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LAG Nürnberg, Urteil vom 09.03.2010, 7 Sa 220/10
Schlagworte: | Kündigungschutzprozess, Urlaubsanspruch | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Nürnberg | |
Aktenzeichen: | 7 Sa 220/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 09.03.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Bamberg, Urteil vom 20.05.2009, 3 Ca 61/06 C | |
7 Sa 220/10
3 Ca 61/06 C
(Arbeitsgericht Bamberg - Kammer Coburg -)
Verkündet am: 09.03.2010
…
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht Nürnberg
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
H… L…
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwalt M… L…
gegen
Firma A… K…, Inhaber Herr S… T…
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwälte G… und Kollegen
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hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2010 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Weißenfels und die ehrenamtlichen Richter Bachmann und Ziegler
für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeits-gerichts Bamberg vom 20.05.2009 in Ziffer III geändert wie folgt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über Ziffer II hinaus weitere EUR 2.305,47 brutto sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.12.2007 zu zahlen.
Der weitergehende Antrag vom 21.09.2009 (Ziffer 2 des Schriftsatzes) wird zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/3, die Beklagte trägt 2/3.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten, soweit hier von Bedeutung, um Ansprüche der Klägerin wegen Urlaubsabgeltung.
Die Klägerin war seit 01.09.2004 beim Beklagten als Buchhalterin beschäftigt. Sie bezog ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 900,00 € brutto.
Der jährliche Urlaubsanspruch der Klägerin betrug 31 Arbeitstage.
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Der Beklagte behauptete, er habe der Klägerin am 31.10.2005 eine Kündigung zum 30.11.2005 ausgehändigt. Er meldete die Klägerin zum 30.11.2005 bei der D… K… ab.
Die Klägerin erhob am 16.01.2006 Klage zum Arbeitsgericht Bayreuth und beantragte, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ungekündigt fortbestehe.
Mit Teilurteil vom 16.05.2007 gab das Arbeitsgericht Bamberg dem Feststellungsantrag statt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Mit Klageerweiterung vom 04.12.2007 machte die Klägerin erstmals Urlaubsansprüche geltend. Für 2005 forderte sie die Abgeltung von 24,5 Tagen, für die Jahre 2006 und 2007 jeweils 31 Tage.
Die Parteien beendeten das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2007.
Mit Urteil vom 20.05.2009 (Bl. 153 ff d.A.) sprach das Arbeitsgericht Bamberg der Klägerin als Schadensersatz für nicht gewährten Urlaub für das Jahr 2007 einen Betrag in Höhe von 1.287,74 € brutto zu. Den weitergehenden Urlaubsabgeltungsanspruch bzw. Schadensersatzanspruch der Klägerin in Höhe von 2.305,47 € brutto wies es ab.
Das Urteil wurde der Klägerin am 08.07.2009 zugestellt.
Die Klägerin legte am 07.08.2009 Berufung ein. Auf ihren Antrag wurde die Berufungsbegründungsfrist mit Beschluss vom 09.09.2009 bis 22.09.2009 verlängert. Die auf den 21.09.2009 datierte Berufungsbegründungsschrift ging am 23.09.2009 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg ein.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wurde mit Schreiben vom 23.09.2009 darüber informiert, dass der Schriftsatz vom 21.09.2009 erst am 23.09.2009 bei Gericht eingegangen sei. Mit Schriftsatz vom 25.09.2009, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen am 28.09.2009, beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte er aus, der Schriftsatz sei,
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nachdem er gegen 17.10 Uhr fertig gestellt worden sei, an das Landesarbeitsgericht Nürnberg gefaxt worden.
Dem Schriftsatz vom 25.09.2009 war der Sendebericht beigefügt. Aus ihm ergibt sich, dass der fünfseitige Schriftsatz vom 21.09.2009 am selben Tag um 17.15 Uhr an das Landesarbeitsgericht Nürnberg gefaxt worden ist.
Die Klägerin wandte sich mit der Berufung auch insoweit gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg, als die Klage im Rahmen des geltend gemachten Annahmeverzugs bezüglich der ersparten Aufwendungen abgewiesen wurde. Insoweit wurde der Rechtsstreit abgetrennt, das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG zur Entscheidung vorgelegt.
