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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.01.2007, 7 Sa 1766/06
Schlagworte: | Tarifvertrag | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 7 Sa 1766/06 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 16.01.2007 | |
Leitsätze: | 1. Unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedschaft in einer tarifvertragschließenden Koalition beendet werden kann, richtet sich zunächst nach der Satzung i.V.m. den vereinsrechtlichen Bestimmungen, insbes. § 39 BGB. (Rn.26) 2. Eine Satzungsermächtigung zum vorzeitigen Austritt von Mitgliedern ist wirksam und verletzt nicht nach Art. 9 Abs 3 GG geschützte Interessen des Tarifpartners. (Rn.30) |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 30.08.2006, 60 Ca 19109/05 | |
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Verkündet
am 16.01.2007
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
7 Sa 1766/06
60 Ca 19109/05
H, VA
als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 7. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 16.01.2007
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht R. als Vorsitzende
sowie die ehrenamtlichen Richter E. und K.
für Recht erkannt:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom
30. August 2006 – 60 Ca 19109/05 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger für das Jahr 2004 eine Sonderzuwendung zu zahlen.
Der Kläger war auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverträge seit dem 17. Februar 2002 bei der Beklagten als studentische Hilfskraft beschäftigt. Im ersten Arbeitsvertrag, der für die Zeit vom 17.01.2002 bis zum 16.1.2004 abgeschlossen worden war (Bl. 13 d.A.), wurde die Geltung des Tarifvertrages für studentische Hilfskräfte II (TVStud II) vom 24. Februar 1986 mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen vereinbart. Dieser Tarifvertrag war zwischen dem Arbeitgeberverband VAdöD Berlin, dessen Mitglied die Beklagte war, und der Gewerkschaft Ver.di, deren Mitglied der Kläger seit Dezember 2004 war, abgeschlossen worden. Er enthält in § 11 die Vereinbarung einer Zuwendung in sinngemäßer Anwendung des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973. Der Tarifvertrag über eine Zuwendung von Angestellten vom 12.10.1973 (Zuwendungstarifvertrag) wurde von der TdL zum 30. Juni 2003 gekündigt. Am 15. Mai 2003 vereinbarten die Tarifvertragsparteien rückwirkend mit Wirkung zum 31. Januar 2003 Tarifverträge zur Änderung der Zuwendungstarifverträge West und Ost.
In den folgenden Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag des Klägers, die unter dem Datum vom 17.12.2003 (Bl. 16 d.A.), vom 29.07.2004 (Bl. 15 d.A.) und vom 03.01.2005 (Bl. 13 d.A.) unterzeichnet wurden, heißt es zur Anwendbarkeit tariflicher Bestimmungen u.a.:
Das Beschäftigungsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte (TV StudII) in der am 7. Januar 2003 für die F.U. Berlin geltenden Fassung... Der gekündigte Tarifvertrag über eine Zuwendung findet keine Anwendung. Eine Zuwendungszahlung erfolgt nicht...
Am 7. Januar 2003 beschloss der Vorstand des VadöD, für die Hochschulen des Landes Berlin die Möglichkeit des Austritts ohne Einhaltung einer Austrittsfrist als Ausnahme von der Satzung zuzulassen (vgl. Ablichtung des Protokolls Bl. 79 u. 80 d.A.). Ob zu diesem Zeitpunkt dem Vorstand bereits Anträge der Berliner Universitäten auf Genehmigung eines vorzeitigen Austritts vorlagen – so die Beklagte –, ist zwischen den Parteien streitig. Mit Schreiben vom 10. Januar 2003 erklärte die Beklagte daraufhin gegenüber dem Verband ihren Austritt mit sofortiger Wirkung (Bl. 81 d.A.). Die Satzung des VAdöD (Bl. 74-78 d.A.) regelt in ihrem § 6 „Erlöschen der Mitgliedschaft durch Austrittserklärung des Mitglieds“ folgendes:
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(1) Die Mitgliedschaft erlischt durch schriftliche Austrittserklärung des Mitglieds gegenüber dem Vorstand.
(2) Der Austritt ist nur zulässig zum Schluss eines Kalendermonats unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist. Über Ausnahmen entscheidet der Vorstand. ..
