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BSG, Ur­teil vom 24.09.2008, B 12 KR 10/07 R

   
Schlagworte: Krankenversicherung
   
Gericht: Bundessozialgericht
Aktenzeichen: B 12 KR 10/07 R
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.09.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Sozialgericht Köln - S 19 KR 67/03
Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - L 16 KR 162/06
   

BUN­DESSO­ZIAL­GERICHT

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

in dem Rechts­streit

Verkündet am

24. Sep­tem­ber 2008


Az: B 12 KR 10/07 R
L 16 KR 162/06 (LSG Nord­rhein-West­fa­len)

S 19 KR 67/03 (SG Köln)

BKK Pfei­fer & Lan­gen,
Düre­ner Straße 40, 50189 Els­dorf,


Kläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

...,


g e g e n

Lan­des­ver­band der Be­triebs­kran­ken­kas­sen Nord­rhein-West­fa­len,

Kron­prin­zen­s­traße 6, 45128 Es­sen,

Be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

...


Der 12. Se­nat des Bun­des­so­zi­al­ge­richts hat auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 24. Sep­tem­ber 2008 durch den Rich­ter Dr. B e r c h t o l d als Vor­sit­zen­den, den Rich­ter Dr. B e r n s d o r f f und die Rich­te­rin H ü t t m a n n - S t o l l so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Z ä h r i n g e r und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin G a b k e für Recht er­kannt:

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­so­zi­al­ge­richts Nord­rhein-West­fa­len vom 25. Ja­nu­ar 2007 wird zurück­ge­wie­sen.

Die Kläge­rin trägt die Kos­ten auch des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens.

Der Streit­wert wird auf 3.159,85 Eu­ro fest­ge­setzt.


- 2 -

G r ü n d e :

I

Die Be­tei­lig­ten strei­ten um die Rechtmäßig­keit ei­ner Ver­bands­um­la­ge, die von der Kläge­rin im Rah­men ei­nes Fi­nanz­aus­gleichs für an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen ge­zahlt wor­den ist.


Nach­dem der Be­triebs­kran­ken­kas­se (BKK) R. , ei­ner Mit­glieds­kas­se des be­klag­ten Lan­des­ver­ban­des, En­de der neun­zi­ger Jah­re die Leis­tungs­unfähig­keit droh­te und ei­ne Sa­nie­rung über Bei­trags­erhöhun­gen und die Sen­kung der Kos­ten im sta­ti­onären Kran­ken­haus­be­reich und der Ver­wal­tungs­kos­ten nicht er­reicht wer­den konn­te, bemühte sich der Be­klag­te um die Ge­win­nung ei­nes ge­eig­ne­ten Fu­si­ons­part­ners. Die BKK D. (im Fol­gen­den: BKK D. alt) erklärte sich in der Fol­ge­zeit zwar zur Ver­ei­ni­gung, nicht aber zur Schul­denüber­nah­me be­reit.


Zur Vor­be­rei­tung der Ver­ei­ni­gung schlos­sen BKK R. , BKK D. alt so­wie der Be­klag­te mit Un­ter­schrif­ten vom 13. und 14.9. so­wie 30.10.2000 ei­nen "Öffent­lich-recht­li­chen Ver­trag", in dem es ua heißt:


"...
5. Der Aus­schuss 1 des BKK LV NW (Lan­des­ver­band der Be­triebs­kran­ken­kas­sen Nord­rhein-West­fa­len) hat sei­nem Ver­wal­tungs­rat im Rah­men sei­ner Sit­zung am 21.08.2000 ... emp­foh­len, ei­ner ver­trag­li­chen Re­ge­lung zu­zu­stim­men, die die Fu­si­on der BKK R. mit ei­ner ge­eig­ne­ten Mit­glieds­kas­se vor­sieht und - so­weit er­for­der­lich - dem Fu­si­ons­part­ner ei­ne Fu­si­ons­bei­hil­fe zur Verfügung zu stel­len, die das Pas­siv­vermögen der BKK R. zum Fu­si­ons­zeit­punkt nicht über­schrei­ten darf. Hierüber wird der Ver­wal­tungs­rat des BKK LV NW im Rah­men sei­ner Sit­zung am 28.09.2000 be­fin­den.


Der BKK LV NW hat das Recht, die­se Ver­ein­ba­rung frist­los zu kündi­gen, wenn sich das Pas­siv­vermögen der BKK R. nach dem 31.12.2000 um mehr als 10 % erhöht. Aus­ge­nom­men sind die Kos­ten, die im Zu­sam­men­hang mit der Be­en­di­gung von Ar­beits- bzw Vor­stands­verhält­nis­sen ste­hen.

6. Die Ver­pflich­tung des BKK LV NW zur Über­nah­me des er­mit­tel­ten Pas­siv­vermögens min­dert sich im Fal­le ei­ner Ver­ei­ni­gung der BKK D. mit ei­ner wei­te­ren Be­triebs­kran­ken­kas­se um das Vermögen die­ser Be­triebs­kran­ken­kas­se. Die­se Re­ge­lung gilt bis zum 31.12.2001 und ist ge­gen­stands­los im Fal­le ei­ner Ver­ei­ni­gung der BKK D. mit der BKK R. vor dem 01.01.2002 und ei­ner ent­spre­chen­den Ver­ei­ni­gung mit ei­ner an­de­ren BKK."
 


- 3 -

In der der Ver­trags­un­ter­zeich­nung vor­aus­ge­gan­ge­nen Sit­zung des Ver­wal­tungs­rats des Be­klag­ten am 28.9.2000 hat­te die­ser be­schlos­sen, ei­ner ver­trag­li­chen Re­ge­lung zu­zu­stim­men, die die Fu­si­on der BKK R. mit ei­ner ge­eig­ne­ten Mit­glieds­kas­se vor­sieht, dem Fu­si­ons­part­ner, so­weit er­for­der­lich, ei­ne Fu­si­ons­bei­hil­fe zur Verfügung zu stel­len, die das Pas­siv­vermögen zum Fu­si­ons­zeit­punkt nicht über­schrei­ten darf, und die Fu­si­ons­bei­hil­fe ent­spre­chend den Re­ge­lun­gen der auf der Grund­la­ge des § 265 SGB V er­las­se­nen Aus­gleichs­ord­nung (Aus­glO) des Be­klag­ten durch ei­ne Um­la­ge der Mit­glieds­kas­sen zu fi­nan­zie­ren.


Vor sei­ner Ver­trags­un­ter­zeich­nung hat­te der Be­klag­te darüber hin­aus in ei­nem Schrei­ben an die BKK D. alt ua dar­auf hin­ge­wie­sen, man sei te­le­fo­nisch übe­rein ge­kom­men, dass sich ei­ne mögli­che Ver­ei­ni­gung der BKK D. /BKK R. mit der BKK W. auf die­se Ver­ei­ni­gung da­hin­ge­hend aus­wir­ke, dass ein mögli­ches Vermögen der BKK W. das Pas­siv­vermögen der BKK R. ver­min­de­re und so­mit das Haf­tungs­vo­lu­men des BKK LV NW. In­so­weit gel­te Nr 6 des öffent­lich-recht­li­chen Ver­tra­ges für ei­ne Ver­ei­ni­gung mit der BKK W. nicht. Mit der Be­mer­kung "Ein­ver­stan­den" und ei­nem Da­tums­ver­merk vom 27.10.2000 hat­te die BKK D. alt die­ses Schrei­ben zurück­ge­sandt.


Un­ter Be­zug­nah­me auf den "Öffent­lich-recht­li­chen Ver­trag" und den Be­schluss sei­nes Ver­wal­tungs­ra­tes gewähr­te der Be­klag­te der BKK R. im No­vem­ber 2000 ei­ne Li­qui­ditätshil­fe in Höhe von 1 Mio DM (511.291,88 Eu­ro) und im März 2001 ei­ne sol­che in Höhe von 1,8 Mio DM (920.325,39 Eu­ro).


Im März/April 2001 be­schlos­sen die Ver­wal­tungsräte der BKK D. alt (28.3.2001), der BKK R. (5.4.2001) und der BKK W. (12.3.2001) die
Ver­ei­ni­gung zur neu­en BKK D. . Das Bun­des­ver­si­che­rungs­amt ge­neh­mig­te die Ver­ei­ni­gung mit Wir­kung zum 1.7.2001. Das Ak­tiv­vermögen der BKK W. be­trug zum Fu­si­ons­zeit­punkt 29.172,09 Eu­ro.

Nach der Ver­ei­ni­gung zahl­te der Be­klag­te an die BKK D. ei­nen Be­trag in Höhe von 86,83 Eu­ro für Rechts­an­walts­kos­ten, ei­nen Be­trag in Höhe von 1.640.270,83 Eu­ro, der dem er­rech­ne­ten Pas­siv­vermögen der BKK R. zum Fu­si­ons­zeit­punkt in Höhe von 3.208.090,90 DM ent­sprach, und ei­nen Be­trag in Höhe von 16.886 Eu­ro für Pen­si­onsrück­stel­lun­gen. Ins­ge­samt be­tru­gen die Zah­lun­gen des Be­klag­ten in­klu­si­ve der zu­vor an die BKK
R. er­brach­ten bei­den Li­qui­ditätshil­fen (1.431.617,27 Eu­ro) 3.088.860,93 Eu­ro. Das Ak­tiv­vermögen der BKK W. brach­te der Be­klag­te nicht zur An­rech­nung, son­dern leg­te den erwähn­ten Ge­samt­be­trag auf sei­ne Mit­glieds­kas­sen um.


