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BVerfG, Be­schluss vom 18.06.2008, 2 BvL 6/07

   
Schlagworte: Beamtenverhältnis, Teilzeitbeschäftigung
   
Gericht: Bundesverfassungsgericht
Aktenzeichen: 2 BvL 6/07
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 18.06.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Verwaltungsgerichtshof München
   

BUN­DES­VER­FASSUN­GS­GERICHT

- 2 BvL 6/07 -


IM NA­MEN DES VOL­KES

In dem Ver­fah­ren
zur ver­fas­sungs­recht­li­chen Prüfung,

ob § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG in der bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Fas­sung mit Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ver­ein­bar ist,

- Aus­set­zungs- und Vor­la­ge­be­schluss des Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs vom 27. Au­gust 2007 - 3 B 05.2471 -

hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt - Zwei­ter Se­nat - un­ter Mit­wir­kung der Rich­te­rin­nen und Rich­ter
Vi­ze­präsi­dent Voßkuh­le,
Broß,

Os­ter­loh,

Di Fa­bio,

Mel­ling­hoff,

Lübbe-Wolff,

Ger­hardt,

Land­au


am 18. Ju­ni 2008 be­schlos­sen:

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§ 85 Ab­satz 4 Satz 2 des Ge­set­zes über die Ver­sor­gung der Be­am­ten und Rich­ter in Bund und Ländern (Be­am­ten­ver­sor­gungs­ge­setz - Be­amt­VG) in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 16. März 1999 (Bun­des­ge­setz­blatt Teil I Sei­te 322) ist mit Ar­ti­kel 3 Ab­satz 3 Satz 1 des Grund­ge­set­zes un­ver­ein­bar und nich­tig, so­weit hier­durch die An­wend­bar­keit des § 14 Ab­satz 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 des Ge­set­zes über die Ver­sor­gung der Be­am­ten und Rich­ter in Bund und Ländern (Be­am­ten­ver­sor­gungs­ge­setz - Be­amt­VG) in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 30. Ju­ni 1989 (Bun­des­ge­setz­blatt Teil I Sei­te 1282) auf die Teil­zeit­beschäfti­gung an­ge­ord­net wird.

G r ü n d e :

A.

Die Vor­la­ge be­trifft die Fra­ge, ob die Be­rech­nung des Ru­he­ge­halts­sat­zes teil-zeit­beschäftig­ter Be­am­ter nach der Über­g­angs­vor­schrift des § 85 Abs. 4 Satz 2 Be­amt­VG mit dem Grund­ge­setz ver­ein­bar ist.

I.

1. Die Höhe des Ru­he­ge­halts ei­nes Be­am­ten be­stimmt sich nach von Hun­dertsätzen der ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­bezüge (sog. Ru­he­ge­haltssätze). Die Be­rech­nung der Ru­he­ge­haltssätze voll­zog sich bis zum 31. De­zem­ber 1991 nach ei­nem de­gres­si­ven Mo­dell. Mit In­kraft­tre­ten des § 118 Abs. 1 Satz 1 BBG, der Vorgänger­re­ge­lung von § 14 Be­amt­VG, am 1. Sep­tem­ber 1953 (BGBl I S. 551) wur­de für al­le Lauf­bah­nen ein­heit­lich fest­ge­setzt, dass das Ru­he­ge­halt bei Voll­endung ei­ner zehnjähri­gen ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­zeit 35 v.H. be­trug, mit je­dem wei­te­ren Dienst­jahr bis zum 25. Dienst­jahr um 2 v.H., dann um 1 v.H. der ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­bezüge bis zu ei­nem Höchstru­he­ge­halts­satz von 75 v.H. stieg.

2. Mit Einführung der ar­beits­markt­po­li­ti­schen Teil­zeit im Jah­re 1980 wur­den Kürzun­gen im Be­reich der Ru­he­ge­halts­ver­sor­gung teil­zeit­beschäftig­ter Be­am­ter vor­ge­nom­men. Das Drit­te Ge­setz zur Ände­rung dienst­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom

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10. Mai 1980 (BGBl I S. 561) sah ei­ne pau­scha­le Ver­min­de­rung des Ru­he­ge­halts­sat­zes vor. Der bei Teil­zeit­be­am­ten durch die ge­rin­ge­re ru­he­ge­haltfähi­ge Dienst­zeit im Ver­gleich zu Voll­zeit­be­am­ten bei glei­cher Ge­samt­dienstlänge be­reits ge­rin­ge­re Ru­he­ge­halts­satz (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 3 Be­amt­VG) wur­de zusätz­lich für je­des Jahr, um wel­ches die ru­he­ge­haltfähi­ge Dienst­zeit hin­ter der Zeit zurück­bleibt, die der Be­am­te oh­ne Teil­zeittätig­keit hätte er­rei­chen können, um 0,5 v.H. gekürzt (sog. Ver­sor­gungs­ab­schlag, vgl. BT­Drucks 8/3005, S. 3 f.).

3. Das Fünf­te Ge­setz zur Ände­rung dienst­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 25. Ju­li 1984 (BGBl I S. 998) er­setz­te die pau­scha­le Ver­min­de­rung des Ru­he­ge­halts­sat­zes mit Wir­kung vom 1. Au­gust 1984 durch ei­ne zeit­an­tei­li­ge Be­rech­nung. Die maßge­ben­de Vor­schrift des § 14 Abs. 1 Be­amt­VG wur­de in der Fol­ge­zeit geändert und lau­tet in der Fas­sung des Ach­ten Ge­set­zes zur Ände­rung dienst­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 30. Ju­ni 1989 (BGBl I S. 1282) wie folgt:

Das Ru­he­ge­halt beträgt bis zur Voll­endung ei­ner zehnjähri­gen ru­he­ge­halt-fähi­gen Dienst­zeit fünf­und­dreißig vom Hun­dert und steigt mit je­dem wei­te­ren Dienst­jahr bis zum voll­ende­ten fünf­und­zwan­zigs­ten Dienst­jahr um zwei vom Hun­dert, von da ab um eins vom Hun­dert der ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­bezüge bis zum Höchst­satz von fünf­und­sieb­zig vom Hun­dert, wo­bei ein Rest der ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­zeit von mehr als ein­hun­dert­zwei­und­acht­zig Ta­gen als voll­ende­tes Dienst­jahr gilt; bei Teil­zeit­beschäfti­gung, ermäßig­ter Ar­beits­zeit oder Ur­laub wird der sich oh­ne die­se Frei­stel­lun­gen vom Dienst nach Halb­satz 1 er­ge­ben­de Ru­he­ge­halts­satz vor An­wen­dung des Höchst­sat­zes in dem Verhält­nis ver­min­dert, in dem die ru­he­ge­haltfähi­ge Dienst­zeit zu der Zeit steht, die oh­ne die­se Frei­stel­lun­gen als ru­he­ge­haltfähi­ge Dienst­zeit er­reicht wor­den wäre, wo­bei ein Rest auf zwei Stel­len nach dem Kom­ma nach oben ab­ge­run­det wird, je­doch nicht un­ter fünf­und­dreißig und nicht über fünf­und­sieb­zig vom Hun­dert; Halb­satz 2 gilt auch für Teil­zeit­beschäfti­gung, ermäßig­te Ar­beits­zeit und Ur­laub während ei­ner Beschäfti­gung außer­halb des Be­am­ten­verhält­nis­ses, nicht je­doch für ei­nen Ur­laub in­ner­halb oder außer­halb des Be­am­ten­verhält­nis­ses, bei dem spätes­tens bei sei­ner Be­en­di­gung schrift­lich zu­ge­stan­den wor­den ist, dass er öffent­li­chen Be­lan­gen oder dienst­li­chen In­ter­es­sen dient, und für ei­nen Er­zie­hungs­ur­laub so­wie für die in ei­ne Frei­stel­lung vom Dienst nach § 72a oder § 79a des Bun­des­be­am­ten­ge­set­zes oder ent­spre­chen­dem Lan­des­recht fal­len­de Kin­der­er­zie­hungs­zeit bis zu ei­nem Jahr von der Ge­burt des Kin­des an. [...].

Der Ru­he­ge­halts­satz ei­nes Teil­zeit­be­am­ten be­rech­net sich auf­grund die­ser Vor­schrift nach ei­nem Zeit-Zeit-Verhält­nis. Aus Sicht des Ge­setz­ge­bers soll­te dies un­ter Berück­sich­ti­gung der de­gres­si­ven Ru­he­ge­halts­ta­bel­le zu ge­rech­te­ren Er­geb­nis­sen führen als ein star­res Ab­schlags­sys­tem (vgl. BRDrucks 463/83, S. 15 f.). Der fik­ti­ve Ru­he­ge­halts­satz, wel­chen der Be­am­te er­reicht hätte, wenn er

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sei­ne Dienst­zeit in Voll­zeit er­bracht hätte, wird im Verhält­nis der Ist-ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­zeit zur Soll-ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­zeit ei­nes ver­gleich­ba­ren Voll­zeit­beschäftig­ten gekürzt. Als Un­ter­gren­ze gilt ein Ru­he­ge­halts­satz von 35 v.H. Im Ge­gen­satz zur pau­scha­len Kürzung des Ru­he­ge­halts er­fasst die­se Be­rech­nung nun­mehr nicht nur die ar­beits­markt­po­li­ti­sche, son­dern auch die fa­mi­li­en­po­li­ti­sche Teil­zeit. Die Kom­bi­na­ti­on von de­gres­si­ver Ru­he­ge­halts­ta­bel­le und Ver­sor­gungs­ab­schlag führt da­zu, dass ein Teil­zeit­be­am­ter mit glei­cher ru­he-ge­haltfähi­ger Dienst­zeit bei Über­schrei­ten ei­ner ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­zeit von zehn Jah­ren ei­nen ge­rin­ge­ren Ru­he­ge­halts­satz im Ver­gleich zu ei­nem Voll­zeit­be­am­ten erhält. Die Bun­des­re­gie­rung war der Mei­nung, dies stel­le ei­nen gang­ba­ren Mit­tel­weg zwi­schen ei­nem ar­beits­markt­po­li­tisch erwünsch­ten An­reiz zur Teil­zeit­beschäfti­gung oder Be­ur­lau­bung und der un­ab­wend­bar not­wen­di­gen Kos­ten­be­gren­zung dar und er­schei­ne ver­sor­gungs­recht­lich ge­bo­ten. Die Re­ge­lun­gen würden auf dem das Be­am­ten­verhält­nis be­stim­men­den Grund­satz be­ru­hen, dass der Be­am­te ab Ein­tritt in das Be­am­ten­verhält­nis bis zum Ver­sor­gungs­fall sei­ne Ar­beits­kraft dem Dienst­herrn in vol­lem Um­fang zur Verfügung zu stel­len ha­be (vgl. BT­Drucks 10/5082, S. 4; vgl. eben­so BT­Drucks 11/729, S. 9).

