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LAG Düsseldorf, Urteil vom 07.10.2015, 4 Sa 1289/14
Schlagworte: | Kündigungsschutz, Wiedereinstellung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Düsseldorf | |
Aktenzeichen: | 4 Sa 1289/14 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 07.10.2015 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Duisburg, Urteil vom 05.11.2014, 4 Ca 1607/14 nachgehend: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.10.2017, 8 AZR 845/15 |
|
4 Sa 1289/14
4 Ca 1607/14
Arbeitsgericht Duisburg
Verkündet am 07.10.2015
gez.: Lindner
Regierungsbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
des Herrn C. X., X. Str. 646, E.,
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. u. a., N. Str. 206, E.,
g e g e n
1. die Frau J. S., C. Str. 32, E.,
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. G., G. platz 25, L.,
2. die Frau M. T., Am T. 43, E.,
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Q. W., G. platz 25, L.,
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 07.10.2015 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Quecke als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Bausch und den ehrenamtlichen Richter Wild
für Recht erkannt:
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1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 05.11.2014 – 4 Ca 1607/14 – wird kostenpflichtig zurückzuweisen.
2. Die Revision wird zugelassen.
T A T B E S T A N D :
Der Kläger begehrt nach einem Betriebsübergang seine Wiedereinstellung durch die Betriebsnachfolgerin.
Der 1949 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der zu 1) beklagten Apothekerin seit 1987 als vorexaminierter Apothekenangestellter zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.500,00 € bei 22 Wochenstunden beschäftigt.
Die Beklagte zu 1) beschäftigte in ihrer Apotheke regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Von den zuletzt regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern standen neben dem Kläger nur vier Arbeitnehmer bereits vor dem 01.01.2004 in einem Arbeitsverhältnis, nämlich die pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA) C. mit 21 Stunden wöchentlich (ab 01.03.1997), der PTA K., Bruder der Beklagten zu 1), mit 39 Stunden wöchentlich (ab 01.09.1986), seine Ehefrau, die pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin (PKA) K., mit 20,5 Wochenstunden (ab 01.09.1986) sowie die Reinigungskraft Frau T. mit 9 Stunden pro Woche.
Mit Schreiben vom 28.11.2013 kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis des Klägers wie auch der übrigen Beschäftigten zum 30.06.2014. Dabei berief sie sich auf gesundheitliche Gründe, die zur Schließung der Apotheke zu diesem Zeitpunkt zwängen.
Der Kläger erhob keine Kündigungsschutzklage.
Die Beklagte zu 1) führte die Apotheke über dem 30.06.2014 hinaus weiter. Nach einem zwischen ihr und der Beklagten zu 2) unter dem 15.07.2014 geschlossenen Vertrag erfolgte die Übertragung und Übergabe der Apotheke sowie des Warenlagers auf die Beklagte zu 2) zum 01.09.2014. Gemäß § 6 des
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Kaufvertrages verpflichtete sich die Beklagte zu 2) zur Übernahme der Eheleute K. sowie der Frau T.. Diese wurden durchgehend über den 31.08.2014 hinaus weiterbeschäftigt.
Mit seiner am 29.07.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst von der Beklagten zu 1) die Annahme seines Angebots auf Neuabschluss eines Arbeitsvertrages zu den bisherigen Bedingungen sowie Auskunft über die nachfolgende Inhaberin der Apotheke begehrt. Nach Erteilung der Auskunft mit Schriftsatz vom 01.09.2014 hat der Kläger mit einem am 06.10.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz die Klage auf Annahme seines Angebots zum Abschluss eines Arbeitsvertrages zu den zur Beklagten zu 1) zuletzt geltenden Bedingungen zusätzlich gegen die Beklagte zu 2) gerichtet. Der Schriftsatz wurde der Beklagten zu 2) am 07.10.2014 zugestellt.
