HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Be­schluss vom 17.03.2010, 15 TaBV­Ga 34/10

   
Schlagworte: Betriebsratswahl, Einstweilige Verfügung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 15 TaBVGa 34/10
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 17.03.2010
   
Leitsätze:

1. Eine Feststellungsverfügung, wonach die Einsetzung des Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl unwirksam sein soll, ist im einstweiligen Verfügungsverfahren unzulässig.

2. Die Bestellung eines siebzehnköpfigen Wahlvorstandes durch den Betriebsrat mit dem Ziel, neben 3 festen Wahllokalen u. a. 55 Filialen durch 11 mobile Wahlteams an einem Wahltag aufsuchen zu lassen, rechtfertigt keinen Abbruch der Betriebsratswahl, auch wenn bei der vorangegangenen Wahl nur 7 Wahlvorstandsmitglieder für 3 feste Wahllokale bestellt worden waren.

3. Dem Wahlvorstand kann die weitere Durchführung einer Betriebsratswahl nur in besonderen Ausnahmefällen untersagt werden. Dies ist nur dann der Fall, wenn Mängel in der Durchführung der Wahl nicht korrigiert werden können und die Weiterführung der Wahl mit Sicherheit eine erfolgreiche Anfechtung oder Nichtigkeit der Wahl zur Folge hätte.

4. Es kann offen bleiben, ob Mängel in der Wahldurchführung in analoger Anwendung § 19 Abs. 2 BetrVG innerhalb von zwei Wochen gerichtlich angegriffen werden müssen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 3.12.2009, 4 BVGa 20359/09
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

Verkündet

am 17. März 2010

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

15 TaBV­Ga 34/10

4 BV­Ga 20359/09
Ar­beits­ge­richt Ber­lin

K., JHS als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

 

Be­schluss

In Sa­chen


pp
 

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 15. Kam­mer, auf die Anhörung vom 17. März 2010 durch den Vor­sit­zen­der Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt K. als Vor­sit­zen­der
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herr S. und Herr B.
be­schlos­sen:

Die Be­schwer­de der Be­tei­lig­ten zu 1), 2), 5) ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 03.12.2009 - 4 BV­Ga 20359/09 wird zurück­ge­wie­sen.


K. S. B.

 

- 3 -

Gründe

I.

Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob durch Be­schluss des Be­triebs­ra­tes vom
17. Sep­tem­ber 2009 wirk­sam ein sieb­zehnköpfi­ger Wahl­vor­stand be­stellt wor­den ist und ob die­sem Wahl­vor­stand die wei­te­re Durchführung der Be­triebs­rats­wahl zu un­ter­sa­gen ist.

Der Be­tei­lig­te zu 3) ist der ge­mein­sam für die be­tei­lig­ten Un­ter­neh­men zu 1), 2, und 5) (künf­tig: die Ar­beit­ge­be­rin­nen) ge­bil­de­te Be­triebs­rat. Die Ar­beit­ge­be­rin­nen un­ter­hiel­ten nach ei­ge­ner Auf­fas­sung ei­nen ge­mein­sa­men Be­trieb in Ber­lin mit ca. 1.810 Mit­ar­bei­tern. Die­ser be­steht aus drei großen Be­triebsstätten in der Ber­li­ner In­nen­stadt mit ca. 670, 240 und wei­te­ren 150 Ar­beit­neh­mern. Wei­ter­hin exis­tie­ren 55 Fi­lia­len und Außen­stel­len, in de­nen die übri­gen Ar­beit­neh­mer beschäftigt sind. Die be­tei­lig­ten Ar­beit­ge­be­rin­nen zu 1) und 2) bei­trei­ben Bank­geschäfte, während es sich bei der be­tei­lig­ten Ar­beit­ge­be­rin zu 5) um ei­ne eben­falls zum Kon­zern gehören­de Ser­vice-Ge­sell­schaft han­delt.

Zur Be­triebs­rats­wahl im Jah­re 2006 war ein sie­benköpfi­ger Wahl­vor­stand ge­bil­det wor­den. Für die drei großen Be­triebsstätten in der In­nen­stadt wa­ren fes­te Wahlbüros ein­ge­rich­tet wor­den. Bezüglich der Beschäftig­ten in den 55 Fi­lia­len war Brief­wahl an­ge­ord­net wor­den.