4. Durch das Ge­setz zur Ände­rung des Be­am­ten­ver­sor­gungs­ge­set­zes und sons­ti­ger dienst- und ver­sor­gungs­recht­li­cher Vor­schrif­ten (Be­amt­VGÄndG) vom 18. De­zem­ber 1989 (BGBl I S. 2218) wur­de die bis­he­ri­ge de­gres­si­ve Ru­he­ge­halts­ska­la mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 1992 durch ei­ne li­nea­re Ru­he­ge­halts­ska­la mit ein­heit­li­chem Stei­ge­rungs­satz ab­gelöst. Der Höchstru­he­ge­halts­satz wur­de nicht mehr wie bis­her nach 35 Jah­ren, son­dern erst nach 40 ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­jah­ren er­reicht. § 14 Be­amt­VG lau­te­te - aus­zugs­wei­se - im Wort­laut:

Das Ru­he­ge­halt beträgt für je­des Jahr ru­he­ge­haltfähi­ger Dienst­zeit 1,875 vom Hun­dert der ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­bezüge (§ 5), ins­ge­samt je­doch höchs­tens fünf­und­sieb­zig vom Hun­dert. Der Ru­he­ge­halts­satz ist auf zwei De­zi­mal­stel­len aus­zu­rech­nen, wo­bei die zwei­te Stel­le um eins zu erhöhen ist, wenn in der drit­ten Stel­le ein Rest ver­bleibt. [...].

Da der Ru­he­ge­halts­satz nun­mehr punkt­ge­nau be­rech­net wur­de, be­durf­te es kei­nes Ver­sor­gungs­ab­schlags mehr. Die Vor­schrift wur­de in der Fol­ge­zeit mehr­fach geändert, zu­letzt durch Art. 1 Nr. 11 Buchst. a des Ver­sor­gungsände­rungs­ge­set­zes 2001 vom 20. De­zem­ber 2001 (BGBl I S. 3926). Hier­durch wur­de der Vom­hun­dert­satz für je­des Jahr ru­he­ge­haltfähi­ger Dienst­zeit auf 1,79375 ge­min-

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dert und der höchs­te er­reich­ba­re Ru­he­ge­halts­satz von 75 v.H. auf 71,75 v.H. ab­ge­senkt.

§ 85 Be­amt­VG sah ei­ne ent­spre­chen­de Über­g­angs­vor­schrift vor. Die­se re­gelt die Be­rech­nung des Ru­he­ge­halts von Be­am­ten, de­ren Be­am­ten­verhält­nis be­reits am 31. De­zem­ber 1991 be­stand. Nach dem Ge­setz zur Ände­rung des Be­am­ten­ver­sor­gungs­ge­set­zes und sons­ti­ger dienst- und ver­sor­gungs­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 18. De­zem­ber 1989 (BGBl I S. 2218) lau­tet die Vor­schrift - aus­zugs­wei­se - wie folgt:

§ 85
Ru­he­ge­halts­satz für am 31. De­zem­ber 1991 vor­han­de­ne Be­am­te

(1) Hat das Be­am­ten­verhält­nis, aus dem der Be­am­te in den Ru­he­stand tritt, oder ein un­mit­tel­bar vor­an­ge­hen­des an­de­res öffent­lich-recht­li­ches Dienst­verhält­nis be­reits am 31. De­zem­ber 1991 be­stan­den, bleibt der zu die­sem Zeit­punkt er­reich­te Ru­he­ge­halts­satz ge­wahrt. Da­bei rich­tet sich die Be­rech­nung der ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­zeit und des Ru­he­ge­halts­sat­zes nach dem bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Recht. Der sich nach den Sätzen 1 und 2 er­ge­ben­de Ru­he­ge­halts­satz steigt mit je­dem Jahr, das vom 1. Ja­nu­ar 1992 an nach dem von die­sem Zeit­punkt an gel­ten­den Recht als ru­he­ge­haltfähi­ge Dienst­zeit zurück­ge­legt wird, um eins vom Hun­dert der ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­bezüge bis zum Höchst­satz von fünf­und­sieb­zig vom Hun­dert; in­so­weit gilt § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 ent­spre­chend. Bei der An­wen­dung von Satz 3 blei­ben Zei­ten bis zur Voll­endung ei­ner zehnjähri­gen ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­zeit außer Be­tracht; § 13 Abs. 1 fin­det in der bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Fas­sung An­wen­dung. § 14 Abs. 3 fin­det An­wen­dung.

(2) [...].

(3) Hat das Be­am­ten­verhält­nis, aus dem der Be­am­te in den Ru­he­stand tritt, oder ein un­mit­tel­bar vor­an­ge­hen­des an­de­res öffent­lich-recht­li­ches Dienst­verhält­nis be­reits am 31. De­zem­ber 1991 be­stan­den und er­reicht der Be­am­te vor dem 1. Ja­nu­ar 2002 die für ihn je­weils maßge­ben­de ge­setz­li­che Al­ters­gren­ze, so rich­tet sich die Be­rech­nung der ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst-zeit und des Ru­he­ge­halts­sat­zes nach dem bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Recht. Satz 1 gilt ent­spre­chend, wenn ein von die­ser Vor­schrift er­fass­ter Be­am­ter vor dem Zeit­punkt des Er­rei­chens der je­weils maßge­ben­den ge­setz­li­chen Al­ters­gren­ze we­gen Dienst­unfähig­keit oder auf An­trag in den Ru­he­stand ver­setzt wird oder ver­stirbt.

(4) Der sich nach Ab­satz 1, 2 oder 3 er­ge­ben­de Ru­he­ge­halts­satz wird der Be­rech­nung des Ru­he­ge­hal­tes zu­grun­de ge­legt, wenn er höher ist als der Ru­he­ge­halts­satz, der sich nach die­sem Ge­setz für die ge­sam­te ru­he­ge­halt-fähi­ge Dienst­zeit er­gibt. Der sich nach Ab­satz 1 er­ge­ben­de Ru­he­ge­halts-

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satz darf den Ru­he­ge­halts­satz, der sich nach dem bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Recht ergäbe, nicht über­stei­gen.

[...].

Noch vor ih­rem In­kraft­tre­ten wur­de die Vor­schrift durch das Fünf­te Ge­setz zur Ände­rung be­sol­dungs­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 28. Mai 1990 (BGBl I S. 967) in Abs. 1 Satz 2 um ei­nen Halb­satz ergänzt:

Da­bei rich­tet sich die Be­rech­nung der ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­zeit und des Ru­he­ge­halts­sat­zes nach dem bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Recht; § 14 Abs. 1 Satz 1 Halb­satz 2 und 3 fin­det hier­bei kei­ne An­wen­dung.

Da­mit soll­te er­reicht wer­den, dass die Re­ge­lun­gen über den Ver­sor­gungs­ab­schlag des bis­he­ri­gen Rechts bei der Er­mitt­lung der nach dem Stand vom 31. De­zem­ber 1991 er­wor­be­nen Ver­sor­gungs­an­wart­schaf­ten nicht mehr an­ge­wen­det würden. Zur Be­gründung wur­de an­geführt, die Ver­sor­gungs­ab­schlags­re­ge­lung sol­le von ih­rer Kon­zep­ti­on auf die Le­bens­ar­beits­zeit ab­stel­len, die ein Be­am­ter oh­ne Frei­stel­lun­gen vom Dienst er­reicht hätte (Soll-Le­bens­ar­beits­zeit). An­sons­ten würde die An­wen­dung der Vor­schrift bei der Er­mitt­lung des Ru­he­ge­halts­sat­zes zum Stich­tag 31. De­zem­ber 1991 zu Er­geb­nis­sen führen, die mit der in­ne­ren Lo­gik der Re­ge­lung nicht mehr voll in Ein­klang ste­he (vgl. BRDrucks 13/1/90, S. 31). Die Ände­rung kom­me in ers­ter Li­nie Be­am­tin­nen zu Gu­te, die von der Möglich­keit der Teil­zeit­beschäfti­gung Ge­brauch ge­macht hätten (so BT­Drucks 11/6835, S. 58).

5. Für Teil­zeit­be­am­te, die be­reits am 31. De­zem­ber 1991 im Be­am­ten­verhält­nis stan­den, be­rech­net sich der Ru­he­ge­halts­satz für die hier vor­lie­gen­de Kon­stel­la­ti­on wie folgt:

Nach § 85 Abs. 1 Be­amt­VG wird der Ru­he­ge­halts­satz be­rech­net, wel­chen der Be­am­te bis zum Zeit­punkt des In­kraft­tre­tens der Neu­re­ge­lung zum 31. De­zem­ber 1991 er­reicht hat. Auf­grund der Ergänzung in § 85 Abs. 1 Satz 2 Be­amt­VG wird § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG a.F. in die­sem Fall nicht an­ge­wandt, mit­hin er­folgt kein Ver­sor­gungs­ab­schlag. Die­sem so er­rech­ne­ten Ru­he­ge­halts­satz wird für je­des wei­te­re ru­he­ge­haltfähi­ge Dienst­jahr ab dem 1. Ja­nu­ar 1992 eins vom Hun­dert hin­zu­ad­diert.

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Der Be­rech­nung wird nach § 85 Abs. 4 Satz 1 Be­amt­VG ei­ne sol­che bei durchgängi­ger An­wen­dung des ab dem 1. Ja­nu­ar 1992 gel­ten­den Rechts, das heißt un­ter Zu­grun­de­le­gung der li­nea­ren Ru­he­ge­halts­ta­bel­le, ge­genüber­ge­stellt. Ist der sich aus der Be­rech­nung nach § 85 Abs. 1 Be­amt­VG er­ge­ben­de Satz höher, ist die­ser gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 Be­amt­VG an­zu­wen­den.

In der Höhe be­grenzt ist der Ru­he­ge­halts­satz je­doch nach § 85 Abs. 4 Satz 2 Be­amt­VG durch den­je­ni­gen, wel­cher sich bei durchgängi­ger An­wen­dung der bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Rechts­la­ge er­gibt. Da­her wird in ei­nem wei­te-ren Schritt der Ru­he­ge­halts­satz nach der de­gres­si­ven Ta­bel­le un­ter Ein­be­zie­hung des Ver­sor­gungs­ab­schla­ges be­rech­net. Die­ser Ru­he­ge­halts­satz ist maßge­bend, wenn er un­ter dem nach § 85 Abs. 1 Be­amt­VG er­mit­tel­ten Satz liegt.

