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OLG Köln, Ur­teil vom 29.07.2010, 18 U 196/09

   
Schlagworte: Diskriminierung: Alter, Schadensersatz
   
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Aktenzeichen: 18 U 196/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 29.07.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Landesgericht Köln, Urteil vom 27.11.2009, 87 O 71/09
   

Ober­lan­des­ge­richt Köln, 18 U 196/09

 

Te­nor:

Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Land­ge­richts Köln vom
27.11.2009 (Az. 87 O 71/09) teil­wei­se ab­geändert und ins­ge­samt wie folgt neu ge­fasst:

Es wird fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, sämt­li­che ma­te­ri­el­len Schäden zu er­set­zen, die dem Kläger aus der nicht er­folg­ten An­stel­lung und der nicht er­folg­ten Be­stel­lung zum me­di­zi­ni­schen Geschäftsführer der Be­klag­ten zum 01. Sep­tem­ber 2009 ent­stan­den sind oder künf­tig ent­ste­hen wer­den.

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 36.600,- € nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 26.05.2009 zu zah­len.

Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen und in­so­weit die Be­ru­fung zurück­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Rechts­streits tra­gen der Kläger zu 11 %, die Be­klag­te zu 89 %.

Das Ur­teil ist im Hin­blick auf den Leis­tungs­aus­spruch und die Kos­ten­ent­schei­dung vorläufig voll­streck­bar. Die Par­tei­en können die Zwangs­voll­stre­ckung ge­gen Si­cher­heits­leis­tung in Höhe von 110 % des auf Grund des Ur­teils voll­streck­ba­ren Be­tra­ges ab­wen­den, wenn nicht die je­weils an­de­re Sei­te vor der Voll­stre­ckung Si­cher­heit in Höhe von 110 % des je­weils zu voll­stre­cken­den Be­tra­ges leis­tet.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

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Gründe:

I. 

Der im März 1947 ge­bo­re­ne Kläger war in der Zeit vom 01.09.2004 bis En­de Au­gust 2009 3
me­di­zi­ni­scher Geschäftsführer der Be­klag­ten.

Die Be­klag­te be­treibt als ge­meinnützi­ge GmbH die städti­schen Kran­kenhäuser N. und I. so­wie das Kin­der­kran­ken­haus in der B. Straße. Sie ist die größte An­bie­te­rin sta­ti­onärer Kran­ken­haus­leis­tun­gen in L. und Um­ge­bung. Al­lein­ge­sell­schaf­te­rin der Be­klag­ten ist die Stadt L.. Nach dem Ge­sell­schafts­ver­trag verfügt die Be­klag­te über ei­nen – fa­kul­ta­ti­ven - Auf­sichts­rat, der nach § 9 des Ge­sell­schafts­ver­tra­ges aus drei­zehn Mit­glie­dern, nämlich dem Oberbürger­meis­ter (bzw. ei­nem Ver­tre­ter des­sel­ben), ei­nem Fach­bei­ge­ord­ne­ten, sie­ben Rats­mit­glie­dern und vier Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern be­steht.

§ 7 Abs. 1 des Ge­sell­schafts­ver­tra­ges be­stimmt, dass die Be­klag­te zwei Geschäftsführer ha­ben soll, ei­nen me­di­zi­ni­schen und ei­nen kaufmänni­schen Geschäftsführer. Ne­ben dem Kläger als me­di­zi­ni­schem Geschäftsführer agier­te in sei­ner Amts­zeit Herr J. als kaufmänni­scher Geschäftsführer. Die Be­stel­lung oder Ab­be­ru­fung des Geschäftsführers er­folgt nach § 7 Abs. 1 des Ge­sell­schafts­ver­tra­ges durch die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung im An­schluss an ei­ne Anhörung und Emp­feh­lung durch den Auf­sichts­rat. § 7 Abs. 1 des Ge­sell­schafts­ver­tra­ges be­stimmt zu­dem, dass die Dau­er der Be­stel­lung höchs­tens fünf Jah­re beträgt, wo­bei wie­der­hol­te Be­stel­lun­gen zulässig sind. Über den Ab­schluss, die Auf­he­bung und Ände­rung des Dienst­ver­tra­ges der Geschäftsführer ent­schei­det gemäß § 7 Abs. 4 des Ge­sell­schafts­ver­tra­ges der Auf­sichts­rat. Der Vor­sit­zen­de des Auf­sichts­ra­tes ver­tritt die Be­klag­te gemäß § 7 Abs. 4 des Ge­sell­schafts­ver­tra­ges in den zu­letzt
ge­nann­ten An­ge­le­gen­hei­ten.

Der zwi­schen den Par­tei­en ab­ge­schlos­se­ne Dienst­ver­trag vom 23.07.2004 war be­fris­tet mit ei­ner Lauf­zeit vom 01.10.2004 bis zum 30.09.2009. Die tatsächlich rea­li­sier­te Lauf­zeit war vom 23.07.2004 bis zum 31.08.2009. Während der Ver­trags­lauf­zeit ent­wi­ckel­te sich die Be­klag­te wirt­schaft­lich er­folg­reich. Ein vom Kläger in die­ser Zeit mit­ge­prägtes Kli­nik­kon­zept – "Mas­ter­plan" – wur­de vom Auf­sichts­rat der Be­klag­ten ge­neh­migt, und in der Pha­se des Aus­lau­fens des Dienst­ver­tra­ges wur­de be­gon­nen, die­ses Kon­zept um­zu­set­zen.

Nach § 1 Abs. 2 des Dienst­ver­tra­ges war ver­ein­bart, dass die Ver­trags­par­tei­en spätes­tens 12 Mo­na­te vor Ver­trags­ab­lauf durch schrift­li­che Erklärung je­weils ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei ver­bind­lich mit­teil­ten, ob sie zu ei­ner Verlänge­rung des Ver­trags­verhält­nis­ses über den 30.09.2009 hin­aus be­reit wa­ren. Im Fal­le der übe­rein­stim­men­den Erklärung der Ver­trags­par­tei­en, an dem Ar­beits­verhält­nis fest­hal­ten zu wol­len, ver­pflich­te­ten sich die Ver­trags­par­tei­en, in­ner­halb von drei Mo­na­ten kon­kre­te Ver­hand­lun­gen über die Verlänge­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf­zu­neh­men. Für den Fall der Erklärung, dass kei­ne Be­reit­schaft zur Verlänge­rung des Ver­trags­verhält­nis­ses be­stand, er­hielt der Kläger ei­ne Entschädi­gung in Höhe von drei mo­nat­li­chen
Teil­beträgen sei­ner in § 4 Abs. 1 des Dienst­ver­tra­ges ge­re­gel­ten Vergütung. Da­ne­ben be­stand die Möglich­keit der or­dent­li­chen Kündi­gung mit ei­ner Frist von neun Mo­na­ten gemäß § 7 Abs. 2 des Dienst­ver­tra­ges.

Nach persönli­chen Un­ter­re­dun­gen des Klägers mit dem Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­den der Be­klag­ten, Herrn Q., in dem die­ser dem Kläger mit­ge­teilt hat­te, der Auf­sichts­rat ste­he ei­ner Fort­set­zung sei­nes Dienst­ver­tra­ges "am­bi­va­lent" ge­genüber, bot der Kläger der Be­klag­ten, ver­tre­ten durch Herrn Q., mit Schrei­ben vom 04.08.2008 die Verlänge­rung sei­nes Dienst­ver­tra­ges an. Hier­nach tra­fen sich der Kläger und Herr Q. zu wei­te­ren persönli­chen Un­ter­re­dun­gen am 03.09.2008 und am 18.09.2008. Im An­schluss dar­an bot

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der Kläger mit Schrei­ben vom 24.09.2008 der Be­klag­ten, ver­tre­ten durch Herrn Q., er­neut die Fort­set­zung sei­nes Dienst­ver­tra­ges an und be­klag­te sich darüber, dass ihm die Gründe für die ab­leh­nen­de Hal­tung bis­lang, außer va­gen An­deu­tun­gen, nicht mit­ge­teilt wor­den sei­en. Hier­auf re­agier­te Herr Q. mit ei­nem Schrei­ben vom 24.09.2008, in dem er sich verärgert zeig­te und ausführ­te, er be­daue­re, dass der Kläger sei­ne An­ga­ben über die Gründe für die Nicht­verlänge­rung des Dienst­ver­tra­ges nicht nach­voll­zie­hen könne.

In der Auf­sichts­rats­sit­zung vom 15.10.2008 be­schloss die Mehr­heit der Mit­glie­der des Auf­sichts­ra­tes (9 Ja-Stim­men, 3 Nein-Stim­men) die Ab­leh­nung der Be­reit­schaft, das An­stel­lungs­verhält­nis mit dem Kläger über den 31.08.2009 hin­aus fort­zu­set­zen. Ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit den zurück­lie­gen­den Leis­tun­gen des Klägers gab es bei die­ser Sit­zung nicht. We­gen der Ein­zel­hei­ten zu dem In­halt die­ser Sit­zung wird auf die Nie­der­schrift über die 24. Sit­zung des Auf­sichts­rats der Be­klag­ten (An­la­ge B 7, Bl. 107 ff GA) Be­zug ge­nom­men.

Auf den ab­leh­nen­den Be­schluss des Auf­sichts­ra­tes re­agier­te der Kläger mit ei­ner Erklärung vom 16.10.2008, in der er noch­mals sei­ne Gründe für ei­ne Fort­set­zung sei­nes Ver­trags mit der Be­klag­ten und zu­dem sein Un­verständ­nis darüber dar­leg­te, dass der Auf­sichts­rat nicht ge­willt sei, den Ver­trag zu verlängern und ihm die Gründe für die ab­leh­nen­de Hal­tung zu erläutern. Der Kon­flikt zwi­schen dem Kläger und dem Auf­sichts­rat wur­de me­di­al in der L. Lo­kal­pres­se aus­ge­brei­tet, in der als Gründe für die Nicht­verlänge­rung des Ver­tra­ges schlag­wort­ar­tig das Al­ter des Klägers und die da­mit ver­bun­de­ne Pro­ble­ma­tik, in der "Um­bruch­si­tua­ti­on des Ge­sund­heits­mark­tes" und den "Her­aus­for­de­run­gen im Ge­sund­heits­we­sen" nicht für ei­ne Kon­ti­nuität in der Geschäftsführung über das 65-Le­bens­jahr hin­aus sor­gen zu können, fer­ner "fach­li­che Dif­fe­ren­zen" und schließlich nach den Vorwürfen der CDU ein von der SPD und den Grünen in­iti­ier­ter "Pos­ten-Klüngel" aus­ge­macht wur­den. Im Zeit­punkt der re­gulären Ver­trags­be­en­di­gung war der Kläger 62 Jah­re alt. Die Haupt­ge­sell­schaf­te­rin der Be­klag­ten streb­te und strebt an, bei Mit­ar­bei­tern auf der Lei­tungs­ebe­ne städti­scher Un­ter­neh­men ei­ne Al­ters­gren­ze von 65 Jah­ren zu er­rei­chen.

Die Stel­le des me­di­zi­ni­schen Geschäftsführers ist in­zwi­schen mit dem 41-jähri­gen Pri­vat­do­zen­ten Dr. T. be­setzt wor­den.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Neu­ab­schluss sei­nes Dienst­ver­tra­ges so­wie ei­ne wei­te­re Be­stel­lung sei­en aus Al­ters­gründen nicht er­folgt. Da­her lie­ge ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes vor, die ihn zur Gel­tend­ma­chung ma­te­ri­el­len und im­ma­te­ri­el­len Scha­den­er­sat­zes be­rech­tig­te. Ei­ne fach­li­che Un­zu­frie­den­heit mit sei­nen Leis­tun­gen sei – so hat er be­haup­tet – vor der Ent­schei­dung des Auf­sichts­ra­tes am 15.10.2008 nie the­ma­ti­siert wor­den und an­ge­sichts der wirt­schaft­li­chen Er­fol­ge der Be­klag­ten zu sei­ner Zeit der Tätig­keit auch un­be­rech­tigt.

Der Kläger hat be­an­tragt, 

1. fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, ihm sämt­li­che ma­te­ri­el­len Schäden zu er­set­zen, die ihm aus der nicht er­folg­ten An­stel­lung und der nicht er­folg­ten Be­stel­lung zum me­di­zi­ni­schen Geschäftsführer der Be­klag­ten zum 1. Sep­tem­ber 2009 ent­stan­den sind und künf­tig ent­ste­hen wer­den;

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung, min­des­tens aber 110.000,- € nebst 5 %-Punk­ten Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 26.05.2009 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, 

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die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat be­haup­tet, für ih­ren Auf­sichts­rat hätten letzt­lich – im Ein­zel­nen dar­ge­leg­te - De­fi­zi­te in den Leis­tun­gen des Klägers als Geschäftsführer den Aus­schlag für sei­ne Ent­schei­dung ge­ge­ben, ihn nicht länger zu beschäfti­gen. Ei­ne ver­tief­te Aus­ein­an­der­set­zung über fach­li­che Kri­tik­punk­te in der ent­schei­den­den Auf­sichts­rats­sit­zung sei aber nicht er­for­der­lich ge­we­sen, weil die­se Punk­te schon bei vor­an­ge­hen­den Sit­zun­gen mehr­fach ei­ne Rol­le ge­spielt hätten. In die­sem Zu­sam­men­hang hat sie be­strit­ten, dass das Al­ter des Klägers ein ent­schei­den­des Mo­tiv für die Nicht­verlänge­rung des Dienst­ver­tra­ges ge­we­sen sei, wenn­gleich ei­ne "Kon­ti­nuität" der Geschäftsführ­ertätig­keit mit Rück­sicht auf die "Um­brüche" im Ge­sund­heits­markt – wie dies in der Pres­se dar­ge­stellt wor­den sei - durch­aus dafür ge­spro­chen ha­be, den Kläger auch aus die­sem Grun­de nicht wei­ter als Geschäftsführer zu beschäfti­gen.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es aus­geführt, es sei für den Kläger be­reits der An­wen­dungs­be­reich des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes nach § 6 Abs. 3 AGG nicht eröff­net, weil es ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung für die Ab­be­ru­fung von Geschäftsführern oder die Be­fris­tung ih­rer Be­stel­lung aus Al­ters­gründen nicht vor­se­he. Berück­sich­ti­ge man we­gen die­ses
be­schränk­ten An­wen­dungs­be­reichs, dass die Ab­be­ru­fung aus Al­ters­gründen be­den­ken­los vor­ge­nom­men wer­den könne, so müsse dies bei dem Zu­gang zu ei­ner Or­gantätig­keit ab ei­nem ge­wis­sen Al­ter (Schei­tel­punkt ab 58 Jah­ren) Berück­sich­ti­gung fin­den, um nicht in ei­nen Wi­der­spruch zu ge­ra­ten. Un­abhängig da­von schei­te­re ein Scha­den­er­satz­an­spruch je­den­falls dar­an, dass die An­knüpfung an das Al­ter des Klägers nach § 10 Abs. 1 Satz 1 u. 2 AGG zulässig sei, weil die hier­mit ver­bun­de­ne
Un­gleich­be­hand­lung ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt sei. So sei das von der Be­klag­ten er­streb­te Ziel ei­ner lang­fris­ti­gen per­so­nel­len Kon­ti­nuität ein le­gi­ti­mes In­ter­es­se der Be­klag­ten, zu­mal es im un­ter­neh­me­ri­schen Er­mes­sen des Auf­sichts­ra­tes lie­ge, die­ses Ziel zu ver­fol­gen. Da­bei sei auch das gewähl­te Mit­tel als an­ge­mes­sen an­zu­se­hen, weil es nach Sach­la­ge durch­aus ei­ni­ge Kri­tik­punk­te an der Tätig­keit des Klägers als Geschäftsführer ge­ge­ben ha­be. Sch­ließlich sei zu berück­sich­ti­gen, dass für städti­sche Be­trie­be ei­ne Al­ters­gren­ze von 65 Jah­ren in den
Lei­tungs­funk­tio­nen an­ge­strebt wer­de. Auf den nähe­ren In­halt des an­ge­foch­te­nen Ur­teils
wird Be­zug ge­nom­men.

Hier­ge­gen wen­det sich die Be­ru­fung des Klägers, mit der er un­ter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung sei­nes erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens sein Be­geh­ren voll­umfäng­lich wei­ter ver­folgt. Es sei in kei­ner Auf­sichts­rats­sit­zung ei­ne man­gel­haf­te Leis­tung als Geschäftsführer the­ma­ti­siert wor­den. Ins­be­son­de­re die in der Kla­ge­er­wi­de­rung erwähn­ten Kri­tik­punk­te sei­en nie The­ma ge­we­sen. Die Ein­stel­lung ei­nes deut­lich jünge­ren Be­wer­bers, des Pri­vat­do­zen­ten Dr. T., zei­ge, dass die­ser ihm we­gen sei­nes Al­ters
vor­ge­zo­gen wor­den sei. Dem­ent­spre­chend ge­be es kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass er – der Kläger – nicht ein­ge­stellt wor­den wäre, wenn er ei­ni­ge Jah­re jünger ge­we­sen wäre. In der Auf­sichts­rats­sit­zung sei das Al­ter als Grund für die Ab­leh­nung aus­drück­lich the­ma­ti­siert wor­den. So ha­be Herr Q. auf der ent­schei­den­den Auf­sichts­rats­sit­zung aus­geführt, ei­ne lang­fris­ti­ge Kon­ti­nuität we­gen der Um­brüche im Ge­sund­heits­sek­tor er­for­de­re ei­nen Geschäftsführer, der die Be­klag­te länge­re Zeit be­glei­ten könne.

In recht­li­cher Hin­sicht ver­ken­ne das Land­ge­richt den An­wen­dungs­be­reich des AGG. So fänden auf ihn – den Kläger – die Re­ge­lun­gen des AGG un­ein­ge­schränkt An­wen­dung, weil es hier um die Fra­ge ge­he, ob die Be­klag­te sei­ne Be­wer­bung zur (er­neu­ten) Be­stel­lung und An­stel­lung al­ters­dis­kri­mi­nie­rend ab­ge­lehnt ha­be oder nicht, so dass der Zu­gang im Sin­ne des § 6 Abs. 3 AGG be­trof­fen sei, nicht da­ge­gen die – hier vom Land­ge­richt in den Mit­tel­punkt ge­stell­te - Fra­ge, ob das Aus­lau­fen des Ver­tra­ges in­fol­ge

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ei­ner Be­fris­tung an­greif­bar ge­we­sen sei. Die An­nah­me des Land­ge­richts, man könne auf ein Höch­stein­stel­lungs­al­ter von 58 Jah­ren als Le­gi­ti­ma­ti­on für ei­ne Nicht­ein­stel­lung ge­ne­rell ab­stel­len, ver­s­toße ge­gen ei­ne EU-richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung und vor al­lem ge­gen das Ge­bot ei­ner in­di­vi­du­el­len, den kon­kre­ten Ein­zel­fall würdi­gen­den Be­stim­mung des Höchst­al­ters nach § 10 Abs. 2 AGG.

Un­abhängig da­von sei § 6 Abs. 3 AGG richt­li­ni­en­kon­form da­hin aus­zu­le­gen, dass er bei Fremd­geschäftsführern im Fal­le der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung die An­wen­dung des AGG hin­sicht­lich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen nicht aus­sch­ließe. Der Ar­beit­neh­mer­be­griff des EU-Rechts er­fas­se nämlich auch den Fremd­geschäftsführer, der den Wei­sun­gen des Ge­sell­schaf­ters un­ter­lie­ge.

Ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung lie­ge auch tatsächlich vor. Dass die an­geb­lich fach­li­chen Gründe für die Ver­wei­ge­rung ei­ner Neu­be­stel­lung zu sei­ner Scho­nung nicht be­nannt wor­den sei­en, sei le­bens­fremd. Die jetzt aus sei­ner Sicht erst­ma­lig ge­nann­ten fach­li­chen Gründe könn­ten oh­ne­hin nicht nach­ge­scho­ben wer­den, son­dern sei­en bei rich­ti­ger An­wen­dung des AGG präklu­diert. Im Übri­gen könne ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung nicht mit der Be­gründung ge­recht­fer­tigt wer­den, dass ei­ne dis­kri­mi­nie­rungs­freie Ab­leh­nung des Be­wer­bers möglich ge­we­sen wäre.

Ei­ne all­ge­mei­ne Abwägungs­prüfung nach § 10 Satz 1 und 2 AGG schei­te­re be­reits dar­an, dass die Be­klag­te bis heu­te die sach­li­chen Kri­te­ri­en ih­rer Ent­schei­dung nicht be­nen­ne. Der Hin­weis "länger­fris­ti­ge Per­spek­ti­ve" sei le­dig­lich schlag­wort­ar­tig oh­ne in­halt­li­che Ausfüllung und da­mit unüber­prüfbar ver­wandt wor­den.

Der Kläger be­an­tragt, un­ter Auf­he­bung des Ur­teils des Land­ge­richts Köln vom 27.11.2009 24 (Az. 87 O 71/09)

1. fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, sämt­li­che ma­te­ri­el­len Schäden zu er­set­zen, die dem Kläger aus der nicht er­folg­ten An­stel­lung und der nicht er­folg­ten Be­stel­lung zum me­di­zi­ni­schen Geschäftsführer der Be­klag­ten zu 1 zum 1. Sep­tem­ber 2009 ent­stan­den sind oder künf­tig ent­ste­hen wer­den;

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung, min­des­tens aber 110.000,- € nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz der EZB seit dem 26.05.2009 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt, 

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen. 

Sie hält die land­ge­richt­li­che Ent­schei­dung für zu­tref­fend. 

Sie hebt noch­mals her­vor, ih­re Ent­schei­dung, den Kläger nicht wei­ter zu beschäfti­gen, sei nicht aus Gründen sei­nes Al­ters er­folgt, son­dern in ers­ter Li­nie we­gen der Un­zu­frie­den­heit der Be­klag­ten mit sei­ner zurück­lie­gen­den Ar­beit, wie sie dies be­reits erst­in­stanz­lich im Ein­zel­nen dar­ge­legt ha­be. Dem­ent­spre­chend hätte die Mehr­heit des Auf­sichts­ra­tes – wie sie im An­schluss an die Hin­wei­se des Se­nats im Schrift­satz vom 15.06.2010 be­haup­tet – be­reits vor der Auf­sichts­rats­sit­zung am 15.10.2008 ei­ne Mei­nung darüber ge­bil­det, den Kläger nicht wei­ter zu beschäfti­gen. Die fach­li­che Un­zu­frie­den­heit sei dem Kläger in Be­zug auf die Kri­tik­punk­te Kar­dio­lo­gie und me­di­zi­ni­scher Be­darf vor der ent­schei­den­den Auf­sichts­rats­sit­zung auch erläutert wor­den.

II. 

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Die zulässi­ge Be­ru­fung ist über­wie­gend be­gründet.

1. 

Die Kla­ge ist ins­ge­samt zulässig.

a) 

Sie ist ins­be­son­de­re wirk­sam er­ho­ben, weil die Be­klag­te durch ih­ren Geschäftsführer ord­nungs­gemäß ge­setz­lich ver­tre­ten ist, § 170 ZPO i. V. mit § 253 Abs. 1 ZPO. Zu­gleich ist da­mit die Pro­zessfähig­keit und Le­gi­ti­ma­ti­on ei­nes ge­setz­li­chen Ver­tre­ters der Be­klag­ten gemäß § 56 ZPO zu be­ja­hen.

Ei­ner ge­richt­li­chen Ver­tre­tung durch den Geschäftsführer steht § 7 Abs. 4 des Ge­sell­schafts­ver­tra­ges der Be­klag­ten nicht ent­ge­gen. Nach die­ser sat­zungs­gemäßen Vor­schrift ver­tritt der Vor­sit­zen­de des Auf­sichts­ra­tes die Be­klag­te, wenn es um den Ab­schluss, die Auf­he­bung und Ände­rung ei­nes Dienst­ver­tra­ges mit dem Geschäftsführer geht. Der hier in Re­de ste­hen­de Streit dreht sich nicht um den Be­stand oder In­halt ei­nes Dienst­ver­tra­ges mit dem Kläger. Viel­mehr geht es um ei­nen ge­setz­li­chen Scha­den­er­satz­an­spruch we­gen ei­ner an­geb­lich al­ters­dis­kri­mi­nie­ren­den Nicht­berück­sich­ti­gung bei der Neu­ein­stel­lung als Geschäftsführer. Die­ser Streit be­rei­tet auch nicht die Möglich­keit vor, auf ei­nen sol­chen Dienst­ver­trag hin­zu­wir­ken. § 15 Abs. 6 AGG be­stimmt viel­mehr, dass ein Ver­s­toß des Ar­beit­ge­bers ge­gen das Beschäfti­gungs­ver­bot kei­nen An­spruch auf Ein­ge­hung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses be­gründet. Das ent­spricht im Übri­gen dem aus­drück­lich erklärten Wil­len des Klägers in die­sem Rechts­streit, ei­nen neu­en Dienst­ver­trag mit der Be­klag­ten nicht an­zu­stre­ben. Auch § 46 Nr. 8 Alt. 2 Gmb­HG steht ei­ner ge­setz­li­chen Ver­tre­tung der Be­klag­ten in die­sem Rechts­streit durch ih­ren Geschäftsführer nicht ent­ge­gen.

Rich­tig ist zwar, dass der Kläger im Zeit­punkt der Kla­ge­er­he­bung noch – ne­ben sei­nem Kol­le­gen Herrn J. – Geschäftsführer der Be­klag­ten war. Stell­te man al­lein auf die­sen Zeit­punkt ab, so stünde ei­ner ge­setz­li­chen Ver­tre­tung der Be­klag­ten durch den Mit-Geschäftsführer des Klägers, Herrn J., § 46 Nr. 8 Alt. 2 Gmb­HG ent­ge­gen.

Doch spätes­tens zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung in der ers­ten In­stanz war der 39 Kläger durch die zwi­schen­zeit­li­che Be­en­di­gung sei­nes Dienst­ver­tra­ges und man­gels ei­ner Neu­be­stel­lung nicht mehr Geschäftsführer der Be­klag­ten. Maßge­bend für das Vor­lie­gen der Pro­zess­vor­aus­set­zun­gen ist der Stand der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung (s. statt vie­ler: Gre­ger, in: Zöller, ZPO, vor § 253 Rn. 9. In An­knüpfung an die­sen Stand ent­spricht es der über­wie­gen­den Auf­fas­sung in der Li­te­ra­tur, dass ei­ne vor­ran­gi­ge Zuständig­keit der Ge­sell­schaf­ter für die Ver­tre­tung in ge­richt­li­chen Ver­fah­ren nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 Gmb­HG für – wie hier im maßge­ben­den Zeit­punkt - aus­ge­schie­de­ne Geschäftsführer nicht be­gründet wird (Zöll­ner, in: Baum­bach/Hu­eck, Gmb­HG, § 46 Rn. 67 m. w. N.; Roth, in: Roth/Alt­mep­pen, Gmb­HG, § 46 Rn. 57). Un­ter Hin­weis auf den Norm­zweck des § 46 Nr. 8 Alt. 2 Gmb­HG wird die­se Auf­fas­sung ver­ein­zelt auch von der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung ver­tre­ten (OLG Bran­den­burg NZG 1998, 466, zi­tiert nach ju­ris, dort Rn. 17).

Nichts an­de­res folgt im Er­geb­nis aus der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung. Der Bun­des­ge­richts­hof er­streckt den An­wen­dungs­be­reich des § 46 Nr. 8 Alt. 2 Gmb­HG grundsätz­lich zwar auch auf Kla­gen durch oder ge­gen aus­ge­schie­de­ne Geschäftsführer (ins­be­son­de­re: BGHZ 116, 353, 355, zi­tiert nach ju­ris, dort Rn. 5 f.). Da­bei hat er al­ler­dings un­ter Hin­weis auf den Norm­zweck des § 46 Nr. 8 Alt. 2 Gmb­HG, ei­ne un­vor­ein­ge­nom­me­ne neu­tra­le Pro­zessführung durch die Ge­sell­schaft zu ermögli­chen,

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den An­wen­dungs­be­reich le­dig­lich in An­se­hung ei­ner kon­kre­ten In­ter­es­sen­kol­li­si­on auf den aus­ge­schie­de­nen Geschäftsführer er­wei­tert. So war in der zi­tier­ten Ent­schei­dung maßge­ben­der Ge­sichts­punkt für die Er­stre­ckung des § 46 Nr. 8 Alt. 2 Gmb­HG auf den aus­ge­schie­de­nen Geschäftsführer die Erwägung, die die­sem vor­ge­wor­fe­ne
Pflicht­ver­let­zung könne auch dem ak­tu­el­len Geschäftsführer der Ge­sell­schaft we­gen ei­ner frühe­ren Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen die­sem und dem aus­ge­schie­de­nen
Geschäftsführer zum Vor­wurf ge­macht wer­den. Ei­ne ent­spre­chend dif­fe­ren­zier­te Sicht­wei­se un­ter Her­vor­he­bung ei­ner kon­kre­ten In­ter­es­sen­kol­li­si­on lässt der Bun­des­ge­richts­hof auch im Zu­sam­men­hang mit § 112 AktG er­ken­nen, wenn er ausführt, dass ei­ne Ver­tre­tung durch die Geschäftsführung ei­ne Be­fan­gen­heit je­den­falls dann nicht als möglich er­schei­nen las­se, wenn fest­ste­he, dass mit ei­ner Rück­kehr des kla­gen­den ab­be­ru­fe­nen Vor­stan­des nicht mehr zu rech­nen sei (BGH BB 1986, 2229, zi­tiert nach ju­ris, dort Rn. 9).

Ge­mes­sen dar­an be­steht hier die Ge­fahr ei­ner In­ter­es­sen­kol­li­si­on nicht. Auch hier ist, wie be­reits erwähnt, mit Rück­sicht auf § 15 Abs. 6 AGG ei­ne Wie­der­auf­nah­me des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses mit dem Kläger nicht das denk­ba­re Ziel des Be­geh­rens, und der Kläger hat auch un­wi­der­spro­chen klar­ge­stellt, ein sol­ches Be­geh­ren nicht an­zu­stre­ben. Da­mit ist auch ei­ne et­wai­ge Be­fan­gen­heit des ak­tu­el­len Geschäftsführers der Be­klag­ten durch sei­ne Ver­tre­tung fern­lie­gend.

b) 

Der Fest­stel­lungs­an­trag (Kla­ge­an­trag zu Zif­fer 1) ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. 

Für den Kläger be­steht ein schutzwürdi­ges In­ter­es­se an der als­bal­di­gen Fest­stel­lung sei­nes von der Be­klag­ten be­strit­te­nen An­spruchs auf Scha­den­er­satz. Dem Kläger ist es nicht möglich, ei­nen et­wai­gen ma­te­ri­el­len Scha­den aus dem von ihm gel­tend ge­mach­ten An­spruch nach § 15 Abs. 1 AGG zu be­zif­fern und so­mit Leis­tungs­kla­ge zu er­he­ben, weil der dies­bezügli­che Sach­ver­halt noch in der Ent­wick­lung be­grif­fen ist. In der­ar­ti­gen Fällen ist an­er­kannt, dass hin­sicht­lich des be­strit­te­nen Scha­den­er­satz­an­spru­ches re­gelmäßig ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se be­steht (BGH MDR 1983, 1018, zi­tiert nach ju­ris, dort Rn. 27; Gre­ger, in: Zöller, ZPO, § 256 Rn. 7 a).

So­weit der Um­fang des ma­te­ri­el­len Scha­den­er­sat­zes in zeit­li­cher Hin­sicht auf die bis zum ers­ten hy­po­the­ti­schen Kündi­gungs­ter­min ent­gan­ge­nen Vermögens­vor­tei­le be­grenzt wäre (hier­zu: Pa­landt-Wei­den­kaff, AGG, § 15 Rn. 5 m. w. N.), bestünde un­ter Berück­sich­ti­gung die­ses Ge­sichts­punk­tes in­zwi­schen zwar die Möglich­keit, den Scha­den zu be­zif­fern. Frühestmögli­cher hy­po­the­ti­scher Kündi­gungs­ter­min wäre nämlich hier in An­knüpfung an die nach § 7 Abs. 2 des Dienst­ver­tra­ges vom 23.07.2004 ge­re­gel­te neun­mo­na­ti­ge Kündi­gungs­frist der Mo­nat Ju­ni 2010. Die­ser Zeit­punkt ist in­zwi­schen er­reicht. Doch dies zwingt den Kläger nicht zur Um­stel­lung des Fest­stel­lungs­an­tra­ges in ei­nen Leis­tungs­an­trag. Nach höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung ist nämlich ei­ne auf Fest­stel­lung kla­gen­de Par­tei je­den­falls in der Be­ru­fungs­in­stanz nicht mehr da­zu ge­hal­ten, die­se Kla­ge bei ei­ner nach Kla­ge­er­he­bung möglich ge­wor­de­nen Be­zif­fe­rung auf Leis­tung um­zu­stel­len (ständi­ge Recht­spre­chung: BGH NJW-RR 2004, 79, zi­tiert nach ju­ris, dort Rn. 26 m. w. N.).

2. 

Die Kla­ge ist über­wie­gend be­gründet. 

a) 

Der Fest­stel­lungs­an­trag des Klägers ist in der Sa­che be­rech­tigt. 

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Dem Grun­de nach be­steht ein An­spruch des Klägers ge­gen die Be­klag­te auf Er­satz ei­nes ma­te­ri­el­len Scha­dens, weil die Ent­schei­dung, ihn nicht wei­ter als Geschäftsführer zu beschäfti­gen, auf ei­nem Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot be­ruht.

Der persönli­che An­wen­dungs­be­reich des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes ist eröff­net. Er folgt aus § 6 Abs. 3 AGG und er­fasst den vor­lie­gen­den Streit in vol­lem Um­fang. Im Streit ste­hen nach Maßga­be die­ser Vor­schrift die Be­din­gun­gen für den Zu­gang zu ei­ner be­stim­men Er­werbstätig­keit. Zu­gang meint da­bei nicht nur den erst­ma­li­gen, son­dern auch – wie hier - den er­neu­ten Zu­gang bzw. die Fort­set­zung nach Be­en­di­gung ei­ner Tätig­keit (vgl. Schlach­ter, in: Er­fur­ter Kom­men­tar, AGG, § 2 Rn. 4; Lut­ter, BB 2007, 725, 726).

Das Be­geh­ren des Klägers be­trifft die­sen As­pekt. Ihm geht es, wie er in der Be­ru­fung noch­mals klar­ge­stellt und schon erst­in­stanz­lich hin­rei­chend deut­lich zu ver­ste­hen ge­ge­ben hat, nicht um ei­ne Be­ur­tei­lung der Be­en­di­gung sei­nes Dienst­ver­tra­ges, son­dern um die sei­ner Auf­fas­sung nach ge­ge­be­ne al­ters­be­ding­te Ab­leh­nung ei­ner er­neu­ten Ein­stel­lung als Geschäftsführer. Die­ser An­satz sei­nes Be­geh­rens ent­spricht auch der sach­li­chen und recht­li­chen Aus­gangs­la­ge. § 7 des Ge­sell­schafts­ver­tra­ges sieht ei­ne Höchst­dau­er von fünf Jah­ren für die Be­stel­lung als Geschäftsführer mit der Möglich­keit wie­der­hol­ter Be­stel­lun­gen vor. Dem ent­spricht der zwi­schen den Par­tei­en ab­ge­schlos­se­ne Dienst­ver­trag vom 23.07.2004, der laut § 1 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 sei­ner Re­ge­lun­gen ei­ne Be­fris­tung mit au­to­ma­ti­scher Be­en­di­gung nach fünf Jah­ren, zu­gleich aber auch ei­ne Verlänge­rungsmöglich­keit fest­leg­te.

Den An­knüpfungs­punkt für das Be­geh­ren des Klägers bil­det mit­hin die laut § 7 Abs. 2 des Dienst­ver­tra­ges vor­ge­se­he­ne Möglich­keit des er­neu­ten Ab­schlus­ses ei­nes
Dienst­ver­tra­ges so­wie die da­mit ein­her­ge­hen­de er­neu­te Be­stel­lung nach § 7 Abs. 1 des Ge­sell­schafts­ver­tra­ges.

Der sach­li­che An­wen­dungs­be­reich ist gemäß § 2 Nr. 1 AGG eben­falls ge­ge­ben. Der Vor­wurf des Klägers, er sei we­gen sei­nes Al­ters nicht für ei­ne Fort­set­zung ei­nes Dienst­ver­tra­ges bzw. Neu­be­stel­lung vor­ge­se­hen wor­den, be­trifft die Be­din­gun­gen für den Zu­gang zur un­selbständi­ger bzw. selbständi­ger Tätig­keit im Sin­ne die­ser Vor­schrift. Wie be­reits dar­ge­legt, meint Zu­gang zu ei­ner Er­werbstätig­keit auch die er­neu­te Ein­stel­lung nach Ab­lauf ei­nes Dienst­ver­tra­ges.

Der Kläger ist auch durch die Be­klag­te, han­delnd durch den Auf­sichts­rat, we­gen ei­nes in 55 § 1 AGG be­nann­ten Grun­des, nämlich we­gen sei­nes Al­ters, beim Zu­gang zu ei­ner Er­werbstätig­keit be­nach­tei­ligt wor­den.

Ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung liegt da­bei gemäß § 7 Abs. 1 AGG vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes in § 1 ge­nann­ten Grun­des ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde.

So liegt der Fall hier. Der Kläger ist durch die Be­klag­te we­gen sei­nes Al­ters nicht er­neut als Geschäftsführer ein­ge­stellt und für die­ses Amt be­stellt wor­den. Im Ver­gleich hier­zu hat Herr Pri­vat­do­zent Dr. T. ei­ne Be­vor­zu­gung er­fah­ren, in­dem er, mit ei­nem Al­ter von 41 Jah­ren deut­lich jünger als der Kläger, zum neu­en me­di­zi­ni­schen Geschäftsführer be­stellt und an­ge­stellt wor­den ist.

Von ei­ner Be­nach­tei­li­gung des Klägers in die­sem Sin­ne muss der Se­nat aus­ge­hen. Dem Kläger kommt die Be­wei­ser­leich­te­rung nach § 22 AGG zu­gu­te. Er hat un­strei­ti­ge In­di­zi­en vor­ge­tra­gen, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen sei­nes Al­ters nach § 1 AGG ver­mu­ten las­sen.

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Die als An­la­ge K 5 be­leg­te Pres­se­be­richt­er­stat­tung zeigt auf, dass für die Ent­schei­dung, den Kläger nicht er­neut an­zu­stel­len so­wie zu be­stel­len, die Tat­sa­che von Be­deu­tung war, dass der Kläger das 60. Le­bens­jahr be­reits über­schrit­ten hat­te. Denn die ge­gen den Kläger ge­fal­le­ne Ent­schei­dung wird ein­deu­tig in ei­nen Zu­sam­men­hang da­mit ge­stellt, dass man ihn nicht für wei­te­re fünf Jah­re beschäfti­gen könne, oh­ne die für die Leis­tungsämter der Stadt vor­ge­se­he­ne Al­ters­gren­ze von 65 Le­bens­jah­ren zu
über­schrei­ten. Kla­rer kann man ei­nen be­stim­men­den Ein­fluss des Al­ters­fak­tors nicht um­schrei­ben. Die­se Be­richt­er­stat­tung be­ruht, wie in der münd­li­chen Ver­hand­lung erörtert, auf Äußerun­gen aus dem Auf­sichts­rat der Be­klag­ten und ist die­ser da­mit zu­zu­rech­nen. Die Be­rich­te des L. Stadt­an­zei­ger vom 10.10.2008 (Bl. 62 d.A.) und vom 16.10.2008 (Bl. 62 d.A.) he­ben dies so­gar aus­drück­lich her­vor, oh­ne dass die Be­klag­ten­sei­te dem wi­der­spro­chen hätte.

Das be­deu­tet, dass das Al­ter des Klägers für die­se ne­ga­ti­ve Ent­schei­dung beim Auf­sichts­rat der Be­klag­ten ei­ne Rol­le spiel­te, weil nur das Al­ter des Klägers der Grund für den Bruch ei­ner Kon­ti­nuität sein kann. Nicht an­ders ist zu erklären, dass Herr U. als Mit­glied des Auf­sichts­rats nach dem ei­ge­nen Vor­trag der Be­klag­ten im Rah­men der ent­schei­den­den Auf­sichts­rats­sit­zung am 15.10.2008 sich zur aus­drück­lich an­ge­ris­se­nen Fra­ge ei­ner Al­ters­gren­ze für Geschäftsführer städti­scher Be­trie­be geäußert und der Vor­sit­zen­de des Auf­sichts­ra­tes da­bei dar­auf hin­ge­wie­sen hat, es wer­de ei­ne Al­ters­be­gren­zung von 65 Jah­ren bei städti­schen Be­trei­ben an­ge­strebt und die­se sei­en zu berück­sich­ti­gen. Das The­ma der Al­ters­gren­ze stand nicht iso­liert und los­gelöst im Raum, son­dern be­zog sich auf die Per­so­na­lie des Klägers. Die Be­klag­te be­strei­tet auch nicht die in der Be­ru­fung durch den Kläger auf Sei­te 8 f. sei­ner Be­ru­fungs­be­gründung vor­ge­tra­ge­ne Tat­sa­che, dass der Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­de auf der ent­schei­den­den Auf­sichts­rats­sit­zung im Zu­sam­men­hang mit der Fra­ge der Neu­be­set­zung der Stel­le des Geschäftsführers auf die an­ste­hen­den Um­brüche auf dem Ge­sund­heits­markt und die da­mit ver­bun­de­ne Not­wen­dig­keit ei­ner lang­fris­ti­gen Kon­ti­nuität in der me­di­zi­ni­schen Geschäftsführung hin­ge­wie­sen hat, die ei­ner Verlänge­rung des Ver­tra­ges mit dem Kläger ar­gu­men­ta­tiv ent­ge­gen­ste­he.

An­ge­sichts die­ser un­strei­ti­gen Umstände ist da­mit der Ver­mu­tungs­tat­be­stand ge­ge­ben. Nach ge­bo­te­ner richt­li­ni­en­kon­for­mer In­ter­pre­ta­ti­on genügt in­so­weit ei­ne über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit oder Plau­si­bi­lität aus der Sicht ei­ner verständi­gen Per­son dafür, dass zwi­schen der Be­nach­tei­li­gung und dem ver­bo­te­nen Grund nach § 1 AGG ein Zu­sam­men­hang be­steht (BAG NJW 2008, 1401, zi­tiert nach ju­ris dort Rn. 53 m. w. N; Pa­landt-Wei­den­kaff, AGG, § 22 Rn. 2 m. w. N.).

Der Se­nat hat sich in die­sem Zu­sam­men­hang mit der Fra­ge aus­ein­an­der­ge­setzt, ob nicht ei­ne so be­gründe­te Be­ja­hung der Vor­aus­set­zun­gen von § 22 AGG zu weit geht, weil sie vor­ran­gig an die in großem Um­fang steu­er­ba­re Außen­dar­stel­lung von Per­so­nal­ent­schei­dun­gen an­knüpft und da­mit ei­ner hier­von ab­wei­chen­den, die Ent­schei­dung aber letzt­lich al­lei­ne tra­gen­den Ur­teils­fin­dung zu we­nig Be­deu­tung lässt. Das Ein­grei­fen der Norm zu­guns­ten des Klägers könn­te vor die­sem Hin­ter­grund als ei­ne bloße Fol­ge un­vor­sich­ti­ger Pres­se­po­li­tik er­schei­nen, die mit an­der­wei­ti­ger Veröffent­li­chungs­pra­xis leicht zu ver­mei­den ist. Den­noch ist das Vor­lie­gen hin­rei­chen­der In­di­zi­en im Sin­ne der Norm aus den be­reits dar­ge­stell­ten Gründen zu be­ja­hen.

Ist hier­nach gemäß § 22 AGG ei­ne Ver­mu­tung für ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes Grun­des nach § 1 AGG zu be­ja­hen, so ist es der Be­klag­ten nicht ge­lun­gen, die­se Ver­mu­tung mit Blick auf § 7 Abs. 1 AGG in der Wei­se zu ent­kräften, dass si­cher an­ge­nom­men wer­den könn­te, dass kein Grund nach § 1 AGG – hier das Al­ter des Klägers – für die Ent­schei­dung der Nicht­beschäfti­gung des Klägers ei­ne Rol­le ge­spielt hat­te. Dass zusätz­lich auch nicht dis­kri­mi­nie­ren­de As­pek­te im Sin­ne ei­nes Mo­tivbündels

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die Be­nach­tei­li­gung ver­an­lasst ha­ben können, genügt für die Ent­las­tung in die­ser Hin­sicht nicht (vgl. BAG NJW 2008, 1401, zi­tiert nach ju­ris dort Rn. 40 f. m. w. N.; Schlach­ter, in: Er­fur­ter Kom­men­tar, AGG, § 22 Rn. 4 m. w. N.). Denn dem Be­trof­fe­nen wäre es mit Rück­sicht dar­auf, dass Ent­schei­dun­gen über den Zu­gang zu ei­ner Er­werbstätig­keit meist nicht trans­pa­rent sind und über­wie­gend in­ter­ne Vorgänge der Ent­schei­den­den be­tref­fen, an­dern­falls nie möglich, kon­kret dar­zu­le­gen und zu be­wei­sen, dass nur ein ver­bo­te­nes Un­ter­schei­dungs­merk­mal nach § 1 AGG für die nach­tei­li­ge Ent­schei­dung maßgeb­lich war und nicht auch an­de­re – an sich er­laub­te - Mo­ti­ve. Aus dem glei­chen Grun­de können nur sol­che nicht-dis­kri­mi­nie­ren­de Gründe Berück­sich­ti­gung fin­den, die tatsächlich der Ent­schei­dung zu­grun­de ge­legt wor­den sind, nicht da­ge­gen sol­che, die gleich­sam er­satz­wei­se ei­ne nach­tei­li­ge Ent­schei­dung er­laubt hätten (Schlach­ter, in: Er­fur­ter Kom­men­tar, AGG, § 22 Rn. 4; An­nuß/Rupp, in: Hens­s­ler/Wil­lem­sen/Kalb, AGG, § 22 Rn. 3).

Ge­mes­sen dar­an reicht der Vor­trag der Be­klag­ten nicht aus, den Zu­sam­men­hang zwi­schen dem Al­ter des Klägers und sei­ner Nicht­an­stel­lung nach­voll­zieh­bar und si­cher aus­zu­sch­ließen. Hier­zu hätte es zu­min­dest gehört, dass die Be­klag­te den der Ent­schei­dung des Auf­sichts­ra­tes vor­an­ge­hen­den kom­mu­ni­ka­ti­ven Ent­schei­dungs­pro­zess kon­kret dar­legt, um an­hand sol­cher In­for­ma­tio­nen er­mit­teln zu können, ob und in­wie­weit das Al­ter des Klägers für die Ent­schei­dung ei­ne Rol­le ge­spielt hat­te. Die Be­klag­te hat ei­nen sol­chen Vor­trag nicht bei­ge­bracht. Wenn un­strei­tig die Al­ters­gren­ze und der Wunsch nach Kon­ti­nuität im Zu­sam­men­hang mit der Per­so­na­lie des Klägers im Rah­men der maßge­ben­den Auf­sichts­rats­sit­zung the­ma­ti­siert wur­de, dann genügt nicht die all­ge­mei­ne und we­nig kon­kre­te zusätz­li­che Dar­le­gung, dass an­de­re Ge­sichts­punk­te – hier: an­geb­li­che Un­zu­frie­den­heit mit den Leis­tun­gen des Klägers in den Be­rei­chen me­di­zi­ni­scher Be­darf und Ein­bußen in der Kar­dio­lo­gie - in vor­an­ge­hen­den Auf­sichts­rats­sit­zun­gen the­ma­ti­siert wor­den sei­en. Denn die­ser Vor­trag lässt nicht
er­ken­nen, dass die­se fach­li­chen Ge­sichts­punk­te ei­nen der­ar­ti­gen Stel­len­wert ge­won­nen hat­ten, dass da­hin­ter der As­pekt des Al­ters im Rah­men der ent­schei­den­den Auf­sichts­rats­sit­zung zurück­ge­tre­ten wäre. Das gilt um­so mehr, als die Be­klag­te einräumt, dass die fach­li­chen As­pek­te – Un­zu­frie­den­heit – im Rah­men der ent­schei­den­den Sit­zung nicht näher aus­geführt wor­den wa­ren.

Nichts an­de­res folgt aus den Ausführun­gen der Be­klag­ten in ih­rem Schrift­satz vom 15.06.2010 im An­schluss auf die Hin­wei­se des Se­nats: Die Be­klag­te geht un­zu­tref­fend da­von aus, der Se­nat ha­be ih­ren Vor­trag zu den – aus ih­rer Sicht – wah­ren Gründen für die Nicht­berück­sich­ti­gung des Klägers – hier die be­haup­te­te fach­li­che Un­zu­frie­den­heit – außer Acht ge­las­sen und le­dig­lich auf ih­re "Hilfs­ar­gu­men­ta­ti­on" ab­ge­stellt. Der Se­nat hat viel­mehr sämt­li­che Vorgänge im Vor­feld der Ent­schei­dung des Auf­sichts­ra­tes am 15.10.2008, so­weit sie hier vor­ge­tra­gen oder nach der Kor­re­spon­denz er­sicht­lich sind, berück­sich­tigt und da­bei In­di­zi­en im Sin­ne des § 22 AGG er­kannt, die zu ei­ner Um­keh­rung der Be­weis­last führen. Das ent­schei­den­de In­diz hat die Be­klag­te in ih­rem Schrift­satz vom 15.06.2010 noch­mals bestätigt, wenn sie dort ausführt, das Al­ter des Klägers und der Ge­dan­ke der Kon­ti­nuität sei­en auf der ent­schei­den­den Auf­sichts­rats­sit­zung am 15.10.2008 dis­ku­tiert wor­den. So­weit sie so­dann zu­gleich all­ge­mein ausführt, die Stim­mungs­la­ge sei vor der ent­schei­den­den Auf­sichts­rats­sit­zung mit den je­wei­li­gen Mit­glie­dern son­diert wor­den, so dass schon vor die­ser Sit­zung ei­ne kla­re Mehr­heit für die Ab­be­ru­fung be­stan­den ha­be, räumt dies das In­diz nicht aus. Denn die Be­klag­te legt da­bei den vor­an­ge­gan­ge­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zess nicht of­fen, so dass nicht nach­voll­zo­gen wer­den kann, ob und in­wie­weit an­de­re Gründe – Un­zu­frie­den­heit mit den Leis­tun­gen des Klägers – so ge­wich­tig wa­ren, dass der Ge­dan­ke des Al­ters in der Ent­schei­dungs­fin­dung zurück­trat. Wenn tatsächlich – wie die Be­klag­te be­haup­tet – im Vor­feld der Auf­sichts­rats­sit­zung schon Klar­heit über ei­ne Nicht­verlänge­rung des Dienst­ver­tra­ges we­gen fach­li­cher Dif­fe­ren­zen be­stan­den hat­te, so

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steht dies nicht oh­ne Wei­te­res im Ein­klang mit dem Um­stand, dass auf der ent­schei­den­den Auf­sichts­rats­sit­zung nicht ein­fach zu Las­ten des Klägers ent­schie­den, son­dern vor­ab das Al­ter des Klägers und der Ge­dan­ke der "Kon­ti­nuität" dis­ku­tiert wur­den. Wenn das Al­ter aber das – so­weit er­sicht­lich – ein­zig im Kern fest­ste­hen­de The­ma im Zu­sam­men­hang mit der Ent­schei­dung am 15.10.2008 war, so hat es auf den ers­ten Blick in den Ent­schei­dungs­pro­zess Ein­gang ge­fun­den.

Die An­for­de­run­gen an die Sub­stan­ti­ie­rung des Aus­schlus­ses ei­nes Kau­sal­zu­sam­men­hangs sind in dem vor­be­schrie­be­nen Sin­ne nicht ge­ring. Denn an­dern­falls lie­fe der Schutz vor ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung leer. Es ist nämlich ein leich­tes zu be­haup­ten, ir­gend­wel­che an­de­re Fak­to­ren als das Al­ter wären für die Ent­schei­dung maßge­bend ge­we­sen. Der Be­trof­fe­ne könn­te die­se Be­haup­tung nie­mals wi­der­le­gen, weil er kei­nen Zu­gang zu die­sem in­ne­ren Ent­schei­dungs­fin­dungs­pro­zess hätte. Al­so muss der Ar­beit­ge­ber – wie hier die Be­klag­te – die­sen Ent­schei­dungs­pro­zess of­fen le­gen. Das hat sie nicht ge­tan.
Die An­knüpfung an das Al­ter des Klägers für sei­ne nach­tei­li­ge Be­hand­lung ist nicht nach 67 § 10 Satz 1 u. 2 AGG zulässig.

Nach die­ser Vor­schrift wäre die nach­tei­li­ge Be­hand­lung des Klägers we­gen sei­nes Al­ters nicht zu be­an­stan­den, wenn sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist, wo­bei auch die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sein müssen.

Die Be­klag­te hat mit der Ab­leh­nung ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers schon kein le­gi­ti­mes Ziel im Sin­ne die­ser Vor­schrift ver­folgt, so dass ei­ne Abwägung von vorn­her­ein nicht vor­ge­nom­men wer­den kann.

Was un­ter ei­nem "le­gi­ti­men Ziel" zu ver­ste­hen ist, be­darf im Aus­gangs­punkt ei­ner Präzi­sie­rung. § 10 AGG bil­det ei­ne Um­set­zung von Art. 6 Abs. 1 Richt­li­nie 2000/78/EG. Da Art. 6 Abs. 1 Richt­li­nie 2000/78/EG die le­gi­ti­men Zie­le mit der Wen­dung ins­be­son­de­re" auf die Be­rei­che der Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung be­zieht, könn­te man zu der zum Teil in der Li­te­ra­tur ver­tre­te­nen An­nah­me nei­gen, le­gi­ti­me Zie­le bezögen le­dig­lich öffent­li­che, im All­ge­mein­wohl lie­gen­de In­ter­es­sen ein (Nach­wei­se zu die­ser Auf­fas­sung bei: Bel­ling, in: Er­man, AGG, § 10 Rn. 3). Ein der­ar­ti­ges Ge­mein­wohl­ziel, das die Be­nach­tei­li­gung des Klägers recht­fer­ti­gen könn­te, ist hier aber nicht er­kenn­bar.

In Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur ent­spricht es dem­ge­genüber in­zwi­schen über­wie­gen­der An­sicht, dass in An­knüpfung an die Ge­set­zes­be­gründung (BT-Druck­sa­che 16/1780, Sei­te 36) auch an­er­ken­nens­wer­te be­triebs- und un­ter­neh­mens­be­zo­ge­ne In­ter­es­sen die Grund­la­ge für ein le­gi­ti­mes Ziel sein können (BAG NZA 2009, 945, zi­tiert nach ju­ris, dort Rn. 53; Schlach­ter, in: Er­fur­ter Kom­men­tar, AGG, § 10 Rn. 1; Bel­ling, in: Er­man, AGG, § 10 Rn. 3; An­nuß/Rupp, in: Hens­s­ler/Wil­lem­sen/Kalb, AGG, § 10 Rn. 1; Pa­landt-Wei­den­kaff, AGG, § 10 Rn. 2; Lin­ge­mann, in: Prütting/We­gen/Wein­reich, AGG, § 10 Rn.
6). Die­ser An­satz lässt sich oh­ne Wi­der­spruch - bei ei­ner ge­bo­te­nen richt­li­ni­en­treu­en Aus­le­gung – mit den eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben in De­ckung brin­gen. Art. 6 Abs. 1 Richt­li­nie 2000/78/EG deu­tet durch Ver­wen­dung des Be­griffs "ins­be­son­de­re" dar­auf hin, dass nicht nur die so­dann auf­geführ­ten Ge­mein­wohl­be­lan­ge als le­gi­ti­me Zwe­cke an­ge­se­hen wer­den können, um ei­ne Be­nach­tei­li­gung zu recht­fer­ti­gen. Dafür spricht auch, dass die in Art. 6 Abs. 1 b und c Richt­li­nie 2000/78/EG vor­ge­se­he­nen
Bei­spiel­grup­pen ge­ra­de auch un­ter­neh­mens­be­zo­ge­ne In­ter­es­sen als Le­gi­ti­ma­ti­ons­ba­sis für Be­nach­tei­li­gun­gen we­gen des Al­ters in den Blick neh­men (hier­zu über­zeu­gend: BAG NZA 2009, 945, zi­tiert nach ju­ris, dort Rn. 54).

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Auch wenn der Eu­ropäische Ge­richts­hof bei der Um­set­zung von Art. 6 Richt­li­nie 2000/78/EG in das na­tio­na­le Recht die im öffent­li­chen In­ter­es­se lie­gen­den Zie­le in den Be­rei­chen der Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung in den Vor­der­grund rückt und da­von rein in­di­vi­du­ell un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dun­gen, wie Kos­ten­re­du­zie­rung und Ver­bes­se­rung der Wett­be­werbsfähig­keit, grundsätz­lich aus­nimmt, sieht er den na­tio­na­len Ge­setz­ge­ber in An­se­hung von Art. 6 Richt­li­nie 2000/78/EG nicht dar­an ge­hin­dert, an­de­re Zie­le zu for­mu­lie­ren oder ih­re For­mu­lie­rung gar of­fen zu las­sen, so­weit da­bei nicht aus den Au­gen ver­lo­ren geht, dass rein pri­vatnützi­ge In­ter­es­sen kei­ne Le­gi­ti­ma­ti­ons­ba­sis für die Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters bil­den können (EuGH NZA 2009, 305, zi­tiert nach ju­ris, dort Rn. 46).

Da­hin­ter steht der be­rech­tig­te Ge­dan­ke, dass kein be­lie­bi­ges oder je­des un­ter­ge­ord­ne­te In­ter­es­se aus­rei­chen kann, um ei­ne nach­tei­li­ge Be­hand­lung we­gen des Al­ters zu recht­fer­ti­gen. An­dern­falls lie­fe der Schutz vor Be­nach­tei­li­gun­gen we­gen des Al­ters ins Lee­re. Dem­ent­spre­chend for­dert auch das Bun­des­ar­beits­ge­richt in der vor­zi­tier­ten Ent­schei­dung als Aus­gangs­punkt ei­nes le­gi­ti­men Ziels zu­min­dest ein "an­er­ken­nens­wer­tes" In­ter­es­se des Un­ter­neh­mers (BAG NZA 2009, 945, zi­tiert nach ju­ris, dort Rn. 53). Auch der Bun­des­ge­richts­hof hat in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung un­ter Hin­weis auf die Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs im Zu­sam­men­hang mit der Be­stim­mung ei­nes le­gi­ti­men Ziels und der Mit­tel be­tont, dass da­bei der Grund­satz des Ver­bots der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters nicht aus­gehöhlt wer­den dürfe (BGH, Be­schluss vom 22.03.2010 – Az. NotZ 16/09). Eben­so for­dert die Li­te­ra­tur ge­wis­se Min­dest­an­for­de­run­gen an die Be­stim­mung des Ziels, sei es, dass es im Ein­zel­fall aus ei­ner ver­ob­jek­ti­vier­ten verständi­gen Sicht nach­voll­zieh­bar sein müsse (Lut­ter, BB 2007, 725, 728) oder sei es, dass man je­den­falls im Rah­men der Verhält­nismäßig­keitsprüfung über­prüft, ob das an­ge­ge­be­ne Ziel die Mit­tel un­ter dem As­pekt der Not­wen­dig­keit und An­ge­mes­sen­heit recht­fer­ti­ge(et­wa Schlach­ter, in: Er­fur­ter Kom­men­tar, AGG, § 10 Rn. 2).

Da­bei muss das ver­folg­te Ziel in je­dem Fall nach § 10 Satz 1 AGG "ob­jek­tiv" sein, was be­deu­tet, dass das ver­folg­te In­ter­es­se auf tatsächli­chen bzw. em­pi­ri­schen und nach­voll­zieh­ba­ren Erwägun­gen be­ruht und nicht bloß auf Ver­mu­tun­gen oder sub­jek­ti­ven Einschätzun­gen ge­gründet ist (BAG NZA 2009, 945, zi­tiert nach ju­ris, dort Rn. 55; Bel­ling, in: Er­man, AGG, § 10 Rn. 2). Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last hierfür trägt bei – wie hier – ge­ge­be­ner Be­nach­tei­li­gung we­gen Al­ters nach all­ge­mei­nen Grundsätzen das Un­ter­neh­men (BAG NZA 2009, 945, zi­tiert nach ju­ris, dort Rn. 56; Pa­landt-Wei­den­kaff, AGG, § 22 Rn. 3; Lin­ge­mann, in: Prütting/We­gen/Wein­reich, AGG, § 22 Rn. 4). Hierfür genügt es nicht, das ver­folg­te Ziel schlag­wort­ar­tig zu um­schrei­ben. Viel­mehr ist ein kon­kre­ter Tat­sa­chen­vor­trag er­for­der­lich, der den nach­voll­zieh­ba­ren Schluss auf ein an­er­ken­nens­wer­tes Ziel und die Verhält­nismäßig­keit ermöglicht (BAG NZA 2009, 945, zi­tiert nach ju­ris, dort Rn. 56 f.).

Die­sen Min­dest­an­for­de­run­gen an die Dar­le­gung des mit der Al­ters­be­nach­tei­li­gung ver­folg­ten Ziels ist die Be­klag­te, auch un­ter Berück­sich­ti­gung ih­rer ergänzen­den Ausführun­gen im Schrift­satz vom 15.06.2010 im An­schluss an die Hin­wei­se des Se­nats, nicht nach­ge­kom­men. Die Be­klag­te stellt in ers­ter Li­nie in Ab­re­de, dass das Al­ter des Klägers ein maßge­ben­des Mo­tiv für die Ent­schei­dung ge­we­sen sei, den Kläger wie­der zu beschäfti­gen. An­de­rer­seits nimmt sie zur Dar­le­gung des le­gi­ti­men Ziels Be­zug auf die als An­la­ge K 5 dar­ge­leg­te Pres­se­be­richt­er­stat­tung. Die­se be­schreibt aber kein
nach­voll­zieh­ba­res Bild ei­ner be­stimm­ten le­gi­ti­men Ziel­set­zung, son­dern enthält schlag­wort­ar­ti­ge Hin­wei­se auf be­stimm­te Gründe für die Nicht-Wie­der­beschäfti­gung des Klägers – "Um­bruch"-Si­tua­ti­on auf dem Ge­sund­heits­markt, "lang­fris­ti­ge" Bin­dung ei­nes Geschäftsführers -, oh­ne dass er­sicht­lich wird, was dar­un­ter in tatsäch­li­cher Hin­sicht zu ver­ste­hen ist.

So­weit die Be­klag­te in der Be­ru­fung zur Dar­le­gung des le­gi­ti­men Ziels zwei As­pek­te 

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pau­schal be­nennt, nämlich zum ei­nen die lang­fris­ti­ge Bin­dung ei­nes Geschäftsführers we­gen des "Um­bruchs im Ge­sund­heits­markt" so­wie zum an­de­ren das Be­stre­ben ih­rer Al­lein­ge­sell­schaf­te­rin, der Stadt Köln, auf ei­ne Al­ters­gren­ze von 65 Jah­ren bei Spit­zen­ma­na­gern städti­scher Un­ter­neh­men hin­zu­wir­ken, genügt dies zur Be­schrei­bung ei­nes le­gi­ti­men Ziels eben­so we­nig.

Der Hin­weis dar­auf, dass ei­ne Al­ters­gren­ze von 65 Jah­ren an­ge­strebt wer­de, bil­det für sich ge­nom­men als Be­gründung für die Be­nach­tei­li­gung we­gen Al­ters im Sin­ne des § 1 AGG ei­nen nicht tragfähi­gen Zir­kel­schluss: Das Be­stre­ben nach Be­gren­zung des Zu­gangs zur Ar­beit un­ter dem As­pekt des Al­ters be­darf der Recht­fer­ti­gung durch da­hin­ter ste­hen­de le­gi­ti­me In­ter­es­sen und kann nicht eben mit die­sem Be­stre­ben selbst be­gründet wer­den.

Zwar könn­te § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG dar­auf hin­deu­ten, dass ei­ne Be­en­di­gung von Beschäfti­gungs­verhält­nis­sen mit Be­ginn der Ren­ten­be­rech­ti­gung – für die Jahrgänge des Klägers nach so­zi­al­recht­li­chen Vor­ga­ben mit der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res – ein le­gi­ti­mes Ziel dar­stellt und da­mit ren­ten­na­he Jahrgänge ten­den­zi­ell eher Nach­tei­le hin­zu­neh­men ha­ben. Da­hin­ter mögen auch ver­schie­de­ne beschäfti­gungs­po­li­ti­sche Erwägun­gen, wie et­wa das In­ter­es­se an ei­ner an­ge­mes­se­nen Ver­tei­lung der Beschäfti­gung zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen, ste­hen (zu den denk­ba­ren In­ter­es­sen: Bel­ling, in: Er­man, AGG, § 10 Rn. 11; Lin­ge­mann, in: Prütting/We­gen/Wein­reich, AGG, § 10 Rn. 15). Auch wenn man da­nach annähme, dass mit Rück­sicht auf das ren­ten­na­he Al­ter des Klägers die An­for­de­run­gen an die Recht­fer­ti­gung der Be­nach­tei­li­gung et­was ver­min­dert wären, er­setz­ten sie das kon­kret, mit der Ent­schei­dung ver­folg­te In­ter­es­se nicht, zu­mal die Vor­aus­set­zun­gen nach § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG oh­ne­hin tat­be­stand­lich nicht vor­lie­gen. Selbst wenn sie vorlägen, wäre da­mit al­lein ein le­gi­ti­mes Ziel nicht vor­ge­ge­ben, son­dern es bedürf­te auch dann ei­ner kon­kre­ten Dar­le­gung der lei­ten­den In­ter­es­sen und Mo­ti­ve im Ein­zel­fall (Bel­ling, in: Er­man, AGG, § 10 Rn. 11; Schlach­ter, in: Er­fur­ter Kom­men­tar, AGG, § 10 Rn. 7). Die Be­klag­te müss­te hier­nach ei­ne Ant­wort auf die Fra­ge ge­ben, aus wel­chen Gründen sie in Übe­rein­stim­mung mit dem Wil­len ih­rer Al­lein­ge­sell­schaf­te­rin an­strebt, Mit­ar­bei­ter auf der Lei­tungs­ebe­ne mit der Voll­endung des 65 Le­bens­jah­res nicht wei­ter zu beschäfti­gen. Zwin­gen­de Vor­ga­ben gibt es für die Be­klag­te in­so­weit nicht. Sie kann – das ist un­strei­tig – Geschäftsführer auch über das 65. Le­bens­jahr beschäfti­gen. Ei­nen kon­kret ent­ge­gen­ste­hen­den Wil­len ih­rer Al­lein­ge­sell­schaf­te­rin da­hin, dass die­se ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers für fünf Jah­re bis zum 67. Le­bens­jahr wi­der­spro­chen hätte, ist nicht vor­ge­tra­gen.

Im Übri­gen war ei­ne Verlänge­rung um 5 Jah­re we­der durch den Ver­trag noch durch sons­ti­ge Umstände zwin­gend vor­ge­ge­ben. Ei­ne Verlänge­rung et­wa um drei Jah­re bis zur Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res blieb als Er­geb­nis der im Ver­trag vor­ge­se­he­nen Ver­hand­lun­gen oh­ne wei­te­res denk­bar.
Auch der schlag­wort­ar­ti­ge Hin­weis auf ei­ne "Um­bruch­si­tua­ti­on auf dem 80 Ge­sund­heits­markt" und der Wunsch nach "lang­fris­ti­ger" Bin­dung bzw. "Kon­ti­nuität" las­sen kein le­gi­ti­mes Ziel er­ken­nen.

Der Ge­dan­ke der "Kon­ti­nuität" kann für sich ge­nom­men kein tragfähi­ges Ar­gu­ment für ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung sein: Wenn je­mand älter ist, dann liegt es in der Na­tur der Sa­che, dass er für ei­ne länger­fris­ti­ge Kon­ti­nuität im Rah­men ei­nes Dienst­verhält­nis­ses nicht sor­gen kann. Je näher er an das Ren­ten­al­ter her­an­tritt, um­so mehr und eher wird es ei­nen Bruch in der Kon­ti­nuität ge­ben. Wäre der Wunsch nach Kon­ti­nuität für sich ge­nom­men ein le­gi­ti­mes Ziel, so könn­te vor die­sem na­tur­gemäßen Hin­ter­grund der Schutz vor Be­nach­tei­li­gung im ren­ten­na­hen Al­ter nie rea­li­siert wer­den. Der Schutz vor Be­nach­tei­li­gun­gen im Al­ter lie­fe dann leer. Ent­schei­dend kann da­her wie­der­um nur sein,

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wel­ches kon­kre­te An­lie­gen oder In­ter­es­se hin­ter dem Wunsch nach Kon­ti­nuität steht. So­weit die Be­klag­te in die­sem Zu­sam­men­hang von "Um­brüchen" im "Ge­sund­heits­markt" spricht, ver­mag dar­aus nicht in nach­voll­zieh­ba­rer Wei­se ab­ge­lei­tet wer­den, um wel­che Verände­run­gen es da­bei kon­kret geht und wes­halb die­se – aus wel­chen an­er­ken­nens­wer­ten Gründen – ei­ne länger­fris­ti­ge, über fünf Jah­re hin­aus­grei­fen­de Bin­dung des Geschäftsführers er­for­dert. Nur wenn die­se In­ter­es­sen­la­ge zu­min­dest in Grundzügen of­fen­ge­legt wird, kann ei­ne Verhält­nismäßig­keitsprüfung statt­fin­den, um zu prüfen, ob das Ziel in ei­nem an­ge­mes­se­nen Verhält­nis zu dem Mit­tel – die Ab­leh­nung ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung – steht.

Ei­ne Ver­rin­ge­rung des Schutz­ni­veaus für Or­ga­ne von ju­ris­ti­schen Per­so­nen we­gen der in 82 § 6 Abs. 3 AGG an­ge­ord­ne­ten "ent­spre­chen­den" An­wen­dung der Dis­kri­mi­nie­rungs­vor­schrif­ten, mit der Fol­ge, dass Be­stel­lungs- und An­stel­lungs­or­ga­ne ein wei­ter und großzügi­ger Er­mes­sens­spiel­raum ein­zuräum­en wäre, ist bei ei­ner ge­bo­te­nen richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung je­den­falls bei – wie hier ge­ge­be­nen –
wei­sungs­abhängi­gen Fremd­geschäftsführern oh­ne er­kenn­ba­re Be­son­der­hei­ten nicht be­rech­tigt (in die­sem Sin­ne: Schlach­ter, in: Er­fur­ter Kom­men­tar, AGG, § 6 Rn. 6; Lut­ter, BB 2007, 725, 729; a. A. Lin­ge­mann, in: Prütting/We­gen/Wein­reich, AGG, § 6 Rn. 7).

Ei­ne Be­son­der­heit folgt hier ins­be­son­de­re nicht, wie aber das Land­ge­richt im An­schluss an die Erwägun­gen von Lut­ter (in: BB 2007, 725, 728 f.) meint, aus ei­nem an­geb­li­chen Wi­der­spruch zwi­schen ei­ner - we­gen des be­grenz­ten An­wen­dungs­be­reichs nach § 6 Abs. 3 AGG - zulässi­gen Ab­be­ru­fung ei­nes Geschäftsführers aus Al­ters­gründen und ei­ner dem Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot un­ter­fal­len­den Neu­be­stel­lung des Geschäftsführers. Zu berück­sich­ti­gen wäre ein sol­cher Wi­der­spruch al­len­falls dann, wenn er tatsächlich vorläge. Das ist hier aber nicht der Fall. Der Dienst­ver­trag des Klägers ist nicht aus Al­ters­gründen be­en­det wor­den, son­dern in­fol­ge sei­ner fünfjähri­gen nach Ge­sell­schafts­ver­trag und Dienst­ver­trag vor­ge­se­he­nen Be­fris­tung. Sol­che Be­fris­tun­gen ent­spre­chen der Re­ge­lung in § 84 Abs. 1 AktG und ge­ben dem zuständi­gen Be­stel­lungs­or­gan aus Kon­troll­gründen nach Zeit­ab­schnit­ten die Möglich­keit ei­ner ver­ant­wort­li­chen Be­ra­tung über die Wei­ter­beschäfti­gung (vgl. Hüffer, AktG, § 84 Rn. 6). Den Grund für die Be­en­di­gung des Dienst­ver­tra­ges bil­den da­nach ver­ant­wort­li­che Kon­troll- und Be­ra­tungs­erwägun­gen, nicht da­ge­gen der Ge­dan­ke des Al­ters. Der Dienst­ver­trag hätte auch nicht – we­gen die­ser Be­fris­tung – im Sin­ne der Prämis­se von Lut­ter je­der­zeit aus Al­ters­gründen be­en­det wer­den können. We­der die Sat­zung noch der Dienst­ver­trag räum­ten ei­ne sol­che Möglich­keit ein. Er sah in § 7 Abs. 2 des Dienst­ver­tra­ges le­dig­lich die Möglich­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung mit ei­ner neun­mo­na­ti­gen Kündi­gungs­frist so­wie ei­ner dar­an knüpfen­den Entschädi­gung für den Geschäftsführer vor. War die Be­fris­tung in dem Dienst­ver­trag so­wie in der Sat­zung da­mit nicht aus Al­ters­gründen mo­ti­viert, führt die dar­aus fol­gen­de Be­en­di­gung auch nicht zu ei­nem Wi­der­spruch ge­genüber der An­for­de­rung, bei der Neu­be­stel­lung kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters vor­zu­neh­men. Das Be­stel­lungs­or­gan ist in die­ser Si­tua­ti­on nicht auf be­son­de­re Wei­se in sei­ner Ent­schei­dung ge­bun­den. Es kann den Be­wer­ber aus vie­ler­lei Gründen ab­leh­nen. Sie dürfen nur nicht dis­kri­mi­nie­rend sein.

An­ge­sichts des­sen ist auch die un­ter Hin­weis auf den vor­ge­nann­ten Wi­der­spruch ver­tre­te­ne Auf­fas­sung des Land­ge­richts fehl­sam, ein sol­cher Wi­der­spruch sei in der Wei­se auf­zulösen, dass von ei­ner ge­wis­sen Al­ters­gren­ze an ("Schei­tel­punkt" mit 58 Jah­ren) der Ent­las­sungs­ge­dan­ke Vor­rang mit der Fol­ge er­lan­ge, dass mit dem Er­rei­chen die­ses Al­ters der Zu­gang zur Or­gantätig­keit oh­ne Wei­te­res ver­wei­gert wer­den könne. Ei­ne sol­che star­re Re­ge­lung wäre im Übri­gen nicht mit der nach § 6 Abs. 3 AGG auch für Geschäftsführer ge­bo­te­nen Verhält­nismäßig­keitsprüfung nach § 10 Satz 1 und 2 AGG zu ver­ein­ba­ren. Sch­ließlich gibt es auch kei­nen er­kenn­ba­ren Grund, dass ab ei­nem Al­ter von 58 Jah­ren für sich ge­nom­men die Ver­mu­tung na­he­liegt, ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung
ei­nes Or­gans sei nach­tei­lig.

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Mit Rück­sicht auf ei­ne "ent­spre­chen­de" An­wen­dung der Dis­kri­mi­nie­rungs­vor­schrif­ten gemäß § 6 Abs. 3 AGG mögen Be­son­der­hei­ten bei der Be­stim­mung des le­gi­ti­men Ziels und der Verhält­nismäßig­keitsprüfung bei Or­gan­beschäftig­ten in Be­tracht zu zie­hen sein. Es mag auch über­legt wer­den, dass ei­nem Be­stel­lungs­or­gan – wie vom Land­ge­richt an­ge­deu­tet – ein größerer Er­mes­sens- und Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ein­geräumt wird. Doch das ent­bin­det die Be­klag­te nicht von der Ver­pflich­tung, über­haupt in nach­voll­zieh­ba­rer Wei­se die hin­ter den ge­nann­ten Schlag­wor­ten ste­hen­den Zwe­cke und In­ter­es­sen in Grundzügen auf­zu­zei­gen. An­dern­falls wäre ei­ne "ent­spre­chen­de" An­wen­dung der Vor­schrif­ten für Fremd­geschäftsführer aus­gehöhlt, woll­te man ins­be­son­de­re auf ei­ne Sub­stanz in der Be­gründung des Ent­schei­dungs­pro­zes­ses gänz­lich ver­zich­ten.

Liegt hier­nach ein Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot vor, so wird das Ver­schul­den nach § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG ver­mu­tet. Dem­ent­spre­chend liegt es an der Ge­sell­schaft, sich vom Ver­schul­den nach Maßga­be der §§ 276 – 278 BGB zu ent­las­ten (An­nuß/Rupp, in: Hens­s­ler/Wil­lem­sen/Kalb, AGG, § 15 Rn. 4; Schlach­ter, in: Er­fur­ter Kom­men­tar, AGG, § 15 Rn. 4). Der Vor­trag der Be­klag­ten enthält kei­ne An­halts­punk­te für ei­ne sol­che Ent­las­tung.

Der Kläger hat sei­nen An­spruch gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG frist­gemäß in­ner­halb von zwei Mo­na­ten gel­tend ge­macht. Hier­bei kann of­fen blei­ben, ob es für die Be­stim­mung des Frist­be­ginns nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG über­haupt ei­ne dem Kläger ge­genüber erklärte Ab­leh­nung ge­ge­ben hat. Un­abhängig da­von hat der Kläger je­den­falls mit dem als An­la­ge K 6 bei­gefügten an­walt­li­chen Schrei­ben vom 26.11.2008 und da­mit in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach der ent­schei­den­den Auf­sichts­rats­sit­zung am 15.10.2008 ei­nen An­spruch nach § 15 Abs. 1 AGG schrift­lich gel­tend ge­macht. Die Be­zif­fe­rung oder ge­naue­re Be­gründung des Scha­den­er­satz­an­spruchs war da­bei nicht er­for­der­lich. Mit Rück­sicht auf den Norm­zweck der Frist, nicht unnötig lan­ge Do­ku­men­ta­tio­nen über den Ent­schei­dungs­pro­zess auf­be­wah­ren zu müssen, son­dern in ge­bo­te­ner Zeit von ei­ner et­wai­gen In­an­spruch­nah­me un­ter dem Ge­sichts­punkt der Dis­kri­mi­nie­rung Kennt­nis zu er­lan­gen (hier­zu: An­nuß/Rupp, in: Hens­s­ler/Wil­lem­sen/Kalb, AGG, § 15 Rn. 12 m. w. N.), genügt viel­mehr nur die Mit­tei­lung, aus der her­vor­geht, dass ein Er­satz­an­spruch we­gen ei­nes Dis­kri­mi­nie­rung gel­tend ge­macht wer­de (BAG NZA 2007, 507, 509; Schlach­ter, in: Er­fur­ter Kom­men­tar, AGG, § 15 Rn. 12 m. w. N.; Pa­landt-Wei­den­kaff, AGG, § 15 Rn. 8). So­weit ver­ein­zelt ei­ne Be­zif­fe­rung und die ge­naue An­ga­be der Gründe für die Dis­kri­mi­nie­rung ge­for­dert wird (Lin­ge­mann, in: Prütting/We­gen/Wein­reich, AGG, § 15 Rn. 17), stellt dies mit Rück­sicht auf den ge­schil­der­ten Norm­zweck zu ho­he An­for­de­run­gen, zu­mal im Zeit­punkt der frist­gemäßen Gel­tend­ma­chung ei­ne Be­zif­fe­rung häufig noch nicht möglich sein wird und die ge­naue­ren Gründe der Be­nach­tei­li­gung in der Re­gel noch nicht hin­rei­chend trans­pa­rent ge­macht sind.

Das an­walt­li­che Schrei­ben des Klägers vom 26.11.2008 erfüllt da­nach die An­for­de­run­gen an ei­ne fris­t­un­ter­bre­chen­de Gel­tend­ma­chung von Er­satz­ansprüchen. In ihm hat der Kläger deut­lich ge­macht, Er­satz­ansprüche nach § 15 Abs. 1, Abs. 2 AGG we­gen der ne­ga­ti­ven Ent­schei­dung in der Auf­sichts­rats­sit­zung vom 15.10.2008 ver­fol­gen zu wol­len.

Da dem Kläger durch die ver­bo­te­ne Be­nach­tei­li­gung Vor­tei­le in Ge­stalt ei­nes Er­werbs­ein­kom­mens ent­gan­gen sein können, be­steht auch ei­ne hin­rei­chen­de Wahr­schein­lich­keit für den Ein­tritt ei­nes Scha­dens aus dem pflicht­wid­ri­gen Ver­hal­ten der Be­klag­ten.

Sie ist nicht durch die Erwägung aus­ge­schlos­sen, der Kläger wäre auch bei be­nach­tei­li­gungs­frei­er Aus­wahl nicht ein­ge­stellt wor­den.

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Es ist schon zwei­fel­haft, ob hy­po­the­ti­sche Er­satz­ur­sa­chen bei der Er­mitt­lung des Scha­dens über­haupt Berück­sich­ti­gung fin­den können. Die­se Fra­ge ist – so­weit er­sicht­lich – zu § 15 Abs. 1 AGG bis­lang in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur nicht the­ma­ti­siert wor­den. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG enthält al­ler­dings für den im­ma­te­ri­el­len Scha­den­er­satz ei­nen Hin­weis dar­auf, dass die hy­po­the­ti­sche Erwägung, der Be­wer­ber sei auch oh­ne die Dis­kri­mi­nie­rung nicht ein­ge­stellt wor­den, nicht zur Ver­nei­nung des Scha­den­er­sat­zes führt, son­dern al­len­falls zu sei­ner Be­gren­zung. Das könn­te für den ma­te­ri­el­len Scha­den­er­satz be­deu­ten, dass auch für ihn hy­po­the­ti­sche Er­satz­ur­sa­chen kei­ne Rol­le spie­len dürfen.

Letzt­lich be­darf die Fra­ge aber kei­ner ab­sch­ließen­den Be­ur­tei­lung. Denn un­abhängig da­von hat die Be­klag­te den Ent­schei­dungs­pro­zess im Hin­blick auf den tatsächlich in der Fol­ge­zeit ein­ge­stell­ten Geschäftsführer nicht trans­pa­rent ge­macht, so dass nicht er­sicht­lich ist, ob die­ser dem Kläger im Sin­ne der Bes­ten­aus­le­se auch oh­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung vor­ge­zo­gen wor­den wäre. Der Hin­weis der Be­klag­ten auf ei­ni­ge – eher we­nig – gra­vie­ren­de Kri­tik­punk­te an der Geschäftsführung würde dafür nicht genügen, wenn man in Rech­nung stellt, dass der Kläger im Übri­gen un­strei­tig kom­pe­tent ist, darüber hin­aus zum wirt­schaft­li­chen Er­folg der Be­klag­ten bei­ge­tra­gen hat­te und – im Un­ter­schied zu Herrn Dr. T. – mit den Geschäften der Be­klag­ten be­reits ver­traut war.

b) 

Der Kläger hat ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch auf Entschädi­gung in Höhe von 36.600,- € gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Der wei­ter­ge­hen­de An­trag, der auf ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 110.000,- € als Min­dest­be­trag ab­zielt, ist da­ge­gen un­be­gründet und die Kla­ge in­so­weit ab­zu­wei­sen.
Die Haf­tung der Be­klag­ten ist im An­schluss an die vor­he­ri­gen Ausführun­gen dem Grun­de 95 nach zu be­ja­hen.

Der Höhe nach steht dem Be­trof­fe­nen gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG als Fol­ge der ver­bo­te­nen Be­nach­tei­li­gung ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung zu. Die Höhe der an­ge­mes­se­nen Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ori­en­tiert sich im Rah­men ei­nes dem Ge­richt ein­geräum­ten wei­ten Er­mes­sens­spiel­raums an sämt­li­chen Umständen des Ein­zel­fal­les. Da­bei können Art und Schwe­re der Be­nach­tei­li­gung, ih­re Dau­er und ih­re Fol­gen, der Grad des Ver­schul­dens, Häufig­keit des Ver­s­toßes so­wie in An­leh­nung an eu­ro­pa­recht­li­che Vor­ga­ben auch Präven­ti­ons- bzw. Sank­ti­ons­ge­dan­ken ei­ne Rol­le spie­len (An­nuß/Rupp, in: Hens­s­ler/Wil­lem­sen/Kalb, AGG, § 15 Rn. 8; Schlach­ter, in: Er­fur­ter Kom­men­tar, AGG, § 15 Rn. 8; Pa­landt-Wei­den­kaff, AGG, § 15 Rn. 6). An­ge­mes­sen ist da­bei ein Be­trag, der auf der ei­nen Sei­te nicht nur ge­ringfügig-sym­bo­lisch, auf der an­de­ren Sei­te nicht über­zo­gen aus­ufernd ist (vgl. Schlach­ter, in: Er­fur­ter Kom­men­tar, AGG, § 15 Rn. 8). Als Be­mes­sungs­größe bie­tet da­bei das ent­gan­ge­ne Ge­halt ein kaum ge­eig­ne­tes Kri­te­ri­um, weil sich die Be­trof­fen­heit durch ei­ne sol­che Be­nach­tei­li­gung nicht in der Höhe ei­nes Ge­halts nie­der­schlägt (Schlach­ter, in: Er­fur­ter Kom­men­tar, AGG, § 15 Rn. 8). Dem­ent­spre­chend deu­tet die Höchst­gren­ze nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG kei­ne Un­ter­gren­ze nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG an (Pa­landt-Wei­den­kaff, AGG, § 15 Rn. 6). Selbst wenn man das Ge­halt als Be­zugs­größe wählt, so ent­bin­det dies nicht von der Ein­zel­fall­be­ur­tei­lung (Lin­ge­mann, in: Prütting/We­gen/Wein­reich, AGG, § 15 Rn. 7). Wird – wie hier – ne­ben der im­ma­te­ri­el­len Entschädi­gung auch ma­te­ri­el­ler Scha­den­er­satz in Ge­stalt ent­gan­ge­nen Ge­halts gel­tend ge­macht, so ist die ma­te­ri­el­le Entschädi­gung min­dernd beim An­spruch auf im­ma­te­ri­el­len Scha­den­er­satz zu berück­sich­ti­gen (Lin­ge­mann, in: Prütting/We­gen/Wein­reich, AGG, § 15 Rn. 8).
Aus­ge­hend hier­von gilt: 

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Die Be­nach­tei­li­gung des Klägers da­durch, dass die Be­klag­te ihn we­gen sei­nes Al­ters nicht er­neut als Geschäftsführer ein­stel­len woll­te, wiegt nicht be­son­ders schwer, son­dern weist ei­nen durch­schnitt­li­chen Dis­kri­mi­nie­rungs­ge­halt auf. Zu berück­sich­ti­gen ist nämlich, dass durch die An­knüpfung an das Al­ter als Kri­te­ri­um für die Ab­leh­nung ei­ner er­neu­ten An­stel­lung ge­genüber dem Kläger bei verständi­ger Be­trach­tung nicht der Ein­druck er­weckt wur­de, er sei in­fol­ge sei­nes Al­ters nicht mehr hin­rei­chend leis­tungsfähig, um das Amt ei­nes Geschäftsführers zu be­klei­den. Viel­mehr stand die­ses un­zulässi­ge
Aus­wahl­kri­te­ri­um nur im Zu­sam­men­hang mit der zeit­li­chen Di­men­si­on ei­nes neu­en Dienst­ver­tra­ges, nicht da­ge­gen mit ei­ner et­wai­gen Leis­tungs­min­de­rung durch das Al­ter. Die Einschätzung des Klägers, es sei der Ein­druck er­weckt wor­den, er gehöre "zum al­ten Ei­sen", geht in die­ser Hin­sicht fehl. Als er­schwe­ren­de Aus­wir­kung für den Kläger ist da­bei nur zu berück­sich­ti­gen, dass der As­pekt des Al­ters durch die lo­ka­le Pres­se in die Öffent­lich­keit ge­ra­ten ist. Aber auch dort stan­den kei­ne al­ters­be­ding­ten Min­der­leis­tun­gen im Fo­kus der Be­richt­er­stat­tung, nicht der Ge­dan­ke, er gehöre "zum al­ten Ei­sen", son­dern ein Bündel an dar­ge­leg­ten po­li­ti­schen und sons­ti­gen Mo­ti­ven, die den Kläger nicht in ein schlech­tes Licht rück­ten, son­dern die ab­leh­nen­de Ent­schei­dung als mehr oder we­ni­ger, je nach Stand­punkt, ge­recht oder un­ge­recht er­schei­nen ließen. Bei ei­ner Or­gan­stel­lung mit Lei­tungs­funk­ti­on und ho­hem Ein­kom­men ist es im Übri­gen nicht ganz fern­lie­gend und auch nicht völlig über­ra­schend, dass das zuständi­ge Be­stel­lungs­or­gan der Ge­sell­schaft, wie hier, nach fünfjähri­ger Amts­zeit ei­ne Fort­set­zung des Ver­tra­ges nicht wünscht und dies – we­gen der Be­deut­sam­keit der Ent­schei­dung – in die me­dia­le Öffent­lich­keit gerät.

Los­gelöst von der un­er­laub­ten Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung hätte der Auf­sichts­rat im Rah­men sei­nes un­ter­neh­me­ri­schen Er­mes­sens aus bil­li­gens­wer­ten Gründen, die den Re­ge­lun­gen des AGG nicht zu­wi­der­lau­fen, ei­ne Fort­set­zung des Ver­tra­ges ab­leh­nen können. Da­mit muss­te der Kläger rech­nen, zu­mal sein Dienst­ver­trag oh­ne­hin die Möglich­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung mit ei­ner Kündi­gungs­frist von neun Mo­na­ten vor­sah.

Da­mit ist ein Ver­schul­den des Auf­sichts­ra­tes nicht als son­der­lich gra­vie­rend ein­zu­stu­fen, so dass auch der Sank­ti­ons- und Präven­ti­ons­ge­dan­ke kei­ne son­der­lich ho­he Entschädi­gungs­sum­me er­for­dert. Dafür spricht auch, dass ei­ne fach­li­che Un­zu­frie­den­heit von Tei­len des Auf­sichts­ra­tes im Vor­feld der ei­gent­li­chen Auf­sichts­rats­sit­zung vor­han­den war, un­abhängig von der Fra­ge, ob die­se be­rech­tigt war oder nicht, so­wie ob und in­wie­weit man den Kläger im Vor­feld der Ent­schei­dung darüber in Kennt­nis ge­setzt hat­te. Der Kläger selbst hat durch Vor­la­ge der Kor­re­spon­denz zwi­schen ihm und Herrn Q. im
Vor­feld der ent­schei­den­den Auf­sichts­rats­sit­zung je­den­falls ge­zeigt, dass ei­ne Un­zu­frie­den­heit in die­ser Hin­sicht ihm ge­genüber durch Herrn Q. mit­ge­teilt wur­de. Von Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung war zu die­ser Zeit noch kei­ne Re­de. Ein dar­aus fol­gen­des Mo­tivbündel schließt zwar, wie oben dar­ge­legt, ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung nicht aus, sie min­dert aber die In­ten­sität der Dis­kri­mi­nie­rung und den Grad des Ver­schul­dens. Will man in An­se­hung die­ser Umstände die Aus­wir­kung der Be­nach­tei­li­gung ma­te­ri­ell fas­sen, so kann im An­satz auf die zwi­schen den Par­tei­en im Dienst­ver­trag für den Fall der
or­dent­li­chen Kündi­gung vor­ge­se­he­ne Entschädi­gung in Höhe von drei Brut­to­mo­nats­gehältern ab­ge­stellt wer­den.

Im Hin­blick dar­auf, dass der Kläger mit sei­nem Fest­stel­lungs­an­trag letzt­lich ei­ne ge­halts­be­zo­ge­ne ma­te­ri­el­le Entschädi­gung be­gehrt, be­darf auch die­ser As­pekt ei­ner Min­de­rung der im­ma­te­ri­el­len Entschädi­gung.

All dies lässt bei Würdi­gung sämt­li­cher Umstände ei­ne Entschädi­gung in Höhe von zwei Brut­to­mo­nats­gehältern, al­so ei­nen Be­trag von – ab­ge­run­det – 36.600,- € als an­ge­mes­sen er­schei­nen.

Mit Rück­sicht auf die Höhe des Entschädi­gungs­be­tra­ges, der drei Mo­nats­brut­to-Gehälter 

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un­ter­schrei­tet, kommt es auf die Kau­sa­litätserwägun­gen nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG nicht an.

Der Zins­an­spruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB i. V. mit § 291 BGB. 

3. 

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. 

Die Ent­schei­dung über die vorläufi­ge Voll­streck­bar­keit be­ruht auf den §§ 708 Nr. 10; 711 107
ZPO.

4. 

Der Se­nat lässt die Re­vi­si­on gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Die Rechts­sa­che hat grundsätz­li­che Be­deu­tung. Die An­wen­dung und Reich­wei­te des AGG für Or­gan­mit­glie­der von Ge­sell­schaf­ten ist bis­lang in der Recht­spre­chung nicht be­han­delt wor­den. Da­bei ist denk­bar, dass sol­che Fra­gen für ei­ne Viel­zahl von Fällen, in de­nen Or­ga­ne von
Ge­sell­schaf­ten durch ei­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne des AGG be­trof­fen sein können, in Be­tracht kom­men.

III.

Der Streit­wert für das Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird auf 638.000,- € fest­ge­setzt.

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