Die Klägerin macht geltend, nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs seien die nach deutschem Recht bestehenden Verfallsregeln unzulässig. Der Verfall von Urlaubsansprüchen sei nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit gehabt habe, den Urlaub zu nehmen.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 3.593,21 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Beklagte beantragt:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg – Kammer Coburg – vom 20.05.2009 – Aktenzeichen 3 Ca 61/06 C – wird zurück-gewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Beklagte macht geltend, der Klägerin stehe weder ein Urlaubsabgeltungsanspruch noch ein Schadensersatzanspruch zu. Die Regelung über die Befristung des Urlaubsanspruchs und damit des Erlöschens nach Zeitablauf zählten zu den Modalitäten der Urlaubsgewährung im Sinne des Art. 7 Absatz 2 der Richtlinie 2003/88/EG und falle damit in die Regelungsbefugnis der einzelnen Mitgliedsstaaten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müsse der Arbeitnehmer auch im gekündigten Arbeitsverhältnis seinen Urlaubsanspruch geltend machen. Nur dann gerate der Arbeitgeber in Verzug.
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Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist teilweise zulässig.
Sie ist statthaft und fristgerecht eingelegt worden, §§ 64 Absatz 2b, 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG.
Sie war insbesondere nicht gemäß § 64 Absatz 6 ArbGG iVm § 522 Absatz 1 Satz 1 ZPO zu verwerfen. Zwar hat die Klägerin die fristgerecht eingelegte Berufung nicht innerhalb der bis 22.09.2009 verlängerten Frist begründet. Der Berufungsbegründungsschriftsatz vom 21.09.2009 ist (im Original) erst am 23.09.2009 bei Gericht eingegangen.
Der Klägerin ist indes Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 64 Absatz 6 ArbGG iVm den §§ 525, 233, 234, 236 ZPO.
Die Klägerin hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fristgemäß gestellt.
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Dass die Berufungsbegründungsschrift nicht rechtzeitig bei Gericht einging, beruht darauf, dass der Schriftsatz vom 21.09.2009 offensichtlich nicht per Fax beim Empfänger angekommen ist. Hiervon erhielt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erst ab Zugang des entsprechenden gerichtlichen Hinweises vom 23.09.2009 Kenntnis. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ging am 28.09.2009, also jedenfalls innerhalb der 2-Wochenfrist bei Gericht ein.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch begründet.
Die Klägerin war ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Berufungsbegründung einzuhalten.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat alle Vorkehrungen getroffen, um zu gewährleisten, dass der Schriftsatz mit der Berufungsbegründung fristgerecht eingereicht wurde. Insbesondere genügte es, den Schriftsatz vorab per Fax an das Gericht zu senden.
Dass der Schriftsatz an das Landesarbeitsgericht gesendet wurde, ergibt sich aus dem vorgelegten Sendebericht. Dieser enthält als Empfänger des Faxes das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit der zutreffenden Faxnummer (0911/9282750) sowie einen Teil der ersten Seite, aus der sich die Parteien, das Aktenzeichen des Berufungsverfahrens und das angefochtene Urteil ergeben.
Es ist daher glaubhaft gemacht, dass der Schriftsatz vom 21.09.2009 ordnungsgemäß auf den Weg gebracht wurde und aus Gründen, die jedenfalls nicht von der Klägerin bzw. von ihrem Prozessbevollmächtigten zu vertreten sind, das Landesarbeitsgericht Nürnberg nicht erreichte.
Die Berufung ist allerdings unzulässig, soweit die Klägerin 1.287,74 € brutto beantragt. Die Klägerin ist insoweit nicht beschwert. Vielmehr hat das Erstgericht der Klage in dieser Höhe stattgegeben. In dieser Höhe war die Berufung deshalb zurückzuweisen.
Die Berufung ist, soweit sie zulässig ist, begründet.
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Der Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin für den in den Jahren 2005 und 2006 nicht genommenen Urlaub Urlaubsabgeltung zu zahlen, § 7 Absatz 4 BUrlG.
Für 2005 stand der Klägerin ein noch offener Urlaubsanspruch von 24,5 Urlaubstagen zu, für das Jahr 2006 war ein Urlaubsanspruch von 31 Tagen entstanden.
Zwischen den Parteien bestand im streitgegenständlichen Zeitraum, 2005 und 2006, ein Arbeitsverhältnis. Dies ist – vor allem auch im Hinblick auf das rechtskräftige Teilurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 16.05.2007 – zwischen den Parteien unstreitig. Das Arbeitsverhältnis ist durch eine entsprechende Einigung der Parteien erst zum 30.11.2007 beendet worden. Der Klägerin stand ferner für jedes Kalenderjahr ein Anspruch auf 31 Arbeitstage Urlaub zu. Auch darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Schließlich ist unstreitig, dass die Klägerin für 2005 noch Resturlaub von 24,5 Urlaubstagen hatte und 2006 keinen Urlaub verlangt und genommen hat.
Infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2007 kann die Klägerin den Urlaubsanspruch nicht mehr einbringen. Er ist deshalb gemäß § 7 Absatz 4 BUrlG abzugelten.
Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Klägerin den Urlaub während des Kündi-gungsschutzverfahrens nicht verlangt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, entsteht der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch als Ersatz für die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr mögliche Befreiung von der Arbeitspflicht und nicht als Abfindungsanspruch, für den als einfachen Geldanspruch es auf die urlaubsrechtlichen Merkmale wie Bestand und Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs nicht mehr ankäme. Abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Abgeltungsanspruch deshalb an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Urlaubsanspruch (vgl. Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 25.03.2003 - 9 AZR 174/02 = BAGE 105/345 und NZA 2004/43). Er setzt also voraus, dass der Urlaubsanspruch noch hätte erfüllt werden können, wenn das Arbeitsverhältnis fortgeführt worden wäre. Der Ur-
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laubsabgeltungsanspruch tritt als Surrogat an die Stelle des Urlaubsanspruches und muss deshalb nur unter denselben Voraussetzungen wie der Urlaub gewährt werden.
Der noch nicht genommene Urlaub für die Jahre 2005 und 2006 hätte, wäre das Arbeitsverhältnis von den Parteien fortgeführt worden, von der Klägerin noch eingebracht werden können. Der Urlaubsanspruch für die Jahre 2005 und 2006 ist insbesondere nicht verfal-len, § 7 Absatz 3 BUrlG.
Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfielen Urlaubsansprüche allerdings in jedem Fall, wurden sie nicht bis 31.03.des Folgejahres eingebracht. Dies galt auch in dem Fall, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien streitig war und darüber ein Rechtsstreit geführt wurde. Der Arbeitnehmer hatte nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, einerlei ob es sich um ein ungekündigtes oder gekündigtes Arbeitsverhältnis handelte, den Arbeitgeber durch die Forderung der Urlaubsgewährung im Urlaubsjahr oder spätestens im Übertragungszeitraum in Verzug zu setzen, wenn er den Arbeitgeber für den mit Fristablauf eintretenden Verfall des Urlaubsanspruchs haftbar machen wollte (vgl. Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 21.09.1999 - 9 AZR 705/98 = BAGE 92/299 und BB 2000/881).
Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07 = AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG und NZA 2009/538) gilt dies nach Auffassung des er-kennenden Gerichts nicht mehr.
Die zitierte Entscheidung erging im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 (C - 350/06). Das Bundesarbeitsgericht führt darin aus, dass die Auslegung, die § 7 Absätze 3 und 4 BUrlG in der Senatsrechtsprechung für Fälle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, die bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums andauere, erfahren habe, sekundärem Gemeinschaftsrecht widerspreche. Das folge aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 20.01.2009 (C – 350/06 und C – 520/06). Dort habe der Europäische Gerichtshof in Auslegung von Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung im Rahmen einer Vorabentscheidung nach Art. 234 EG der Rechtsprechung des Senats entgegenstehende Rechtssätze aufgestellt. Diese Auslegungsergebnisse seien für
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den Senat inhaltlich verbindlich. Der Senat schließe daraus, dass der Europäische Gerichtshof die Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs in den Ausnahmefällen, in denen vom Willen des Arbeitnehmers unabhängige Gründe der Urlaubsgewährung entgegenstünden, an enge Voraussetzungen binde.