In sei­ner Sit­zung am 17. Sep­tem­ber 2009 wähl­te der sieb­zehnköpfi­ge Be­triebs­rat im Hin­blick auf die im Jahr 2010 an­ste­hen­de Neu­wahl ei­nen aus 17 Mit­glie­dern be­ste­hen­den Wahl­vor­stand, den Be­tei­lig­ten zu 4). Dem lag die Kon­zep­ti­on zu­grun­de, dass ne­ben den drei fes­ten Wahlbüros elf mo­bi­le Wahl­teams ge­bil­det wer­den soll­ten, die je­weils fünf Fi­lia­len am Wahl­tag auf­su­chen soll­ten. Die­se Kon­zep­ti­on hat der Wahl­vor­stand mit Wahl­aus­schrei­ben vom 23. Fe­bru­ar 2010 (Ko­pie Bl. 237 ff. d. A.) um­ge­setzt.

Im Rah­men des einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens ver­tre­ten die be­tei­lig­ten Ar­beit­ge­be­rin­nen die An­sicht, die Bil­dung des sieb­zehnköpfi­gen Wahl­vor­stan­des sei er­mes­sens­feh­ler­haft. Oh­ne Not ha­be der Be­triebs­rat die Kos­ten­be­las­tung für die Ar­beit­ge­be­rin­nen außer Acht ge­las­sen. Ge­nau­so wie 2006 hätte auch die­ses Mal ei­ne schrift­li­che Stimm­ab­ga­be für die Fi­lia­len und Außen­stel­len be­schlos­sen wer­den können. Wäre die Wahl an meh­re­ren Ta­gen durch­geführt wor­den, hätte sich zwangsläufig die An­zahl der benötig­ten Wahl­vorstände ver­rin­gert.

- 4 -

Die Be­tei­lig­ten zu 1), 2) und 5) ha­ben be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass die Ein­set­zung des Wahl­vor­stan­des durch den Be­schluss des Be­tei­lig­ten zu 3) vom 17.09.2009 un­wirk­sam ist;
2. den Be­tei­lig­ten zu 4) die wei­te­re Durchführung der Be­triebs­rats­wahl zu un­ter­sa­gen.

Die Be­tei­lig­ten zu 3) und 4) ha­ben be­an­tragt,

die Anträge zurück­zu­wei­sen.

Sie ha­ben die An­sicht ver­tre­ten, dass ei­ne Brief­wahl für al­le 55 Fi­lia­len nicht zu­letzt des­halb als kri­tisch an­zu­se­hen sei, weil der Ge­setz­ge­ber dem Auf­su­chen ei­nes Wahl­lo­kals als er­leb­ba­ren Wahl­vor­gang den Vor­rang ein­geräumt ha­be. Für je­des der drei fest ein­ge­rich­te­ten Wahlbüros würden zwei Mit­glie­der des Wahl­vor­stan­des und für je­de der „Wan­der­wahl­ur­nen“ ein Wahl­vor­stands­mit­glied benötigt. Hier­aus er­ge­be sich die Ge­samt­zahl von 17 Wahl­vor­stands­mit­glie­dern.

Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin hat mit Be­schluss vom 3. De­zem­ber 2009 die Anträge zurück­ge­wie­sen. Der An­trag zu 1. sei zulässig. Bei­de Anträge sei­en je­doch nicht be­gründet. Ein Feh­ler, der zur An­fecht­bar­keit der Be­triebs­rats­wahl führen würde, lie­ge nicht vor. Mit der Ein­rich­tung mo­bi­ler Wahlbüros wer­de der de­zen­tra­len Struk­tur des Be­trie­bes Rech­nung ge­tra­gen. Die Ent­schei­dung des Be­triebs­ra­tes sei nicht er­mes­sens­feh­ler­haft. Je­den­falls bezüglich der in der In­nen­stadt ge­le­ge­nen Fi­lia­len könne kei­nes­wegs mit Si­cher­heit da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die­se in räum­lich wei­ter Ent­fer­nung von den Haupt­be­triebsstätten ge­le­gen sei­en. Die Ent­schei­dung, ei­ne Be­triebs­rats­wahl an nur ei­nem Tag durch­zuführen, sei selbst dann nicht feh­ler­haft, wenn sie zu ei­nem per­so­nel­len oder fi­nan­zi­el­len Mehr­auf­wand des Ar­beit­ge­bers führe. Das Ri­si­ko, das während des Wahl­vor­gangs Feh­ler auf­tre­ten könn­ten, wer­de hier­durch re­du­ziert. Dies be­tref­fe ins­be­son­de­re das Pro­blem der Auf­be­wah­rung und Be­wa­chung der Wahl­ur­nen über Nacht. Auch hätten der Be­triebs­rat und der Wahl­vor­stand dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es bei der Durchführung der Brief­wahl im Zu­sam­men­hang mit der letz­ten Be­triebs­rats­wahl und auch im Zu­sam­men­hang mit den Wah­len zum Auf­sichts­rat Pro­ble­me beim Post­ein­gang und der Wei­ter­lei­tung der schrift­lich ab­ge­ge­be­nen Stim­men ge­ge­ben ha­be. Auch hin­sicht­lich der übri­gen Durchführung der Be­triebs­rats­wahl sei­en Feh­ler nicht er­sicht­lich.

 

- 5 -

Die­ser Be­schluss ist den Ar­beit­ge­be­rin­nen am 10. De­zem­ber 2009 zu­ge­stellt wor­den. Am 7. Ja­nu­ar 2010 ging die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­schwer­de beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein. Die Be­gründung er­folg­te am 8. Fe­bru­ar 2010.

Die Ar­beit­ge­be­rin­nen sind wei­ter­hin der An­sicht, dass mit ei­nem klei­ne­ren Wahl­vor­stand die Wahl si­che­rer und we­ni­ger Kos­ten­in­ten­siv durch­geführt wer­den könn­te. Der Be­triebs­rat ha­be bei Ein­set­zung des sieb­zehnköpfi­gen Wahl­vor­stan­des feh­ler­haft die Er­fah­run­gen bei der letz­ten Be­triebs­rats­wahl nicht berück­sich­tigt. Hin­sicht­lich der Einschätzung, ob Fi­lia­len räum­lich weit ent­fernt vom Haupt­be­trieb ge­le­gen sei­en, so dass in­so­fern ei­ne Brief­wahl an­ge­ord­net hätte wer­den können, sei­en großzügi­ge Maßstäbe an­zu­le­gen. Die Be­nut­zung von „Wan­der­wahl­ur­nen“ sei feh­ler­anfällig, da we­gen mögli­cher Staus die Wahl­zei­ten evtl. nicht ein­zu­hal­ten sei­en. Es sei auch rechts­wid­rig, dass un­ter­schied­lich lan­ge Wahl­zei­ten fest­ge­legt wor­den sei­en. Durch die Möglich­keit, auch in an­de­ren Wahlbüros die Stim­me ab­zu­ge­ben, sei nicht aus­zu­sch­ließen, dass es zu Mehr­fach­wah­len kom­me. Es ver­s­toße ge­gen die Grundsätze ei­ner de­mo­kra­ti­schen Wahl, wenn per Han­dy ggf. bei ei­ner mögli­chen Si­tua­ti­on der Mehr­fach­wahl bei den ent­spre­chen­den Wahl­teams an­ge­fragt wer­de, ob der ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer schon von sei­nem Wahl­recht Ge­brauch ge­macht ha­be. Al­lein die größere An­zahl von Wahl­vor­stands­mit­glie­dern führe zu ei­ner höhe­ren Feh­ler­anfällig­keit. Je­den­falls wenn die Wahl an meh­re­ren Ta­gen durch­geführt wor­den wäre, hätte ein klei­ne­rer Wahl­vor­stand aus­ge­reicht. Die Ri­si­ken nach dem bis­he­ri­gen Wahl­ver­fah­ren sei­en deut­lich höher als bei ei­ner schrift­li­chen Stimm­ab­ga­be.

Die be­tei­lig­ten Ar­beit­ge­be­rin­nen be­an­tra­gen sinn­gemäß,

un­ter Abände­rung des Be­schlus­ses des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 03.12.2009 - 4 BV­Ga 20359/09

1. fest­zu­stel­len, dass die Ein­set­zung des Wahl­vor­stan­des durch den Be­schluss des Be­triebs­ra­tes vom 17.09.2009 un­wirk­sam ist;
2. dem Wahl­vor­stand die wei­te­re Durchführung der Be­triebs­rats­wahl zu un­ter­sa­gen.

Der Be­triebs­rat und der Wahl­vor­stand be­an­tra­gen,

die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.

 

- 6 -

II.

Die Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin­nen ist form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den. Sie ist da­her zulässig, hat aber kei­nen Er­folg. Der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ber­lin ist im Er­geb­nis und wei­test­ge­hend auch in der Be­gründung zu­tref­fend.

1. Im Ge­gen­satz zur Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts Ber­lin ist der An­trag zu 1. un­zulässig. Im Rah­men des hie­si­gen einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens be­steht kein Raum für ei­ne Fest­stel­lungs­verfügung (GK-Kreutz, 9. Auf­lg., § 18 Be­trVG Rn. 81). Wird im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren ei­nem Wahl­vor­stand auf­ge­ge­ben, nicht nur das lau­fen­de Wahl­ver­fah­ren ab­zu­bre­chen, son­dern auch ein in Be­tracht kom­men­des Neu­wahl­ver­fah­ren nicht durch­zuführen, dann ist ge­genüber ei­nem sol­chen Wahl­vor­stand um­fas­send und im Hin­blick auf mögli­che Zwangs­maßnah­men aus­rei­chend fest­ge­legt wor­den, was er zu tun und zu un­ter­las­sen hat. Raum für gut­ach­ter­li­che Fest­stel­lun­gen im Rah­men des einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens be­ste­hen dann nicht. Auch für den Be­triebs­rat wird dann klar, dass der ursprüng­lich ein­ge­setz­te Wahl­vor­stand nicht wei­ter han­deln kann. Lo­gi­sche Kon­se­quenz hier­aus ist es, ggf. ei­nen neu­en Wahl­vor­stand zu be­stel­len. Ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se kann da­her nicht be­jaht wer­den (a. A. LAG Nürn­berg vom 30.03.2006 - 6 TaBV 19/06 - ju­ris Rn. 32).

2. Der An­trag zu 2. ist nicht be­gründet. Dem Wahl­vor­stand ist die wei­te­re Durchführung der Be­triebs­rats­wahl nicht zu un­ter­sa­gen. Die Be­stel­lung ei­nes sieb­zehnköpfi­gen Wahl­vor­stan­des durch den Be­triebs­rat mit dem Ziel, ne­ben drei fes­ten Wahl­lo­ka­len u. a. 55 Fi­lia­len durch elf mo­bi­le Wahl­teams an ei­nem Wahl­tag auf­su­chen zu las­sen, recht­fer­tigt kei­nen Ab­bruch der Be­triebs­rats­wahl, auch wenn bei der vor­an­ge­gan­ge­nen Wahl nur sie­ben Wahl­vor­stands­mit­glie­der für drei fes­te Wahl­lo­ka­le be­stellt wor­den wa­ren. Auch die bis­he­ri­ge Wahl­durchführung recht­fer­tigt kei­nen Wahl­ab­bruch.

2.1 Dem Wahl­vor­stand kann die wei­te­re Durchführung ei­ner Be­triebs­rats­wahl nur in be­son­de­ren Aus­nah­mefällen un­ter­sagt wer­den. Dies kommt dann in Be­tracht, wenn der Man­gel in der Durchführung der Wahl nicht kor­ri­giert wer­den kann und die Wei­terführung der Wahl mit Si­cher­heit ei­ne er­folg­rei­che An­fech­tung oder Nich­tig­keit die­ser Wahl zur Fol­ge hätte (DKK-Schnei­der, 11. Auf­lg., § 18 Be­trVG Rn. 6; Fit­ting und an­de­re 24. Auf­lg., § 18 Rn. 41; Rieb­le/Tris­ka­tis NZA 2006, 233; ausführ­lich zum Mei­nungs­stand GK-Kreutz, 9. Auf­lg., § 18 Rn. 9). Die er­ken­nen­de Kam­mer ist fer­ner der An­sicht, dass im Hin­blick auf den

 

- 7 -

Aus­nah­me­cha­rak­ter des Wahl­ab­bruchs im Rah­men ei­nes einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens Maßnah­men und Hand­lun­gen des Be­triebs­ra­tes und des da­nach ge­bil­de­ten Wahl­vor­stan­des ei­nen Wahl­ab­bruch dann nicht recht­fer­ti­gen können, wenn die zu­grun­de lie­gen­den Rechts­fra­gen höchst­rich­ter­lich nicht geklärt sind und der Be­triebs­rat oder Wahl­vor­stand in die­ser Kon­flikt­la­ge je­den­falls ei­nen ver­tret­ba­ren Rechts­stand­punkt ein­ge­nom­men hat.

2.2 Bei An­wen­dung die­ser Kri­te­ri­en kann nicht fest­ge­stellt wer­den, dass die bis­he­ri­ge Wahl­durchführung der­art man­gel­be­haf­tet ist, dass dies mit Si­cher­heit ei­ne er­folg­rei­che Wahl­an­fech­tung zur Fol­ge hätte.

So­weit die Ar­beit­ge­be­rin­nen der An­sicht sind, die un­ter­schied­lich lan­gen Wahl­zei­ten in den fest in­stal­lier­ten Wahlbüros und in den Wan­der­wahlbüros würden ge­gen den Grund­satz der Chan­cen­gleich­heit bei der Wahl ver­s­toßen, kann of­fen blei­ben, ob dies zu­trifft. Die Ein­rich­tung von „Wan­der­wahlbüros“ wird als zulässig an­ge­se­hen (DKK § 12 WahlO Rn. 3 a; Fit­ting § 12 WahlO Rn. 14; LAG Bran­den­burg vom 27.11.1998 - 5 TaBV 18/98 - NZA-RR 1999, 418). Es dürf­te auch viel dafür spre­chen, je­weils un­ter­schied­li­che Wahl­zei­ten an­zu­set­zen. Dies zeigt das hie­si­ge Bei­spiel mehr als an­schau­lich. Wenn im zen­tra­len Be­triebs­sitz fast 700 Beschäftig­te wahl­be­rech­tigt sind, dann dürf­te - wie hier - ei­ne achtstündi­ge Wahl­zeit auch bei Ein­rich­tung meh­re­rer Wahl­ka­bi­nen durch­aus er­for­der­lich sein. Folgt man der An­sicht der Ar­beit­ge­be­rin­nen, dann müss­te das Wan­der­wahlbüro in ei­ner Fi­lia­le mit ca. fünf Beschäftig­ten eben­falls acht St­un­den vor Ort geöff­net sein. Wäre dies zu­tref­fend, dann wäre der Ef­fekt von Wan­der­wahlbüros nicht zu er­zie­len. Es könn­ten vor Ort bei die­ser recht­li­chen An­nah­me gleich fes­te Wahlbüros ein­ge­rich­tet wer­den. Dies hätte al­ler­dings zur Fol­ge, dass bei der Be­triebs­struk­tur der Ar­beit­ge­be­rin­nen 61 Wahl­vor­stands­mit­glie­der not­wen­dig wären. Dies macht kei­nen Sinn und wird den Be­son­der­hei­ten ei­ner Be­triebs­rats­wahl auch nicht ge­recht. Par­al­le­len zu öffent­li­chen Wah­len sind nicht an­ge­bracht. Bei öffent­li­chen Wah­len muss der Wahlbürger re­gelmäßig mo­ti­viert wer­den, während sei­ner Frei­zeit das Wahlbüro auf­zu­su­chen. Sei­ne Wahl­mo­ti­va­ti­on dürf­te er­heb­lich lei­den, wenn ihm hierfür nur ein kurz be­mes­se­nes Zeit­fens­ter von bei­spiels­wei­se 30 Mi­nu­ten zur Verfügung stünde. Bei be­trieb­li­chen Wah­len ist dies je­doch an­ders. Die Wahl­be­rech­tig­ten sol­len in der Re­gel während der Ar­beits­zeit die Möglich­keit ha­ben, das Wahlbüro auf­zu­su­chen. Ge­ra­de in klei­nen Fi­lia­len können bei ent­spre­chen­den Vor­ankündi­gun­gen die Ar­beit­neh­mer sich dar­auf ein­rich­ten, in dem kurz be­mes­se­nen Zeit­raum ih­re Stim­me ab­zu­ge­ben. Re­gelmäßig ver­rich­ten sie vor Ort ih­re Ar­beit und die

 

- 8 -

ent­spre­chen­de Un­ter­bre­chung wäre zeit­lich nur äußert ge­ringfügig. Ein Wahl­hemm­nis liegt dann ge­ra­de nicht vor. An­ge­sichts die­ser Si­tua­ti­on und der man­geln­den höchst­rich­ter­li­chen Klärung der Pro­ble­ma­tik konn­te der Wahl­vor­stand ver­tret­bar da­von aus­ge­hen, dass die Wan­der­wahlbüros nur für 30 Mi­nu­ten je­weils in der Fi­lia­le geöff­net wer­den muss­ten.

Im Übri­gen stand es je­dem Ar­beit­neh­mer frei, in den fest in­stal­lier­ten Wahlbüros über die Dau­er von acht St­un­den hin­weg sei­ne Stim­me ab­zu­ge­ben. Im Ge­gen­satz zur Auf­fas­sung der Ar­beit­ge­be­rin­nen wird die Möglich­keit für Ar­beit­neh­mer als zulässig an­ge­se­hen, ei­ne Stimm­ab­ga­be nicht nur in ei­nem Wahlbüro vor­neh­men zu dürfen. In sol­chen Fällen muss je­doch die mehr­fa­che Stimm­ab­ga­be aus­ge­schlos­sen wer­den. Dies kann z. B. da­durch er­fol­gen, dass Wahl­schei­ne aus­ge­ge­ben oder ei­ne Wähler­lis­te elek­tro­nisch geführt wird (Fit­ting § 12 WahlO Rn. 6; DKK-Schnei­der § 12 WahlO Rn. 4). Wenn so­gar ein elek­tro­ni­sches Wahl­re­gis­ter für zulässig er­ach­tet wird, dann ist das hie­si­ge Vor­ge­hen des Wahl­vor­stan­des je­den­falls ver­tret­bar, die ein­zel­nen Beschäftig­ten be­stimm­ten Wahlbüros zu­zu­ord­nen und bei ei­ner Stimm­ab­ga­be in ei­nem an­de­ren Wahlbüro ei­ne te­le­fo­ni­sche An­fra­ge bei dem Wahl­vor­stand des Stamm­wahlbüros vor­zu­neh­men. So­weit die Ar­beit­ge­be­rin­nen hier­in ei­nen Ver­s­toß ge­gen de­mo­kra­ti­sche Wahl­grundsätze er­bli­cken, weil dies ein un­zulässi­ges Druck­mit­tel auf Nichtwähler dar­stel­len könn­te, kann dem nicht ge­folgt wer­den. Die in­so­weit zi­tier­te Ent­schei­dung des BAG (06.12.2000 - 7 ABR 34/99 - DB 2001, 1422) stützt die­se An­sicht nicht. In dem dor­ti­gen Fall ging es dar­um, dass Drit­ten kei­ne Ein­sicht in die mit Stimm­ab­ga­be ver­se­he­ne Wähler­lis­te zu ge­stat­ten ist. Dies ist hier nicht der Fall. Ein­blick in die je­wei­li­ge Wähler­lis­te mit dem Stimm­ab­ga­be­ver­mer­ken er­hal­ten nur die Wahl­vor­stands­mit­glie­der, was nicht nur nor­mal, son­dern not­wen­dig ist.

Die Ar­beit­ge­be­rin­nen hal­ten die Durchführung der Wahl schon des­we­gen für feh­ler­haft, weil ein zu großer Wahl­vor­stand ge­bil­det wor­den ist. Dies sei im Hin­blick auf die Durchführung der letz­ten Be­triebs­rats­wahl feh­ler­haft, da im Jah­re 2006 sie­ben Wahl­vor­stands­mit­glie­der aus­rei­chend ge­we­sen sei­en. Der Be­triebs­rat ha­be die Möglich­keit der schrift­li­chen Stimm­ab­ga­be er­mes­sens­feh­ler­haft nicht ge­prüft, ob­wohl hier­durch ei­ne ge­rin­ge­re Kos­ten­last aus­gelöst wer­de.

Es kann of­fen blei­ben, ob das Ar­gu­ment der ge­rin­ge­ren Kos­ten­last zu­trifft. Zu Recht ver­wei­sen der Be­triebs­rat und der Wahl­vor­stand dar­auf, dass nach dem ge­setz­li­chen Mo­dell die Stimm­ab­ga­be in ei­nem Wahlbüro der Re­gel­fall ist. Gem. § 24 Abs. 3 WahlO kann je­doch für Be­triebs­tei­le und Kleinst­be­trie­be, die räum­lich weit vom Haupt­be­trieb ent­fernt sind, der

 

- 9 -

Wahl­vor­stand die schrift­li­che Stimm­ab­ga­be be­sch­ließen. Bei der Prüfung, ob die­se Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind, kommt dem Wahl­vor­stand ein wei­ter Er­mes­sens­spiel­raum zu. Hier­bei ist zu berück­sich­ti­gen, ob an­ge­sichts der be­ste­hen­den oder vom Ar­beit­ge­ber zur Verfügung zu stel­len­den zusätz­li­chen Ver­kehrs­mit­tel (Pen­del­bus) es den Wahl­be­rech­tig­ten zu­mut­bar ist, im Haupt­be­trieb ih­re Stim­me ab­zu­ge­ben (Fit­ting und an­de­re § 24 WahlO Rn. 18). Je­den­falls bei Fi­lia­len, die zu Fuß, mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln oder bei Ein­rich­tung ei­nes Pen­del­bus­ver­kehrs in­ner­halb von ca. 20 bis 30 Mi­nu­ten zu er­rei­chen sind, kann nicht an­ge­nom­men wer­den, dass die­se sich „räum­lich weit ent­fernt“ vom Wahl­lo­kal be­fin­den. Al­lein die in der Kom­men­tar­li­te­ra­tur emp­foh­le­ne Möglich­keit ei­nes Pen­del­bus­ver­kehrs dürf­te für je­den Ar­beit­ge­ber weit teu­rer sein als die Ein­rich­tung mo­bi­ler Wahlbüros. Im Übri­gen über­se­hen die Ar­beit­ge­be­rin­nen auch, dass die Kos­ten­be­las­tung nur ein zu berück­sich­ti­gen­der Ge­sichts­punkt ist. Die schrift­li­che Stimm­ab­ga­be hat auf der an­de­ren Sei­te durch­aus Nach­tei­le. Die Möglich­keit des Ausfüllens der Stimm­zet­tel z. B. am Ar­beits­platz eröff­net Drit­ten weit stärke­re Ein­fluss­nah­men als bei der völlig un­ein­seh­ba­ren Stimm­ab­ga­be in ei­ner Wahl­ka­bi­ne. Brief­wahl­un­ter­la­gen un­ter­lie­gen ei­nem weit höhe­ren Trans­port­ri­si­ko, weil sie übli­cher­wei­se durch drit­te Post­un­ter­neh­men oder aber auch durch ei­nen in­ter­nen Post­dienst erst noch befördert wer­den müssen. Dies ist bei der di­rek­ten Stimm­ab­ga­be nicht der Fall. Im Übri­gen ist die Ver­mu­tung auch na­he lie­gend, dass bei der Ein­rich­tung von Wan­der­wahlbüros ei­ne höhe­re Wahl­be­tei­li­gung er­ziel­bar ist. Brief­wahl­un­ter­la­gen wer­den bei­sei­te ge­legt und mögli­cher­wei­se eher ver­ges­sen. Das Auf­su­chen ei­ner klei­nen Fi­lia­le mit ei­nem Wahl­team aus drei Mit­ar­bei­tern er­zielt hin­ge­gen ei­nen viel höhe­ren Er­in­ne­rungs­ef­fekt. Ge­ra­de die mögli­che höhe­re Wahl­be­tei­li­gung und das deut­lich ge­rin­ge­re Trans­port­ri­si­ko der Wahl­un­ter­la­gen spre­chen trotz der mögli­cher­wei­se höhe­ren Kos­ten­be­las­tung ge­nau für die­ses Wahl­mo­dell.