Mit Schreiben vom 26.Januar 2005 (Bl. 17 d.A.) machte der Kläger die Zahlung einer Zuwendung nach § 11 des TV Stud II für das Jahr 2004 in Höhe von 360,76 € geltend. Die Beklagte zahlte daraufhin an den Kläger auf der Grundlage des zunächst bis zum 16. Januar 2004 befristeten Arbeitsvertrages 1/12 der Zulage (30,06 €) aus.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der arbeitsvertragliche Ausschluss des Anspruchs auf eine Sonderzuwendung sei unwirksam, da der Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband nicht wirksam zum 10. Januar 2003 habe erfolgen können. Ein außerordentliches Kündigungsrecht habe der Beklagten nicht zugestanden. Noch während ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband sei der neue TV Sonderzuwendung unterzeichnet worden, an den sie nach § 3 Abs. 3 TVG gebunden sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30. August 2006, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es fehle die beiderseitige Tarifgebundenheit der Parteien. Die Beklagte sei wirksam durch Erklärung vom 10. Januar 2003 mit sofortiger Wirkung aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten. Eines wichtigen Grundes für die sofortige Beendigung der Mitgliedschaft habe es nicht bedurft. Denn der Vorstand habe dem fristlosen Austritt im Rahmen der Satzung vorab wirksam zugestimmt. Die vom Kläger behaupteten Mängel der Beschlussfassung würden nicht zu einer Unwirksamkeit des Beschlusses führen. Sofern dem Vorstand nicht bereits am 7. Januar 2003 ein entsprechender Antrag der Beklagten vorgelegen habe, sei die Ausnahmegenehmigung als Vorratsgenehmigung zulässig. Die Satzungsermächtigung zum vorzeitigen Austritt eines Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband ohne Einhaltung einer Frist sei mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar. Sie stelle keine Beeinträchtigung der kollektiven und individuellen Koalitionsfreiheit dar. Die negative individuelle Koalitionsfreiheit der Verbandsmitglieder fordere sogar die Möglichkeit einer Beendigung der Mitgliedschaft in verhältnismäßig kurzer Zeit. Da der Verband auch kurze Kündigungsfristen regeln könne, müsse dies in gleicher Weise für satzungsmäßige Ausnahmeregelungen von den regulären Kündigungsfristen gelten. Eine Einschränkung solcher sofortigen Austritte sei – jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem der Austritt vier Monate vor Inkrafttreten des maßgeblichen Tarifvertrages erfolgt sei - auch nicht zum Schutz der Koalitionsfreiheit des (potentiellen) Tarifpartners bzw. seiner Mitglieder
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verfassungsrechtlich geboten. Deren Schutz sei bereits gesetzlich ausreichend durch die Weitergeltung von Tarifrecht nach § 3 Abs. 3 TVG und § 4 Abs. 5 TVG geregelt.
Gegen dieses dem Kläger am 02. September 2006 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht Berlin am 29. September 2006 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 02. November 2006 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Der Kläger und Berufungskläger vertritt weiterhin die Auffassung, der Austritt der Beklagten mit sofortiger Wirkung sei unwirksam. Für einen solchen „Blitzaustritt“ habe es eines wichtigen Grundes bedurft. Da durch die Betätigung der Koalitionen Drittinteressen bzw. Schutzgüter der Allgemeinheit berührt werden könnten, ergebe sich schon aus Art. 9 Abs. 3 GG, dass bestimmte Organisationsgrundsätze auch für die verbandsinterne Koalitionsstruktur eingehalten werden müssten. Die Satzungsautonomie der Verbände finde ihre Grenze dort, wo die Maßnahme Drittinteressen berühren würden. In diesem Rahmen sei die Pflicht zur Rücksichtnahme zu beachten, die für einen sofortigen Austritt einen wichtigen Grund verlange. Anders als bei kurzen Kündigungsfristen könne sich der Koalitionspartner auf solche Ausnahmeregelungen nicht einstellen.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. August 2006, Aktenzeichen 60 Ca 19109/05, abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 330,70 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Dezember 2006 zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. An einer Tarifbindung der Beklagten fehle es unter allen rechtlichen Gesichtspunkten. Der Austritt mit sofortiger Wirkung sei zulässig. Aber selbst wenn die Satzungsbestimmung insoweit vor dem Hintergrund des Art. 9 GG als unwirksam angesehen würde, entfiele nicht die Möglichkeit eines vorzeitigen Austritts insgesamt. Vielmehr sei dieser auf ein verfassungsrechtlich zulässiges Maß zurückzuführen. Für einen zulässigen Austritt sei aber eine Frist von 4 Monaten,
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die noch vor Unterzeichnung des Tarifvertrages Sonderzuwendung abgelaufen sei, als angemessen zugrunde zu legen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 02. November 2006 (Bl. 139 – 143 d.A.) und der Beklagten vom 14. Dezember 2006 (Bl. 148 – 151 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1.