Der Kläger hat behauptet, im Juli 2014 erfahren zu haben, dass die Apotheke nicht geschlossen worden sei. Alle Arbeitnehmer mit Ausnahme seiner Person seien von der Beklagten zu 1) offensichtlich weiterbeschäftigt worden und zwar bis zum 31.08.2014, um dem Betriebserwerber die Übernahme einer funktionierenden Apotheke mit ausreichendem Kundenstamm zum 01.09.2014 zu ermöglichen. Die Beklagte zu 1) habe schon vor Ablauf der Kündigungsfrist vorgehabt, die Apotheke zu veräußern. Die Möglichkeit hierzu sei nicht erst Ende Juni 2014 entstanden. Die Beklagte zu 2) sei mit dem Sohn der Beklagten zu 1), der ebenfalls Apotheker ist, befreundet. Von diesem sei sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt über die Kaufmöglichkeit in Kenntnis gesetzt worden. Der Kläger hat im Übrigen gemeint, er sei schutzbedürftiger als das kinderlose Ehepaar K..
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages als vorexaminierter Apothekenangestellter zu einem Monatsbruttogehalt in Höhe von € 2.500,00 und den Arbeitsbedingungen, wie sie zuvor zwischen ihm und der Beklagten in der Zeit vom 01.03.1987 bis zum 30.06.2014 bestanden haben, unter Anrechnung der bisherigen Beschäftigungsdauer seit dem 01.03.1987 anzunehmen;
2. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages als vorexaminierter Apothekenangestellter zu einem Monatsbruttogehalt in Höhe von € 2.500,00 und den Arbeitsbe-
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dingungen, wie sie zuvor zwischen ihm und der Beklagten in der Zeit vom 01.03.1987 bis zum 30.06.2014 bestanden haben, unter Anrechnung der bisherigen Beschäftigungsdauer seit dem 01.03.1987 anzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, ihr Gesundheitszustand habe sich Anfang des Jahres 2014 so verschlechtert, dass eine stationäre Behandlung erforderlich geworden sei. Alle Verkaufsversuche seien gescheitert. Zur Abschlussbesprechung mit der Amts-Apothekerin über die Schließung der Apotheke sei am 26.06.2014 die Beklagte zu 2) als Kreisvertrauensapothekerin erschienen. Sie habe bei dieser Gelegenheit überraschend Interesse an der Übernahme der Apotheke gezeigt und sei in Übernahmeverhandlungen eingetreten. Diese seien am 15.07.2014 mit dem Kaufvertrag sowie der Übernahme von drei Beschäftigten, nämlich der Eheleute K. und der Reinigungskraft T., abgeschlossen worden. Weitere Arbeitnehmer würden nicht fortbeschäftigt.
Mit Urteil vom 05.11.2014, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ein Wiedereinstellungsanspruch scheitere bereits daran, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar gewesen sei, da es sich bei der Apotheke um einen Kleinbetrieb im Sinne des § 23 KSchG gehandelt habe. Unabhängig hiervon scheide ein Wiedereinstellungsanspruch auch deshalb aus, weil der Betriebsübergang sowie der darauf gerichtete Entschluss der Beklagten zu 1) erst nach Ablauf der Kündigungsfrist stattgefunden hätten. Einen früheren Entschluss zur Übertragung des Betriebes habe der Kläger nicht darlegen können. Er folge auch nicht aus der Weiterführung des Betriebes durch die Beklagte zu 1) über den 30.06.2014 hinaus. Schließlich sei die soziale Auswahl im Hinblick auf die Übernahme der Beschäftigten K. und T. auch nicht unter dem Gesichtspunkt von § 242 BGB zu beanstanden.
Gegen das am 24.11.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.12.2014 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist bis zum 24.02.2014 – am 24.02.2014 begründet. Nach Rücknahme der weitergehenden Berufung verfolgt er nur noch den ursprünglichen Klageantrag zu 2) gegenüber der Beklagten zu 2) weiter. Er macht insbesondere geltend, der Wiedereinstellungsanspruch setze nicht die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes voraus. Ihm
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stehe auch nicht entgegen, dass der Betriebsübergang erst nach Ablauf der Kündigungsfrist stattgefunden habe. Im Übrigen behauptet der Kläger unter näherer Darlegung im Einzelnen, dass sich die Beklagten zu 1) und zu 2) bereits im Juni 2014 und damit vor Ablauf der Kündigungsfrist über die wesentlichen Konditionen der Übernahme geeinigt hätten.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Duisburg vom 05.11.2014 die Beklagte zu 2) – Frau M. T. – zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrages als vorexaminierter Apothekenangestellter zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.500,00 € und den Arbeitsbedingungen, wie sie zuvor zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) - Frau J. S. – in der Zeit vom 01.03.1987 bis zum 30.06.2014 bestanden habe, unter Anrechnung der bisherigen Beschäftigungsdauer seit dem 01.03.1987 anzunehmen.
Die Beklagte zu 2) verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 15.04.2015.
Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in 2. Instanz gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihre Protokollerklärung Bezug genommen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat – worüber zweitinstanzlich allein noch zu befinden ist – gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Annahme seines Angebots zum Abschluss eines Arbeitsvertrages zu den vormals mit der Beklagten zu 1) bestehenden Bedingungen. Die Voraussetzungen eines solchen von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannten Anspruchs liegen nicht vor.
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1. Die Klage auf Wiedereinstellung ist zulässig. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt die Annahme eines Vertragsangebots auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags durch die Beklagte zu 2) und damit die Abgabe einer Willenserklärung. Eine Einschränkung dahin, dass eine Wiedereinstellung erst mit Rechtskraft der Entscheidung erfolgen soll, enthält der Klageantrag nicht. Der Kläger stellt vielmehr auf die Lage bei Erhebung seiner Wiedereinstellungsklage ab. Damit ist hinreichend genau bezeichnet, dass er die rückwirkende Wiedereinstellung zum Zeitpunkt der Zustellung seiner Klage an die Beklagte zu 2) und nicht erst die Annahme des Vertragsangebots mit Rechtskraft einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung (vgl. § 894 ZPO) beantragt. Die Verurteilung zu einer rückwirkenden Wiedereinstellung des Arbeitnehmers ist zulässig (BAG 09.11.2006 – 2 AZR 509/05, BAGE 120, 115).
2. Allerdings liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Wiedereinstellungsanspruchs nicht vor.
a. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann dem betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen, wenn sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt (BAG 04.12.1997 - 2 AZR 140/97, BAGE 87, 221; 28.06.2000 - 7 AZR 904/98, BAGE 95, 171; 09.11.2006 – 2 AZR 509/05, BAGE 120, 115).
aa. Der Anspruch kommt in Betracht, wenn sich die der betriebsbedingten Kündigung zugrunde liegende Vorstellung des Arbeitgebers über die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nachträglich als unzutreffend herausstellt. Die zur betriebsbedingten Kündigung entwickelte Rechtsprechung unterwirft den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz insofern einer zeitlichen Einschränkung, als sie bei der Prüfung des Kündigungsgrundes auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs abstellt, eine hinreichend begründete Prognose zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit genügen und die spätere tatsächliche Entwicklung grundsätzlich unberücksichtigt lässt. Diese “Vorverlagerung” des Prüfungszeitpunkts vom Ende des Arbeitsverhältnisses auf den häufig viele Monate früher liegenden und nicht nur von der Dauer der Kündigungsfrist, sondern auch vom Willensentschluss des Arbeitgebers abhängigen Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung verlangt aber nach einem Korrektiv in den Fällen, in denen sich die maßgeblichen Umstände entgegen der ursprünglichen Prognose nachträglich ändern ( BAG 27.02.1997 - 2 AZR 160/96, BAGE 85, 194 ff., zu II 4 b der Gründe). Ein geeignetes Korrektiv bildet die vertragliche Nebenpflicht zum erneuten Abschluss eines Arbeitsvertrags.