Mit zwei Be­schei­den vom 14.3.2003 for­der­te der Be­klag­te von der Kläge­rin, die sei­ne Mit­glieds­kas­se ist, ei­nen Be­trag in Höhe von 2.848,89 Eu­ro (Be­reich West) und 310,96 Eu­ro (Be­reich
 


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Ost), ins­ge­samt 3.159,85 Eu­ro. Zur Be­gründung führ­te er aus, dass der Be­trag in Höhe von 3.088.860,93 Eu­ro zur Ver­mei­dung sei­ner Haf­tung nach § 155 Abs 4 SGB V zur Verfügung ge-stellt wor­den und ent­spre­chend den Re­ge­lun­gen der Aus­glO durch ei­ne Um­la­ge der Mit­glieds­kas­sen zu fi­nan­zie­ren sei.


§ 4 (Fi­nanz­aus­gleich) der Sat­zung des Be­klag­ten idF des 2. Nach­trags (gültig ab 31.10.1997) lau­tet wie folgt:

"Der BKK LV NW führt für sei­ne Mit­glie­der ei­nen Fi­nanz­aus­gleich nach § 265 SGB V durch. Die Aus­gleichs­ord­nung, die als An­la­ge 1 Be­stand­teil der Sat­zung ist, re­gelt den Fi­nanz­aus­gleich für auf­wen­di­ge Leis­tungsfälle und den Fi­nanz­aus­gleich für an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen, ein-schließlich der Haf­tung des BKK LV NW für Ver­pflich­tun­gen gemäß § 155 Abs 4 SGB V".

Die Vor­schrif­ten der Aus­glO idF des 2. bzw 4. Nach­trags (gültig vom 1.1.1998 bis zum 31.12.2001) zur Sat­zung hat­ten fol­gen­den Wort­laut:

"§ 1 (Ziel des Fi­nanz­aus­gleichs)

Der BKK LV NW führt für sei­ne Mit­glie­der i.S.d. § 2 Abs 1 der Sat­zung ... auf der Grund­la­ge des § 265 SGB V ein Aus­gleichs­ver­fah­ren durch, um die fi­nan­zi­el­len Be­las­tun­gen im Sin­ne des § 2 ganz oder teil­wei­se zu de­cken.

§ 2 (Ge­gen­stand des Fi­nanz­aus­gleichs)
Der Fi­nanz­aus­gleich er­streckt sich auf
- fi­nan­zi­el­le Hil­fen im Ein­zel­fall (§ 3)
- Maßnah­men bei an­de­ren auf­wen­di­gen Be­las­tun­gen (§ 7).

§ 4 (Ver­fah­ren)
...
(2) Das Aus­gleichs­ver­fah­ren wird vom BKK LV NW je­weils für ein Geschäfts­jahr durch­geführt und im Fol­ge­jahr ab­ge­rech­net ...

§ 5 (Auf­brin­gung der Mit­tel)
(1) Die Mit­tel zum Aus­gleich der fi­nan­zi­el­len Hil­fen nach § 3 wer­den durch ei­ne jähr­li­che Um­la­ge auf­ge­bracht ...
(2) Über die Höhe der Um­la­ge erhält je­des Mit­glied ei­nen schrift­li­chen Be­scheid. In dem Be­scheid wird der Zeit­punkt fest­ge­legt, bis zu dem die Um­la­ge spätes­tens zu ent­rich­ten ist.
 


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§ 7 (Ge­gen­stand des Fi­nanz­aus­gleichs für an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen) (Fas­sung 2. Nach­trag)
(1) Der BKK LV NW haf­tet nach § 155 Abs 4 SGB V für Ver­pflich­tun­gen ei­nes auf­gelösten ... oder ge­schlos­se­nen ... Mit­glieds. Hier­zu hat er ei­ne In­ter­ven­ti­ons­stra­te­gie ent­wi­ckelt, die aus
...
- In­ter­ven­ti­ons­in­stru­men­te (§ 12) - In­ter­ven­ti­ons­al­ter­na­ti­ve (§ 14)
be­steht. ...

§ 13 (Auf­brin­gung der Mit­tel und Ver­fah­ren)
Für den Fi­nanz­aus­gleich für an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen gel­ten die §§ 4 und 5 ent­spre­chend.

§ 14 (In­ter­ven­ti­ons­al­ter­na­ti­ve) (Fas­sung 2. Nach­trag)
Der Vor­stand des BKK LV NW kann mit Zu­stim­mung des Ver­wal­tungs­ra­tes des BKK LV NW al­ter­na­tiv zu den In­ter­ven­ti­ons­in­stru­men­ten nach § 12 mit ei­nem Mit­glied i.S.d. § 7 Abs 2 ei­ne ver­trag­li­che Re­ge­lung (öffent­lich-recht­li­cher Ver­trag) tref­fen, um den Ein­tritt der Haf­tung nach § 155 Abs 4 SGB V ab­zu­wen­den. Da­bei können or­ga­ni­sa­ti­ons­recht­li­che Op­tio­nen wahr­ge­nom­men wer­den."


Mit Wir­kung vom 1.1.2002 (10. Nach­trag zur Sat­zung) wur­de die Aus­glO durch die In­ter­ven­ti­ons­ord­nung (In­ter­vO) er­setzt (§ 12 Abs 2 In­ter­vO).

Die Kläge­rin hat Kla­ge er­ho­ben. Mit Ur­teil vom 3.7.2006 hat das So­zi­al­ge­richt (SG) der Kla­ge statt­ge­ge­ben, die bei­den Be­schei­de auf­ge­ho­ben und den Be­klag­ten zur Er­stat­tung des Um­la­ge­be­tra­ges ver­ur­teilt. Die zulässi­ge Kla­ge sei be­gründet. Die strei­ti­ge Um­la­ge könne auf die Aus­glO des Be­klag­ten und die Be­stim­mung des § 265 SGB V nicht gestützt wer­den, weil § 265 SGB V zur Re­ge­lung der Gewährung von Fu­si­ons­hil­fen nicht ermäch­ti­ge. Auf die Be­ru­fung des Be­klag­ten hat das Lan­des­so­zi­al­ge­richt (LSG) das vor­in­stanz­li­che Ur­teil mit Ur­teil vom 25.1.2007 geändert und die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt: Die Kla­ge sei zulässig, aber un­be­gründet. Rechts­grund­la­ge der an­ge­foch­te­nen Be­schei­de sei die Aus­glO. De­ren Be­stim­mun­gen hätten auf § 265 SGB V gestützt wer­den dürfen. Fi­nan­zi­el­le Hil­fen zur Ver­mei­dung des Ein­tritts ei­nes Haf­tungs­falls nach § 155 Abs 4 SGB V sei­en Kos­ten für "an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen". Das er­ge­be ei­ne Aus­le­gung die­ses Be­griffs nach Wort­laut, Ent­ste­hungs­ge­schich­te und Ge­set­zes­sys­te­ma­tik. Für die An­nah­me ei­ner "an­de­ren auf­wen­di­gen Be­las­tung" kom­me es nicht dar­auf an, wie sich die Ver­bind­lich­kei­ten im Ein­zel­nen zu­sam­men­setz­ten. Bei den Ver­bind­lich­kei­ten der BKK
 


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R. ha­be es sich letzt­lich um außer­gewöhn­li­che Ver­bind­lich­kei­ten der BKK D. ge­han­delt. Das Um­la­ge­ver­fah­ren der Aus­glO ha­be auf die hier ge­zahl­te Fu­si­ons­bei­hil­fe an­ge­wandt wer­den dürfen und sei feh­ler­frei durch­geführt wor­den. Was den "Öffent­lich-recht­li­chen Ver­trag" be­tref­fe, so ha­be die­ser un­ter Ein­be­zie­hung der BKK D. alt als Ver­trags­part­ner ge­schlos­sen wer­den dürfen. Er sei auch be­stimmt ge­nug, weil er aus­rei­chend ge­nau fest­le­ge, wer in wel­cher Höhe ver­pflich­tet wer­de. Die den Um­la­ge­be­schei­den zu­grun­de ge­leg­te Höhe der Fu­si­ons­hil­fe sei zu­tref­fend be­rech­net wor­den. Die Li­qui­ditätshil­fen, die an die BKK R. als Vor­leis­tung hätten er­bracht wer­den dürfen und de­ren Zah­lung mit be­frei­en­der Wir­kung ge­genüber dem Fu­si­ons­part­ner er­folgt sei, sei­en von dem ver­blie­be­nen Pas­siv­vermögen nicht ab­zu­zie­hen ge­we­sen. Das Ak­tiv­vermögen der BKK W. ha­be schließlich im Hin­blick auf Nr 6 des Ver­tra­ges nicht an­ge­rech­net wer­den müssen.

Die Kläge­rin hat die vom LSG zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on ein­ge­legt. Das Be­ru­fungs­ur­teil ver­let­ze § 265 SGB V und das Bun­des­recht ergänzen­de all­ge­mei­ne Aus­le­gungs­re­geln. Die Um­la­ge von Kos­ten ei­ner Fu­si­ons­bei­hil­fe zur Ver­mei­dung des Ein­tritts ei­nes Haf­tungs­falls nach § 155 Abs 4 SGB V stel­le kei­ne Um­la­ge zur De­ckung der Kos­ten für "an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen" iS des § 265 SGB V dar. Das LSG le­ge die­sen Be­griff zu weit aus und ver­ken­ne da­bei Wort­laut, sys­te­ma­ti­schen Kon­text und Ent­ste­hungs­ge­schich­te des § 265 SGB V. Nach ih­rem Wort­laut würden all­ge­mei­ne Las­ten und Kos­ten, die we­der ei­nen spe­zi­fi­schen Be­zug zum Ein­zel­fall noch ei­ne Ur­sa­che in ex­ter­nen Vorgängen hätten, von die­ser Be­stim­mung nicht er­fasst. Der Zu­sam­men­hang mit an­de­ren Fi­nan­zie­rungs- und Aus­gleichs­vor­schrif­ten des SGB V er­ge­be, dass § 265 SGB V als Aus­nah­me vom Grund­satz ei­gen­ver­ant­wort­li­cher Fi­nan­zie­rung in § 220 SGB V eng aus­zu­le­gen und ge­genüber der Aus­gleichsmöglich­keit nach § 265a SGB V sub­si­diär sei so­wie ei­ne all­ge­mei­ne fi­nan­zi­el­le Schief­la­ge ei­ner Kran­ken­kas­se nur mit­tels des Ri­si­ko­struk­tur­aus­gleichs so­wie fi­nan­zi­el­ler Hil­fen der Spit­zen-/Bun­des­verbände aus­ge­gli­chen wer­den könn­ten. Fi­nanz­aus­gleich nach § 265 SGB V und Haf­tung nach § 155 Abs 4 SGB V stünden nicht in ei­nem Al­ter­na­tiv­verhält­nis. Das nach Wort­laut­aus­le­gung und sys­te­ma­ti­scher Aus­le­gung ge­fun­de­ne Er­geb­nis wer­de durch die Ge­set­zes­ge­ne­se bestätigt. Dau­ern­de fi­nan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten stell­ten selbst nach dem Nor­men­verständ­nis des LSG kei­ne "an­de­ren auf­wen­di­gen Be­las­tun­gen" dar. In­dem es die fi­nan­zi­el­len Las­ten der BKK R. als außer­gewöhn­li­che Ver­bind­lich­kei­ten des Fu­si­ons­part­ners wer­te, wähle es ei­nen fal­schen Be­zugs­punkt, "wa­sche" die­se "rein" und ver­s­toße da­mit ge­gen Ge­set­ze der Lo­gik. Darüber hin­aus ver­s­toße die Sat­zung des Be­klag­ten ge­gen bun­des­recht­li­che Be­stimmt­heits­er­for­der­nis­se, weil sie nicht hin­rei­chend er­ken­nen las­se, in wel­chen Fällen ei­ne Um­la­ge­pflicht der Ver­bands­mit­glie­der be­ste­he. Fer­ner ha­be das Be­ru­fungs­ge­richt die öffent­lich-recht­li­che Ver­ein­ba­rung in meh­rer­lei Hin­sicht wi­dersprüchlich und da­mit of­fen­bar willkürlich und un­ter Ver­s­toß ge­gen all­ge­mein an­er­kann­te Aus­le­gungs­grundsätze aus­ge­legt. Die Kläge­rin macht schließlich Verstöße des LSG ge­gen ih­ren An­spruch auf recht­li­ches Gehör gel­tend.
 


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Die Kläge­rin be­an­tragt,
das Ur­teil des Lan­des­so­zi­al­ge­richts Nord­rhein-West­fa­len vom 25.1.2007 auf­zu­he­ben und die Be­ru­fung des Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des So­zi­al­ge­richts Köln vom 3.7.2006 zurück­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te be­an­tragt,
die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­so­zi­al­ge­richts Nord­rhein-West­fa­len vom 25.1.2007 zurück­zu­wei­sen.

Er hält das an­ge­foch­te­ne Ur­teil im Er­geb­nis für zu­tref­fend. Die Kla­ge sei al­ler­dings be­reits un­zulässig. Je­den­falls sei­en die Um­la­ge­be­schei­de nicht zu be­an­stan­den. Die Vor­schrif­ten der Aus­glO stell­ten ei­ne wirk­sa­me Rechts­grund­la­ge dar. Sie hätten auf den weit aus­zu­le­gen­den § 265 SGB V, aber auch auf an­de­re Be­stim­mun­gen des SGB V gestützt wer­den können. Die Re­ge­lun­gen der Aus­glO selbst sei­en in­halt­lich be­stimmt. Die an­ge­foch­te­nen Be­schei­de entsprächen auch sonst dem ma­te­ri­el­len Recht.


II

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist un­be­gründet. Zu Recht hat das LSG auf die Be­ru­fung des Be­klag­ten das klag­s­tatt­ge­ben­de Ur­teil des SG auf­ge­ho­ben und die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Be­schei­de des Be­klag­ten vom 14.3.2003 sind rechtmäßig. Zu­tref­fend hat der Be­klag­te dar­in ei­nen Teil der zur Ver­mei­dung sei­ner Haf­tung ge­zahl­ten Fu­si­ons­hil­fen von der Kläge­rin im We­ge des Fi­nanz­aus­gleichs als Ver­bands­um­la­ge ge­for­dert.

1. Die Kla­ge ist zulässig. Sie ist ins­be­son­de­re nicht, wie der Be­klag­te meint, als An­fech­tungs­kla­ge un­statt­haft, weil ein Lan­des­ver­band zur Be­ach­tung der ihm recht­lich vor­ge­ge­be­nen Auf­ga­ben­be­schränkun­gen auf dem (Um)Weg über ei­ne An­fech­tung von Um­la­ge­be­schei­den nicht an­ge­hal­ten wer­den könn­te und an­geb­li­che Auf­ga­benüber­schrei­tun­gen ei­nes Ver­ban­des nur mit­tels Un­ter­las­sungs­kla­ge zu über­prüfen wären. So­weit sich der Be­klag­te hierfür auf ein Ur­teil des 1. Se­nats vom 25.6.2002 (B 1 KR 10/01 R, BS­GE 89, 277, 279 ff = SozR 3-2500 § 217 Nr 1 S 3 ff) be­ruft, ver­kennt er, dass der 1. Se­nat in die­ser Ent­schei­dung die An­fech­tungs­kla­ge ei­ner BKK ge­gen ei­nen Ver­bands­um­la­ge­be­scheid oh­ne Wei­te­res für zulässig ge­hal­ten und die Über­prüfbar­keit von Ver­bandstätig­keit (le­dig­lich) als Pro­blem des Um­fangs der ge­richt­li­chen Nach­prüfung und da­mit der Be­gründet­heit der An­fech­tungs­kla­ge an­ge­se­hen hat.


2. Die An­fech­tungs­kla­ge hat je­doch in der Sa­che kei­nen Er­folg. Die Um­la­ge­be­schei­de vom 14.3.2003 be­ru­hen auf ei­ner wirk­sa­men Rechts­grund­la­ge (da­zu a). So­weit Sat­zung und Aus­glO des Be­klag­ten als Ge­gen­stand des Fi­nanz­aus­gleichs für an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen auch
 


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den Kos­ten­auf­wand für die Ab­wen­dung ei­ner Haf­tung nach § 155 Abs 4 SGB V in sei­ner hier maßgeb­li­chen, bis zum 30.6.2008 gel­ten­den Fas­sung be­nen­nen, hal­ten sie sich im Rah­men der bun­des­recht­li­chen Sat­zungs­ermäch­ti­gung in § 265 Satz 1 SGB V (da­zu aa). In der Aus­le­gung des LSG ver­s­toßen die ein­schlägi­gen Sat­zungs­be­stim­mun­gen auch nicht ge­gen ver­fas­sungs- oder ein­fach­recht­li­che Be­stimmt­heits­er­for­der­nis­se (da­zu bb). An­de­re Gründe, die zur Rechts­wid­rig­keit der Um­la­ge führen könn­ten, sind nicht ge­ge­ben (da­zu b).

a) § 4 der Sat­zung des Be­klag­ten und §§ 7 ff Aus­glO, je­weils idF des 2. Nach­trags, die nach Auf­fas­sung des LSG, an die der Se­nat ge­bun­den ist (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO), über den 31.12.2001 hin­aus an­wend­bar wa­ren, sind als Rechts­grund­la­ge der Ver­bands­um­la­ge­be­schei­de wirk­sam.

aa) Der Be­klag­te war nach § 265 Satz 1 SGB V ermäch­tigt, die Um­la­ge von Kos­ten­auf­wand, der aus An­lass der Ab­wen­dung ei­nes Haf­tungs­ein­tritts nach § 155 Abs 4 SGB V ent­stan­den ist, auf sei­ne Ver­bands­mit­glie­der durch Sat­zung zu re­geln. Ent­ge­gen der von der Re­vi­si­on ver­tre­te­nen Auf­fas­sung han­delt es sich bei sol­chen Aus­ga­ben zur Ab­wen­dung ei­nes Haf­tungs­ein­tritts um Kos­ten für an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen iS des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V. Dies er­gibt ei­ne Aus­le­gung der Norm nach ih­rem Wort­laut, dem Ge­set­zes­zu­sam­men­hang, in den sie ge­stellt ist, und dem ihr bei­ge­leg­ten Zweck so­wie ih­rer Ent­ste­hungs­ge­schich­te.


(1) Wie das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat, er­gibt sich aus dem Wort­laut des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V kei­ne Not­wen­dig­keit ei­ner en­gen Aus­le­gung der Norm. Ent­ge­gen der Re­vi­si­on gibt der zu­sam­men­ge­setz­te Aus­druck "an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen" we­der auf der Grund­la­ge ei­ner Ana­ly­se sei­ner Be­stand­tei­le noch in der ganz­heit­li­chen Zu­sam­men­schau An­lass zu ei­nem ein­schränken­den Verständ­nis in der Wei­se, dass hier­von nur Las­ten oder For­de­run­gen er­fasst würden, die ei­nen "spe­zi­fi­schen Be­zug zum Ein­zel­fall" und "ih­re Ur­sa­che in ex­ter­nen Vorgängen oder Er­eig­nis­sen" ha­ben. So­weit als Ge­gen­stand des Fi­nanz­aus­gleichs Kos­ten für "Be­las­tun­gen" ge­nannt wer­den, sind hier­un­ter im all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch le­dig­lich (sämt­li­che) Kos­ten oh­ne Rück­sicht auf ih­ren An­lass und ih­re Ur­sa­che zu ver­ste­hen. Die Ver­wen­dung des At­tri­buts "auf­wen­dig" stellt darüber hin­aus nur si­cher, dass auf der Ebe­ne des Lan­des­ver­ban­des fi­nan­zi­el­le Las­ten von be­son­de­rem Ge­wicht und nicht (auch) je­de (un­be­deu­ten­de) Be­las­tung aus­ge­gli­chen wird. Eben­so we­nig legt die in­ter­ne Be­zie­hung des "auf-wen­di­gen Leis­tungs­falls" (§ 265 Satz 1 1. Alt SGB V) als ein­zig kon­kret be­nann­tem Fall der auf-wen­di­gen Be­las­tung zu den (al­len) "an­de­ren auf­wen­di­gen Be­las­tun­gen" (§ 265 Satz 1 2. Alt SGB V) ein en­ges Verständ­nis der letzt ge­nann­ten Grup­pe na­he. Schon lo­gisch er­gibt sich das Ge­gen­teil, so­dass der Wort­laut oh­ne Wei­te­res für ein Verständ­nis of­fen ist, das hier­von auch Auf­wand für fi­nan­zi­el­le Hil­fen zur Ver­mei­dung ei­ner Haf­tung nach § 155 Abs 4 SGB V als aus­gleichsfähig er­fasst an­sieht. Ein an­de­rer Be­deu­tungs­ge­halt ist dem Wort­laut des § 265 Satz 1 SGB V schließlich auch nicht im Blick dar­auf zu ent­neh­men, dass die im Tat­be­stand le­dig­lich


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als be­son­de­rer Un­ter­fall der "auf­wen­di­gen Be­las­tung" auf­geführ­ten "auf­wen­di­gen Leis­tungsfälle" in der Über­schrift des § 265 SGB V an pro­mi­nen­ter Stel­le pars pro to­to als al­lei­ni­ger Re­ge­lungs­ge­gen­stand auf­geführt sind.


(2) Steht hier­nach der Wort­laut des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V ei­nem wei­ten Verständ­nis der Norm zu­min­dest nicht ent­ge­gen, ge­bie­tet ih­re Ein­ord­nung in die Re­ge­lun­gen über die Fi­nanz-und Ri­si­ko(struk­tur)aus­glei­che und de­ren Zu­sam­men­hang mit der Haf­tungs­be­stim­mung des § 155 Abs 4 SGB V ei­ne po­si­ti­ve Be­stim­mung des An­wen­dungs­be­reichs je­den­falls in dem Sin­ne, dass Kos­ten­auf­wand für die Ab­wen­dung ei­nes Haf­tungs­ein­tritts dann aus­gleichsfähig ist, wenn er wie hier auf Fu­si­ons­hil­fen be­ruht.


Die Re­vi­si­on be­gründet ih­re sys­te­ma­ti­schen Be­den­ken ge­gen die­ses Er­geb­nis zunächst da­mit, dass die ein­zel­nen Aus­gleichs­in­stru­men­te nach Vor­aus­set­zung und Ziel­rich­tung kon­tu­ren­scharf von­ein­an­der ab­zu­gren­zen sei­en und § 265 Abs 1 2. Alt SGB V da­nach nur den Aus­gleich ei­nes Auf­wan­des für außer­gewöhn­li­che For­de­run­gen auf­grund un­er­war­te­ter ex­ter­ner Vorgänge oder Er­eig­nis­se er­lau­be. Hier­un­ter fal­le der Aus­gleich von Fu­si­ons­hil­fen zur Ver­mei­dung ei­ner Haf­tung nicht, weil die dro­hen­de Haf­tung nach § 155 Abs 4 SGB V nichts über die Ur­sa­chen der fi­nan­zi­el­len Schief­la­ge ei­ner "not­lei­den­den" BKK und der Wil­le zur Ent­schul­dung im Zu­ge ei­ner Fu­si­on nichts über die Ur­sa­chen ih­rer Ver­bind­lich­kei­ten aus­sa­ge. Sei­en aber struk­tu­rel­le De­fi­zi­te und all­ge­mei­ne Schief­la­gen zu be­sei­ti­gen, kom­me hauptsächlich der ob­li­ga­to­ri­sche Ri­si­ko(struk­tur)aus­gleich nach §§ 266 ff SGB V als Aus­gleichs­in­stru­ment in Be­tracht. Darüber hin­aus könne ei­ner der­ar­ti­gen La­ge mit der fa­kul­ta­ti­ven Aus­gleichsmöglich­keit des § 265a SGB V durch fi­nan­zi­el­le Hil­fen in be­son­de­ren Not­la­gen sei­tens der Spit­zen­verbände Rech­nung ge­tra­gen wer­den. Kei­nes­falls er­wei­se sich die Zuständig­keit der Spit­zen­verbände zum Fi­nanz­aus­gleich als in der Wei­se "sub­si­diär", dass ei­ne Pro­blemlösung auf Lan­des­ver­bands­ebe­ne zunächst fehl­ge­schla­gen sein müsse. §§ 265 und 265a SGB V hätten viel­mehr in­halt­lich ver­schie­de­ne, von­ein­an­der zu tren­nen­de Re­ge­lungs­ge­hal­te.


Der von der Re­vi­si­on ver­tre­te­nen Auf­fas­sung zur Ein­ord­nung des § 265 SGB V in die Be­stim­mun­gen der Fi­nanz- und Ri­si­ko(struk­tur)aus­glei­che folgt der Se­nat nicht. Ins­be­son­de­re re­gelt § 265a SGB V Aus­gleichs­si­tua­tio­nen wie die hier zu be­ur­tei­len­de nicht et­wa selbstständig und ab­sch­ließend mit der Fol­ge, dass die An­wen­dung von § 265 SGB V auf den Aus­gleich von Auf­wand für Fu­si­ons­hil­fen zur Ab­wen­dung ei­ner Haf­tung nach § 155 Abs 4 SGB V von vorn­her­ein aus­schei­den müss­te. Zwar ha­ben § 265a SGB V und § 265 SGB V in der Tat un­ter­schied­li­che Re­ge­lungs­ge­hal­te. Rich­tig ist auch, dass ein Fi­nanz­aus­gleich auf Spit­zen­ver­bands­ebe­ne nicht erst in Be­tracht kommt, wenn ei­ne "Pro­blemlösung auf Lan­des­ver­bands­ebe­ne nicht zu er­war­ten" ist. Dem § 265 SGB V kommt - wohl ent­ge­gen der An­nah­me des LSG - ge­genüber § 265a SGB V ei­ne ver­drängen­de Wir­kung als lex spe­cia­lis nicht zu. In­des stellt § 265 Satz 1 2. Alt SGB V mit sei­ner Ge­stat­tung, an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen aus­zu­glei­chen, im Kon­text der hier maßgeb­li­chen im Jah­re 2003 gel­ten­den
 


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Vor­schrif­ten über die Fi­nanz- und Ri­si­ko(struk­tur)aus­glei­che (§§ 265a und 266 ff SGB V) ei­ne ge­ne­ral­klau­sel­ar­ti­ge Auf­fang­vor­schrift dar, die über die Kos­ten für auf­wen­di­ge Leis­tungsfälle (§ 265 Satz 1 1. Alt SGB V) und fi­nan­zi­el­le Hil­fen in be­son­de­ren Not­la­gen und zur Er­hal­tung der Wett­be­werbsfähig­keit (§ 265a SGB V) hin­aus wei­te­re Aus­ga­ben als aus­gleichsfähig er­fasst. Der Se­nat braucht nicht zu ent­schei­den, ob da­nach je­der Auf­wand ei­nes Lan­des­ver­ban­des für "not­lei­den­de" Kran­ken­kas­sen un­abhängig von An­lass und Ur­sa­che ih­rer Ver­pflich­tun­gen im We­ge der Ver­bands­um­la­ge ge­deckt wer­den darf. Je­den­falls können die hier ge­leis­te­ten fi­nan­zi­el­len (Fu­si­ons)Hil­fen des Be­klag­ten Ge­gen­stand ei­nes Fi­nanz­aus­gleichs nach § 265 Satz 1 SGB V in sei­ner zwei­ten Al­ter­na­ti­ve sein.

Dass Hil­fen zur Ermögli­chung ei­ner Kas­sen­fu­si­on al­len­falls über § 265a SGB V, nicht je­doch über § 265 SGB V aus­gleichsfähig sei­en, lässt sich nicht mit der "Ziel­set­zung" des § 265a SGB V be­gründen. Die mit dem Ge­sund­heits­struk­tur­ge­setz (GSG) vom 21.12.1992 (BGBl ! 2266) ein­gefügte Vor­schrift über­nahm Re­ge­lun­gen des bis zu sei­ner Er­set­zung durch § 265a SGB V gel­ten­den § 267 SGB V (§ 267 SGB V aF; "Fi­nan­zi­el­le Hil­fen in be­son­de­ren Not­la­gen"). Die­se Be­stim­mung be­zweck­te nicht in ers­ter Li­nie die Ab­wick­lung ei­ner Kran­ken­kas­se, et­wa durch Fu­si­on, son­dern ih­re Er­hal­tung. Das wird ins­be­son­de­re dar­an deut­lich, dass nach § 267 Abs 2 SGB V aF im Zu­sam­men­hang mit Hil­fen Maßnah­men fest­ge­legt wer­den soll­ten, die ge­eig­net wa­ren, die Fi­nanz­la­ge der Kran­ken­kas­se zu ver­bes­sern, mit­hin sie zu er­hal­ten. Hier­an knüpfte § 265a SGB V an (vgl BT-Drucks 12/3608 S 117). Auch die­ser Vor­schrift lag der Ge­dan­ke ei­ner Hil­fe­gewährung für or­ga­ni­sa­to­ri­sche Maßnah­men wie ei­ne Fu­si­on nicht zu­grun­de. Wie zu­vor schon § 267 SGB V aF re­gel­te auch § 265a SGB V, dass Hil­fen mit Auf­la­gen ver­bun­den wer­den konn­ten, die der Ver­bes­se­rung der Wirt­schaft­lich­keit und Leis­tungsfähig­keit, al­so der Er­hal­tung ei­ner Kran­ken­kas­se dien­ten. An die­ser vor­ran­gi­gen Ziel­set­zung änder­te sich später - ent­ge­gen der von der Re­vi­si­on ver­tre­te­nen Auf­fas­sung - mit dem GKV-Fi­nanzstärkungs­ge­setz (GKVFG) vom 24.3.1998 (BGBl ! 526) nichts. So­weit da­nach über § 265a SGB V Hil­fen auch zur Er­hal­tung der Wett­be­werbsfähig­keit ei­ner Kran­ken­kas­se zulässig wa­ren, wur­de dies da­mit be­gründet, dass Un­terstützun­gen struk­tu­rel­ler An­pas­sungs- und Sa­nie­rungs­pro­zes­se und da­mit Maßnah­men schon im Vor­feld ei­ner be­son­de­ren Not­la­ge ermöglicht wer­den soll­ten (vgl BT-Drucks 13/9377 S 11). Noch deut­li­cher als zu­vor stand mit­hin die Er­hal­tung der "not­lei­den­den" Kran­ken­kas­se im Vor­der­grund.


Für ei­ne all­ge­mei­ne Auf­fang­funk­ti­on des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V spricht dem­ge­genüber die Einführung des § 269 SGB V mit dem Ge­setz zur Re­form des Ri­si­ko­struk­tur­aus­gleichs in der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung vom 10.12.2001 (BGBl ! 3465). Mit § 269 SGB V wur­de ergänzend zum Ri­si­ko(struk­tur)aus­gleich (§ 266 SGB V) ein Sys­tem des so­li­da­ri­schen Aus­gleichs fi­nan­zi­el­ler Be­las­tun­gen für auf­wen­di­ge Leis­tungsfälle zwi­schen den Kran­ken­kas­sen ge­schaf­fen. Da­mit wur­de der ein­zi­ge, in § 265 Satz 1 SGB V kon­kret ge­nann­te Fall ei­ner "auf­wen­di­gen Be­las­tung" ei­ner Berück­sich­ti­gung im Rah­men des Ri­si­ko(struk­tur)aus­gleichs zu­geführt. Ei­nen Auf­fang­cha­rak­ter des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V in­di­ziert, dass für ei­nen Fi­nanz-


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aus­gleich auf Lan­des­ver­bands­ebe­ne fort­an recht­lich wie fak­tisch nur noch Auf­wand für an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen in Be­tracht kam, auch wenn der Text des § 265 Satz 1 SGB V un­verändert ge­blie­ben war und die Norm ih­rem Wort­laut nach die Kos­ten für auf­wen­di­ge Leis­tungs-fälle wei­ter­hin er­fass­te.


So­weit die Sat­zungs­re­ge­lun­gen des Be­klag­ten ei­nen Fi­nanz­aus­gleich im Zu­sam­men­hang mit an­de­ren auf­wen­di­gen Be­las­tun­gen auch für Kos­ten ermögli­chen, die aus An­lass der Ab­wen­dung ei­nes Haf­tungs­ein­tritts nach § 155 Abs 4 SGB V ent­stan­den sind, und hier­bei - in der Aus­le­gung des LSG, an die der Se­nat ge­bun­den ist (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO) - ins­be­son­de­re die Um­la­ge von Fu­si­ons­hil­fen ge­stat­ten, grei­fen die auf die Be­stim­mun­gen über "Schuld­ein­tritt und Haf­tung" gestütz­ten sys­te­ma­ti­schen Einwände der Re­vi­si­on eben­falls nicht durch. Die Re­vi­si­on wen­det ein, § 265 Satz 1 2. Alt SGB V de­cke den Aus­gleich von Ver­ei­ni­gungs­las­ten zur Ab­wen­dung ei­ner Haf­tung des­halb nicht, weil "Schuld­ein­tritt und Haf­tung" nichts darüber be­sag­ten, auf wel­chen Ur­sa­chen die Ver­bind­lich­kei­ten der "not­lei­den­den" Kran­ken­kas­se be­ru­hen, und ei­ne sol­che An­knüpfung ei­nes Fi­nanz­aus­gleichs "zur De­fi­ni­ti­on an­de­rer auf­wen­di­ger Be­las­tun­gen im Sin­ne des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V un­ge­eig­net" sei. Der Sa­che nach wie­der­holt sie da­mit le­dig­lich das von ihr durch sys­te­ma­ti­sche und am Wort­laut ori­en­tier­te Aus­le­gung ge­fun­de­ne Er­geb­nis, wo­nach nur Kos­ten für be­son­ders auf­wen­di­ge, in ex­ter­nen Vorgängen be­gründe­te Ein­z­elfälle auf Lan­des­ver­bands­ebe­ne aus­gleichsfähig sei­en. Wie be­reits dar­ge­legt, ist die­se Prämis­se im Hin­blick auf den Auf­fang­cha­rak­ter des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V aber un­zu­tref­fend. Mit die­ser Vor­schrift stand ei­ne Ermäch­ti­gung zur Re­ge­lung ei­ner Um­la­ge von Fu­si­ons­hil­fen zwecks Ver­mei­dung ei­ner Haf­tung nach § 155 Abs 4 SGB V je­den­falls so lan­ge zur Verfügung, als die Be­stim­mun­gen des § 155 Abs 4 SGB V über die Haf­tung von Lan­des­verbänden Be­stand hat­ten (bis zum 30.6.2008).

Ein Verständ­nis des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V, das den Lan­des­ver­band ge­hin­dert hätte, im In­ter­es­se sei­ner Mit­glieds­kas­sen (und ih­rer Ver­si­cher­ten) zur Ab­wen­dung des Haf­tungs­falls be­reits im Vor­feld ei­ner dro­hen­den Kas­sen­sch­ließung tätig zu wer­den, ob­wohl er nach er­folg­ter Sch­ließung (§ 153 SGB V) oh­ne­hin für die Ver­bind­lich­kei­ten der ge­schlos­se­nen Kas­se ein­zu­ste­hen hat­te, wäre mit dem Zweck der Ermäch­ti­gung un­ver­ein­bar. Die­ser Zweck er­sch­ließt sich aus dem vom Ge­setz vor­ge­ge­be­nen Or­ga­ni­sa­ti­ons­rah­men des viel­glied­ri­gen Kas­sen­sys­tems. In­ner­halb die­ses struk­tu­rel­len Rah­mens hat der Lan­des­ver­band als Sat­zungs­ge­ber ei­nen wei­ten Be­ur­tei­lungs- und Ge­stal­tungs­spiel­raum, ob und in­wie­weit er die Ver­tei­lung be­son­de­rer Las­ten auf sei­ne Mit­glieds­kas­sen zu­las­sen will. Ent­schei­det sich der Lan­des­ver­band un­ter Aus­nut­zung die­ses Spiel­raums für die endgülti­ge Be­en­di­gung der Schief­la­ge ei­ner Kran­ken­kas­se durch fi­nan­zi­el­le Hil­fen zur Durchführung ei­ner Fu­si­on, wer­den hier­durch ent­ge­gen der Re­vi­si­on ge­setz­li­che Struk­tur­ent­schei­dun­gen zu­guns­ten ei­nes (ein­ge­schränk­ten) "Kas­sen­wett­be­werbs" (da­zu un­ten) nicht außer Acht ge­las­sen. Im Ge­gen­teil be­ach­tet ei­ne der­ar­ti­ge Vor­ge­hens­wei­se ge­ra­de die Sys­tem fördern­de und er­hal­ten­de Funk­ti­on die­ses "Wett­be­werbs", wie sie un­ter an­de­rem in dem an al­le Kas­sen und ih­re Verbände ge­rich­te­ten
 


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ge­setz­li­chen Ge­bot zum Aus­druck kommt, im In­ter­es­se der Leis­tungsfähig­keit und Wirt­schaft­lich­keit der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung mit­ein­an­der eng zu­sam­men­zu­ar­bei­ten (§ 4 Abs 3 SGB V). In ei­nem sol­chen Fall er­folgt der Ein­griff in die Kas­sen­struk­tur letzt­lich im In­ter­es­se al­ler Mit­glieds­kas­sen. Ein er­folg­rei­ches In­ter­ven­ti­ons­ma­nage­ment des Lan­des­ver­ban­des kann zu­dem da­zu führen, dass die über Ver­bands­um­la­gen zu fi­nan­zie­ren­den Mit­tel ge­rin­ger sind als die­je­ni­gen, die sonst bei ei­ner Haf­tung des Lan­des­ver­ban­des nach § 155 Abs 4 SGB V hätten auf­ge­bracht wer­den müssen. Darüber hin­aus kann so ein An­se­hens­ver­lust für die BKK'en und da­mit ein An­se­hens­ver­lust für das Sys­tem der ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­sen ins­ge­samt ver­mie­den wer­den. Mag es auch sein, dass, wie die Re­vi­si­on meint, Fi­nanz­aus­gleich nach § 265 SGB V und Haf­tung des Lan­des­ver­bands nach § 155 Abs 4 SGB V nicht in ei­nem "Al­ter­na­tiv­verhält­nis" ste­hen, so können sie doch auf­ein­an­der be­zo­gen sein und dürfen vom Lan­des­ver­band als Sat­zungs­ge­ber im Rah­men sei­nes Ge­stal­tungs­spiel­raums im oben ge­nann­ten Sin­ne mit­ein­an­der ver­bun­den wer­den.

So­weit die Re­vi­si­on ei­nen Grund­satz ei­gen­ver­ant­wort­li­cher Fi­nan­zie­rung der Kran­ken­kas­sen her­vor­hebt und hier­zu auf § 220 SGB V ver­weist so­wie auf § 265 SGB V gestütz­te Um­la­gen ei­nes Lan­des­ver­ban­des als recht­fer­ti­gungs­bedürf­ti­ge "Aus­nah­men" von die­sem Grund­satz an-sieht, spricht sie den Ge­sichts­punkt des "Wett­be­werbs" zwi­schen Kran­ken­kas­sen und mögli­cher "Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen" an. Der Sa­che nach sieht sie durch den Aus­gleich der hier er­brach­ten fi­nan­zi­el­len (Fu­si­ons)Hil­fen das In­ter­es­se der Kläge­rin als gleich­sam pri­va­ter "Wett­be­wer­be­rin" gefähr­det. Die­ser Be­trach­tung folgt der Se­nat nicht. Wie das Bun­des­so­zi­al­ge­richt (<BSG> vgl Ur­teil vom 24.1.2003, B 12 KR 19/01 R, BS­GE 90, 231, 265 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1 Rd­Nr 101, mwN) und auch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (<BVerfG> vgl Be­schluss der 3. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats vom 9.6.2004, 2 BvR 1248/03 ua, SozR 4-2500 § 266 Nr 7 Rd­Nr 19 ff; Se­nats­be­schluss vom 18.7.2005, 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167, 199, 232 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 Rd­Nr 48, 124 ff) zu Fra­gen des Ri­si­ko(struk­tur)aus­gleichs nach §§ 266 ff SGB V wie­der­holt be­tont ha­ben, be­fin­den sich ge­setz­li­che Kran­ken­kas­sen nicht in ei­ner et­wa als "pri­vat" zu qua­li­fi­zie­ren­den Stel­lung als "Wett­be­wer­ber". Zwar trifft es zu, dass der Ge­setz­ge­ber mit der Or­ga­ni­sa­ti­ons­re­form im GSG das Ziel ver­folgt hat, in­ner­halb des über­kom­me­nen ge­glie­der­ten Sys­tems Wirt­schaft­lich­keits­ver­bes­se­run­gen durch "Kas­sen­wett­be­werb" zu er­rei­chen. Je­doch wird der mit der Einführung des Rechts der frei­en Kas­sen­wahl eta­blier­te "Wett­be­werb" zwi­schen den Kran­ken­kas­sen durch sei­ne Sys­tem­be­zo­gen­heit und durch die Aus­gleichs­in­stru­men­te des SGB V so­zi­al flan­kiert. Eben­so wie der Ri­si­ko(struk­tur)aus­gleich nach §§ 266 ff SGB V (vgl BSG, aaO, Rd­Nr 101; BVerfG, Be­schluss vom 9.6.2004, aaO, Rd­Nr 18) stellt auch der Fi­nanz­aus­gleich nach § 265 SGB V ei­ne Aus­prägung des in § 1 Satz 1 SGB V nie­der­ge­leg­ten So­li­dar­ge­dan­kens dar. Er zielt auf ei­ne so­li­da­ri­sche Ver­tei­lung von Be­las­tun­gen zwi­schen Kas­sen ei­ner Kas­sen­art in­ner­halb ei­nes Lan­des­ver­ban­des. Auf die­se Wei­se trägt er wie der bun­des­wei­te Ri­si­ko(struk­tur)aus­gleich da­zu bei, die Kern­auf­ga­be der ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­sen zu si­chern, als Teil der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung öffent­lich-recht­lich ge­re­gel­ten Kran­ken­ver­si­che­rungs­schutz für die
 


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Ver­si­cher­ten zu gewähr­leis­ten. Al­lein der Erfüllung die­ser so­zi­al­staat­li­chen Auf­ga­be dient der "Kas­sen­wett­be­werb" und nur in die­ser Auf­ga­ben­stel­lung ist die Kläge­rin von der Re­ge­lung des § 265 SGB V be­trof­fen. Über pri­vat­recht­lich ge­ord­ne­te Hand­lungs­spielräume, wie sie et­wa pri­va­ten Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men eröff­net sind, verfügt sie da­mit nicht.


(3) Mit im Er­geb­nis zu­tref­fen­den Ausführun­gen hat das LSG auch der Ent­ste­hungs­ge­schich­te des § 265 SGB V An­halts­punk­te für ei­ne en­ge Aus­le­gung des Be­griffs "an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen", wie sie die Re­vi­si­on ver­tritt, nicht ent­nom­men. Die Norm­vor­stel­lun­gen des his­to­ri­schen Ge­setz­ge­bers ste­hen ei­ner aus dem Ge­set­zes­zu­sam­men­hang und dem Zweck des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V ge­won­ne­nen Aus­le­gung, wo­nach die­ser Be­stim­mung ei­ne all­ge­mei­ne Auf­fang­funk­ti­on zu­kommt, nicht ent­ge­gen.


Der mit der Einführung des SGB V durch das Ge­sund­heits-Re­form­ge­setz (GRG) vom20.12.1988 (BGBl I 2477) ge­schaf­fe­ne § 265 SGB V über­nahm § 414b Abs 2 Satz 2 und § 509a der Reichs­ver­si­che­rungs­ord­nung (RVO). We­der der hier ein­schlägi­gen (Vorgänger)Vor­schrift des § 414b Abs 2 Satz 2 RVO oder den wei­te­ren Ände­run­gen des § 414b RVO noch der dem Ent­wurf von § 265 SGB V bei sei­ner Einführung bei­ge­ge­be­nen Be­gründung sind Hin­wei­se dar­auf zu ent­neh­men, dass über § 265 Satz 1 2. Alt SGB V, wie die Re­vi­si­on meint, nur "kurz­fris­ti­ge Auf­wands­spit­zen ... vorüber­ge­hend aus­ge­gli­chen" wer­den soll­ten. Mit dem Kran­ken­ver­si­che­rungs-Wei­ter­ent­wick­lungs­ge­setz (KVWG) vom 28.12.1976 (BGBl I 3871) war dem § 414b Abs 2 RVO ein Satz 2 an­gefügt wor­den, wo­nach die Sat­zun­gen der Lan­des­verbände ei­ne Um­la­ge der Mit­glieds­kas­sen vor­se­hen konn­ten, um die Kos­ten ins-be­son­de­re für auf­wen­di­ge Leis­tungsfälle ganz oder teil­wei­se zu de­cken. Die Lan­des­verbände soll­ten ermäch­tigt wer­den, Mit­glieds­kas­sen zu un­terstützen, wenn die­se außer­gewöhn­li­che und un­vor­her­ge­se­he­ne Auf­wen­dun­gen aus ih­ren lau­fen­den Ein­nah­men nicht de­cken konn­ten; sie soll­ten durch Er­he­bung von Ver­bands­um­la­gen dafür sor­gen können, dass Mit­glieds­kas­sen ins-be­son­de­re durch die Kos­ten für auf­wen­di­ge Leis­tungsfälle nicht in fi­nan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten ge­rie­ten (vgl BT-Drucks 7/3336 S 27). We­der die For­mu­lie­rung, die § 414b Abs 2 RVO mit dem KVWG er­hal­ten hat­te, noch die Be­gründung der Vor­schrift im Rah­men des Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­rens le­gen es na­he, dass der Ge­setz­ge­ber von ei­nem en­gen Verständ­nis die­ser Be­stim­mung aus­ge­gan­gen ist. Den Quel­len ist in­so­weit (nur) zu ent­neh­men, dass sich die Be­deu­tung der Vor­schrift ge­ra­de nicht in ei­ner Re­ge­lung für auf­wen­di­ge Leis­tungsfälle erschöpfen soll­te. Die un­be­stimm­ten For­mu­lie­run­gen der Ent­wurfs­ver­fas­ser spre­chen so­gar - im Ge­gen­teil - für ein Verständ­nis auch die­ser Vor­schrift als Ge­ne­ral­klau­sel. Für ei­ne in die­sem Sin­ne wei­te Aus­le­gung des § 414b Abs 2 Satz 2 RVO kann darüber hin­aus die Be­gründung des kur­ze Zeit später - mit dem Kran­ken­ver­si­che­rungs-Kos­tendämp­fungs­ge­setz (KVKG) vom 27.6.1977 (BGBl I 1069) - an­gefügten Ab­sat­zes 2a des § 414b RVO her­an­ge­zo­gen wer­den. § 414b Abs 2a RVO sah auf Lan­des­ver­bands­ebe­ne ei­nen ab­ge­stuf­ten Fi­nanz­aus­gleich zur Wah­rung möglichst ein­heit­li­cher Bei­tragssätze in ei­ner Re­gi­on vor. In der Be­gründung des Ent­wurfs ist aus­geführt, dass es zu Fi­nanz­aus­glei­chen nach § 414b Abs 2a
 


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RVO vor­aus­sicht­lich nicht kom­me, wenn von den mit § 414b Abs 2 RVO ein­geräum­ten Möglich­kei­ten zum Aus­gleich Ge­brauch ge­macht wer­de (vgl BT-Drucks 8/166 S 32).


Eben­so we­nig spricht die § 265 SGB V mit dem Ent­wurf des GRG bei­ge­ge­be­ne Be­gründung dafür, dass in­so­weit nur "außer­gewöhn­li­che und un­vor­her­ge­se­he­ne Auf­wen­dun­gen auf­grund ei­nes Ein­zel­er­eig­nis­ses aus­gleichsfähig" sein soll­ten. So wird in der Be­gründung zum ei­nen dar­auf hin­ge­wie­sen, dass § 265 SGB V in­halt­lich dem - eben­falls weit zu ver­ste­hen­den - § 414b Abs 2 Satz 2 RVO ent­spre­che, zum an­de­ren wird be­merkt, dass auf­wen­di­ge Leis­tungsfälle dort nur als wich­tigs­ter Grund für Fi­nanz­aus­glei­che ge­nannt sei­en, je­doch auch an Um­la­gen für aus an­de­ren Gründen not­lei­dend ge­wor­de­ne Kran­ken­kas­sen ge­dacht wer­den könne (vgl BT-Drucks 11/2237 S 228). Hier­aus wird im Schrift­tum teil­wei­se so­gar ab­ge­lei­tet, mit § 265 SGB V könne ein all­ge­mei­ner Fi­nanz­aus­gleich zu­ge­las­sen sein (vgl Pe­ters in Kass­Komm, Stand Ju­li 2008, § 265 Rd­Nr 7).

So­weit bis zum hier maßgeb­li­chen Zeit­punkt des Jah­res 2003 im Um­feld des § 265 SGB V Ge­set­zesände­run­gen er­folg­ten (durch das GSG) und die­ser Vor­schrift ein Satz 2 an­gefügt wur­de (durch das GKVFG), wo­nach Hil­fen auch als Dar­le­hen gewährt wer­den können, er­gibt sich dar­aus für ei­nen Wan­del in den Norm­vor­stel­lun­gen zu der - un­verändert ge­blie­be­nen - Be­stim­mung des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V nichts. Die Re­vi­si­on bringt in­so­weit auch le­dig­lich vor, dass das Be­ru­fungs­ge­richt "die Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en aus der Zeit nach 1988" vollständig außer Acht ge­las­sen und die aus dem sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang mit den zeit­gleich ge­schaf­fe­nen Be­fug­nis­sen auf Bun­des­ebe­ne fol­gen­den Be­schränkun­gen ver­kannt ha­be. Hier­auf ist an an­de­rer Stel­le (da­zu oben 2. a aa (2)) be­reits ein­ge­gan­gen wor­den.


(4) So­weit die Re­vi­si­on schließlich aus älte­ren Ur­tei­len des Se­nats zur Ver­fas­sungsmäßig­keit un­ter­schied­li­cher Bei­tragssätze (Ur­tei­le vom 22.5.1985, 12 RK 15/83, BS­GE 58, 134 = SozR 2200 § 385 Nr 14, und 12 RK 16/83, NZA 1986, 171 = ErsK 1986, 175) Schluss­fol­ge­run­gen für die Aus­le­gung des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V zieht und das von ihr zu­grun­de ge­leg­te en­ge Verständ­nis die­ser Vor­schrift da­durch bestätigt sieht, grei­fen ih­re Be­den­ken eben­falls nicht durch. Der Se­nat hat­te sich in die­sen Ent­schei­dun­gen im Rah­men von Ver­si­cher­ten um die Höhe ih­rer Kran­ken­ver­si­che­rungs­beiträge geführ­ter Rechts­strei­tig­kei­ten aus der Sicht des all­ge­mei­nen Gleich­heits­sat­zes zu den Rechts­grund­la­gen der Bei­trags­fest­set­zung und - in die­sem Zu­sam­men­hang - zur Aus­gleichs­bedürf­tig­keit un­ter­schied­li­cher Bei­tragssätze geäußert. Er hat­te be­stimm­te Ur­sa­chen da­bei als ge­ra­de­zu "aus­gleichs­feind­lich" be­zeich­net und hier­zu ua ho­he Ver­wal­tungs­kos­ten ge­rech­net. Die­se Über­le­gun­gen des Se­nats las­sen sich je­doch auf den vor-lie­gen­den Fall nicht über­tra­gen. So lag den ge­nann­ten Ent­schei­dun­gen mit der in­di­vi­du­el­len Grund­rechts- bzw Gleich­heits­prüfung ein an­de­rer (ver­fas­sungs)recht­li­cher Prüfungs­an­satz zu­grun­de. Darüber hin­aus konn­ten sie nur die Rechts­la­ge un­ter Gel­tung des § 414b RVO berück­sich­ti­gen. Ver­all­ge­mei­ne­rungsfähi­ge Aus­sa­gen für die Zeit nach In­kraft­tre­ten des GRG und ins-be­son­de­re des GSG las­sen sich ih­nen des­halb nicht ent­neh­men. Sch­ließlich ist für die Aus-



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gleichs­be­stim­mung des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V be­reits dar­ge­legt wor­den (da­zu oben 2. a aa (2)), dass die­se die Funk­ti­on ei­ner all­ge­mei­nen Auf­fang­vor­schrift hat, die je­den­falls im Zu­sam­men­hang mit der hier vor­lie­gen­den Not­la­ge ei­ne Um­la­ge von (Fu­si­ons)Hil­fen ge­stat­tet.

bb) Die für die Be­ur­tei­lung des vor­lie­gen­den Fal­les maßgeb­li­chen Sat­zungs­be­stim­mun­gen ver­s­toßen auch nicht ge­gen Be­stimmt­heits­ge­bo­te. Die Re­vi­si­on führt hier­zu aus, dass die Sat­zung des Be­klag­ten in der Aus­le­gung des Be­ru­fungs­ge­richts nicht hin­rei­chend er­ken­nen las­se, in wel­chen Fällen ei­ne Um­la­ge­pflicht der Ver­bands­mit­glie­der be­ste­he, weil sie - zum ei­nen - den Be­griff der "an­de­ren auf­wen­di­gen Be­las­tung" iS des § 265 Satz 1 2. Alt SGB V nicht de­fi­nie­re und - zum an­de­ren - kei­ne An­halts­punk­te für die An­nah­me des LSG ent­hal­te, hier­von wer­de je­den­falls ein Fall wie der vor­lie­gen­de er­fasst, "wenn ei­ne Be­triebs­kran­ken­kas­se nach Ver­ei­ni­gung von zwei oder meh­re­ren Be­triebs­kran­ken­kas­sen in die­sel­ben Ver­bind­lich­kei­ten ein­tre­te". Ei­ne Ver­let­zung ver­fas­sungs­recht­li­cher (Art 20 Abs 3 GG) oder, wie die Re­vi­si­on meint, aus § 265 SGB V selbst fol­gen­der Be­stimmt­heits­er­for­der­nis­se liegt je­doch nicht vor. Das Aus­maß der ge­bo­te­nen Be­stimmt­heit ist va­ria­bel und hängt von der Ei­gen­art der Re­ge­lungs­ma­te­rie, dem Re­ge­lungs­zweck und der Re­ge­lungsfähig­keit des Ge­gen­stan­des ab. Vor die­sem Hin­ter­grund kann das Be­stimmt­heits­ge­bot gra­du­ell ab­ge­stuft und auch et­wa mit Ge­ne­ral­klau­seln erfüllt wer­den, wenn die­se mit herkömmli­chen ju­ris­ti­schen Me­tho­den aus­leg­bar sind (vgl schon BVerfG, Be­schluss vom 12.11.1958, 2 BvL 4/56 ua, BVerfGE 8, 274, 326; fer­ner Be­schluss vom 11.1.1994, 1 BvR 434/87, BVerfGE 90, 1, 16 f, mwN). In die­sem Sin­ne ist der zur Aus­gleichs­ver­pflich­tung von Kran­ken­kas­sen führen­de, hier re­le­van­te Tat­be­stand der Sat­zung des Be­klag­ten nor­ma­tiv hin­rei­chend be­stimmt. Zwar sind die Vor­aus­set­zun­gen für die Gewährung von Hil­fen aus An­lass "an­de­rer auf­wen­di­ger Be­las­tun­gen" in der Sat­zung weit ge­fasst. Ins­be­son­de­re wird in § 4 der Sat­zung und § 1 Aus­glO le­dig­lich auf den Wort­laut des § 265 Satz 1 SGB V ver­wie­sen. Auch in den §§ 7 und 14 Aus­glO wer­den die Vor­aus­set­zun­gen der Hil­fe­gewährung nicht wei­ter kon­kre­ti­siert. Aus die­sen Sat­zungs­be­stim­mun­gen wird aber deut­lich, dass das Ziel al­ler In­ter­ven­ti­ons­stra­te­gi­en die Ab­wen­dung ei­ner Haf­tung nach § 155 Abs 4 SGB V ist. Mit der Nen­nung die­ses Ziels und ins­be­son­de­re der De­fi­ni­ti­on von Ana­ly­se­kri­te­ri­en, die als In­di­ka­to­ren für ei­ne dro­hen­de Haf­tung fun­gie­ren, ist der An­lass für ei­ne Hil­fe­gewährung und in­fol­ge­des­sen ei­ne Um­la­ge­ver­pflich­tung nach der Aus­glO hin­rei­chend ein­ge­grenzt. Ein Man­gel an in­halt­li­cher Be­stimmt­heit liegt auch nicht dar­in, dass die nach § 14 Aus­glO mögli­chen In­ter­ven­ti­ons­maßnah­men nicht wei­ter präzi­siert sind. Wel­che Maßnah­men im Ein­zel­fall er­grif­fen wer­den, hat sich nach Zweckmäßig­keits­ge­sichts­punk­ten an des­sen Umständen zu ori­en­tie­ren und braucht da­mit ge­ra­de mit Rück­sicht auf die­sen Norm­zweck nicht näher de­fi­niert zu wer­den.


b) Be­ru­hen die Be­schei­de vom 14.3.2003, mit de­nen der Be­klag­te von der Kläge­rin ei­nen Teil der zur Ver­mei­dung sei­ner Haf­tung ge­zahl­ten Fu­si­ons­hil­fen im Um­la­ge­we­ge ge­for­dert hat, mit­hin auf ei­ner wirk­sa­men Rechts­grund­la­ge, so sind auch an­de­re, zu sei­ner Rechts­wid­rig­keit
 


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führen­de Gründe nicht er­kenn­bar. Die An­wen­dung der Sat­zung des Be­klag­ten im kon­kre­ten Fall ist nicht zu be­an­stan­den.

aa) Die Re­vi­si­on hat in­so­weit meh­re­re Einwände er­ho­ben:

Sie weist zunächst dar­auf hin, dass das LSG nach den von ihm selbst zu § 265 Satz 1 2. Alt SGB V auf­ge­stell­ten recht­li­chen An­for­de­run­gen die auch hin­sicht­lich ih­rer Ursächlich­keit tatsächlich fest­ge­stell­ten Ver­bind­lich­kei­ten der BKK R. nicht als "an­de­re auf­wen­di­ge Be­las­tun­gen" ha­be be­wer­ten dürfen, die­se Würdi­gung we­gen ei­nes Ver­s­toßes ge­gen § 265 SGB V und Ge­set­ze der Lo­gik mit­hin rechts­feh­ler­haft und, weil sie sich als über­ra­schend und un­er­war­tet dar­stel­le, als Ver­s­toß ge­gen den An­spruch auf recht­li­ches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) ver­fah­rens­feh­ler­haft sei (da­zu un­ten bb). So­weit die Re­vi­si­on in die­sem Zu­sam­men­hang meint, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be durch ei­nen Aus­tausch der BKK R. ge­gen den Fu­si­ons­part­ner BKK D. alt die Ver­bind­lich­kei­ten der BKK R. "rein­ge­wa­schen", wen­det sie der Sa­che nach ein, der Be­klag­te ha­be im
Rah­men sei­nes In­ter­ven­ti­ons­ma­nage­ments von der in der Sat­zung eröff­ne­ten In­ter­ven­ti­ons­al­ter­na­ti­ve "öffent­lich-recht­li­cher Ver­trag" (über­haupt) kei­nen Ge­brauch ma­chen dürfen. Sie hält da­mit den Ver­trags­ab­schluss als sol­chen für rechts­wid­rig.

Nicht ge­gen den Ab­schluss des Ver­tra­ges, son­dern ge­gen sei­ne Aus­le­gung rich­tet sich das Vor­brin­gen der Re­vi­si­on, das LSG sei of­fen­bar willkürlich ver­fah­ren, als es ei­ner­seits - in den Ent­schei­dungs­gründen sei­nes Ur­teils - die Höhe der ver­trag­li­chen Ver­pflich­tung des Be­klag­ten als hin­rei­chend be­stimmt, an­de­rer­seits - im Tat­be­stand - ei­ne höhe­re Ge­samt­hil­fe als "zulässig" an­ge­se­hen ha­be. Das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be den Ver­trag in die­sem Punkt ent­we­der (doch) für un­be­stimmt ge­hal­ten oder aber als be­stimmt an­ge­se­hen und (gleich­wohl) ei­ne Ver­trags­ver­let­zung ver­neint.


Als Aus­le­gungs­feh­ler hat es die Re­vi­si­on auch be­zeich­net, dass das LSG zunächst das Pas­siv­vermögen der BKK R. im Fu­si­ons­zeit­punkt als nach dem Ver­trag be­stimm­te Ober­gren­ze ei­ner Fu­si­ons­hil­fe be­trach­tet, dann aber un­ter Ver­s­toß ge­gen all­ge­mei­ne Aus­le­gungs­grundsätze die vor­ab ge­zahl­ten Li­qui­ditätshil­fen in das Pas­siv­vermögen mit der Be­gründung ein­ge­rech­net ha­be, zum Fu­si­ons­zeit­punkt wäre das Pas­siv­vermögen oh­ne die Hil­fen höher ge­we­sen.


Als aus­le­gungs­feh­ler­haft und - we­gen Nicht­berück­sich­ti­gung ent­spre­chen­den Tat­sa­chen­vor­trags - als Ver­s­toß ge­gen den An­spruch auf recht­li­ches Gehör ver­fah­rens­feh­ler­haft (da­zu un­ten bb) sieht die Re­vi­si­on schließlich die Würdi­gung des Be­ru­fungs­ge­richts an, dass das
Ak­tiv­vermögen der BKK W. im Hin­blick auf Nr 6 des öffent­lich-recht­li­chen Ver­tra­ges nicht ha­be an­ge­rech­net wer­den müssen.
 


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bb) Die im Zu­sam­men­hang mit dem öffent­lich-recht­li­chen Ver­trag er­ho­be­nen Einwände der Re­vi­si­on grei­fen nicht durch. Mögli­che Feh­ler des Be­klag­ten beim Ab­schluss des Ver­tra­ges und sei­ner Durchführung, die ge­richt­li­cher­seits auf der Grund­la­ge ei­ner be­stimm­ten Aus­le­gung des Ver­tra­ges nicht be­an­stan­det wer­den, wären als Feh­ler der kon­kre­ten In­ter­ven­ti­ons­maßnah­me un­be­acht­lich.

Der Se­nat kann da­bei of­fen las­sen, ob sich die­se Fol­ge be­reits dar­aus er­gibt, dass ei­ne Über­prüfung von Ent­schei­dun­gen des Be­klag­ten, die all­ge­mein sei­ne Ver­bandstätig­keit be­tref­fen und die das Ge­setz des­halb der Erörte­rung und Wil­lens­bil­dung in­ner­halb sei­ner Ver­bands­or­ga­ne un­ter­wirft, ge­ne­rell bzw schlecht­hin aus­ge­schlos­sen oder im Hin­blick auf die be­reits ge­nann­te Recht­spre­chung des 1. Se­nats (Ur­teil vom 25.6.2002, aaO) un­ter dem Ge­sichts­punkt des "Son­der­bei­trags" ei­ne Aus­nah­me hier­von zu­zu­las­sen ist. Denn je­den­falls ist ei­ne ge­richt­li­che Über­prüfung der kon­kre­ten, von der Re­vi­si­on an­ge­grif­fe­nen In­ter­ven­ti­ons­maßnah­me nicht eröff­net. Dass Ver­bands­ent­schei­dun­gen ei­ner ein­ge­schränk­ten ge­richt­li­chen Kon­trol­le un­ter­lie­gen können, ist im Lau­fe des Ver­fah­rens mehr­fach zur Spra­che ge­kom­men.

Nach der Aus­glO stan­den dem Be­klag­ten im Rah­men sei­ner In­ter­ven­ti­ons­stra­te­gie (vgl § 7 Abs 1 Satz 2) meh­re­re (po­li­ti­sche) Hand­lungs­op­tio­nen zur Verfügung. Er konn­te, nach­dem er im We­ge des Ana­ly­se­ver­fah­rens (vgl §§ 7 Abs 2, 8 Abs 1, 4) "not­lei­den­de" Mit­glieds­kas­sen, für die sei­ne Haf­tung in Be­tracht kam, er­mit­telt und die­se über das Er­geb­nis sei­ner Re­cher­chen un­ter­rich­tet hat­te, der "not­lei­den­den" Kas­se ge­genüber Hand­lungs­emp­feh­lun­gen aus­spre­chen (vgl §§ 11, 12) und die­se be­glei­ten oder sons­ti­ge ge­eig­ne­te Maßnah­men er­grei­fen (vgl § 12 Abs 3). Al­ter­na­tiv hier­zu (vgl § 14) konn­te er in der Hand­lungs­form des öffent­lich-recht­li­chen Ver­tra­ges tätig wer­den und ua mit der "not­lei­den­den" Kran­ken­kas­se ei­ne Ver­ein­ba­rung zur Ab­wen­dung des Haf­tungs­ein­tritts tref­fen.

Die Art und Wei­se der Wahr­neh­mung der­ar­ti­ger (po­li­ti­scher) Hand­lungs­op­tio­nen ist von der kla­gen­den Kran­ken­kas­se, die nicht selbst zu den Ver­trags­part­nern gehört, als Tat­be­stand hin­zu­neh­men. Sol­che Maßnah­men sind als Zwi­schen­schritt auf dem Weg zur Fest­stel­lung bzw Sta­bi­li­sie­rung oder, so­weit noch möglich, Ver­min­de­rung des später um­zu­le­gen­den Pas­siv­vermögens zu ver­ste­hen. Ih­nen lie­gen re­gelmäßig ei­ner­seits be­triebs­wirt­schaft­li­che, an­de­rer­seits stra­te­gi­sche oder sons­ti­ge Zweckmäßig­keits­erwägun­gen zu­grun­de. Ob der Be­klag­te auf an­de­rem We­ge zu bes­se­ren oder sach­gemäßeren Lösun­gen im In­ter­es­se der Mit­glieds­kas­sen hätte ge­lan­gen können, ist der Be­ur­tei­lung des Se­nats ent­zo­gen. Dass der Be­klag­te zur Ab­wen­dung sei­nes Haf­tungs­ein­tritts über­haupt und darüber hin­aus im Verhält­nis zum BKK R. und der BKK D. alt Ver­pflich­tun­gen ein­ge­gan­gen ist und dass die­se in be­stimm­ter Wei­se aus­ge­stal­tet sind, ist des­halb ei­ne im vor­lie­gen­den Kon­text rechts­un­er­heb­li­che Tat­sa­che, die auf die Ent­schei­dung im Rechts­streit zwi­schen der kla­gen­den Um­la­ge­kas­se und dem be­klag­ten Lan­des­ver­band kei­nen Ein­fluss ha­ben kann.
 


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An die in­so­weit ge­trof­fe­nen Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen des LSG ist der Se­nat ge­bun­den (vgl § 163 SGG). Die­se sind von der Re­vi­si­on mit zulässi­gen und be­gründe­ten Ver­fah­rensrügen nicht an­ge­grif­fen wor­den. So­weit sie ei­ne Ver­let­zung des An­spruchs der Kläge­rin auf recht­li­ches Gehör gel­tend macht (da­zu oben aa), be­zie­hen sich die­se Rügen auf Tat­sa­chen, die im Sin­ne der obi­gen Dar­le­gun­gen al­le­samt rechts­un­er­heb­lich sind, und können schon aus die­sem Grun­de kei­nen Er­folg ha­ben. Der von der Re­vi­si­on an­ge­nom­me­ne Gehörver­s­toß liegt al­ler­dings auch des­halb nicht vor, weil die Fra­ge der aus­gleichsfähi­gen Kos­ten während des Ver­fah­rens wie­der­holt the­ma­ti­siert wor­den ist.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Ver­wal­tungs­ge­richts­ord­nung.

Die Streit­wert­fest­set­zung be­ruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halb­satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1, § 52 Abs 3 Ge­richts­kos­ten­ge­setz.

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