II.

1. Die Kläge­rin des Aus­gangs­ver­fah­rens wur­de 1971 in das Be­am­ten­verhält­nis über­nom­men und 1973 zur Be­am­tin auf Le­bens­zeit er­nannt. Bis zu ih­rer Ver­set­zung in den Ru­he­stand we­gen Dienst­unfähig­keit mit Wir­kung vom 1. Au­gust 1998 war sie weit über­wie­gend teil­zeit­beschäftigt. Ihr Ru­he­ge­halts­satz wur­de wie folgt be­stimmt: Als Ru­he­ge­halts­satz gemäß der li­nea­ren Ru­he­ge­halts­ta­bel­le nach dem ab dem 1. Ja­nu­ar 1992 gel­ten­den Recht wur­den 47,12 v.H. er­mit­telt. Die Misch­be­rech­nung nach § 85 Abs. 1 Be­amt­VG er­gab ei­nen höhe­ren und da­her gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 Be­amt­VG der wei­te­ren Be­rech­nung zu­grun­de­zu­le­gen­den Ru­he­ge­halts­satz von 62,86 v.H. Der Ru­he­ge­halts­satz, der sich bei durchgängi­ger An­wen­dung des bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Rechts er­gab, be­trug dem­ge­genüber 57,73 v.H. Da gemäß § 85 Abs. 4 Satz 2 Be­amt­VG die­ser Satz nicht über­stie­gen wer­den durf­te, wur­de er als der für die Kläge­rin des Aus­gangs­ver­fah­rens maßgeb­li­che fest­ge­setzt.

Wi­der­spruch und Kla­ge blie­ben er­folg­los.

Nach dem Ur­teil des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten vom 23. Ok­to­ber 2003 (C-4/02 und C-5/02 -, Slg. I-2003, 12575), mit dem für den Fall des Feh­lens ei­ner ob­jek­ti­ven Recht­fer­ti­gung die Un­ver­ein­bar­keit von § 14 Be­amt­VG a.F. mit Ge­mein­schafts­recht fest­ge­stellt wor­den war, und Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts (Ur­tei­le vom 25. Mai 2005 - 2 C 14.04 -,

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NVwZ 2005, S. 1080 und - 2 C 6.04 -, DÖD 2006, S. 171) ließ die Ver­sor­gungs­behörde für den Beschäfti­gungs­zeit­raum der Kläge­rin ab dem 17. Mai 1990 den Ver­sor­gungs­ab­schlag un­berück­sich­tigt und setz­te den Ru­he­ge­halts­satz mit Wir­kung vom Da­tum der Ru­he­stands­ver­set­zung auf 62,33 v.H. fest. Der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten hat­te die Wir­kung sei­ner Ent­schei­dung auf den Zeit­raum ab dem 17. Mai 1990 be­grenzt (vgl. EuGH, Ur­teil vom 23. Ok­to­ber 2003 - C-4/02 und C-5/02 -, Slg. I-2003, 12575 <12642 ff.> un­ter Ver­weis auf das Ur­teil vom 17. Mai 1990 - C-262/88 -, Bar­ber, Slg. I-1990, 1889).


2. Der Baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat im Be­ru­fungs­ver­fah­ren den Rechts­streit aus­ge­setzt und dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die Fra­ge zur Ent­schei­dung vor­ge­legt, ob § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG in der bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Fas­sung mit Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ver­ein­bar ist.


Die Ver­fas­sungs­wid­rig­keit der an­ge­grif­fe­nen Norm er­ge­be sich aus dem Ver­s­toß ge­gen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Ei­ne An­knüpfung an das Ge­schlecht lie­ge auch vor, wenn ei­ne ge­schlechts­neu­tral for­mu­lier­te Re­ge­lung über­wie­gend Frau­en tref­fe und dies auf natürli­che oder ge­sell­schaft­li­che Un­ter­schie­de zwi­schen den Ge­schlech­tern zurück­zuführen sei. Die Re­ge­lung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG be­inhal­te zu­min­dest ei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung von Frau­en, da der Pro­zent­satz der teil­zeit­beschäftig­ten Be­am­tin­nen in Re­la­ti­on zu ih­rer Beschäftig­ten­zahl er­heb­lich höher sei als der der teil­zeit­beschäftig­ten Be­am­ten ins­ge­samt. Ei­ne Recht­fer­ti­gung hierfür feh­le. Zwin­gen­de Gründe für ei­ne Un­gleich­be­hand­lung weib­li­cher Teil­zeit­beschäftig­ter ge­genüber Voll­zeit­beschäftig­ten sei­en nicht ge­ge­ben. Aus dem Um­stand, dass der An­spruch auf Teil­zeit­beschäfti­gung zunächst für die Be­treu­ung von Kin­dern bis zum 16. Le­bens­jahr als Frau­enförde­rungs­maßnah­me auf Mütter be­schränkt ge­we­sen sei, fol­ge, dass dem Ge­setz­ge­ber ha­be klar sein müssen, dass die Min­de­rung des Ru­he­ge­halts­sat­zes durch den Ver­sor­gungs­ab­schlag sich in ers­ter Li­nie und zah­lenmäßig vor­wie­gend auf Frau­en aus­wir­ken würde.

III.

Zu der Vor­la­ge ha­ben die Bun­des­re­gie­rung, die Baye­ri­sche Staats­re­gie­rung, der Deut­sche Ge­werk­schafts­bund, der Deut­sche Rich­ter­bund, die Ge­werk­schaft der Po­li­zei und das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Stel­lung ge­nom­men.
 


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1. Nach Auf­fas­sung der Bun­des­re­gie­rung ist § 14 Be­amt­VG a.F. kei­ne mit­tel-bar dis­kri­mi­nie­ren­de Vor­schrift, weil sie die von der Grup­pe der Voll­zeit­be­am­ten und -be­am­tin­nen zu un­ter­schei­den­de Grup­pe der Teil­zeit­be­am­ten und - be­am­tin­nen tref­fe.

Der be­haup­te­te Ver­s­toß ge­gen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG set­ze vor­aus, dass Teil­zeit­be­am­te und Voll­zeit­be­am­te gleich be­han­delt wer­den müss­ten, was je­doch ge­ra­de nicht der Fall sei. Ei­ne Norm sei nur dann mit Art. 3 GG un­ver­ein­bar, wenn ei­ne Per­so­nen­grup­pe im Ver­gleich zu ei­ner an­de­ren schlech­ter ge­stellt wer­de, oh­ne dass zwi­schen bei­den Grup­pen Un­ter­schie­de von sol­cher Art und sol­chem Ge­wicht bestünden, dass sie die Schlech­ter­stel­lung recht­fer­ti­gen könn­ten. Bei Voll- und Teil­zeit­be­am­ten han­de­le es sich nicht um im Sin­ne der ge­nann­ten For­mel ver­gleich­ba­re Grup­pen. Da Teil­zeit- und Voll­zeit­be­am­te die glei­che An­zahl von Dienst­stun­den nicht in der glei­chen An­zahl von Dienst­jah­ren er­rei­chen könn­ten, benötig­ten Teil­zeit­be­am­te mehr Dienst­jah­re, um die­sel­be Dienst­zeit wie ein Voll­zeit­be­am­ter zu er­rei­chen. Da­mit er­lang­ten sie je­doch ein höhe­res Be­sol­dungs­dienst­al­ter und da­mit auch ei­ne höhe­re Be­sol­dung. So­mit stei­ge auch die Ver­sor­gung un­abhängig vom in­ne­ge­hab­ten Amt.

Würde man die­sen Un­ter­schied nicht berück­sich­ti­gen, hätte dies ei­ne un­ge­recht­fer­tig­te Bes­ser­stel­lung der Teil­zeit­be­am­ten zur Fol­ge.

Selbst wenn man je­doch die Grup­pe der Voll­zeit- und der Teil­zeit­be­am­ten für ver­gleich­bar hal­te, sei de­ren Un­gleich­be­hand­lung in Fra­gen der Ver­sor­gung sach­lich ge­recht­fer­tigt. Der Ver­sor­gungs­ab­schlag ste­he mit Art. 33 Abs. 5 GG in Ein­klang. Im Hin­blick auf das Verhält­nis von Dienst­leis­tung und Ali­men­ta­ti­on sei es ge­bo­ten, bei der Be­rech­nung der Ver­sor­gung zu berück­sich­ti­gen, dass der Be­am­te nicht Voll-, son­dern Teil­zeit ge­ar­bei­tet ha­be. Der Ver­sor­gungs­ab­schlag führe zur ge­bo­te­nen Pro­por­tio­na­lität von Dienst­leis­tung und Ver­sor­gung. Das Be­sol­dungs­recht und ihm fol­gend das Ver­sor­gungs­recht ba­sier­ten auf dem Ge­dan­ken, dass der Be­am­te bis zur Ver­set­zung in den Ru­he­stand voll­zeit­beschäftigt sei. Die Teil­zeit­beschäfti­gung wi­der­spre­che an sich den Grundsätzen der Haupt­be­ruf­lich­keit und der Ali­men­ta­ti­on auf Le­bens­zeit, wel­che zu den ele­men­ta­ren Struk­tur­prin­zi­pi­en des Be­rufs­be­am­ten­tums gehörten. Aus der be­son­de­ren ge­gen­sei­ti­gen Bin­dung des öffent­lich-recht­li­chen Dienst- und Treue­verhält­nis­ses fol­ge, dass der Be­am­te als Träger öffent­li­cher Ge­walt dem Dienst­herrn we­sent­lich mehr schul­de als le­dig­lich ei­ne zeit­lich be­grenz­te Führung der Amts­geschäfte. Bei der Be­rech­nung der amts­an­ge­mes­se­nen Ali­men­ta­ti­on ha­be der Ge­setz­ge­ber ei­nen wei­ten Ge­s­tal-

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tungs­spiel­raum. Die Ein­schnit­te in der Ver­sor­gung durch den Ver­sor­gungs­ab­schlag al­ter Art sei­en ge­ra­de für Teil­zeit­be­am­te sys­tem­be­dingt ge­we­sen. Un­ter Ver­weis auf die de­gres­si­ve Ru­he­ge­halts­ska­la und die Run­dungs­re­ge­lung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Halb­satz 1 Be­amt­VG führt die Bun­des­re­gie­rung an, dass ei­ne Nicht­berück­sich­ti­gung die­ser Umstände zu ei­ner nicht ge­recht­fer­tig­ten Bes­ser­stel­lung der Teil­zeit­be­am­ten ge­genüber den Voll­zeit­be­am­ten geführt hätte. Aus Gründen der Sys­tem- und Ein­zel­fall­ge­rech­tig­keit ha­be da­her statt ei­nes star­ren Ab­schlags ei­ne Be­rech­nungs­for­mel gewählt wer­den müssen, die das Zeit-Zeit-Verhält­nis wi­der­spie­ge­le. Die­se für den Ein­zel­fall an­hand der Re­ge­lung des Ver­sor­gungs­ab­schlags al­ter Art durch­geführ­te Be­rech­nung stel­le erst die ge­bo­te­ne Pro­por­tio­na­lität zwi­schen Dienst­leis­tung und Ver­sor­gung her. Die­se gewähl­te For­mel be­we­ge sich in­ner­halb des wei­ten Ge­stal­tungs­spiel­raums des Ge­setz­ge­bers.

