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Sächsisches LAG, Beschluss vom 22.04.2010, 2 TaBVGa 2/10
Schlagworte: | Betriebsratswahl, Betriebsrat, Einstweilige Verfügung | |
Gericht: | Sächsisches Landesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 2 TaBVGa 2/10 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 22.04.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Bautzen,Beschluss vom 20.04.2010, 6 BVGa 1/10 | |
Sächsisches
Landesarbeitsgericht
Zwickauer Straße 54, 09112 Chemnitz
Postfach 7 04, 09007 Chemnitz
Bitte bei allen Schreiben angeben:
Az.: 2 TaBVGa 2/10
6 BVGa 6001/10 Bautzen
Chemnitz, 22.04.2010
BESCHLUSS
In dem Beschlussverfahren
unter Beteiligung von:
...
wegen Wahl des Betriebsrats/Wahlabbruch/Zulassung von Vorschlagsliste/einstweilige Verfügung
hier: Beschlussverfahren zweiter Rechtszug
hat die 2. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch ihren Vorsitzenden, den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts ..., und die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ... auf die mündliche Anhörung der Beteiligten am 22.04.2010 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Wahlvorstandes wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bautzen vom 20.04.2010 – 6 BVGa 6001/10 –
a b g e ä n d e r t
und wie folgt gefasst:
Die dem Antrag der Arbeitnehmer vom 15.04.2010 als Anlage AST 1 in Kopie beigefügte Vorschlagsliste (Wahlvorschlag) .../... mit der Listenvertreterin ... und den Kandidaten ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... wird unter Streichung der Kandidatin ... zu der am 03.05.2010 stattfindenden Betriebsratswahl zugelassen. Bei der Bekanntmachung der Vorschlagslisten hat der Wahlvorstand auf die Streichung wegen Verlustes der Wählbarkeit hinzuweisen.
– Seite 2 –
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in dem Beschwerdeverfahren auf den von den Beteiligten zu 1. bis 17. beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung darüber, ob der Beteiligte zu 18. eine im Betrieb der Beteiligten zu 19. eingeleitete Wahl des Betriebsrats abzubrechen und dies bekanntzumachen hat.
Die Antragsteller sind wahlberechtigte und wählbare Arbeitnehmer (fortan: Arbeitnehmer) im Betrieb der als Arbeitgeberin beteiligten Beteiligten zu 19. (künftig: Arbeitgeberin).
Der Beteiligte zu 18. ist als Wahlvorstand zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl des Betriebsrats im Betrieb ... der Arbeitgeberin bestellt (künftig: Wahlvor-stand).
Die Arbeitnehmer sind Kandidaten der ihrem einleitenden Antrag als Anlage AST 1 in Kopie beigefügten Vorschlagsliste für die Wahl des Betriebsrats.
Das Wahlausschreiben vom 18.03.2010 sieht die Wahl für den 03.05.2010 vor. Für die Einreichung der Vorschlagslisten hatte der Wahlvorstand eine Frist bis 01.04.2010 18:00 Uhr gesetzt.
In dem Betrieb wird regelmäßig über 18:00 Uhr hinaus gearbeitet, wobei zwischen den Beteiligten die Zahl der hiervon betroffenen Arbeitnehmer insbesondere für den 01.04.2010 strittig ist.
Am 30.03.2010 um 08:55 Uhr reichte der Arbeitnehmer ... die vorbezeichnete Vorschlagsliste mit 108 Stützunterschriften in Urschrift beim Wahlvorstand ein.
– Seite 3 –
Ein Listenvertreter wurde für diese Liste nicht ausdrücklich benannt.
Am 01.04.2010 um 23:57 Uhr teilte die Vorsitzende des Wahlvorstands der Arbeitnehmerin ..., welche die erste Stützunterschrift auf der Vorschlagsliste geleistet hatte, per E-Mail mit, dass die Liste ungültig sei, da sich auf der Liste Kandidaten befänden, die im Zeitpunkt der Wahl nicht im Betrieb beschäftigt und daher nicht wählbar seien. Dabei handele es sich um die Arbeitnehmerin ..., die laut aktueller Wählerliste am 31.03.2010 ausgeschieden sei, wobei sich die Arbeitnehmer ... und ... gegenüber dem Wahlvorstand geäußert hätten, bei Erstellen der Liste sei bekannt gewesen, dass Frau ... zum 31.03.2010 aus dem Betrieb ausscheide und damit ab dem 01.04.2010 weder das aktive noch das passive Wahlrecht habe.
Das Schreiben des Wahlvorstandes die Ungültigkeit der Wahlliste betreffend wurde der Arbeitnehmerin ... am 06.04.2010 ausgehändigt.
Die Arbeitnehmer haben geltend gemacht, das Wahlverfahren leide unter wesentlichen Mängeln und die Ablehnung der Vorschlagsliste sei zu Unrecht erfolgt.
Die Vorschlagsliste sei unter Streichung der Kandidatin ... im Übrigen zur Betriebsratswahl am 03.05.2010 zuzulassen, hilfsweise sei aufgrund der Mängel des Wahlverfahrens die Wahl abzubrechen.
Der Wahlvorstand habe den Wahlvorschlag nicht unverzüglich geprüft.
Zu Unrecht sei die Einreichungsfrist auf 18:00 Uhr des 01.04.2010 beschränkt worden. Die Frist ende demgegenüber vorschriftsgemäß erst mit Ablauf ihres letzten Tages um 24:00 Uhr, frühestens jedenfalls bei Dienstende/Arbeitsende des Betriebs.
Die Information durch den Wahlvorstand am 01.04.2010 per E-Mail genüge dem Schriftformerfordernis der entsprechenden Regelung der Wahlordnung nicht.
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Die Vorschlagsliste sei auch nicht wegen des Ausscheidens von Frau ... ungültig. Da den Unterzeichnern der Liste die Aufnahme der nicht wählbaren Kandidatin in die Liste nicht vorzuwerfen sei, habe der Wahlvorstand das Recht, die nicht mehr wählbare Kandidatin auf der Liste zu streichen. Eine Rückgabe der Liste zur Behebung des Mangels sei wegen Ablaufs der Einreichungsfrist nicht möglich. Die Liste sei nicht insgesamt als ungültig anzusehen und müsse zur Wahl zugelassen werden.
Entgegen dem Vorbringen des Wahlvorstandes sei von den Arbeitnehmern ... und ... nicht geäußert worden, bei Erstellen der Liste sei das Ausscheiden der Frau ... zum 31.03.2010 bekannt gewesen.
Den Listenkandidaten – konkret der Kandidatin ... – sei am 07.01.2010 eine Schulung für die Betriebsratswahl verwehrt und Fragen an den Wahlvorstand hinsichtlich der Einhaltung der Formalien zur Erstellung der Vorschlagsliste unbeantwortet geblieben. Auch Unterlagen aus Schulungen seien trotz mehrfacher Aufforderung nicht zur Verfügung gestellt worden.
Noch nach Ablehnung der Vorschlagsliste seien Mitarbeiter des Betriebes, die auf dieser und einer anderen Vorschlagsliste unterzeichnet hatten, vom Wahlvorstand per E-Mail angeschrieben und aufgefordert worden, gegenüber dem Wahlvorstand zu erklären, für welche Vorschlagsliste die Stützunterschrift aufrechterhalten bleiben solle.
Die Arbeitnehmer haben beantragt,
im Wege der einstweiligen Verfügung
1. dem Wahlvorstand aufzugeben, die ihrem Antrag als Anlage AST 1 in Kopie beigefügte Vorschlagsliste (Wahlvor-schlag) .../... mit der Listenvertreterin ... und den Kandidaten..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... unter Streichung der Kandidatin ... zu
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der am 03.05.2010 stattfindenden Betriebsratswahl zuzulassen;
2. hilfsweise es dem Wahlvorstand zu untersagen, die auf den 03.05.2010 angesetzte Betriebsratswahl im Betrieb der Arbeitgeberin durchzuführen, das auf der Grundlage des Wahlausschreibens eingeleitete Wahlverfahren zu beenden und dies bekanntzugeben (sowie die einstweilige Verfügung strafzubewehren).
Der Wahlvorstand hat die Zurückweisung des Antrags beantragt.
Die Vorschlagsliste sei ungültig und daher zu Recht zurückgewiesen worden.
Die fehlende Wählbarkeit der Frau ... sei den Arbeitnehmern bekannt gewesen. Ein Abbruch der Betriebsratswahl komme hier nicht in Betracht. Die durchzuführende Betriebsratswahl würde sich im Ergebnis weder als nichtig noch mit Sicherheit erfolgreich als anfechtbar erweisen.
Die Vorschlagsliste sei unverzüglich geprüft worden. Am 30.03.2010 sei Frau ... auf der aktuellen und gültigen Wählerliste noch als wählbar aufgeführt gewesen. Erst am 31.03.2010 habe der Wahlvorstand seitens der Arbeitgeberin neue Informationen zur Aktualisierung der Wählerliste erhalten. Sofort habe er angefangen, die neuen Informationen mit der bisherigen Wählerliste abzugleichen. Dies habe er allein in der Mittagspause des 31.03.2010 tun können, weil den gesamten Tag über eine Betriebsversammlung im Betrieb stattgefunden habe. Am 01.04.2010 habe er – der Wahlvorstand – dann die neuen Informationen der Arbeitgeberin vollständig abgleichen und eine neue, aktualisierte Wählerliste erstellen können. Diese sei dann ab 13:00 Uhr im gesamten Betrieb ausgehangen. Alle bislang eingegangenen Wahlvorschläge seien dann noch einmal mit der aktuellen Wählerliste abgeglichen worden. Dabei sei man nach der Reihenfolge des Eingangs vorgegangen. Man habe versucht, den ausgemachten Mangel auf der Vorschlagsliste der zu Beginn genannten Arbeitnehmerin ... mitzuteilen. Diese habe jedoch Urlaub gehabt, weshalb vorab die Arbeitnehmerin ... informiert worden sei.
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Die Einreichungsfrist sei zutreffend bestimmt worden. Auch in Schichtbetrieben sei die Bestimmung einer konkreten Dienststunde zur Bestimmung der Einreichungsfrist unbedenklich, insbesondere jedenfalls dann, wenn das Ende der Dienststunden des Wahlvorstandes mit dem Ende der Arbeitszeit des überwiegenden Teils der Arbeitnehmer an diesem Tag korrespondiere. Dies sei hier der Fall gewesen.
Die Erklärung des Wahlvorstandes sei entgegen der Auffassung der Arbeitnehmer nicht formwidrig erfolgt.
Die Arbeitgeberin hat keinen Antrag gestellt.
Das von den Arbeitnehmern angegangene Arbeitsgericht Bautzen hat dem Hilfsantrag unter Zurückweisung des Verfügungsantrags im Übrigen entsprochen.
Gegen die am 20.04.2010 verkündete Entscheidung des Arbeitsgerichts wendet sich (allein) der Wahlvorstand mit seiner am 21.04.2010 bei dem Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangenen und am selben Tag ausgeführten Beschwerde.
Der vom Arbeitsgericht verfügte Abbruch der Betriebsratswahl komme hier nicht in Betracht.
Der Wahlvorstand beantragt,
den Verfügungsantrag unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Bautzen vom 20.04.2010 – 6 BVGa 6001/10 – insgesamt zurückzuweisen.
Die Arbeitnehmer beantragen
die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Arbeitnehmer verteidigen den arbeitsgerichtlichen Beschluss.
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In der Beschwerdeverhandlung machen sie deutlich, dass es ihnen in erster Linie um die Durchführung der Betriebsratswahl unter Zulassung der eigenen Vorschlagsliste gehe.
Die Arbeitgeberin stellt keinen Antrag.
In der Beschwerdeverhandlung bringt sie zum Ausdruck, kein Interesse an einer betriebsratslosen Zeit zu haben.
Wegen der Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens der Beteiligten und der von ihnen geäußerten Rechtsansichten wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist überwiegend begründet, weil kein Abbruch der Betriebsratswahl zu verfügen ist (1.). Die weitere Durchführung der Wahl steht jedoch unter der Einschränkung der in dieser Beschwerdeentscheidung verfügten Zulassung der hier näher bezeichneten Vorschlagsliste unter der ebenfalls hier angeordneten Bekanntgabe (2.).
Letzterem steht nicht entgegen, dass die Arbeitnehmer nicht ihrerseits Beschwerde gegen die Zurückweisung ihres Hauptantrages eingelegt und sich auch nicht dem Rechtsmittel des Wahlvorstandes angeschlossen haben. Denn in Rede steht der nach § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG im Beschlussverfahren zulässigerweise im Wege der einstweiligen Verfügung ausgeurteilte Hilfsantrag der Arbeitnehmer, gegen den sich der Wahlvorstand nunmehr im Rahmen seiner Beschwerde wehrt. Im Rahmen des ausgeurteilten Verfügungsantrags bestimmt bei lediglich partiellem Erfolg der Beschwerde nach § 938 Abs. 1 ZPO das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Einreichung des Zwecks der Regelung eines einstweiligen Zustands (§ 940 ZPO) erforderlich sind. Dabei stellt die Wahldurchführung nach Maß-
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gabe der Entscheidung des Beschwerdegerichts das Minus gegenüber dem mit der Beschwerde bekämpften Abbruch der Wahl des Betriebsrats dar.
1. Allerdings war die Wahl des Betriebsrats nicht abzubrechen.
Wird gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen und ist eine Berichtigung nicht erfolgt, kann nach § 19 Abs. 1 BetrVG eine Wahl des Betriebsrats angefochten werden, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
Anfechtungsgründe im vorstehenden Sinne machen die Arbeitnehmer geltend.
Dahinstehen kann jedoch, ob eine Wahlanfechtung aufgrund der Ursächlichkeit der aufgezeigten Wahlrechtsverstöße auch erfolgreich wäre. Denn diese Frage müsste in einem Wahlanfechtungsverfahren beantwortet werden.
Anders wäre nur zu entscheiden, wenn die aufgezeigten Mängel so schwerwiegend wären, dass sich die Wahl als nichtig erwiese. Denn dann käme es auf die Wahlanfechtung nicht an.
Die Arbeitnehmer zeigen allerdings keine Rechtsverstöße auf, welche die Nichtigkeitsfolge begründen könnten. Für diese Situation stellt das Gesetz mit dem Wahlanfechtungsverfahren in § 19 BetrVG allein das Instrument der Wahlanfechtung zur Verfügung, in dessen Rahmen die durchgeführte Betriebsratswahl bis zu ihrer Kassation als wirksam zu behandeln ist. Unterlaufen werden kann dies nicht mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der schon die Durchführung der Wahl verhindern soll und mithin auch einen gänzlich anderen Streitgegenstand als das Wahlanfechtungsverfahren hat.
2. Die näher bezeichnete Vorschlagsliste ist allerdings zu der am 03.05.2010
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mit der Konsequenz der aufgegebenen Bekanntmachung (§ 10 Abs. 2 WO) zugelassen. Denn insoweit haben die Antragsteller einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund (vgl. § 920 Abs. 2 ZPO) glaubhaft gemacht.
a) Als wahlberechtigte und wählbare Bewerber und Bewerberinnen haben die antragstellenden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gegen den Wahlvorstand im Rahmen dessen Verpflichtung zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl des Betriebsrats nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Anspruch auf Zulassung der Vorschlagsliste, die aufgrund zu Unrecht erfolgter Verweigerung der Zulassung nun-mehr gerichtlich zugelassen ist.
Aus § 19 Abs. 1 BetrVG ergibt sich, dass ein Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift berichtigt werden kann (§ 19 Abs. 1 Halbsatz 1 in seiner zentralen letzten tatbestandlichen Voraussetzung [„... und eine Berichtigung nicht erfolgt ist“]); eine Beschränkung der Berichtigung auf bestimmte Verstöße oder offenbare Unrichtigkeiten ist nicht ersichtlich (vgl. BAG vom 19.09.1985 – 6 ABR 4/89 – Juris Rdnr. 28). Das Gesetz gibt zu erkennen, dass nach einem Wahlfehler eine Berichtigung grundsätzlich immer vorzugswürdig ist, weil die rechtzeitige Berichtigung den bis dahin bestehenden Anfechtungsgrund beseitigt. Grundsätzlich sind alle Wahlfehler reparabel, von der fehlenden Bestellung des Wahlvorstands über Fehler des Wahlverfahrens bis zur Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses. Dabei hängt es von der Art des Verstoßes ab, in welcher Weise die Berichtigung jeweils zu erfolgen hat. Die Berichtigung ist in weitem Sinne zu verstehen. Maßgeblich ist die Wahrung der Bestimmungen des Gesetzes und der Wahlordnung. Ziel der Berichtigung (und damit Maßstab der Berichtigungsfähigkeit) muss es sein, den Einfluss des Wahlfehlers auf das Wahlergebnis zu unterbinden. Dies erfordert bei Wahlfehlern, die vor der Stimmabgabe erfolgt sind, eine so rechtzeitige Korrektur, dass ihr Einfluss auf den Wählerwillen ausgeschlossen wird (vgl. m. w. N. etwa GK-BetrVG/Kreutz § 19 Rdnr. 35).
Zum richtigen Verhalten des Wahlvorstandes gegenüber einem Wahlvorschlag, der – wie hier – eine nicht wählbare Bewerberin enthält, ist zu unterscheiden:
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(1) Der Wahlvorstand handelt nach einer nicht unumstritten gebliebenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vom 27.05.1960 – BVerwG VII P 13/59 – Volltext AP Nr. 2 zu § 10 WO zum PersVG m. krit. Anm. Küchenhoff) rechtmäßig, wenn er einen Wahlvorschlag, auf dem nicht sämtliche Bewerber wählbar sind, zurückweist. Zu beurteilen war allerdings eine bereits zum Zeitpunkt ihrer Einreichung nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts wegen des genannten Mangels fehlerhafte Vorschlagsliste.
(2) Grundlegend mit der Frage, wie im Falle des Verlustes der Wählbarkeit nach Feststellung der Gültigkeit einer Vorschlagsliste zur Betriebsratswahl zu verfahren ist, hat sich ausführlich erstmals Schneider (FS Wolfgang Däubler 1999 S. 286 ff.) befasst. In der Folge wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme (auch auf DKK/Schneider § 8 WO Rdnr. 4) Schneiders Vorschlag gemäß (a. a. O. [FS]) eine Korrekturmöglichkeit durch den Wahlvorstand durch Streichen des Bewerbers nach Verlust dessen Wählbarkeit befürwortet für die Zeit nach Ablauf der Einreichungsfrist (Fitting § 8 WO 2001 Rdnr. 4) bzw. auf die Zeit nach Einreichung (GK-BetrVG/Kreutz § 8 WO Rdnr. 9). Zum Teil wurden zusätzliche und von Schneider nicht aufgestellte Voraussetzungen ohne nähere Erläuterung hinzugefügt, etwa die, dass den Listenunterzeichnern die Aufnahme des nicht wählbaren Kandidaten auf die Liste nicht vorzuwerfen sein dürfe (so etwa Fitting a. a. O.).
(3) Hier war die Liste auch i. S. der vorerwähnten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bei Einreichung gültig. Subjektive Versagungsgründe der bei Fitting bezeichneten Art sind dem Wahlverfahrensrecht fremd. Auch auf den Wegfall der Wählbarkeit erst nach Ablauf der Einreichungsfrist kommt es nicht an. Maßgebend ist vielmehr, dass der Wahlvorstand die eingereichten Vorschlagslisten unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung (Unterstreichung durch die Kammer) einer Liste die Listenvertreterin oder den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten hat (§ 7 Abs. 2 Satz 2 WO). In dieser Phase gibt es keinen einsichtigen Grund, warum eine bei ihrer Einreichung gültige Liste insgesamt zurückzuweisen ist, wenn ab dem Zeitpunkt des Beginns des Prü-
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fungsrechts und der Prüfungspflicht des Wahlvorstandes im Falle eines Kandidaten der erst nach Einreichung erfolgte Verlust der Wählbarkeit festgestellt wird und mithin lediglich ein Beanstandungsgrund vorliegt.
Das Abstellen auf den Ablauf der Einreichungsfrist wäre gemessen daran bloße Förmelei. Es macht in der Sache keinen Unterschied, ob die Wählbarkeit nach Einreichung der Vorschlagsliste oder nach Ablauf der Einreichungsfrist entfällt. Insbesondere wird nicht der Wille der ihre Stützunterschrift Leistenden verfälscht, wenn ein Kandidat nach Einreichung der Liste seine Wählbarkeit verliert. Denn jede Unterstützung birgt das Risiko, dass der unterstützte Kandidat nach Einreichung der Liste die Wählbarkeit verliert, aus welchen Gründen auch immer (neben einem Ausscheiden aus dem Betrieb etwa der Todesfall oder die Rücknahme der Kandidatur, insbesondere durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Wahlvorstand nach Einreichung des ansonsten gültigen Wahlvorschlags).
Auch sonst wird überwiegend angenommen, dass es ohne Einfluss auf die Wirksamkeit des Wahlvorschlages ist, wenn ein Bewerber nach Einreichung des ihn benennenden Wahlvorschlags seine Kandidatur zurückzieht. Auch dann wird angenommen, dass der Betreffende vom Wahlvorstand gestrichen werden kann oder die Wähler in sonstiger Weise (etwa durch den Zusatz: „Kandidatur zurückgezogen“) auf die Rücknahme hingewiesen werden können (vgl. m. z. N. GK-BetrVG/Kreutz § 14 Rdnr. 71).
Der korrigierende Eingriff bereits für den Zeitraum zwischen Einreichung und Ablauf der Einreichungsfrist bringt auch in größtem Maße das aktive und passive Wahlrecht sowie die Legitimation des zu wählenden Betriebsrats zur Geltung. Immerhin steht eine Vorschlagsliste mit 17 Kandidaten in Rede, die nach dem Ergebnis der Beschwerdeverhandlung von etwa 1/6 der Betriebsangehörigen gestützt wird. Würde hier nicht i. S. der Regelung des § 19 Abs. 1 Halbsatz 1 BetrVG (mit Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung; ihre Missachtung hätte als grober Verstoß gegen das Wahlrecht auch die Nichtigkeit der Wahl zur Folge, weshalb die angeordnete Bekanntmachung nicht gesondert mit Zwangsmitteln zu bewehren ist) be-
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richtigt, wäre kaum anzunehmen, dass durch die verweigerte Zulassung der Liste das Wahlergebnis nicht i. S. von § 19 Abs. 1 zweiter Halbsatz BetrVG geändert oder beeinflusst werden konnte. Gerade ohne Zulassung hätte eine Wahlanfechtung – m. a. W. – mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg. Wahlfreundlich ist damit hier allein die Berichtigung, von der die ihre Stützunterschrift leistenden Arbeitnehmer und die Wähler durch entsprechende Bekanntmachung auch erfahren.
b) Glaubhaft ist auch ein Verfügungsgrund.
Würde die Berichtigung samt Bekanntmachung hier nicht verfügt werden, müssten die Arbeitnehmer, die jeweils für sich allein nicht anfechtungsberechtigt sind, auf eine Wahlanfechtung hoffen, und ihrem passiven Wahlrecht könnte u. U. erst nach einem möglicherweise lang andauernden Wahlanfechtungsverfahren Geltung verschafft werden.
Demgegenüber ist die Arbeit des Wahlvorstandes nach Abschluss der Wahl des Betriebsrats erledigt.
III.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. In Beschlussverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben noch entsteht eine prozessuale Kostentragungspflicht. Ein diesbezüglicher Ausspruch ist hier demgemäß entbehrlich.
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. In den Fällen des Erlasses einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren (§ 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) findet nach § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG die Beschwerde nicht statt. Deshalb kommt auch eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht in Betracht.
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