Die gemäß § 64 Abs. 2 a ArbGG statthafte Berufung ist vom Kläger formgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Berufung war daher zulässig.
2.
Die Berufung hatte in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen weiteren Anspruch auf Zahlung einer Sonderzuwendung für das Jahr 2004. Ein solcher Anspruch wurde in den Zusatzvereinbarungen für das über den 16. Januar 2004 hinaus fortgesetzte Arbeitsverhältnis ausgeschlossen. Diese arbeitsvertragliche Regelung war zulässig, da eine beiderseitige Tarifbindung nicht mehr bestand. Die Beklagte hatte wirksam zum 10. Januar 2003 ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband VAdöD mit der Folge beendet, dass die Tarifbindung nach § 3 Abs. 3 TVG nur noch bis zur Beendigung des Tarifvertrages bestand (2.1). Der Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte endete aber jedenfalls hinsichtlich des hier streitigen Anspruchs auf Zahlung einer Sonderzuwendung mit Abschluss des Zuwendungstarifvertrages am 15.5.2003 (2.2). Danach fanden die Regelungen des TVStud II nur noch kraft Nachwirkung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung und wurden durch die die Zahlung einer Sonderzuwendung ausdrücklich ausschließenden arbeitsvertraglichen Regelungen ersetzt (2.3.).
2.1
Entgegend der Auffassung des Klägers endete die Mitgliedschaft der Beklagten im Arbeitgeberverband VAdöD Berlin mit Wirkung zum 10. Januar 2003. Eines wichtigen Grundes für die sofortige Beendigung der Mitgliedschaft bedurfte es nicht.
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2.1.1
Die Beklage hat mit dem Arbeitgeberverband VAdöD Berlin einen einvernehmlichen Austritt zum 10. Januar 2003 vereinbart. Dabei kann dahinstehen, ob bereits zum Zeitpunkt des Vorstandsbeschlusses ein entsprechender förmlicher Antrag auf Erteilung der Zustimmung zu einem vorzeitigen Austritt seitens der Beklagten vorgelegen hat. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Vorstand der Beklagten mit seinem Beschluss vom 7. Januar 2003 in Kenntnis der entsprechenden Absicht der Hochschulen, einen solchen Antrag zu stellen (siehe Top 3 des Protokolls der Vorstandssitzung vom 7. Januar 2003, Bl. 80 d.A.) im Voraus sein Einverständnis zu einem solchen Austritt ohne Einhaltung der Austrittsfrist erklärt. Erklärte die Beklagte dann unverzüglich nach diesem Beschluss ihren Austritt mit sofortiger Wirkung, gilt dieser Austritt ohne Einhaltung der satzungsmäßigen Kündigungsfrist aufgrund des Beschlusses vom 7. Januar 2003 als genehmigt. Auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung kam es insoweit schon deshalb nicht an, weil der Austritt nicht durch Kündigung erfolgte.
2.1.2
Diese Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Arbeitgeberverband VadöD Berlin über eine sofortige Beendigung der Mitgliedschaft ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist war wirksam. Sie entsprach der Verbandssatzung des VAdöD Berlin, die eine Zustimmung des Vorstandes zum vorzeitigen Austritt in § 6 Abs. 2 vorsah. Diese Satzungsbestimmung ist insoweit wirksam, insbesondere verstößt sie nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG.