2. Auch die Baye­ri­sche Staats­re­gie­rung hält § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG in der bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Fas­sung mit Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG für ver­ein­bar. Ei­ne et­wai­ge mit­tel-ba­re Un­gleich­be­hand­lung von Frau­en sei je­den­falls ge­recht­fer­tigt, weil ei­ne Un­ter­schei­dung zwi­schen Voll­zeit- und Teil­zeit­beschäftig­ten nicht auf das Ge­schlecht be­zo­gen, son­dern in den Struk­tur­prin­zi­pi­en des Be­rufs­be­am­ten­tums be­gründet sei.

Die Ar­beits­zeit ei­nes Teil­zeit­beschäftig­ten müsse ge­ra­de nicht die glei­che Wer­tig­keit für den Er­werb von Ver­sor­gungs­an­wart­schaf­ten ha­ben wie die Ar­beits­zei­ten ei­nes Voll­zeit­beschäftig­ten. Die Be­trach­tungs­wei­se des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten, wo­nach je­de St­un­de Ar­beits­zeit gleich­sam ei­ne be­stimm­te Ver­sor­gungs­an­wart­schaft auslösen müsse - un­abhängig da­von, ob die­se in Voll­zeit- oder Teil­zeit­beschäfti­gung ge­leis­tet wor­den sei - sei im Be­am­ten­recht ge­ra­de nicht zu­tref­fend. Die Ali­men­ta­ti­on sei prin­zi­pi­ell nicht teil­bar. Würde man wie der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten for­dern, dass die Zei­ten der Teil­zeit­beschäfti­gung - un­ter pro­por­tio­na­ler Kürzung - als ru­he­ge­haltfähig zu­grun­de ge­legt wer­den, so würden die Ar­beits­zei­ten ei­ner Teil­zeit­beschäfti­gung für Zwe­cke der Be­rech­nung des Ru­he­ge­halts­sat­zes gleich­sam in die frühe­ren (ver­sor­gungs­recht­lich höher­wer­ti­gen) Jah­re „vor­ver­la­gert“. Ein hälf­tig Teil­zeit­beschäftig­ter würde in den Jah­ren 11 bis 20 ei­nen Ru­he­ge­halts­satz er­wer­ben, der nur für den Dienst in den ers­ten zehn Dienst­jah­ren voll­beschäftig­ter Be­am­ter vor­ge­se­hen war. Zur Ver­mei­dung die­ser sys­tem­wid­ri­gen Bes­ser­stel­lung sei der Ru­he­ge­halts­satz verhält­nismäßig gekürzt wor­den.

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3. Nach An­sicht des Deut­schen Ge­werk­schafts­bun­des verstößt der Ver­sor­gungs­ab­schlag ge­gen den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz und das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des Art. 3 GG. Dem Ge­setz­ge­ber sei bei Ver­ab­schie­dung des Ge­set­zes die Be­nach­tei­li­gung der Be­am­tin­nen be­wusst ge­we­sen. Teil­zeit­beschäfti­gung sei ein­geführt wor­den, um ins­be­son­de­re Frau­en, die Kin­der er­zie­hen, ei­ne Beschäfti­gung im Be­am­ten­verhält­nis zu ermögli­chen. Ei­ne sach­li­che Recht­fer­ti­gung für die Un­gleich­be­hand­lung bie­te auch das na­tio­na­le Recht nicht. Auf den Stich­tag 17. Mai 1990 kom­me es nicht an.

4. Der Deut­sche Rich­ter­bund hat von ei­ner ergänzen­den Stel­lung­nah­me ab-ge­se­hen und in tatsäch­li­cher Hin­sicht aus­geführt, auch bei Rich­te­rin­nen und Staats­anwältin­nen kom­me es zu der dar­ge­leg­ten fak­ti­schen Be­nach­tei­li­gung, da Teil­zeittätig­kei­ten im Rich­ter- und Staats­an­walt­schafts­dienst weit über­wie­gend von Frau­en wahr­ge­nom­men würden.

B.

Die Vor­la­ge ist zulässig.

Der Baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat sei­ne Über­zeu­gung von der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit des § 85 Abs. 4 Satz 2 Be­amt­VG in Ver­bin­dung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG in der bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Fas­sung so­wie die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit die­ser Be­stim­mun­gen aus­rei­chend dar­ge­legt.

1. Der Baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat nach­voll­zieh­bar und des­halb für das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt bin­dend dar­ge­legt, dass es bei der Gültig­keit oder Ungültig­keit der Norm zu je­weils un­ter­schied­li­chen Er­geb­nis­sen kom­men müsse (vgl. BVerfGE 98, 169 <199>; 99, 300 <313>; 105, 61 <67>).


Im Fal­le der Gültig­keit von § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG a.F. ist bei der Be­rech­nung des Ru­he­ge­halts­sat­zes der Kläge­rin des Aus­gangs­ver­fah­rens ein Ver­sor­gungs­ab­schlag vor­zu­neh­men. An­dern­falls ist der Ru­he­ge­halts­satz auf 62,86 v.H. statt 62,33 v.H. fest­zu­set­zen. Es fehlt auch nicht des­halb an der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit, weil das vor­le­gen­de Ge­richt die Norm auf-

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grund ent­ge­gen­ste­hen­dem Ge­mein­schafts­recht nicht mehr an­wen­den darf (vgl. hier­zu BVerfGE 85, 191 <203 ff.>; 106, 275 <295>). We­gen der zeit­li­chen Be­gren­zung der Rück­wir­kung sei­ner Ent­schei­dung durch den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten (Ur­teil vom 23. Ok­to­ber 2003 - C-4/02 und C-5/02 -, Slg. I-2003, 12575) be­steht im Zeit­ab­schnitt vor dem 17. Mai 1990 kein Kon­flikt mit Ge­mein­schafts­recht.

Für die Fest­stel­lung der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit reicht es aus, dass die Ver­fas­sungs­wid­ri­gerklärung der Norm dem Grund­recht­sträger die Chan­ce of­fen hält, ei­ne für ihn güns­ti­ge Re­ge­lung durch den Ge­setz­ge­ber zu er­rei­chen (vgl. BVerfGE 61, 138 <146>; 71, 224 <228>; 74, 182 <195>; 93, 386 <395>). Dies ist der Fall, wenn der Ge­setz­ge­ber den Gleich­heits­ver­s­toß auf ver­schie­de­nen We­gen hei­len kann und ei­ne der dem Ge­setz­ge­ber mögli­chen Ent­schei­dungs­va­ri­an­ten ei­ne Re­ge­lung eröff­net, die für den be­trof­fe­nen Grund­recht­sträger güns­tig sein kann (vgl. BVerfGE 84, 233 <237>; 93, 386 <395>; 99, 69 <77>). Im Rah­men der Ände­rung der Über­g­angs­vor­schrift bleibt dem Ge­setz­ge­ber die Möglich­keit, auch bei § 85 Abs. 4 Satz 2 Be­amt­VG den Ver­sor­gungs­ab­schlag außer Be­tracht zu las­sen und die nach dem bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Recht er­mit­tel­ten Ver­sor­gungs­bezüge in die Ver­gleichs­be­trach­tung ein­zu­stel­len. Da so­mit die Chan­ce be­steht, dass der Ge­setz­ge­ber nach der Fest­stel­lung der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit der Re­ge­lung über den Ver­sor­gungs­ab­schlag die Über­g­angs­vor­schrift des § 85 Be­amt­VG da­hin­ge­hend ändert, dass sich dies für die Kläge­rin in ei­ner Erhöhung ih­res Ru­he­ge­halts­sat­zes aus­wirkt, ist die Re­ge­lung für das Aus­gangs­ver­fah­ren mit Blick auf den Prüfungs­maßstab aus Art. 3 GG ent­schei­dungs­er­heb­lich.

2. Das vor­le­gen­de Ge­richt hat sei­ne Über­zeu­gung von der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit der Norm in genügen­der Wei­se dar­ge­legt. Zwar be­darf es im Rah­men der Erörte­rung der ver­fas­sungs­recht­li­chen Vor­ga­ben, mit de­nen die zur Prüfung ge­stell­te Re­ge­lung nach An­sicht des Ge­richts nicht ver­ein­bar ist, ein­ge­hen­der, Recht­spre­chung und Schrift­tum ein­be­zie­hen­der Dar­le­gun­gen (vgl. BVerfGE 89, 329 <336 f.>). Ob­gleich dies vor­lie­gend in sehr knap­per Ausführung er­folgt, genügt der Vor­la­ge­be­schluss den sich aus Art. 100 Abs. 1 GG in Ver­bin­dung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG er­ge­ben­den An­for­de­run­gen.


3. Der Se­nat legt die Vor­la­ge da­hin­ge­hend aus, dass die Ver­fas­sungsmäßig­keit der Re­ge­lung des § 85 Abs. 4 Satz 2 Be­amt­VG in Ver­bin­dung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG a.F. zu prüfen ist. Um der Be­frie­dungs­funk­ti­on

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der Nor­men­kon­trol­le ge­recht zu wer­den, kann das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die Vor­la­ge­fra­ge präzi­sie­ren und klar­stel­len. Dies schließt die Be­fug­nis ein, die Rechts­fra­ge zu be­gren­zen, zu er­wei­tern, aus­zu­deh­nen oder um­zu­deu­ten (vgl. BVerfGE 44, 322 <337 f.>; 62, 354 <364>; 78, 132 <143>). Da die zur Prüfung vor­ge­leg­te Norm des § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG in der bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Fas­sung nur noch mit­tels der Über­g­angs­vor­schrift des § 85 Abs. 4 Satz 2 Be­amt­VG gel­ten­des Recht ist, ist die Vor­la­ge­fra­ge auch auf die­se Über­g­angs­vor­schrift aus­zu­deh­nen.


C.

Die Be­rech­nung des Ru­he­ge­halts­sat­zes un­ter Be­ach­tung der Re­ge­lung des § 85 Abs. 4 Satz 2 Be­amt­VG in Ver­bin­dung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG a.F. stellt ei­ne mit­tel­bar ge­schlechts­dis­kri­mi­nie­ren­de Re­ge­lung im Sin­ne von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG dar (I.). Die­se Dis­kri­mi­nie­rung kann nicht in verhält­nismäßiger Wei­se durch sons­ti­ge Güter von Ver­fas­sungs­rang ge­recht­fer­tigt wer­den (II.). Die Vor­schrift ist nich­tig (III.).


I.

1. § 85 Abs. 4 Satz 2 Be­amt­VG in Ver­bin­dung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG a.F. be­wirkt ei­ne in den An­wen­dungs­be­reich des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG fal­len­de Un­gleich­be­hand­lung.

a) Nach Art. 3 Abs. 3 GG darf nie­mand we­gen sei­nes Ge­schlechts be­nach­tei­ligt oder be­vor­zugt wer­den. Die Vor­schrift kon­kre­ti­siert und verstärkt den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG, in­dem sie der Ge­stal­tungs­frei­heit des Ge­setz­ge­bers en­ge­re Gren­zen setzt. Das Ge­schlecht darf grundsätz­lich nicht zum An­knüpfungs­punkt und zur Recht­fer­ti­gung für recht­li­che Un­gleich­be­hand­lun­gen be­nach­tei­li­gen­der oder be­vor­zu­gen­der Art her­an­ge­zo­gen wer­den. Das gilt auch dann, wenn ei­ne Re­ge­lung nicht auf ei­ne nach Art. 3 Abs. 3 GG ver­bo­te­ne Un­gleich­be­hand­lung an­ge­legt ist, son­dern in ers­ter Li­nie - oder gänz­lich - an­de­re Zie­le ver­folgt (vgl. BVerfGE 85, 191 <206>).

Wenn der Ge­setz­ge­ber ei­ne Grup­pe nach sach­li­chen Merk­ma­len be­stimmt, die nicht in Art. 3 Abs. 3 GG ge­nannt sind, so ist die­se Re­ge­lung an Art. 3 Abs. 1

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GG zu mes­sen. Et­was an­de­res gilt, wenn der vom Ge­setz­ge­ber gewähl­te, durch Art. 3 Abs. 3 GG nicht ver­bo­te­ne sach­li­che An­knüpfungs­punkt in der ge­sell­schaft­li­chen Wirk­lich­keit weit­ge­hend nur für ei­ne Grup­pe zu­trifft, oder die dif­fe­ren­zie­ren­de Re­ge­lung sich weit­ge­hend nur auf ei­ne Grup­pe im Sin­ne ei­ner fak­ti­schen Be­nach­tei­li­gung aus­wirkt, de­ren Un­gleich­be­hand­lung nach Art. 3 Abs. 3 GG strikt ver­bo­ten ist (mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung). Ei­ne An­knüpfung an das Ge­schlecht kann des­halb auch dann vor­lie­gen, wenn ei­ne ge­schlechts­neu­tral for­mu­lier­te Re­ge­lung über­wie­gend Frau­en trifft und dies auf natürli­che oder ge­sell­schaft­li­che Un­ter­schie­de zwi­schen den Ge­schlech­tern zurück­zuführen ist (vgl. BVerfGE 97, 35 <43> m.w.N.; 104, 373 <393>).

Die­ses, die Ge­stal­tungs­frei­heit des de­mo­kra­tisch le­gi­ti­mier­ten Ge­setz­ge­bers ein­schränken­de Verständ­nis kol­li­diert mit den grund­recht­li­chen Frei­heits­gewähr­leis­tun­gen hier schon des­halb nicht, weil es vor­lie­gend nur den Staat als Ver­pflich­tungs­adres­sa­ten im Verhält­nis zum Bürger, hier zu den Be­am­ten und Ver­sor­gungs­empfängern, be­trifft. In­wie­weit das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot und ins­be­son­de­re auch das Ver­bot der mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung in das Verhält­nis zwi­schen Pri­va­ten hin­ein­wirkt (zur ent­spre­chen­den Kri­tik an der Dritt­wir­kung ge­mein­schafts­recht­li­cher Grund­frei­hei­ten: Claus-Wil­helm Ca­na­ris, in: Bau-er/Czy­bul­ka/Kahl/Voßkuh­le <Hrsg.>, Um­welt, Wirt­schaft und Recht, 2002, S. 29 <46 f.>), kann im vor­lie­gen­den Fall da­hin­ste­hen.


b) Aus­ge­hend von die­sen Maßstäben steht hier nicht die An­glei­chung von Le­bens­verhält­nis­sen im Vor­der­grund, son­dern die un­ter Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG fal­len­de Be­sei­ti­gung ei­ner be­ste­hen­den recht­li­chen Un­gleich­be­hand­lung (vgl. BVerfGE 85, 191 <207>). Ent­schei­dend ist die Fra­ge, ob ei­ne als sol­che ge­schlechts­neu­tral for­mu­lier­te Re­ge­lung Frau­en oh­ne hin­rei­chen­den ver­fas­sungs-recht­li­chen Grund be­nach­tei­ligt.

2. Durch die Be­rech­nung des Ru­he­ge­halts­sat­zes nach § 85 Abs. 4 Satz 2 Be­amt­VG in Ver­bin­dung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG a.F. wer­den mit­tel­bar Frau­en be­nach­tei­ligt, da von der Möglich­keit der Teil­zeit­beschäfti­gung in weit­aus über­wie­gen­dem Maße Frau­en Ge­brauch ma­chen.

a) In­fol­ge der vor­ge­ge­be­nen Be­rech­nungs­wei­se er­hal­ten teil­zeit­beschäftig­te Be­am­te im Ver­gleich zu ei­nem Voll­zeit­be­am­ten ei­nen ge­rin­ge­ren Ru­he­ge­halts­satz, ob­wohl sie die glei­chen ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­zei­ten er­bracht ha­ben.

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Dau­er­haft hälf­tig beschäftig­te Teil­zeit­be­am­te er­hal­ten nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3 Be­amt­VG a.F. bei glei­cher ru­he­ge­haltfähi­ger Dienst­zeit bei ei­ner mehr als 20jähri­gen Soll-ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­zeit im Ver­gleich zu Voll­zeit­beschäftig­ten ei­nen ge­rin­ge­ren Ru­he­ge­halts­satz, wo­bei die Dif­fe­renz um­so stärker an­steigt, je länger die Ge­samt­dienst­dau­er ist. Auch bei nur zeit­wei­se in Teil­zeit täti­gen Be­am­ten tritt ei­ne Be­nach­tei­li­gung auf, so­bald die ru­he­ge­haltfähi­ge Dienst­zeit ins­ge­samt zehn Jah­re über­steigt (vgl. zur Be­rech­nungs­wei­se Be­rens, DB 1985, S. 2047 ff.; Be­rens, BB 1991, S. 687 ff.). Auch die durch Ge­set­ze vom 6. De­zem­ber 1985 und 30. Ju­ni 1989 ein­geführ­te einjähri­ge Frei­stel­lung vom Ver­sor­gungs­ab­schlag in­fol­ge der Ge­burt und Er­zie­hung von Kin­dern kann die­se bei ei­ner mehr als ein¬jähri­gen Ab­wei­chung zwi­schen Ist- und Soll-ru­he­ge­haltfähi­ger Dienst­zeit nicht aus­glei­chen (vgl. Zieg­ler, RiA 1987, S. 49 ff.). Beträgt die Rest­dienst­zeit nach dem 31. De­zem­ber 1991 mehr als zehn Jah­re, so fin­det § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3 Be­amt­VG a.F. über die Ver­gleichs­be­rech­nung nach § 85 Abs. 4 Satz 2 Be­amt­VG, die als Höchst­gren­ze fun­giert, wei­ter An­wen­dung.


Ei­ne Be­nach­tei­li­gung im Ru­he­ge­halts­satz er­gibt sich zwar bei ei­ner ru­he­ge­ge­haltfähi­gen Dienst­zeit bis zu zehn Jah­ren nicht. In­fol­ge der in­so­weit gel­ten­den Min­dest­gren­ze von 35 v.H. er­hal­ten Voll- und Teil­zeit­be­am­te - wie auch Voll­zeit-be­am­te mit un­ter­schied­lich lan­gen Dienst­zei­ten - den glei­chen Ru­he­ge­halts­satz. Ei­ne Be­nach­tei­li­gung er­gibt sich je­doch bei länge­rer ru­he­ge­haltfähi­ger Dienst­zeit.

b) Die nach­tei­li­gen Wir­kun­gen der Be­rech­nung des Ru­he­ge­halts­sat­zes tref­fen mehr Frau­en als Männer, da Frau­en von der Möglich­keit der Teil­zeit­beschäfti­gung in evi­dent höhe­rem Maße Ge­brauch ma­chen.

So wa­ren am 30. Ju­ni 1990 von den ins­ge­samt 1.661.481 voll­zeit­beschäftig­ten Be­am­ten und Rich­tern im frühe­ren Bun­des­ge­biet 356.506 Frau­en. Von den ins­ge­samt 180.410 teil­zeit­beschäftig­ten Be­am­ten und Rich­tern wa­ren 165.876 Frau­en. Dies ent­spricht ei­nem An­teil von 91,94 v.H. (vgl. Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt, Sta­tis­ti­sches Jahr­buch 1992, S. 541). Am 30. Ju­ni 2005 wa­ren von den ins­ge­samt 1.492.700 voll­zeit­beschäftig­ten Be­am­ten und Rich­tern 427.700 Frau­en. Von den ins­ge­samt 384.100 teil­zeit­beschäftig­ten Be­am­ten und Rich­tern im ge­sam­ten Bun­des­ge­biet wa­ren 300.900 Frau­en. Dies ent­spricht ei­nem An­teil von 78,34 v.H. (vgl. Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt, Sta­tis­ti­sches Jahr­buch 2007, S. 600). Es kann bei die­sem ho­hen An­teil da­hin­ste­hen, wel­che Quan­titäts­gren­zen im Fal­le ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung grundsätz­lich erfüllt sein müssen. Ei­ne der­art un­glei­che Be­trof­fen­heit, wie sie hier vor­liegt, reicht je­den­falls aus. Da­bei be­darf es kei­ner Dif­fe-

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ren­zie­rung nach der Art der Teil­zeit­beschäfti­gung - sei es aus fa­mi­liären oder aus ar­beits­markt­po­li­ti­schen Gründen - da der Ver­sor­gungs­ab­schlag ge­ra­de un­abhängig von der Art der Teil­zeit­beschäfti­gung er­mit­telt wird. Maßge­bend ist al­lein, dass Teil­zeit­beschäfti­gung als sol­che in den be­schrie­be­nen Fällen (C. I. 2. a) im Ru­he-ge­halts­fall schlech­ter ge­stellt wird und dass Teil­zeit­beschäfti­gung im Be­am­ten­verhält­nis zu über 75 v.H. von Frau­en wahr­ge­nom­men wird.


II.

Sons­ti­ge Güter von Ver­fas­sungs­rang vermögen die ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Dis­kri­mi­nie­rung vor­lie­gend nicht zu recht­fer­ti­gen (vgl. BVerfGE 92, 91 <109>; 113, 1 <20>; zu Recht­fer­ti­gungs­an­for­de­run­gen Gu­belt, in: von Münch/Ku­nig, Grund­ge­setz-Kom­men­tar, Bd. I, 5. Aufl., 2000, Art. 3 Rn. 91; Ja­rass, in: Ja­rass/Pie­roth, Grund­ge­setz, 9. Aufl., 2007, Art. 3 Rn. 96). Das gilt so­wohl für fis­ka­li­sche Gründe (1.) als auch für die Erwägun­gen des Ge­setz­ge­bers zur Ver­mei­dung ei­ner Bes­ser­stel­lung teil­zeit­beschäftig­ter Be­am­ter (2.). Aus der Ge­stal­tung des Ru­he­ge­halts­sat­zes in § 14 Abs. 1 Satz 1 Be­amt­VG er­gibt sich nichts an­de­res (3.). Der dem Ge­setz­ge­ber im Be­reich der Be­am­ten­be­sol­dung und -ver­sor­gung zur Ver­wirk­li­chung sei­nes Ge­setz­ge­bungs­auf­trags nach Art. 33 Abs. 5 GG zu­ste­hen­de wei­te Ge­stal­tungs­spiel­raum (4.) führt hier zu kei­ner an­de­ren Be­trach­tungs­wei­se.

1. In Fol­ge der Aus­wei­tung der Teil­zeit­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten stieg die da­mit ver­bun­de­ne Kos­ten­last für die öffent­li­chen Haus­hal­te. Da­her soll­te der Ver­sor­gungs­ab­schlag auch der Kos­ten­neu­tra­lität die­nen (vgl. BRDrucks 463/83, S. 12). In ihm sah der Ge­setz­ge­ber ei­nen gang­ba­ren Mit­tel­weg zwi­schen ei­nem ar­beits­markt­po­li­tisch erwünsch­ten An­reiz zur Teil­zeit­beschäfti­gung und der „un­ab­wend­bar not­wen­di­gen Kos­ten­be­gren­zung“ (vgl. BT­Drucks 10/5082, S. 4; BT­Drucks 11/729, S. 9).


Un­abhängig von der Fra­ge, ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen fis­ka­li­sche Gründe in die­sem Zu­sam­men­hang über­haupt ei­nen Be­lang von Ver­fas­sungs­rang dar­stel­len, ist es nicht ge­recht­fer­tigt, zur Er­rei­chung der Kos­ten­neu­tra­lität der Be­am­ten­ver­sor­gung ge­ra­de die über­wie­gend weib­li­chen Teil­zeit­beschäftig­ten her­an­zu­zie­hen. Bei ar­beits­markt­po­li­ti­scher Teil­zeit ma­chen Frau­en zu­dem von ei­ner Möglich­keit der Beschäfti­gung Ge­brauch, die ih­nen auch im In­ter­es­se des Staa­tes zur Schaf­fung von Ar­beitsplätzen ein­geräumt wur­de. Hier­zu ist der Ge­setz­ge­ber schon vom Leit­bild des voll­zeit­beschäftig­ten Be­am­ten ab­ge­wi­chen. Es ist nicht zu recht­fer­ti­gen, von de­nen, die von der so ge­schaf­fe­nen Möglich­keit
 


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Ge­brauch ma­chen, ei­nen be­son­de­ren Bei­trag zur Fi­nan­zie­rung die­ses Sys­tems zu ver­lan­gen. Die Schutz­funk­ti­on des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG lie­fe ins Lee­re, woll­te man das Ver­bot der Un­gleich­be­hand­lung von fis­ka­li­schen Erwägun­gen abhängig ma­chen.

Auch in den Fällen, in wel­chen die Teil­zeit­beschäfti­gungsmöglich­keit aus fa­mi­liären Gründen in An­spruch ge­nom­men wird, ist es nicht ge­recht­fer­tigt, die in die­ser Wei­se täti­gen Be­am­ten mit ei­nem Son­der­bei­trag zur (Mit-)Fi­nan­zie­rung der Ver­sor­gungs­las­ten des Ge­samt­sys­tems zu be­las­ten. Die Einführung der fa­mi­li­en-po­li­ti­schen Teil­zeit wur­de als so­zi­al­po­li­tisch er­for­der­lich an­ge­se­hen, um die Be­din­gun­gen des Be­rufs­le­bens an die veränder­te Stel­lung der Frau in Fa­mi­lie und Be­ruf an­zu­pas­sen und sie er­folg­te im Hin­blick auf den in Art. 6 GG ga­ran­tier­ten Schutz von Ehe und Fa­mi­lie (vgl. BT­Drucks 5/3087, S. 3). Wer­den je­doch mit der In­an­spruch­nah­me der fa­mi­li­en­be­zo­ge­nen Teil­zeit Kürzun­gen von Bezügen ver­bun­den, die über das hin­aus­ge­hen, was der Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit ent­spricht, so steht dies im Wi­der­spruch zum Ziel der bes­se­ren Ver­ein­bar­keit von Fa­mi­lie und Be­ruf. Der Be­am­te, der durch ei­ne Tätig­keit in Teil­zeit die Vor­aus­set­zun­gen dafür schafft, stärker sei­nen fa­mi­liären Pflich­ten ge­recht zu wer­den, wird im Ver­sor­gungs­fall schlech­ter ge­stellt.

2. Die Un­gleich­be­hand­lung kann auch nicht da­mit ge­recht­fer­tigt wer­den, dass der Ver­sor­gungs­ab­schlag der Ver­mei­dung ei­ner Bes­ser­stel­lung teil­zeit­beschäftig­ter Be­am­ter die­ne. Zwar führt die An­wen­dung al­lein der de­gres­si­ven Ru­he­ge­halts­ta­bel­le im Ein­zel­fall da­zu, dass Teil­zeit­beschäftig­te trotz im Ver­gleich zu ei­nem Voll­zeit­beschäftig­ten ge­rin­ge­rer ru­he­ge­haltfähi­ger Dienst­zeit den glei­chen Ru­he­ge­halts­satz er­rei­chen. Dies liegt je­doch ursächlich in der in­ten­dier­ten Min­dest­ab­si­che­rung auch nach kur­zer Dienst­zeit be­gründet, die in glei­cher Wei­se den Voll­zeit­be­am­ten zu­gu­te­kommt (a). Der Ver­sor­gungs­ab­schlag führt im Er­geb­nis nicht le­dig­lich zur Ver­mei­dung ei­ner Bes­ser­stel­lung, son­dern zur un­verhält­nismäßigen Schlech­ter­stel­lung von Teil­zeit­be­am­ten (b).

a) Auf­grund der de­gres­si­ven Stei­ge­rung des Ru­he­ge­halts­sat­zes nach § 14 Abs. 1 Be­amt­VG a.F. und der Er­zie­lung ei­nes ver­gleichs­wei­se ho­hen Ru­he­ge­halts­sat­zes in den ers­ten Jah­ren der Tätig­keit wa­ren Fälle denk­bar, in de­nen ein Teil­zeit­be­am­ter trotz ei­ner ge­rin­ge­ren ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­zeit ei­nen Ru­he­ge­halts­satz er­rei­chen konn­te, wel­cher dem ei­nes länger tätig ge­we­se­nen Voll­zeit­be­am­ten ent­sprach. Ein Be­am­ter, der zehn Jah­re mit der Hälf­te der Ar­beits­zeit ei­nes Voll­zeit­beschäftig­ten tätig war und da­mit ei­ne ru­he­ge­haltfähi­ge Dienst­zeit

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von fünf Jah­ren er­reich­te, er­hielt mit 35 v.H. den glei­chen Ru­he­ge­halts­satz wie ein zehn Jah­re tätig ge­we­se­ner Voll­zeit­beschäftig­ter.

Die­se Gleich­be­hand­lung trotz un­ter­schied­li­cher Vor­aus­set­zun­gen tritt je­doch nur im Be­reich der vom Ge­setz fest­ge­leg­ten Un­ter­gren­ze des Ru­he­ge­halts­sat­zes von 35 v.H. ein und be­trifft in ent­spre­chen­der Wei­se auch Voll­zeit­be­am­te; die­se er­hal­ten nach fünfjähri­ger ru­he­ge­haltfähi­ger Dienst­zeit den­sel­ben Min­dest­satz wie nach zehnjähri­ger. So­bald die ru­he­ge­haltfähi­ge Dienst­zeit ei­nes Be­am­ten über zehn Jah­ren liegt, spie­gelt sich die un­ter­schied­li­che Dau­er auch im Ru­he­ge­halts­satz wi­der. Die Min­dest­si­che­rung knüpft vor die­sem Hin­ter­grund nicht an den Um­stand der Teil­zeit­beschäfti­gung an. Im Vor­der­grund steht viel­mehr die Grund­ab­si­che­rung, wel­che die amts­an­ge­mes­se­ne Ali­men­tie­rung des Be­am­ten und sei­ner Fa­mi­lie auch in Fällen nur kur­zer Dienst­leis­tung zum Ziel hat (vgl. BRDrucks 469/89, S. 66; BVerw­GE 21, 135 <137>). Da­mit wird ei­ne so­zi­al­staat­li­che Ziel­set­zung ver­folgt. Es han­delt sich um ein ver­sor­gungs­recht­li­ches Exis­tenz­mi­ni­mum (so Fürst, Ge­samt­kom­men­tar Öffent­li­ches Dienst­recht - GKÖD, Teil 3a, Ver­sor­gungs­recht I, Stand: Fe­bru­ar 1995, § 14 Be­amt­VG Rn. 52 f.), das von der kon­kret er­brach­ten Dienst­zeit im We­sent­li­chen ab­ge­kop­pelt ist und un­ter Be­ach­tung der Ali­men­ta­ti­ons­pflicht al­len Be­am­ten glei­cher­maßen gewährt wird.

b) Zur Ver­mei­dung der ver­meint­li­chen Bes­ser­stel­lung wur­de der Ver­sor­gungs­ab­schlag als so­ge­nann­ter sys­tem­im­ma­nen­ter Kor­rek­tur­me­cha­nis­mus an­ge­se­hen (vgl. BVerwG, Ur­teil vom 25. Mai 2005 - 2 C 14.04 -, NVwZ 2005, S. 1080; Ur­teil vom 23. April 1998 - 2 C 2.98 -, DVBl 1998, S. 1079 <1080>). Teil­zeit­beschäftig­te wer­den je­doch in den auf­ge­zeig­ten Fällen bei glei­cher ru­he­ge­haltfähi­ger Dienst­zeit schlech­ter ge­stellt als Voll­zeit­be­am­te. Die Ver­mei­dung ei­ner ver­meint­li­chen Bes­ser­stel­lung führt im Er­geb­nis zu ei­nem Ab­schlag. Den Teil­zeit­be­am­ten wird zur Ver­mei­dung ih­rer ver­meint­li­chen Bes­ser­stel­lung gleich­sam ein Son­der­op­fer auf­er­legt, das sich als un­verhält­nismäßig dar­stellt.

3. Zur Recht­fer­ti­gung der mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung kann nicht auf die Re­ge­lungs­struk­tur des § 14 Abs. 1 Satz 1 Halb­satz 1 Be­amt­VG a.F. ab­ge­stellt wer­den. Das An­wach­sen des Ru­he­ge­halts­sat­zes war da­nach de­gres­siv an­ge­legt. Von der Voll­endung ei­ner zehnjähri­gen ru­he­ge­haltfähi­gen Dienst­zeit bis zum fünf­und­zwan­zigs­ten Dienst­jahr stieg der Ru­he­ge­halts­satz um 2 v.H., da­nach nur noch um 1 v.H. Hätte der Ge­setz­ge­ber auf ei­ne Teil­zeit­beschäfti­gung ver­sor­gungs­recht­lich al­lein mit ei­ner pro­por­tio­na­len Kürzung der Dienst­zei­ten re­agiert, so hätte das un­ter Umständen da­zu führen können, dass die An­rech­nung bei Teil­zeit­be­am­ten

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ver­mehrt zu dem höhe­ren, der frühe­ren Dienst­pha­se vor­be­hal­te­nen Stei­ge­rungs­satz er­folgt wäre. Der Ver­sor­gungs­ab­schlag in der vom Ge­setz­ge­ber gewähl­ten Form war zur Ver­mei­dung die­ses Er­geb­nis­ses aber un­ge­eig­net und des­halb nicht verhält­nismäßig. Er dif­fe­ren­zier­te be­reits eben­falls nicht da­nach, ob die Kürzung ei­ne frühe­re, stärker ver­sor­gungs­wirk­sa­me Dienst­zeit oder ei­ne späte­re Dienst­zeit be­traf.


4. Zwar steht dem Ge­setz­ge­ber im Be­reich der Be­am­ten­be­sol­dung und - ver­sor­gung ein wei­ter Ge­stal­tungs­spiel­raum zu (a), so dass er grundsätz­lich an den Um­stand, dass der Teil­zeit­be­am­te vom Leit­bild des in Voll­zeit täti­gen Be­am­ten ab­weicht, be­sol­dungs­recht­lich an­knüpfen kann. Die­se Ge­stal­tungs- und Ty­pi­sie­rungs­be­fug­nis en­det je­doch dort, wo sie sich ge­schlechts­dis­kri­mi­nie­rend aus­wirkt (b).

a) Der Ge­setz­ge­ber hat bei der Kon­kre­ti­sie­rung der aus Art. 33 Abs. 5 GG re­sul­tie­ren­den Pflicht zur amts­an­ge­mes­se­nen Ali­men­tie­rung ei­nen wei­ten Ent­schei­dungs­spiel­raum (vgl. BVerfGE 76, 256 <295>; 114, 258 <288 f.>). Ihm kann da­bei im Hin­blick auf die Er­for­der­lich­keit ei­nes Mit­tels nicht ei­ne kon­kre­te Aus­ge­stal­tung zur Pflicht ge­macht wer­den, da das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in­so­weit nicht über­prüft, ob der Ge­setz­ge­ber die ge­rech­tes­te, zweckmäßigs­te und vernünf­tigs­te Re­ge­lung ge­schaf­fen hat (vgl. BVerfGE 71, 39 <53>).

We­der die Be­sol­dung noch die Ver­sor­gung des Be­am­ten stellt ein Ent­gelt für be­stimm­te Dienst­leis­tun­gen dar. Bei­des ist viel­mehr Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn dafür, dass sich der Be­am­te mit sei­ner gan­zen Persönlich­keit dem Dienst­herrn zur Verfügung stellt und gemäß den je­wei­li­gen An­for­de­run­gen sei­ne Dienst­pflicht nach Kräften erfüllt (vgl. BVerfGE 39, 196 <200 f.>; 114, 258 <298>; BVerfG, Be­schluss der 1. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats vom 30. Ja­nu­ar 2008 - 2 BvR 398/07 -, Ab­satz-Nr. 10). Die­ses be­son­de­re, her­aus­ge­ho­be­ne Verhält­nis zwi­schen Dienst­pflicht und Ali­men­ta­ti­on schließt es aus, die gewähr­te Ali­men­ta­ti­on oh­ne wei­te­res pro­por­tio­nal zur ge­leis­te­ten Ar­beits­zeit zu be­rech­nen (vgl. BVerfG, Be­schluss der 1. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats vom 30. Ja­nu­ar 2008 - 2 BvR 398/07 -, Ab­satz-Nr. 10; vgl. auch BVerwG, Ur­teil vom 23. Sep­tem­ber 2004 - 2 C 61.03 -, NVwZ 2005, S. 594 <596>). Auch im Fal­le ei­ner Ermäßigung der Ar­beits-zeit bei Teil­zeit­beschäfti­gungs­verhält­nis­sen wird die Be­sol­dung des­halb nicht zur bloßen Ge­gen­leis­tung für die - während der ermäßig­ten Ar­beits­zeit - er­brach­ten Dienst­leis­tun­gen; viel­mehr behält sie ih­ren sich aus Art. 33 Abs. 5 GG er­ge­ben­den Ali­men­tie­rungs­cha­rak­ter (BVerfGE 71, 39 <63>).
 


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b) Den Um­stand, dass der Teil­zeit­be­am­te vom Leit­bild des Voll­zeit­be­am­ten (vgl. BVerfGE 44, 249 <262 f.>; 55, 207 <237>; 71, 39 <61>) ab­weicht, kann der Ge­setz­ge­ber im Rah­men der auf­ge­zeig­ten wei­ten Ge­stal­tungs­frei­heit da­her grundsätz­lich auch zum An­knüpfungs­punkt be­sol­dungs­recht­li­cher Re­ge­lun­gen ma­chen. Je­doch en­det die Ge­stal­tungs­frei­heit des Ge­setz­ge­bers auch im Be­reich der Be­am­ten­be­sol­dung und -ver­sor­gung dort, wo sich die Re­ge­lun­gen in un­verhält­nismäßiger Wei­se be­nach­tei­li­gend für Be­am­te ei­nes Ge­schlechts aus­wir­ken. Die­se Gren­ze ist vor­lie­gend über­schrit­ten, da der Ver­sor­gungs­ab­schlag teil­zeit­beschäftig­te Frau­en in un­verhält­nismäßiger Wei­se be­las­tet.

Da­bei kann hier da­hin­ge­stellt blei­ben, wel­che Wer­tig­keit der Dienst­leis­tung ei­nes Teil­zeit­be­am­ten im Ver­gleich zum Voll­zeit­be­am­ten zu­kommt. Der Fra­ge, ob das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot, das sich in § 72d BBG nur auf das ei­gent­li­che be­ruf­li­che Fort­kom­men be­zieht, im Hin­blick auf ei­ne über­durch­schnitt­li­che Leis­tungs­be­reit­schaft ge­ra­de von Teil­zeit­kräften (vgl. BT­Drucks 12/5468, S. 40) auf die ge­sam­te Rech­te- und Pflich­ten­stel­lung der Be­am­ten über­tra­gen wer­den kann, braucht nicht nach­ge­gan­gen zu wer­den.

Das Leit­bild des Voll­zeit­be­am­ten kann je­den­falls die in Kauf ge­nom­me­ne Be­las­tung der weit über­wie­gend weib­li­chen teil­zeit­beschäftig­ten Be­am­ten in der Ver­sor­gung sach­lich nicht recht­fer­ti­gen. Dem ste­hen so­wohl der weit rei­chen­de Schutz­zweck des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (1) als auch die Zie­le, wel­che der Einführung von Teil­zeitmöglich­kei­ten zu Grun­de la­gen (2), ent­ge­gen. Die durch den Ver­sor­gungs­ab­schlag her­vor­ge­ru­fe­nen Nach­tei­le wer­den auch nicht an­der­wei­tig kom­pen­siert (3).

(1) Die her­ge­brach­ten Grundsätze des Be­rufs­be­am­ten­tums aus Art. 33 Abs. 5 GG zie­len auf die Gewähr­leis­tung ei­ner leis­tungsfähi­gen öffent­li­chen Ver­wal­tung. Die­sem sach­lich und persönlich de­fi­nier­ten Schutz­zweck steht das weit rei­chen­de Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des Art. 3 Abs. 3 GG ge­genüber. Die­se Grund­satz­ent­schei­dung der Ver­fas­sung ist da­mit auch im Rah­men der Prüfung von Reich­wei­te und Gren­zen der her­ge­brach­ten Grundsätze als recht­fer­ti­gen­de Gründe für ei­ne Un­gleich­be­hand­lung und der Ge­stal­tungs­frei­heit des Ge­setz­ge­bers zu berück­sich­ti­gen. Dem Grund­satz der Haupt­be­ruf­lich­keit kommt da­bei be­reits von sei­ner Ziel­set­zung her prin­zi­pi­ell nicht die Funk­ti­on ei­nes recht­fer­ti­gen­den Grun­des zu. Die­ser ver­bie­tet nicht, Teil­zeit­beschäftig­te im Verhält­nis zu Voll­zeit­beschäftig­ten gleich zu be­han­deln, er ge­bie­tet kei­ne Un­gleich­be­hand­lung. Die ver­fas­sungs­recht­li­che Ga­ran­tie der her­ge­brach­ten Grundsätze des Be­rufs­be­am­ten­tums ist kein

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Selbst­zweck, son­dern dient da­zu, ei­ne im po­li­ti­schen Kräfte­spiel sta­bi­le und ge­set­zes­treue Ver­wal­tung zu si­chern (vgl. BVerfGE 117, 372 <380>).

(2) Der Ver­sor­gungs­ab­schlag für ehe­mals Teil­zeit­beschäftig­te läuft den erklärten Ziel­set­zun­gen, wel­che der Einführung von Teil­zeit­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten zu Grun­de la­gen, zu­wi­der.

Die Einführung der ar­beits­markt­po­li­ti­schen Teil­zeit lag auch im ar­beits­markt-po­li­ti­schen In­ter­es­se des Staa­tes. Auf­grund ei­nes Übe­r­an­ge­bo­tes vor al­lem an Leh­rern, die weit über­wie­gend auf ei­ne Beschäfti­gung im öffent­li­chen Dienst an-ge­wie­sen sind, soll­ten durch ei­ne Er­wei­te­rung der Teil­zeitmöglich­kei­ten zusätz­li­che Ar­beitsplätze im öffent­li­chen Dienst ge­schaf­fen wer­den. Dann ist es je­doch wi­dersprüchlich, die­je­ni­gen Be­am­ten, die sich der Ziel­vor­ga­be ent­spre­chend ver­hal­ten, mit­tel­bar in ei­ner an das Ge­schlecht an­knüpfen­den Wei­se da­durch zu dis­kri­mi­nie­ren, dass teil­zeit­beschäftig­te Frau­en im Er­geb­nis ei­ne schlech­te­re Ver­sor­gung er­hal­ten.

Die Zu­las­sung der Teil­zeit aus fa­mi­li­en­po­li­ti­schen Gründen voll­zog sich vor dem Hin­ter­grund des Schut­zes von Ehe und Fa­mi­lie. Auf der Ba­sis tra­dier­ter Rol­len­vor­stel­lun­gen ursprüng­lich zur Ermögli­chung und Er­leich­te­rung der Pflich­terfüllung der Be­am­tin ge­dacht (vgl. BT­Drucks 5/3087, S. 3), dient die­se Form der Teil-zeit verstärkt der Ver­ein­bar­keit von Fa­mi­lie und Be­ruf und da­mit der ef­fek­ti­ven Wahl­frei­heit in der Ent­schei­dung über Rol­len­wahl und Rol­len­ver­tei­lung in Ehe, Fa­mi­lie und Be­ruf. Die­se Wahl­frei­heit un­terfällt dem Schutz von Ehe und Fa­mi­lie in Art. 6 GG. Die ver­fas­sungs­recht­lich gewähr­leis­te­te Gleich­be­rech­ti­gung von Mann und Frau auch hin­sicht­lich der mögli­chen Teil­ha­be am Ar­beits­le­ben ver­pflich­tet den Staat, die Grund­la­gen dafür zu schaf­fen, dass Fa­mi­li­entätig­keit und Er­werbstätig­keit auf­ein­an­der ab­ge­stimmt wer­den können und die Wahr­neh­mung fa­mi­liärer Auf­ga­ben nicht zu un­verhält­nismäßigen be­ruf­li­chen Nach­tei­len führt. Da­zu zählen auch recht­li­che und tatsächli­che Maßnah­men, die ein Ne­ben­ein­an­der von Er­zie­hungs- und Er­werbstätig­keit für bei­de El­tern­tei­le ermögli­chen (vgl. BVerfGE 88, 203 <260>). Auch und ge­ra­de die Ände­rung der be­ruf­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen bil­det ei­ne Grund­la­ge zur Fa­mi­li­en­gründung, ei­nen Bau­stein der Fa­mi­li­enförde­rung und erfüllt da­mit den Schutz­auf­trag aus Art. 6 GG. Der Staat hat dafür Sor­ge zu tra­gen, dass es El­tern glei­cher­maßen möglich ist, teil­wei­se oder zeit­wei­se auf ei­ne ei­ge­ne Er­werbstätig­keit zu­guns­ten der persönli­chen Be­treu­ung ih­rer Kin­der zu ver­zich­ten wie auch Fa­mi­li­en­auf­ga­ben und Er­werbstätig­keit mit­ein­an­der zu ver­bin­den (BVerfGE 99, 216 <234>).

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Vor die­sem Hin­ter­grund ist es nicht ge­recht­fer­tigt, den mit der Zu­las­sung be­am­ten­recht­li­cher Teil­zeit­beschäfti­gung un­ter an­de­rem in­ten­dier­ten Schutz von Ehe und Fa­mi­lie durch fi­nan­zi­el­le Nach­tei­le im Be­reich der Ver­sor­gung von Be­am­ten teil­wei­se wie­der aus­zuhöhlen. Die­je­ni­gen Frau­en, die fa­mi­liäre Auf­ga­ben mit be­ruf­li­cher Tätig­keit kom­bi­nie­ren, dürfen nicht mit un­verhält­nismäßigen fi­nan­zi­el­len Ein­bußen be­las­tet wer­den. Je­den­falls kann die ih­rer­seits so be­gründe­te Teil­zeit­beschäfti­gung nicht da­zu her­an­ge­zo­gen wer­den, mit­tel­ba­re ge­schlechts­be­zo­ge­ne Dis­kri­mi­nie­run­gen zu recht­fer­ti­gen.


(3) Die­se mit­tel­ba­re ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Dis­kri­mi­nie­rung teil­zeit­beschäftig­ter Frau­en kann - un­abhängig von der Fra­ge, in­wie­weit Kom­pen­sa­tio­nen über­haupt ver­fas­sungs­recht­lich er­heb­lich sein können - im Er­geb­nis auch nicht da­durch als ge­recht­fer­tigt an­ge­se­hen wer­den, dass die Kürzung im Rah­men der Be­rech­nung des Ru­he­ge­halts­sat­zes durch ver­meint­li­che an­der­wei­ti­ge Vor­tei­le kom­pen­siert würde.

Ei­ne Kom­pen­sa­ti­on liegt je­den­falls nicht schon dar­in, dass der Teil­zeit­beschäftig­te, um die glei­che Dienst­zeit wie ein Voll­zeit­beschäftig­ter zu er­rei­chen, länger im Amt ge­we­sen sein muss, was da­zu führen kann, dass er auf­grund ei­nes höhe­ren Dienst­al­ters oder auch ei­nes höhe­ren Am­tes ei­ne ent­spre­chend höhe­re Be­sol­dung er­hiel­te, die ih­rer­seits das Ru­he­ge­halt erhöht. Zwar würde der Be­am­te nicht schlech­ter ste­hen, wenn sich die Kürzung des Ru­he­ge­halts­sat­zes in­fol­ge höhe­rer ru­he­ge­haltfähi­ger Dienst­bezüge im Er­geb­nis nicht in ge­rin­ge­ren Ver­sor­gungs­bezügen im Ver­gleich zu ei­nem Voll­zeit­beschäftig­ten mit iden­ti­scher Dienst­zeit nie­der­schla­gen würde.


Je­doch ist ei­ner­seits die An­nah­me, dass der Teil­zeit­be­am­te in der Re­gel ein höhe­res Amt er­reicht, nicht von der Dau­er sei­ner Dienst­zu­gehörig­keit, son­dern vor al­lem von sei­ner Leis­tung abhängig.

Zu­dem rich­tet sich an­de­rer­seits die Erhöhung der Be­sol­dung nicht, je­den­falls nicht in ers­ter Li­nie, nach dem Dienst­al­ter, son­dern nach dem Le­bens­al­ter. So sieht die Bun­des­be­sol­dungs­ord­nung B kei­ne Stei­ge­run­gen nach dem Dienst­al­ter vor. Bei Rich­tern - auf die die Ver­sor­gungs­re­ge­lun­gen ent­spre­chend an­wend­bar sind (§ 1 Abs. 2 Be­amt­VG) - wird das Grund­ge­halt an­hand des Le­bens­al­ters be-
mes­sen (§ 38 Abs. 1 Satz 1 BBesG; vgl. hier­zu San­der, in: Sch­weg­mann/Sum­mer, BBesG, Stand: Ok­to­ber 2007, § 38 Rn. 1b).

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Im Rah­men der Bun­des­be­sol­dungs­ord­nung A steigt das Grund­ge­halt nach Stu­fen. Das Auf­stei­gen in den Stu­fen des Grund­ge­halts wie­der­um rich­tet sich nach dem Be­sol­dungs­dienst­al­ter. Die­ses wird gemäß § 28 BBesG aber aus­ge­hend vom Le­bens­al­ter fest­ge­legt. Aus­gangs­punkt ist das 21. Le­bens­jahr. Die Re-form des Be­sol­dungs­dienst­al­ters zum 1. Ja­nu­ar 1990 durch das Fünf­te Ge­setz zur Ände­rung be­sol­dungs­recht­li­cher Vor­schrif­ten (BGBl I 1990 S. 967) hat das Le­bens­al­ter im Ver­gleich zum vor­he­ri­gen Dienst- und Le­bens­al­ter­sprin­zip noch stärker zur Be­sol­dungs­grund­la­ge er­ho­ben (vgl. San­der, in: Sch­weg­mann/Sum­mer, BBesG, Stand: Ok­to­ber 2007, vor § 27 ff. Rn. 2 und § 27 Rn. 1b m.w.N. zur Rechts­ent­wick­lung). Die tatsächlich ab­ge­leis­te­ten Dienst­jah­re sind da­her für das Auf­stei­gen nicht in ers­ter Li­nie maßge­bend. Der Um­stand, dass der Teil­zeit­be­am­te auf­grund sei­ner länge­ren Ver­weil­dau­er im Be­am­ten­verhält­nis ein höhe­res Grund­ge­halt er­reicht, ist da­her primär auf sein - höhe­res - Le­bens­al­ter und nicht auf sein Dienst­al­ter zurück­zuführen. Ei­ne Kom­pen­sa­ti­on ver­sor­gungs­recht­li­cher Nach­tei­le liegt des­halb in der Re­gel ge­ra­de nicht vor, ei­ne Recht­fer­ti­gung mit­tel­ba­rer Dis­kri­mi­nie­rung kann mit die­ser ge­setz­li­chen Re­ge­lung nicht er­reicht wer­den.

III.

§ 85 Abs. 4 Satz 2 Be­amt­VG in Ver­bin­dung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsätze 2 und 3 Be­amt­VG in der bis zum 31. De­zem­ber 1991 gel­ten­den Fas­sung ist nach al­le­dem mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht ver­ein­bar und da­her nich­tig.


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