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BAG, Ur­teil vom 05.09.1960, 1 AZR 509/57

   
Schlagworte: Lohn und Gehalt, Betriebsvereinbarung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 AZR 509/57
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 05.09.1960
   
Leitsätze: 1. Ein durch Betriebsvereinbarung zustandegekommenes Lohnabtretungsverbot erfaßt auch die Lohnansprüche derjenigen Arbeitnehmer, die erst nach Abschluß der Betriebsvereinbarung in den Betrieb eintreten.
Vorinstanzen: Landesarbeitsgericht Hannover, Urteil vom 14.08.1957, 2 Sa 271/57
   


AZR 509/57
Sa 271/57 Han­no­ver


Ur­teils­for­mel zu­ge­stellt

5. Sep­tem­ber 1960

gez. Hen­kel­mann,
An­ge­stell­te
der Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le 

Im Na­men des Vol­kes


Ur­teil

In Sa­chen


hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts gemäß § 128 Abs. 2 ZPO in der Sit­zung vom 2. Sep­tem­ber 1960 durch die Bun­des­rich­ter Dr. Schröder, Wich­mann und Dr. Grönin­ger so­wie die Bun­des­ar­beits­rich­ter Dr. Wink­ler und Dr. Ro­thwei­ler für Recht er­kannt:


Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Han­no­ver vom 14. Au­gust 1957 - 2 Sa 271/57 - wird auf Kos­ten der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen.


Von Rechts we­gen !

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Tat­be­stands


Der Ehe­mann der Kläge­rin war seit dem 1. März 1956 als An­ge­stell­ter bei der Be­klag­ten beschäftigt. Vor­her war er bei ei­ner Fir­ma V beschäftigt ge­we­sen. Während die­ser Zeit, und zwar im De­zem­ber 1954, trat er an sei­ne Ehe­frau, der er ei­ne größere Sum­me schul­de­te, durch schrift­li­che Erklärung den der Pfändung un­ter­wor­fe­nen Be­trag aus sei­nen Lohn- und Pro­vi­si­ons­bezügen ab. Am sel­ben Tag erklärte die Kläge­rin ihr schrift­li­ches Ein­verständ­nis da­mit, daß der ab­ge­tre­te­ne Be­trag an ih­ren Ehe­mann aus­ge­zahlt wer­de.

Vier Wo­chen nach sei­nem Ar­beits­an­tritt bei der Be­klag­ten schloß der Ehe­mann der Kläge­rin mit der Be­klag­ten ei­nen schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag ab, der ei­nen Hin­weis auf die durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung zu­stan­de ge­kom­me­ne Ar­beits­ord­nung der Be­klag­ten ent­hielt. § 48 die­ser Ar­beits­ord­nung lau­tet: "Den Ar­beit­neh­mern ist es nicht ge­stat­tet, ge­genwärti­ge oder zukünf­ti­ge Lohn- und Ge­halts­for­de­run­gen an Drit­te ab­zu­tre­ten. Der­ar­ti­ge Ab­tre­tun­gen sind ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber un­wirk­sam". Der Ehe­mann der Kläge­rin setz­te die Be­klag­te am Ta­ge nach Ab­schluß des schrift­li­chen An­stel­lungs­ver­tra­ges von der schrift­li­chen Ab­tre­tungs­erklärung zu­guns­ten sei­ner Ehe­frau in Kennt­nis und bat um Berück­sich­ti­gung der Ab­tre­tung. Dies lehn­te die Be­klag­te später schrift­lich ab. Im März und April 1956 zahl­te sie das Ge­halt an den Ehe­mann der Kläge­rin aus. Den der Pfändung un­ter­wor­fe­nen Teil des Ge­halts für Mai und Ju­ni 1956 über­wies die Be­klag­te da­ge­gen an das Fi­nanz­amt, das die Lohn­for­de­rung des Ehe­man­nes der Kläge­rin durch ei­nen An­fang Mai 1956 der Be­klag­ten zu­ge­stell­ten. Pfändungs- und Über­wei­sungs­be­schluß be­schlag­nahmt hat­te,

Die Kläge­rin hat be­an­tragt, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die­sen der Höhe nach un­strei­ti­gen Be­trag an sie, die Kläge­rin, zu be­zah­len. Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Bei­de Vor­in­stan­zen ha­ben die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

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Die Re­vi­si­on ist zu­ge­las­sen. Mit die­ser ver­folgt die Kläge­rin ih­ren Kla­ge­an­trag wei­ter, während die Be­klag­te um Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on bit­tet.

Ent­schei­dungs­gründe:

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist der Auf­fas­sung, die Ab­tre­tung an die Kläge­rin, de­ren Wirk­sam­keit un­ter­stellt wer­den könne, sei durch die Ar­beits­ord­nung, ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung, gültig aus­ge­schlos­sen wor­den. Ein sol­cher Aus­schluß durch kol­lek­ti­ve Re­ge­lung sei zulässig. Die For­de­rung sei des­halb von vorn­her­ein nicht ab­tret­bar ge­we­sen, wor­an sich auch später nichts geändert ha­be. Die Be­klag­te ha­be sich nicht wirk­sam da­mit ein­ver­stan­den erklärt, die Ab­tre­tung zu be­ach­ten. Da­zu wäre sie an­ge­sichts des zwin­gen­den Cha­rak­ters der Ar­beits­ord­nung nicht in der La­ge ge­we­sen. Ab­ge­se­hen da­von sei ein Ver­trag da­hin, daß die For­de­rung ab­tret­bar sei, zwi­schen dem Ehe­mann der Kläge­rin und der Be­klag­ten nicht zu­stan­de ge­kom­men, da die Be­klag­te das An­ge­bot des Ehe­man­nes der Kläge­rin nicht, auch nicht still­schwei­gend, an­ge­nom­men ha­be.

Die ge­gen die­se Ausführun­gen sei­tens der Re­vi­si­on vor-ge­brach­ten Be­den­ken grei­fen nicht durch. Wie der Se­nat be­reits im Ur­teil vom 20. De­zem­ber 1957 (AP Nr. 1 zu § 399 BGB) aus­ge­spro­chen hat, ist ei­ne kol­lek­ti­ve Ver­ein­ba­rung ei­nes Lohn­ab­tre­tungs­ver­bots durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung zulässig und wirk­sam. Für die­ses Ur­teil ha­ben sich grundsätz­lich Hu­eck in der aa0 ab­ge­druck­ten An­mer­kung so­wie Her­schel in Ar­beits­rechts­blat­tei Lohn­si­che­rung III Entsch. 1, neu­er­dings auch Kne­vels in Be­trieb 60, 552 und Wehr in Be­triebs­be­ra­ter 60, 709 aus­ge­spro­chen. Das Er­geb­nis, zu dem der Se­nat in je­ner Ent­schei­dung ge­kom­men ist, wird of­fen­bar auch von Schnei­der in Ar­beit und Recht 58, 314 ge­bil­ligt. Je­doch er­hebt Schnei­der ge­gen die Be­gründung je­nes Ur­teils Be­den­ken, während Diek­hoff in Ar­beit und Recht 58, 304 sich so­wohl im Er­geb­nis wie in der Be­gründung ge­gen

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die Rechts­an­sicht des Se­nats aus­ge­spro­chen hat.

Den von der Re­vi­si­on in Übe­rein­stim­mung mit Schnei­der und Diek­hoff er­ho­be­nen Be­den­ken ge­gen die in der Ent­schei­dung des Se­nats vom 20. De­zem­ber 1957 ent­wi­ckel­ten Rechts­grundsätze kann nicht ge­folgt wer­den. Wenn be­tont wird, durch ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung könn­te kein "Recht" Außen-ste­hen­der, nämlich der Ra­ten­verkäufer, berührt wer­den, so ist das un­zu­tref­fend. § 399 BGB läßt ei­nen Aus­schluß der Ab­tre­tung durch Ein­zel­ver­trag zu. Dar­aus folgt, daß ei­ne For­de­rung von An­fang an mit der Maßga­be be­gründet wer­den kann, daß ih­re Ab­tre­tung un­zulässig und un­wirk­sam ist. § 399 BGB führt al­so da­zu, daß durch ei­nen sol­chen Ver­trag auch Be­lan­ge Außen­ste­hen­der, hier der Ra­ten­verkäufer, berührt wer­den können. An­dern­falls wäre auch die Vor­schrift des § 405 BGB un­verständ­lich, die ei­nen Gutglaubenss2hutz für ge­wis­se Aus­nah­mefälle enthält. Aus die­ser Vor­schrift folgt, daß in den in § 405 BGB nicht ge­nann­ten Fällen ein sol­cher Gut­glau­bens­schutz an die Ab­tret­bar­keit der For­de­rung nicht gewährt wird. In die­sen Fällen be­steht al­so kein "Recht" des Ab­tre­tungs­empfängers dem Schuld­ner der ab­ge­tre­te­nen For­de­rung ge­genüber, das durch das Ab­tre­tungs-ver­bot be­ein­träch­tigt wer­den könn­te; viel­mehr ist die ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung ei­nes Aus­schlus­ses der Ab­tret­bar­keit ge­genüber Drit­ten wirk­sam. Hier­in ei­nen Ver­trag zu Las­ten Drit­ter zu se­hen, geht nicht an. Denn dem Drit­ten wer­den da­durch we­der Pflich­ten auf­er­legt noch ihm zu­ste­hen­de Rech­te ge­nom­men. Des­halb kann auch nicht die Zulässig­keit und Wirk­sam­keit ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung, wie sie hier in Re­de steht, er­folg­reich mit dem Ar­gu­ment bekämpft wer­den, daß sie nicht in "Rech­te" Drit­ter, nämlich der Ra­ten­verkäufer, ein­grei­fen könne.

Eben­so­we­nig ist ein­zu­se­hen, daß die Recht­spre­chung des Se­nats sich letz­ten En­des zu Las­ten der Ar­beit­neh­mer aus­wir­ke. Ei­ne sol­che Be­trach­tungs­wei­se würde völlig die Vorgänge ver­kenn en, wie sie sich im tägli­chen Le­ben er­ge­ben.
 


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Ins­be­son­de­re wird der Ar­beit­neh­mer durch ein sol­ches Ab­tre­tungs­ver­bot in kei­ner Wei­se in der Verfügung über den ihm aus­ge­zahl­ten Lohn be­schränkt.


Aus die­sen Gründen be­steht kein An­laß für den Se­nat, von sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung ab­zu­ge­hen. Die­se steht auch in Übe­rein­stim­mung mit der Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs in BGHZ 23, 53.

Ist hier­nach der Aus­schluß ei­ner Lohn­ab­tre­tung durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung möglich, so kann sich die Kläge­rin wei­ter nicht dar­auf be­ru­fen, die Be­triebs­ver­ein­ba­rung sei zu ei­ner Zeit ab­ge­schlos­sen wor­den, zu der ihr Ehe­mann noch nicht bei der Be­klag­ten beschäftigt ge­we­sen sei. Die­ser Um­stand spricht nicht für, son­dern ge­gen die Kläge­rin. Als das Ar­beits­verhält­nis ih­res Ehe­man­nes zur Be­klag­ten be­gann, wur­de es durch die Vor­schrif­ten der Be­triebs­ver­ein­ba­rung von vorn­her­ein nor­ma­tiv. be­herrscht. Die Lohn­for­de­run­gen des Ehe­man­nes der Kläge­rin ge­gen die Be­klag­te sind al­so von vorn­her­ein als un­ab­tret­ba­re For­de­run­gen ent­stan­den. Des­halb kommt es auf die zeit­li­che Rei­hen­fol­ge, auf die sich die Re­vi­si­on be­ruft, nicht an. Die­se Auf­fas­sung wird zu Recht auch von Kne­vels aa0 und Wehr aa0 ver­tre­ten.

Es mag be­denk­lich er­schei­nen, wenn das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Auf­fas­sung ver­tritt, die Re­ge­lung, die durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­trof­fen war, hätte nicht durch Ein­zel­ver­trag zwi­schen dem Ehe­mann der Kläge­rin und der Be­klag­ten nachträglich ab­geändert wer­den können, da die Be­triebs­ver­ein­ba­rung zwin­gen­des Recht ent­hal­te. Ei­ne sol­che An­sicht wäre nur dann zu­tref­fend, wenn es sich bei der ein­zel­ver­trag­li­chen Re­ge­lung um ei­ne für den Ar­beit­neh­mer ungüns­ti­ge­re Re­ge­lung han­deln würde, als sie in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­trof­fen ist. Ob das der Fall ist, kann je­doch hier da­hin­ge­stellt blei­ben; denn das Lan­des­ar­beits­ge­richt stellt fest, daß ein Ver­trag zwi­schen dem Ehe­mann der Kläge­rin und der Be­klag­ten da­hin, daß das Ab­tre­tungs­ver­bot der Be­triebs­ver­ein­ba­rung kei­ne Gültig­keit ha­ben

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sol­le, nicht zu­stan­de ge­kom­men sei. Die­se Fest­stel­lung liegt auf tatsäch­li­chem Ge­biet. An sie ist der Se­nat ge­bun­den, da Re­vi­si­onsrügen ge­gen sie nicht vor­ge­bracht sind. Da­mit steht für das Re­vi­si­ons­ge­richt bin­dend fest, daß die Re­ge­lung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung auch im Streit­fall bin­den­de Wir­kung hat, so daß die vom Ehe­mann der Kläge­rin vor­ge­nom­me­ne Ab­tre­tung im Verhält­nis zur Be­klag­ten oh­ne recht­li­che Be­deu­tung war.


Bun­des­rich­ter Dr. Grönin­ger be­fin­det sich in Ur­laub und ist an der Leis­tung der Un­ter­schrift ver­hin­dert: gez. Dr. Schröder 

Dr. Schröder 

Wich­mann

Dr. Wink­ler 

Dr. Ro­thwei­ler

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