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bb. Entsteht die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, kommt nur ausnahmsweise ein Wiedereinstellungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers in Betracht (näher HWK/Willemsen/Müller-Bonanni, 6. Aufl. § 613a BGB Rz. 308 m.w.N.). Er richtet sich, wenn es während des Laufs der Kündigungsfrist einer betriebsbedingten Kündigung zu einem Betriebsübergang kommt, gegen den Betriebserwerber. Gleiches gilt, wenn während des Laufs der Kündigungsfrist der Betriebsübergang zwar beschlossen, aber noch nicht vollzogen ist. In diesem Falle entsteht noch während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Wiedereinstellung, der ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 BGB gegen den Erwerber gerichtet ist (BAG 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, NZA-RR 2013, 179).
cc. Ferner ist zu beachten, dass dem Wiedereinstellungsanspruch berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen können. Dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes steht das ebenfalls durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Arbeitgebers gegenüber, nicht zu einem Vertrag mit einem Arbeitnehmer gezwungen zu werden, den er nicht weiterbeschäftigen will (BAG 04.12.1997 - 2 AZR 140/97, BAGE 87, 221; 28.06.2000 - 7 AZR 904/98, BAGE 95, 171), etwa weil der Arbeitgeber den in Betracht kommenden Arbeitsplatz bereits wieder besetzt hat. Auf die Neubesetzung des Arbeitsplatzes kann sich der Arbeitgeber allerdings nicht berufen, wenn hierdurch der Wiedereinstellungsanspruch treuwidrig vereitelt wird.
Auch im Falle eines nachträglichen Betriebsübergangs bedarf es der Prüfung, ob dem Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Ein Eintritt des Erwerbers in die bestehenden Arbeitsverhältnisse findet gemäß § 613a Abs. 1 BGB nur statt, soweit diese im Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch bestehen. Soweit sie noch bestehen, aber bereits gekündigt sind, gehen sie in diesem Zustand über und enden mit Ablauf der Kündigungsfrist. Die vormaligen Arbeitnehmer haben auch nicht etwa allesamt einen Wiedereinstellungsanspruch, weil es entgegen der Annahme bei Ausspruch der Kündigung doch zu einem Betriebsübergang gekommen ist. Dies folgt insbesondere nicht aus § 613a Abs. 4 BGB, da gerade keine Kündigungen „wegen“ eines Betriebsübergangs ausgesprochen wurden. Ein solcher Unwirksamkeitsgrund hätte im Übrigen nur mit nach §§ 4 bis 6 KSchG fristgerechter Kündigungsschutzklage geltend gemacht werden können.
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dd. Schließlich muss ein Arbeitnehmer sein Wiedereinstellungs- bzw. Fortsetzungsverlangen unverzüglich geltend machen. In Anlehnung an § 613a Abs. 6 BGB muss dies innerhalb eines Monats erfolgen (BAG 21.08.2008 – 8 AZR 201/07, NZA 2009, 29). Die Frist wird dabei nicht vor Unterrichtung über die den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umstände zu laufen beginnen (BAG 27.01.2011 – 8 AZR 326/09, NZA 2011, 1162).
c. In Anwendung dieser Grundsätze besteht im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Wiedereinstellung. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger sein Wiedereinstellungsverlangen rechtzeitig innerhalb der Erklärungsfrist von einem Monat nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen an die Beklagte zu 2) gerichtet hat (BAG 27.01.2011 – 8 AZR 326/09 –, Rn. 36, NZA 2011, 1162). Ferner kann dahinstehen, ob die Übertragung der Apotheke bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.2014 fest vereinbart war, obwohl der Kaufvertrag erst vom 15.07.2014 datiert. Der Anspruch scheidet im Kleinbetrieb grundsätzlich aus. Er dient als Korrektiv einer fehlerhaften Prognose. Auf eine Prognose kommt es nur dort an, wo die Kündigung zu ihrer Wirksamkeit eines Grundes bedarf. Das ist im Kleinbetrieb nicht der Fall (dazu aa). Unabhängig davon scheitert der Anspruch außerdem an einer fehlenden Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung. Ein freier Arbeitsplatz wird nicht behauptet. Ein Austausch durch neu eingestellte Arbeitnehmer hat nicht stattgefunden. Ob es bei der Auswahl der wiedereinzustellenden oder weiter zu beschäftigenden Arbeitnehmer der Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte oder eines Minimums an sozialer Rücksichtnahme bedurfte, kann dahinstehen. Solche Gesichtspunkte hat die Beklagte zu 2) gewahrt (dazu bb).
aa. Ein Wiedereinstellungsanspruch nach ordentlicher Kündigung scheidet im Kleinbetrieb grundsätzlich aus. Denn es bedarf hier keines Kündigungsgrundes und damit keiner Prognose.
Die Frage ist höchstrichterlich nicht entschieden. Allerdings stehen Literatur und Rechtsprechung der Instanzgerichte einem Wiedereinstellungsanspruch in Kleinbetrieben eher ablehnend gegenüber (LAG Hessen 07.03.2000 – 9 Sa 1077/99, ZInsO 2000, 625; LAG Hamm 26.08.2003 – 5 (11) Sa 589/03; ErfK/Preis, 14. Aufl., § 611 BGB Rz. 11; HWK/Quecke, 6. Aufl., § 1 KSchG Rz. 79; Holthausen in Hümmerich/Boecken/Düwell, ArbR, § 1 Rz. 201; As-zmonz/Beck, NZA 2015, 1098 <1099>).
Die Kammer schließt sich der Auffassung an, wonach der Wiedereinstellungsanspruch dort, wo grundsätzlich keine Kündigungsgründe erforderlich sind,
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nicht in Betracht kommt. Hier fehlt es an einer § 1 KSchG entsprechenden Schutznorm. Es bedarf keines sozial rechtfertigenden Grundes und damit keiner Prognose für die Wirksamkeit der Kündigung und deshalb auch keines Korrektivs einer Prognose. Eine Prognose ist überall dort erforderlich, wo die Kündigung eines Grundes bedarf; dieser muss bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also bei Ablauf der Kündigungsfrist, bestehen, während sich die Wirksamkeit der Kündigung nach den Umständen im Zeitpunkt ihres Zugangs bestimmt. Dieser „zeitliche Spagat“ kann nur mithilfe einer Prognose überwunden werden, die naturgemäß das Risiko der Fehlerhaftigkeit birgt. Außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes, also auch in Kleinbetrieben, bedarf es grundsätzlich keines Kündigungsgrundes. Auch ein entsprechender Schutz ist nicht gegeben. Soweit für Kündigungen auch hier „sachliche Gründe“ gefordert werden, geht es allein um die Abgrenzung zu Willkür (§ 242 BGB) und Diskriminierung (§ 1 AGG), nicht um einen tatsächlich bei Ablauf der Kündigungsfrist objektiv bestehenden, irgendwie ausreichenden Kündigungsgrund. Es genügt, dass er bei Ausspruch der Kündigung vermeintlich besteht und so als ernstliches Motiv der Kündigung in Betracht kommt, um rechtlich verpönte Motive (§ 242, § 1 AGG) auszuschließen.
Das gilt auch im Falle des Übergangs eines Kleinbetriebs. Der in § 613a Abs. 4 BGB normierte Unwirksamkeitsgrund für Kündigungen „wegen“ eines Betriebsübergangs erfasst zwar auch Kündigungen in Kleinbetrieben. Um ihn auszuschließen, bedarf es aber keiner Prognose für einen objektiv gegebenen Kündigungsgrund. Maßgeblich ist insofern allein, ob im Zeitpunkt ihres Ausspruchs der Betriebsübergang das tragende Motiv für die Kündigung war (HWK/Willemsen/Müller-Bonanni, 6. Aufl. § 613a BGB Rz. 305 ff. m.w.N.). Auch wenn sich dies mitunter erst feststellen lässt, wenn alternative Kündigungsgründe vorgebracht werden, kommt es doch auf deren objektives Bestehen nicht an. Die Kündigung ist nicht deshalb wirksam, weil der alternative Kündigungsgrund tatsächlich besteht, sondern weil sie durch sein (auch nur vermeintliches) Bestehen subjektiv ernstlich motiviert sein und dies gegen eine Kündigung „wegen“ des Betriebsübergangs sprechen kann.
bb. Unabhängig davon scheitert der Anspruch außerdem an einer fehlenden Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung.
(1) Ein freier Arbeitsplatz bei der Betriebsnachfolgerin bestand zu keinem Zeitpunkt. Die Beklagte zu 2) hat die Apotheke unstreitig mit verringerter Beschäftigtenzahl weiterbetrieben. Neueinstellungen sind nicht vorgetragen. Abgesehen von einer kurzzeitigen Vertretungsbeschäftigung der Beklagten zu 1) als Apothekerin, mit welcher die Klagepartei zudem nicht vergleichbar ist, wurde
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nicht dargelegt, dass die Beklagte zu 2) über die Weiterbeschäftigung der drei übernommenen Arbeitnehmer hinaus einen Arbeitsplatz anderweitig wiederbesetzt hätte. Solche Arbeitsplätze sind nach ihrem Konzept vielmehr weggefallen.
(2) Es kann offen bleiben, ob es im Streitfall eines Minimums an sozialer Rücksichtnahme bei der Auswahl der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer bedurfte. Denn die Beklagte zu 2) hat es gewahrt.
Allerdings gebietet der verfassungsrechtliche Schutz des Arbeitsplatzes (Art 12 GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip auch im Kleinbetrieb ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme, soweit unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl über die zu Kündigenden zu treffen ist (vgl. BVerfG 27.01.1998 – 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169; BVerfG 24.04.1991 – 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133 <154 ff.>; BAG 19.01.1995 – 8 AZR 914/93, BAGE 79, 128 <138>). Eine spiegelbildliche Pflicht zu sozialer Rücksichtnahme bei Wiedereinstellungen dürfte aber nur auf der Grundlage eines dies gebietenden rechtlichen Bandes in Betracht kommen. Ohne ein solches rechtliches Band besteht die Pflicht nicht. Dies könnte hier allenfalls aus einer (nach-)vertraglichen, in entsprechender Anwendung von § 613a Abs. 1 BGB auf die Beklagte zu 2) übergegangenen Fürsorgepflicht resultieren. Die Frage kann offen bleiben.
Die Beklagte zu 2) hat im Streitfall ein Minimum an sozialer Rücksichtnahme bei der Auswahl der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer jedenfalls gewahrt. Die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers kann im Kleinbetrieb nur darauf überprüft werden, ob sie unter Berücksichtigung des Interesses des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes und der schützenswerten Interessen des Kleinunternehmers gegen Treu und Glauben verstößt. Aus dem Vorbringen des Arbeitnehmers muss sich ergeben, dass er mit den nicht gekündigten Arbeitnehmern auf den ersten Blick vergleichbar ist (BAG 21.02.2001 - 2 AZR 15/00, BAGE 97, 92; BAG 06.02.2003 – 2 AZR 672/01, BAGE 104, 308). Der Kläger war als vorexaminierter Apothekenangestellter nicht mit den von ihm benannten Eheleuten K. vergleichbar. Deren Stellung als PTA bzw. PKA war nicht mit der des Klägers, der zur zeitweiligen Vertretung der Apothekerin berechtigt war und auf die Stunde gerechnet mehr als das Doppelte verdiente, zu vergleichen, jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Zudem sind die Eheleute K. länger als der Kläger beschäftigt, wenn auch nur ein Jahr. Schließlich handelt es sich bei ihnen um Bruder und Schwägerin der Beklagten zu 1). Zu deren Weiterbeschäftigung hatte sich die Beklagte zu 2) gemäß § 6 des Kaufvertrages verpflichtet. Bei diesem Bild vermag allein die Unterhaltspflicht des verheirateten Klägers
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gegenüber einem Kind nicht die Feststellung zu rechtfertigen, dass die Auswahl jede Ausgewogenheit vermissen ließe.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
gez.: Quecke gez.: Bausch gez.: Wild
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