2.1.2.1
Unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedschaft in einer tarifvertragsschließenden Koalition beendet werden kann, richtet sich zunächst nach deren Satzung in Verbindung mit den anwendbaren vereinsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere § 39 BGB (Franzen ErfKo. 7. Aufl. 2007 § 3 TVG Rz.9). Die hier maßgebliche Satzung des VAdöD Berlin schreibt in § 6 Abs. 2 zunächst die Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum Monatsende vor, sieht diesbezüglich jedoch ausdrücklich auch Ausnahmen vor, über die der Vorstand zu entscheiden hat. Mithin erlaubt die Satzung jedenfalls dem Vorstand, Kündigungsfristen abzukürzen bzw. sich auch mit einer sofortigen Beendigung der Mitgliedschaft einverstanden zu erklären. Insofern kam es auf die Frage, ob vorzeitige Austritte auch dann zulässig sind, wenn die Verbandssatzung dazu keine Regelungen vorsieht (vgl. dazu Plander NZA 2005, 897 ff.), nicht an.
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2.1.2.2
Diese Zustimmung wurde vom Vorstand satzungsgemäß am 7. Januar 2003 erteilt. Soweit der Kläger erstinstanzlich Mängel der Beschlussfassung gerügt hat, führten diese nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Zweitinstanzlich hat der Kläger gegen diese Ausführungen nichts eingewendet.
2.1.2.3
Eine solche Satzungsermächtigung zum vorzeitigen Austritt von Mitgliedern ist wirksam.
Vereinsrechtlich bestehen schon deshalb keine Bedenken, weil nach § 39 Abs. 1 BGB Mitglieder eines Vereins jederzeit austreten können, ohne eine Frist einhalten zu müssen. Die Regelung von vorzeitigen Austritten mit Zustimmung des Vorstandes ist nach diesen gesetzlichen Maßgaben möglich (vgl. Plander NZA 2005, 897, 890). Durch Satzung kann der Verein für den Austritt auf der Grundlage von § 39 Abs. 2 BGB zwar in seiner Satzung eine Frist bestimmen, eine bestimmte Mindestfrist sieht das Gesetz hingegen nicht vor. Grenzen bestehen nur insoweit, als die Satzung im Hinblick auf die in Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete negative Koalitionsfreiheit den Austritt nicht unverhältnismäßig erschweren (BGH vom 4. Juli 1977, II ZR 30/76, AP Nr. 25 zu Art 9 GG) und die gesetzliche Höchstfrist von 2 Jahren nicht überschreiten darf. Die negative Koalitionsfreiheit des Mitglieds wird aber durch eine einvernehmliche Beendigung der Mitgliedschaft ohnehin nicht tangiert.
Eine solche Satzungsermächtigung zum vorzeitigen Austritt aus dem Arbeitgeberverband nach Zustimmung des Vorstandes verletzt auch nicht – wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Interessen des Tarifpartners (so auch LAG Berlin vom 15.11.2005 – 3 Sa 1211/05; ArbG Berlin vom 14.04.2005 – 38 Ca 228884/04,; vgl. ausführlich Plander NZA 2005, 8898 ff.). Weder wird die Funktionsfähigkeit des Tarif- und Arbeitskampfsystems noch das Streikrecht der Gewerkschaften durch diese Satzungsbestimmung und dem darauf beruhenden Austritt der Beklagten in rechtlich erheblicher Weise berührt.
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Verbandssatzung in erster Linie die Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis zwischen dem Verband und seinen Mitgliedern, nicht aber die Rechtsbeziehungen seiner Mitglieder zu den potentiellen Tarifpartnern regelt. Für die internen Regelungen verfügt der Verband aber über Satzungsautonomie. Diese beinhaltet das Recht der Mitglieder und des Vereins, über die eigene Organisation, das Verfahren der Willensbildung und die Führung der Geschäfte selbst zu bestimmen und ist
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vom Schutz des Grundrechts nach Art. 9 GG umfasst (BVerfG vom 15.6.1989 – 2 BvL 4/87 – BVerfGE 80, 253). Eine besondere Verpflichtung des Verbandes gegenüber dem Tarifpartner, im Innenverhältnis den Abschluss zukünftiger Tarifverträge zu sichern, besteht nicht (LAG Berlin vom 15.11.2005 – 3 Sa 1211/05; ArbG Berlin vom 14.04.2005 – 38 Ca 228884/04).