Die Ar­beit­ge­be­rin­nen sind der An­sicht, dass je­den­falls bei ei­ner Ge­samt­abwägung al­ler Umstände ein der­art großer Wahl­vor­stand nicht hätte ge­bil­det wer­den dürfen. Selbst wenn man je­doch da­von aus­geht, dass das vom Be­triebs­rat und vom Wahl­vor­stand fa­vo­ri­sier­te und durch­geführ­te Wahl­mo­dell kos­ten­in­ten­si­ver, bzgl. der zahl­rei­chen Wahl­ur­nen und der Wahlmöglich­kei­ten in ver­schie­de­nen Wahlbüros feh­ler­anfälli­ger ist, so stellt sich die Ent­schei­dung des Be­triebs­ra­tes und des Wahl­vor­stan­des nicht als er­mes­sens­feh­ler­haft dar. Ge­ra­de die mögli­cher­wei­se höhe­re Wahl­be­tei­li­gung auf­grund der mo­bi­len Wahl­lo­ka­le lässt es je­den­falls nicht als er­mes­sens­feh­ler­haft er­schei­nen, die­ses Wahl­mo­dell zu wählen.

 

- 10 - 

Es stellt sich auch nicht als er­mes­sens­feh­ler­haft dar, den Wahl­akt nur auf ei­nen Wahl­tag fest­zu­le­gen. Denk­bar wäre es, dass ein mo­bi­les Wahl­team an elf Ta­gen al­le Fi­lia­len auf­sucht, doch führt dies für den Wahl­vor­gang selbst nicht zu ei­ner Re­du­zie­rung von Res­sour­cen. Al­len­falls das Zu­sam­men­tref­fen des Wahl­vor­stan­des zu den ver­schie­de­nen Sit­zun­gen vor der Wahl dürf­te res­sour­cen­scho­nen­der sein. Ein Wahl­vor­gang an meh­re­ren Ta­gen birgt je­doch auf der an­de­ren Sei­te Un­si­cher­hei­ten. Zum ei­nen müss­ten die Wahl­ur­nen je­weils über Nacht si­cher ver­wahrt wer­den. Ein sich über Ta­ge hin­zie­hen­der Wahl­vor­gang hat je­doch auch das Ri­si­ko zur Fol­ge, dass un­er­war­tet auf­tre­ten­de be­trieb­li­che oder außer­be­trieb­li­che Er­eig­nis­se (z. B. „Skan­da­le“ ein­zel­ner Be­wer­ber) die Wahl­ent­schei­dung im Rah­men der späte­ren Stimm­ab­ga­be maßgeb­lich be­ein­flus­sen. In­so­fern wer­den aus gu­ten Gründen Wah­len übli­cher­wei­se an ei­nem Tag ab­ge­wi­ckelt. An­ge­sichts des Er­mes­sens des Be­triebs­ra­tes und des Wahl­vor­stan­des kann je­den­falls nicht von ei­ner Über­schrei­tung der Gren­zen des Er­mes­sens aus­ge­gan­gen wer­den. Ei­ne späte­re er­folg­rei­che An­fech­tung der hie­si­gen Wahl kann mit der er­for­der­li­chen Si­cher­heit auch hier nicht fest­ge­stellt wer­den.

3. Da aus den obi­gen Gründen die wei­te­re Durchführung der Be­triebs­rats­wahl nicht zu un­ter­sa­gen war, kann of­fen blei­ben, ob Mängel in der Wahl­durchführung in ana­lo­ger An­wen­dung von § 19 Abs. 2 Be­trVG in­ner­halb von zwei Wo­chen ge­richt­lich an­ge­grif­fen wer­den müssen (ab­leh­nend: GK-Kreutz § 18 Be­trVG Rn. 81; of­fen ge­las­sen: LAG Nürn­berg, a. a. O. Rn. 32). Dies wäre vor­lie­gend des­we­gen be­denk­lich, da zwi­schen dem Be­schluss des Be­triebs­ra­tes und der Ein­rei­chung des hie­si­gen einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens ge­nau zwei Mo­na­te und nicht nur zwei Wo­chen la­gen.

4. Ge­gen die hie­si­ge Ent­schei­dung im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

 

K.

S.

B.

 

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 15 TaBVGa 34/10