Im Hinblick auf die Begründung des Europäischen Gerichtshofs gilt dies nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht nur in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall fortdauernder Erkrankung, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aus sonstigen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht in der Lage war, den Urlaub tatsächlich anzutreten.
Nach den Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs würde es eine Beeinträchtigung der den Arbeitnehmern durch Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG gewährten sozialen Rechte bedeuten, ließe man es zu, dass die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften, insbesondere die über die Festlegung des Übertragungszeitraums, das Erlöschen des in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG garantierten Anspruchs des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub vorsehen können, ohne dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm durch diese Richtlinie gewährten Anspruch auszuüben.
Eine vergleichbare Lage besteht in einem gekündigten Arbeitsverhältnis während der Dauer eines über dessen Bestand geführten Rechtsstreits. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer während des Prozesses Urlaub verlangt.
Der Arbeitgeber ist bezüglich der Erteilung des Urlaubs Schuldner des Arbeitnehmers (vgl. Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Auflage, RdNr. 29 zu § 7). Da sich die Schuldnerstellung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (§ 7 Absatz 1 BUrlG), besteht sie unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer einen konkreten Urlaubsantrag stellt. Der Arbeitgeber erfüllt seine Verpflichtung dadurch, dass er den Urlaub unter Berücksichtigung der in § 7 Abs. 1 BUrlG niedergelegten Merkmale festlegt. Dabei ist ein dem Arbeitgeber mitgeteilter Urlaubswunsch nicht Voraussetzung des Rechts des Arbeitgebers, die zeitliche Lage des Urlaubs festzulegen. Nach § 7 Absatz 1 Satz 1 BUrlG hat der Arbeitgeber bei der Urlaubserteilung zwar die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Die ohne einen solchen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber ist aber rechtswirksam, wenn der Arbeitnehmer auf die Erklärung des Ar-
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beitgebers hin keinen anderweitigen Urlaubswunsch äußert (vgl. Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 24.03.2009, aaO).
Der Arbeitgeber, der sich darauf beruft, das Arbeitsverhältnis sei zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet worden, bestreitet nicht nur eine Verpflichtung, den Arbeitnehmer zu beschäftigen, sondern folgerichtig auch die Verpflichtung, Urlaub zu gewähren. Die darin liegende Weigerung des Arbeitgebers, die ihm obliegende Verpflichtung zu erfüllen, ver-hindert eine Urlaubsnahme des gekündigten Arbeitnehmers.
Dementsprechend ist es geboten, § 7 Absatz 3 BUrlG gemeinschaftsrechtskonform dahin auszulegen, dass – wie im Fall dauernder Arbeitsunfähigkeit – der Urlaubsanspruch nicht verfällt, wenn der Arbeitgeber den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bestreitet und der Arbeitnehmer deshalb den ihm zustehenden Urlaub nicht in dem dafür vorgesehenen Ur-laubsjahr einbringen kann.
Bestanden danach die aus den Jahren 2005 und 2006 resultierenden Urlaubsansprüche fort, wandelten sie sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.11.2007 in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um, § 7 Absatz 4 BUrlG.
Pro Tag beträgt das Urlaubsentgelt 41,54 € brutto (900,00 € * 3 Monate / 13 Wochen / 5 Wochentage). Für 55,5 Urlaubstage ergibt sich ein Abgeltungsanspruch von 2.305,47 € brutto.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288, 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Absatz 1, 91 Absatz 1 ZPO.
Die Revision war gemäß § 72 Absatz 2 Nr. 1 und 2 ArbGG zuzulassen.
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Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Revision einlegen.
Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.
Die Revision muss beim
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Postanschrift:
Bundesarbeitsgericht
99113 Erfurt
Telefax-Nummer:
0361 2636-2000
eingelegt und begründet werden.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände
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- für ihre Mitglieder
- oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder
oder
von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,
- wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt
- und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.
Zur Möglichkeit der Revisionseinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de/.
Weißenfels, Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht
Bachmann, ehrenamtlicher Richter
D. Ziegler, ehrenamtlicher Richter
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |