen für den Fall der Ver­let­zung des Mit­be­stim­mungs­rechts - an­ders als et­wa im Fal­le des § 102 Be­trVG (vgl. § 102 Abs. 1 Satz 3 Be­trVG) oder des § 111 Be­trVG (vgl. § 113 Abs. 3 Be­trVG) - kei­ne Sank­tio­nen. Auch gibt es - an­ders als et­wa in den Fällen des § 99 Be­trVG (vgl. § 101 Be­trVG) - kein ei­gens für den Fall der Ver­let­zung des Mit­be­stim­mungs­rechts vor­ge­se­he­nes ge­setz­li­ches Ver­fah­ren. Die Re­ge­lung des § 23 Abs. 3 Be­trVG steht dem all­ge­mei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch nicht ent­ge­gen (BAG Be­schluss vom 03. 05.1994 - 1 ABR 24/93, BA­GE 76, 364). Auch ist das - je­den­falls beim all­ge­mei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch be­ste­hen­de ­Er­for­der­nis der Wie­der­ho­lungs­ge­fahr erfüllt. Für die­se be­steht grundsätz­lich ei­ne tatsächli­che Ver­mu­tung, wenn es be­reits zu ei­ner Ver­let­zung des Mit­be­stim­mungs­rechts ge­kom­men ist (vgl. et­wa BAG Be­schluss vom 26.07.2005 1 ABR 29/04, n.v.; BAG Be­schluss vom 29. 02. 2000 - 1 ABR 4/99, AP Be­trVG 1972 § 87 Lohn­ge­stal­tung Nr. 105 = EzA Be­trVG 1972 § 87 Be­trieb­li­che Lohn­ge­stal­tung Nr. 69, zu B II 2 a der Gründe). Die­ses ist hier der Fall. Die Ar­beit­ge­be­rin hat die mit­be­stim­mungs­pflich­ti­gen Tei­le der Ethik­richt­li­nie be­reits vor Mo­na­ten ein­geführt.

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V. 235

In den übri­gen strei­ti­gen Kom­ple­xen Pres­se­mit­tei­lun­gen , Pri­vat­sphäre und Pri­va­te Be­zie­hun­gen/Lie­bes­be­zie­hun­gen be­steht ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts kein Mit­be­stim­mungs­recht des Ge­samt­be­triebs­rats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG, so dass in­so­weit der Be­schluss des Erst­ge­richts ab­zuändern und der An­trag des Ge­samt­be­triebs­rats zurück­zu­wei­sen war. Denn Vor­aus­set­zung für ein Mit­be­stim­mungs­recht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG ist ei­ne Be­stim­mung über das Ord­nungs­ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer un­ter­stellt ein Re­ge­lungs­spiel­raum, der durch die Mit­be­stim­mung des Ge­samt­be­triebs­rats ge­mein­sam mit der Ar­beit­ge­be­rin aus­ge­stal­tet wer­den muss (vgl. un­ter B II 1. der Gründe). Die­ses ist in den 3 ge­nann­ten Punk­ten nicht der Fall.

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1. Dem Ge­samt­be­triebs­rat steht bei der Re­ge­lung über Pres­se­mit­tei­lun­gen kein Mit­be­stim­mungs­recht zu; in die­sem Be­reich gibt es nichts mit­be­stimmt zu re­geln. Es ist selbst­verständ­lich, dass die Ar­beit­ge­be­rin ih­re Mit­ar­bei­ter an­wei­sen kann, nicht in Na­men von X.-N. Pres­se­mit­tei­lun­gen ab­zu­ge­ben. Be­steht aber kei­ne Re­ge­lungsmöglich­keit, so be­steht auch kein Mit­be­stim­mungs­recht. 237
2. Auch bei dem Kom­plex Pri­vat­sphäre hat der Ge­samt­be­triebs­rat kein Mit­be­stim­mungs­recht. 238

Es wird in der Li­te­ra­tur die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Be­triebs­rat ha­be bei den Mo­da­litäten des Ein­sichts­rechts in die Per­so­nal­ak­te ein Mit­be­stim­mungs­recht (vgl. L./Rei­ni­cke Per­so­nal­buch 12. Aufl. 2005 333 Rd­nr. 17; GK-Wie­se 7.

239

Aufl. Be­trVG Bd. II § 87 Stich­wort: Mo­da­litäten des Ein­sichts­rechts in die Per­so­nal­ak­te). Hier­um geht es je­doch in 240 der Richt­li­nie nicht. Es wird nicht ge­re­gelt, wann der Mit­ar­bei­ter wo in sei­ne Per­so­nal- und Kran­ken­ak­te Ein­blick neh­men kann und wie die Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats er­folgt, § 83 Be­trVG. In die­sem Kom­plex wird le­dig­lich be­stimmt, dass nur be­rech­tig­te Mit­ar­bei­ter und sol­che mit ei­nem be­trieb­lich-be­gründe­tem An­lie­gen be­fugt sind, in die Per­so­nal- und Kran­ken­ak­ten des Un­ter­neh­mens ein­zu­se­hen.

240

Per­so­nal- und Kran­ken­ak­ten dürfen nicht all­ge­mein zugäng­lich sein, son­dern müssen zum Schutz des Persönlich­keits­rechts des Mit­ar­bei­ters aus Art. 1 und 2 GG sorgfältig ver­wahrt wer­den. Der Ar­beit­ge­ber muss be­stimm­te In­for­ma­tio­nen

241

ver­trau­lich be­han­deln oder für die ver­trau­li­che Be­hand­lung durch Sach­be­ar­bei­ter Sor­ge tra­gen. Außer­dem muss der Kreis der mit Per­so­nal­ak­ten be­fass­ten Beschäftig­ten möglichst eng ge­hal­ten wer­den (BAG Ur­teil vom 04.04.1990 5 AZR 299/89, BA­GE 64, 308-315 =AP Nr. 21 zu § 611 BGB Persönlich­keits­recht = EzA § 611 BGB Persönlich­keits­recht Nr. 9 m.w.N.) Es ist des­halb an­er­kannt, dass der Ar­beit­neh­mer vor der Kennt­nis­nah­me sei­ner Per­so­nal- und der Kran­ken­ak­te durch be­lie­bi­ge Drit­te und un­zuständi­ge Sach­be­ar­bei­ter geschützt wer­den muss (BAG Ur­teil vom 15.07.1987 5 AZR 215/86, BA­GE 54, 365-374 NZA 1988, 53-55 = EzA § 611 BGB Persönlich­keits­recht Nr. 5). Wenn die Ar­beit­ge­be­rin be­stimmt, dass nur be­rech­tig­te Mit­ar­bei­ter und sol­che mit ei­nem be­trieb­lich-be­gründe­tem An­lie­gen Ein­blick in die­se Ak­ten neh­men dürfen, ent­spricht die­ses Ge­bot der Rechts­la­ge. Der Ge­samt­be­triebs­rat kann man­gels Re­ge­lungs­spiel­raum nicht re­geln, wer be­rech­tigt sein soll, in die Per­so­nal- und Kran­ken­ak­te ein­zu­se­hen. Es ist selbst­verständ­lich und be­gründet kein Mit­be­stim­mungs­recht des Ge­samt­be­triebs­rats, dass in der Ethik­richt­li­nie be­stimmt ist, dass An­fra­gen Drit­ter an die Rechts­ab­tei­lung wei­ter­zu­lei­ten sind.

242
3. Der Re­ge­lungs­kom­plex Pri­va­te Be­zie­hun­gen/Lie­bes­be­zie­hun­gen un­ter­liegt nicht der Mit­be­stim­mung des Ge­samt­be­triebs­rats; er ist we­gen Ver­s­toßes ge­gen Art. 1 und 2 GG grund­ge­setz­wid­rig und da­mit un­wirk­sam. 243
a) Das Grund­ge­setz hat in sei­nen Ar­ti­keln 1 und 2 die Würde des Men­schen und des­sen Recht auf freie Ent­fal­tung sei­ner Persönlich­keit zu zen­tra­len Wer­ten un­se­rer Ver­fas­sung er­ho­ben. Es er­kennt das Recht des Men­schen auf Ach­tung sei­ner Würde (Art 1 GG) und das Recht auf freie Ent­fal­tung sei­ner Persönlich­keit auch als pri­va­tes, von je­der­mann zu ach­ten­des Recht an, so­weit die­ses Recht nicht die Rech­te an­de­rer ver­letzt oder ge­gen die ver­fas­sungsmäßige Ord­nung oder das Sit­ten­ge­setz verstößt (Art. 2 GG). Zum Persönlich­keits­recht und zur Persönlich­keits­ent­fal­tung gehört das Recht, selbst zu ent­schei­den, ob und mit wem ei­ne Per­son in Be­zie­hun­gen tritt, sei es in ei­ne freund­schaft­li­che oder in ei­ne Lie­bes­be­zie­hung. 244
b) Das Le­ben des Ar­beit­neh­mers wird zu ei­nem ganz we­sent­li­chen Teil durch das Ar­beits­verhält­nis be­stimmt und ge­prägt. Sein Selbst­wert­gefühl so­wie die Ach­tung und Wertschätzung, die er in sei­ner Fa­mi­lie, bei sei­nen Freun­den und Kol­le­gen und über­haupt in sei­nem Le­bens­kreis erfährt, wer­den ent­schei­dend mit­be­stimmt von der Art, wie er sei­ne Ar­beit leis­tet (BAG Be­schluss vom 27. 02. 1985 - GS 1/84, BA­GE 48, 122-129 = NZA 1985, 702 = EzA § 611 BGB Beschäfti­gungs­pflicht Nr. 9: zum Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch). Für die Würde des Men­schen ist nicht al­lein ent­schei­dend, dass und wie er sei­ne Ar­beit er­bringt. Sein Selbst­wert­gefühl wird auch durch die Tat­sa­che be­ein­flusst, ob und mit wel­chem Ar­beits­kol­le­gen, wel­cher Ar­beits­kol­le­gin er sich be­freun­det oder in ei­ne Lie­bens­be­zie­hung tritt. Ne­ben der Ar­beit stellt der Um­gang mit den 245

Ar­beits­kol­le­gen für den Ar­beit­neh­mer zu­gleich ei­ne we­sent­li­che Möglich­keit zur Ent­fal­tung sei­ner geis­ti­gen und körper­li­chen Fähig­kei­ten und da­mit zur Ent­fal­tung sei­ner Persönlich­keit dar. Im persönli­chen Kon­takt mit sei­nen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen kann er sich be­wei­sen, je nach dem In­halt sei­ner Ar­beit sei­ne körper­li­chen, geis­ti­gen und see­li­schen Fähig­kei­ten mes­sen und da­mit sein Selbst­wert­gefühl stei­gern. Wird dem Ar­beit­neh­mer die­se Möglich­keit der Persönlich­keits­ent­fal­tung im Rah­men sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ge­nom­men, so berührt die­ses sei­ne Würde als Mensch. Wenn dem Ar­beit­neh­mer un­ter­sagt wird, in sei­nem Ar­beits­verhält­nis mit Kol­le­gen oder Vor­ge­setz­ten (auch) in pri­va­ten Kon­takt zu tre­ten und ei­ne persönli­che Be­zie­hung her­zu­stel­len, greift die­ses Ver­bot tief in das Persönlich­keits­recht des Mit­ar­bei­ters ein. Er muss an­neh­men, dass er le­dig­lich zu ar­bei­ten hat und sein Persönlich­keits­recht so­zu­sa­gen am Be­triebs­ein­gang ab­ge­ben muss.

246
c) Die Ethik­richt­li­nie der Ar­beit­ge­be­rin un­ter­sagt nicht ge­ne­rell die Her­stel­lung ei­ner Freund­schaft oder ei­ner Lie­bes­be­zie­hung während der Ar­beit. Sie ver­bie­tet, dass der Mit­ar­bei­ter mit je­man­dem aus­geht oder in ei­ne Lie­bes­be­zie­hung mit je­man­dem ein­tritt, wenn der Mit­ar­bei­ter die Ar­beits­be­din­gun­gen des je­weils an­de­ren Ar­beit­neh­mers be­ein­flus­sen kann. Da­bei kommt es nicht dar­auf an, ob die­ser Ein­fluss tatsächlich ge­ge­ben ist. Die Ethik­be­stim­mung un­ter­sagt mit­hin die Ein­ge­hung ei­ner Be­zie­hung nur in ei­nem Abhängig­keits­verhält­nis, in dem der je­wei­li­ge Part­ner den je­weils an­de­ren in sei­nen/ih­ren Ar­beits­be­din­gun­gen be­ein­flusst oder mögli­cher­wei­se be­ein­flus­sen kann. Doch auch mit die­ser Ein­schränkung verstößt die Ar­beit­ge­be­rin im er­heb­li­chen Um­fang ge­gen das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers und ge­gen sei­ne Men­schenwürde. Es muss das Selbst­wert­gefühl und da­mit das 247

Persönlich­keits­recht des Mit­ar­bei­ters bzw. der Mit­ar­bei­te­rin ver­let­zen, wenn er bzw. sie mit ei­nem ihm un­ter­stell­ten Mit­ar­bei­ter oder ei­ner Mit­ar­bei­te­rin z.B. nicht zum Es­sen ge­hen oder sonst wie ge­sell­schaft­lich ver­keh­ren darf. Das glei­che gilt, wenn er mit ei­nem Vor­ge­setz­ten, den er schätzt, nicht z.B. zu ei­nem Kir­mes­be­such oder Schützen­fest aus­ge­hen darf. Ob und mit wem ein Mit­ar­bei­ter Um­gang hat, ist aber grundsätz­lich der Re­ge­lung durch den Ar­beit­ge­ber ent­zo­gen.

248

Wenn auch nicht ver­kannt wer­den kann, dass in vie­len Be­trie­ben nicht ger­ne ge­se­hen wird, wenn ein Vor­ge­setz­ter bzw. ei­ne Vor­ge­setz­te mit ei­nem oder ei­ner ihm bzw. ihr un­ter­stell­ten Mit­ar­bei­te­rin bzw. Mit­ar­bei­ter ei­ne Lie­bes­be­zie­hung ein­geht, ist dies letzt­lich ei­ne Pri­vat­an­ge­le­gen­heit der be­tei­lig­ten Per­so­nen und hat zunächst den Ar­beit­ge­ber nicht zu in­ter­es­sie­ren. Erst wenn es auf Grund die­ser Be­zie­hung zu Span­nun­gen in­ner­halb der Be­triebs­ge­mein­schaft kommt, kann der Ar­beit­ge­ber ein­grei­fen. Es ist dann aber nicht die Part­ner­schaft oder die Lie­bes­be­zie­hung, die stört, son­dern das Ver­hal­ten, mit dem der ei­ne oder der an­de­re Part­ner oder bei­de oder außen­ste­hen­de Drit­te den be­trieb­li­chen Ab­lauf be­ein­träch­ti­gen.

249
d) Da der Kom­plex Pri­va­te Be­zie­hun­gen/Lie­bes­be­zie­hun­gen we­gen Ver­s­toßes ge­gen das Grund­ge­setz (Art. 1 und 2 GG) un­wirk­sam ist, hat der Ge­samt­be­triebs­rat kein Mit­be­stim­mungs­recht. Es gibt nichts mit­zu­be­stim­men. Der Ge­samt­be­triebs­rat kann auch nicht von der Ar­beit­ge­be­rin ver­lan­gen, dass sie es un­terlässt, die­se un­wirk­sa­me Re­ge­lung an­zu­wen­den. Denn der Ge­samt­be­triebs­rat hat nicht ei­nen ent­spre­chen­den Un­ter­las­sungs­an­spruch; er kann nicht aus ei­ge­nem Recht ver­lan­gen, dass die Ar­beit­ge­be­rin es un­terlässt, 250

mit der Ethik­richt­li­nie die Persönlich­keits­rech­te ih­rer Beschäftig­ten zu ver­let­zen. Ein sol­cher An­spruch folgt we­der aus § 75 Abs. 1 noch aus § 75 Abs. 2 Be­trVG. Die­ses ent­spricht ganz herr­schen­der Rechts­auf­fas­sung (vgl. statt al­ler BAG Be­schluss vom 28.05.2002 1 ABR 32/01, BA­GE 101, 216 = AP Nr. 39 zu § 87 Be­trVG 1972 Ord­nung des Be­trie­bes = NZA 2003, 166 =EzA § 87 Be­trVG 1972 Be­trieb­li­che Ord­nung Nr. 29 m.w.N.). Der In­di­vi­du­al­rechts­schutz des ein­zel­nen Ar­beit­neh­mers ist oh­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung nicht dem Be­triebs­rat über­tra­gen.

251

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat für den Ge­samt­be­triebs­rat und die Ar­beit­ge­be­rin die Rechts­be­schwer­de an das Bun­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­sen.

252

RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG

253
[…] […]
Düssel­dorf, den 12.12.2005 291
Der Vor­sit­zen­de der 10. Kam­mer 292
Dr. Be­seler 293
Vor­sit­zen­der Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt 294

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