Die Rechtsbeziehungen im Außenverhältnis zu den Tarifpartnern und deren Mitgliedern werden durch das Tarifvertragsgesetz bestimmt. Dort wird der Schutz der Tarifparteien aber durch die Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG und die Nachwirkung in § 4 Abs. 5 TVG ausreichend gewährleistet. Nach § 3 Abs. 3 TVG bleibt auch nach Beendigung der Mitgliedschaft die Tarifbindung solange bestehen, bis der Tarifvertrag endet. Im Anschluss daran wirkt der Tarifvertrag noch gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach, bis er durch eine neue Regelung, sei es eine tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche, ersetzt wird. Diese Vorschriften enthalten ein gesetzliches Regelungssystem zum Ausgleich der kollidierenden Grundrechte, nämlich der negativen Koalitionsfreiheit des austretenden Arbeitgebers einerseits und dem Recht der Gewerkschaft andererseits, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifverträge zu gestalten. Ein weitergehender Schutz der Tarifautonomie, die einen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit und die Satzungsautonomie dahingehend erfordern könnte, dass eine einvernehmliche Abkürzung der Kündigungsfristen nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig ist, ist im Hinblick auf die genannten gesetzlichen Nachwirkungsregelungen nicht geboten. Gegenüber dem austretenden Arbeitgeber kann ein Firmentarifvertrag oder aber ein Anerkennungstarifvertrag durchgesetzt werden. Dass der Versuch zum Abschluss eigener Tarifverträge gerade im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht erfolglos ist, zeigen die in der Vergangenheit für das Land Berlin nach Austritt aus der TdL abgeschlossenen Tarifverträge.
Der Austritt der Beklagten verstößt auch nicht im konkreten Fall gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Er erfolgte kurz nach Abschluss des Tarifvertrages für studentische Hilfskräfte, konnte also dessen Bindung zunächst nicht verhindern. Bis zur Änderung des hier maßgeblichen Zuwendungstarifvertrages aber lagen 4 Monate. Dies war eine Frist, die auch als Kündigungsfrist ausreichend lang gewesen wäre. Ein besonderes Droh- oder Druckpotential hat die Beklagte dabei nicht aufgebaut, so dass auch ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht ersichtlich ist.
2.1.3
Mit der Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband blieb die Tarifbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG bis zur Beendigung des Tarifvertrages Stud II bestehen.
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2.2
Der Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte endete hinsichtlich der hier maßgeblichen Regelungen zur Zahlung der Sonderzuwendung mit Änderung des Zuwendungstarifvertrages, auf den § 11 TV Stud II Bezug nimmt, also mit dem 15.5.2003. Denn die Änderung eines Bezugstarifvertrages stellt sich als Änderung der als Einheit verstandenen tariflichen Regelung von Verweisungs- und Bezugstarifvertrag dar (BAG vom 17.5.2000 – 4 AZR 363/99 – AP § 3 TVG Verbandsaustritt Nr. 8). Jede Änderung des Tarifvertrages führt aber zu seiner Beendigung im Sinne von § 3 Abs. 3 TVG (BAG vom 17.5. 2000 a.a.O).
Der geänderte Zuwendungstarifvertrag fand entgegen der Auffassung des Klägers keine Anwendung auf das Arbeitsverhältnis mehr, da es aufgrund der wirksamen Beendigung der Mitgliedschaft vor Abschluss des Tarifvertrages an der Tarifbindung der Beklagten fehlte.
2.3
Nach Ende des Tarifvertrages Stud II fanden seine Regelungen noch gemäß § 4 Abs. 5 TVG auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien Anwendung bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wurden. Eine solche andere Abmachung haben die Parteien mit dem Abschluss der Zusatzvereinbarung getroffen, in der sie ausdrücklich die Anwendbarkeit des Zuwendungstarifvertrages ausgeschlossen, also § 11 TV Stud II abbedungen haben. Die bis zum 16.1. 2003 bestehenden Ansprüche hat die Beklagte erfüllt.
3.
Aus diesen Gründen war die Berufung des Klägers zurückzuweisen, mit der Folge, dass er gemäß § 97 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.
4.
Die Zulassung der Revision erfolgte nach § 72 Abs. 2 ArbGG.
Ge.
- 11 -
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger bei dem
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt
(Postadresse: 99113 Erfurt),
Revision eingelegt werden. Die Revision muss innerhalb
einer Notfrist von einem Monat
schriftlich beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.
Sie ist gleichzeitig oder innerhalb
einer Frist von zwei Monaten
schriftlich zu begründen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
R.
E.
K.
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |