HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

Säch­si­sches LAG, Be­schluss vom 22.04.2010, 2 TaBV­Ga 2/10

   
Schlagworte: Betriebsratswahl, Betriebsrat, Einstweilige Verfügung
   
Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 TaBVGa 2/10
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 22.04.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bautzen,Beschluss vom 20.04.2010, 6 BVGa 1/10
   

Säch­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Zwi­ckau­er Straße 54, 09112 Chem­nitz

Post­fach 7 04, 09007 Chem­nitz
 

Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben:
Az.: 2 TaBV­Ga 2/10

6 BV­Ga 6001/10 Baut­zen

Chem­nitz, 22.04.2010


BESCHLUSS

In dem Be­schluss­ver­fah­ren


un­ter Be­tei­li­gung von:


...
we­gen Wahl des Be­triebs­rats/Wahl­ab­bruch/Zu­las­sung von Vor­schlags­lis­te/einst­wei­li­ge Verfügung
hier: Be­schluss­ver­fah­ren zwei­ter Rechts­zug

hat die 2. Kam­mer des Säch­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts durch ih­ren Vor­sit­zen­den, den Vi­ze­präsi­den­ten des Lan­des­ar­beits­ge­richts ..., und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Frau ... und Herrn ... auf die münd­li­che Anhörung der Be­tei­lig­ten am 22.04.2010 be­schlos­sen:

Auf die Be­schwer­de des Wahl­vor­stan­des wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Baut­zen vom 20.04.2010 – 6 BV­Ga 6001/10 –

a b g e ä n d e r t

und wie folgt ge­fasst:

Die dem An­trag der Ar­beit­neh­mer vom 15.04.2010 als An­la­ge AST 1 in Ko­pie bei­gefügte Vor­schlags­lis­te (Wahl­vor­schlag) .../... mit der Lis­ten­ver­tre­te­rin ... und den Kan­di­da­ten ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... wird un­ter Strei­chung der Kan­di­da­tin ... zu der am 03.05.2010 statt­fin­den­den Be­triebs­rats­wahl zu­ge­las­sen. Bei der Be­kannt­ma­chung der Vor­schlags­lis­ten hat der Wahl­vor­stand auf die Strei­chung we­gen Ver­lus­tes der Wähl­bar­keit hin­zu­wei­sen.


– Sei­te 2 –

Die wei­ter­ge­hen­de Be­schwer­de wird zurück­ge­wie­sen.

Gründe:

I.

Die Be­tei­lig­ten strei­ten in dem Be­schwer­de­ver­fah­ren auf den von den Be­tei­lig­ten zu 1. bis 17. be­an­trag­ten Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung darüber, ob der Be­tei­lig­te zu 18. ei­ne im Be­trieb der Be­tei­lig­ten zu 19. ein­ge­lei­te­te Wahl des Be­triebs­rats ab­zu­bre­chen und dies be­kannt­zu­ma­chen hat.

Die An­trag­stel­ler sind wahl­be­rech­tig­te und wähl­ba­re Ar­beit­neh­mer (fort­an: Ar­beit­neh­mer) im Be­trieb der als Ar­beit­ge­be­rin be­tei­lig­ten Be­tei­lig­ten zu 19. (künf­tig: Ar­beit­ge­be­rin).
Der Be­tei­lig­te zu 18. ist als Wahl­vor­stand zur Vor­be­rei­tung und Durchführung der Wahl des Be­triebs­rats im Be­trieb ... der Ar­beit­ge­be­rin be­stellt (künf­tig: Wahl­vor-stand).

Die Ar­beit­neh­mer sind Kan­di­da­ten der ih­rem ein­lei­ten­den An­trag als An­la­ge AST 1 in Ko­pie bei­gefügten Vor­schlags­lis­te für die Wahl des Be­triebs­rats.

Das Wahl­aus­schrei­ben vom 18.03.2010 sieht die Wahl für den 03.05.2010 vor. Für die Ein­rei­chung der Vor­schlags­lis­ten hat­te der Wahl­vor­stand ei­ne Frist bis 01.04.2010 18:00 Uhr ge­setzt.

In dem Be­trieb wird re­gelmäßig über 18:00 Uhr hin­aus ge­ar­bei­tet, wo­bei zwi­schen den Be­tei­lig­ten die Zahl der hier­von be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ins­be­son­de­re für den 01.04.2010 strit­tig ist.

Am 30.03.2010 um 08:55 Uhr reich­te der Ar­beit­neh­mer ... die vor­be­zeich­ne­te Vor­schlags­lis­te mit 108 Stütz­un­ter­schrif­ten in Ur­schrift beim Wahl­vor­stand ein.


– Sei­te 3 –

Ein Lis­ten­ver­tre­ter wur­de für die­se Lis­te nicht aus­drück­lich be­nannt.

Am 01.04.2010 um 23:57 Uhr teil­te die Vor­sit­zen­de des Wahl­vor­stands der Ar­beit­neh­me­rin ..., wel­che die ers­te Stütz­un­ter­schrift auf der Vor­schlags­lis­te ge­leis­tet hat­te, per E-Mail mit, dass die Lis­te ungültig sei, da sich auf der Lis­te Kan­di­da­ten befänden, die im Zeit­punkt der Wahl nicht im Be­trieb beschäftigt und da­her nicht wähl­bar sei­en. Da­bei han­de­le es sich um die Ar­beit­neh­me­rin ..., die laut ak­tu­el­ler Wähler­lis­te am 31.03.2010 aus­ge­schie­den sei, wo­bei sich die Ar­beit­neh­mer ... und ... ge­genüber dem Wahl­vor­stand geäußert hätten, bei Er­stel­len der Lis­te sei be­kannt ge­we­sen, dass Frau ... zum 31.03.2010 aus dem Be­trieb aus­schei­de und da­mit ab dem 01.04.2010 we­der das ak­ti­ve noch das pas­si­ve Wahl­recht ha­be.

Das Schrei­ben des Wahl­vor­stan­des die Ungültig­keit der Wahl­lis­te be­tref­fend wur­de der Ar­beit­neh­me­rin ... am 06.04.2010 aus­gehändigt.

Die Ar­beit­neh­mer ha­ben gel­tend ge­macht, das Wahl­ver­fah­ren lei­de un­ter we­sent­li­chen Mängeln und die Ab­leh­nung der Vor­schlags­lis­te sei zu Un­recht er­folgt.

Die Vor­schlags­lis­te sei un­ter Strei­chung der Kan­di­da­tin ... im Übri­gen zur Be­triebs­rats­wahl am 03.05.2010 zu­zu­las­sen, hilfs­wei­se sei auf­grund der Mängel des Wahl­ver­fah­rens die Wahl ab­zu­bre­chen.

Der Wahl­vor­stand ha­be den Wahl­vor­schlag nicht un­verzüglich ge­prüft.

Zu Un­recht sei die Ein­rei­chungs­frist auf 18:00 Uhr des 01.04.2010 be­schränkt wor­den. Die Frist en­de dem­ge­genüber vor­schrifts­gemäß erst mit Ab­lauf ih­res letz­ten Ta­ges um 24:00 Uhr, frühes­tens je­den­falls bei Diens­ten­de/Ar­beits­en­de des Be­triebs.

Die In­for­ma­ti­on durch den Wahl­vor­stand am 01.04.2010 per E-Mail genüge dem Schrift­for­mer­for­der­nis der ent­spre­chen­den Re­ge­lung der Wahl­ord­nung nicht.
 

– Sei­te 4 –

Die Vor­schlags­lis­te sei auch nicht we­gen des Aus­schei­dens von Frau ... ungültig. Da den Un­ter­zeich­nern der Lis­te die Auf­nah­me der nicht wähl­ba­ren Kan­di­da­tin in die Lis­te nicht vor­zu­wer­fen sei, ha­be der Wahl­vor­stand das Recht, die nicht mehr wähl­ba­re Kan­di­da­tin auf der Lis­te zu strei­chen. Ei­ne Rück­ga­be der Lis­te zur Be­he­bung des Man­gels sei we­gen Ab­laufs der Ein­rei­chungs­frist nicht möglich. Die Lis­te sei nicht ins­ge­samt als ungültig an­zu­se­hen und müsse zur Wahl zu­ge­las­sen wer­den.

Ent­ge­gen dem Vor­brin­gen des Wahl­vor­stan­des sei von den Ar­beit­neh­mern ... und ... nicht geäußert wor­den, bei Er­stel­len der Lis­te sei das Aus­schei­den der Frau ... zum 31.03.2010 be­kannt ge­we­sen.

Den Lis­ten­kan­di­da­ten – kon­kret der Kan­di­da­tin ... – sei am 07.01.2010 ei­ne Schu­lung für die Be­triebs­rats­wahl ver­wehrt und Fra­gen an den Wahl­vor­stand hin­sicht­lich der Ein­hal­tung der For­ma­li­en zur Er­stel­lung der Vor­schlags­lis­te un­be­ant­wor­tet ge­blie­ben. Auch Un­ter­la­gen aus Schu­lun­gen sei­en trotz mehr­fa­cher Auf­for­de­rung nicht zur Verfügung ge­stellt wor­den.

Noch nach Ab­leh­nung der Vor­schlags­lis­te sei­en Mit­ar­bei­ter des Be­trie­bes, die auf die­ser und ei­ner an­de­ren Vor­schlags­lis­te un­ter­zeich­net hat­ten, vom Wahl­vor­stand per E-Mail an­ge­schrie­ben und auf­ge­for­dert wor­den, ge­genüber dem Wahl­vor­stand zu erklären, für wel­che Vor­schlags­lis­te die Stütz­un­ter­schrift auf­recht­er­hal­ten blei­ben sol­le.

Die Ar­beit­neh­mer ha­ben be­an­tragt,

im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung

1. dem Wahl­vor­stand auf­zu­ge­ben, die ih­rem An­trag als An­la­ge AST 1 in Ko­pie bei­gefügte Vor­schlags­lis­te (Wahl­vor-schlag) .../... mit der Lis­ten­ver­tre­te­rin ... und den Kan­di­da­ten..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... un­ter Strei­chung der Kan­di­da­tin ... zu

– Sei­te 5 –

der am 03.05.2010 statt­fin­den­den Be­triebs­rats­wahl zu­zu­las­sen;

2. hilfs­wei­se es dem Wahl­vor­stand zu un­ter­sa­gen, die auf den 03.05.2010 an­ge­setz­te Be­triebs­rats­wahl im Be­trieb der Ar­beit­ge­be­rin durch­zuführen, das auf der Grund­la­ge des Wahl­aus­schrei­bens ein­ge­lei­te­te Wahl­ver­fah­ren zu be­en­den und dies be­kannt­zu­ge­ben (so­wie die einst­wei­li­ge Verfügung straf­zu­be­weh­ren).

Der Wahl­vor­stand hat die Zurück­wei­sung des An­trags be­an­tragt.


Die Vor­schlags­lis­te sei ungültig und da­her zu Recht zurück­ge­wie­sen wor­den.

Die feh­len­de Wähl­bar­keit der Frau ... sei den Ar­beit­neh­mern be­kannt ge­we­sen. Ein Ab­bruch der Be­triebs­rats­wahl kom­me hier nicht in Be­tracht. Die durch­zuführen­de Be­triebs­rats­wahl würde sich im Er­geb­nis we­der als nich­tig noch mit Si­cher­heit er­folg­reich als an­fecht­bar er­wei­sen.

Die Vor­schlags­lis­te sei un­verzüglich ge­prüft wor­den. Am 30.03.2010 sei Frau ... auf der ak­tu­el­len und gülti­gen Wähler­lis­te noch als wähl­bar auf­geführt ge­we­sen. Erst am 31.03.2010 ha­be der Wahl­vor­stand sei­tens der Ar­beit­ge­be­rin neue In­for­ma­tio­nen zur Ak­tua­li­sie­rung der Wähler­lis­te er­hal­ten. So­fort ha­be er an­ge­fan­gen, die neu­en In­for­ma­tio­nen mit der bis­he­ri­gen Wähler­lis­te ab­zu­glei­chen. Dies ha­be er al­lein in der Mit­tags­pau­se des 31.03.2010 tun können, weil den ge­sam­ten Tag über ei­ne Be­triebs­ver­samm­lung im Be­trieb statt­ge­fun­den ha­be. Am 01.04.2010 ha­be er – der Wahl­vor­stand – dann die neu­en In­for­ma­tio­nen der Ar­beit­ge­be­rin vollständig ab­glei­chen und ei­ne neue, ak­tua­li­sier­te Wähler­lis­te er­stel­len können. Die­se sei dann ab 13:00 Uhr im ge­sam­ten Be­trieb aus­ge­han­gen. Al­le bis­lang ein­ge­gan­ge­nen Wahl­vor­schläge sei­en dann noch ein­mal mit der ak­tu­el­len Wähler­lis­te ab­ge­gli­chen wor­den. Da­bei sei man nach der Rei­hen­fol­ge des Ein­gangs vor­ge­gan­gen. Man ha­be ver­sucht, den aus­ge­mach­ten Man­gel auf der Vor­schlags­lis­te der zu Be­ginn ge­nann­ten Ar­beit­neh­me­rin ... mit­zu­tei­len. Die­se ha­be je­doch Ur­laub ge­habt, wes­halb vor­ab die Ar­beit­neh­me­rin ... in­for­miert wor­den sei.


– Sei­te 6 –

Die Ein­rei­chungs­frist sei zu­tref­fend be­stimmt wor­den. Auch in Schicht­be­trie­ben sei die Be­stim­mung ei­ner kon­kre­ten Dienst­stun­de zur Be­stim­mung der Ein­rei­chungs­frist un­be­denk­lich, ins­be­son­de­re je­den­falls dann, wenn das En­de der Dienst­stun­den des Wahl­vor­stan­des mit dem En­de der Ar­beits­zeit des über­wie­gen­den Teils der Ar­beit­neh­mer an die­sem Tag kor­re­spon­die­re. Dies sei hier der Fall ge­we­sen.

Die Erklärung des Wahl­vor­stan­des sei ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Ar­beit­neh­mer nicht form­wid­rig er­folgt.

Die Ar­beit­ge­be­rin hat kei­nen An­trag ge­stellt.

Das von den Ar­beit­neh­mern an­ge­gan­ge­ne Ar­beits­ge­richt Baut­zen hat dem Hilfs­an­trag un­ter Zurück­wei­sung des Verfügungs­an­trags im Übri­gen ent­spro­chen.

Ge­gen die am 20.04.2010 verkünde­te Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts wen­det sich (al­lein) der Wahl­vor­stand mit sei­ner am 21.04.2010 bei dem Säch­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen und am sel­ben Tag aus­geführ­ten Be­schwer­de.
Der vom Ar­beits­ge­richt verfügte Ab­bruch der Be­triebs­rats­wahl kom­me hier nicht in Be­tracht.

Der Wahl­vor­stand be­an­tragt,


den Verfügungs­an­trag un­ter Abände­rung des Be­schlus­ses des Ar­beits­ge­richts Baut­zen vom 20.04.2010 – 6 BV­Ga 6001/10 – ins­ge­samt zurück­zu­wei­sen.

Die Ar­beit­neh­mer be­an­tra­gen

die Zurück­wei­sung der Be­schwer­de.

Die Ar­beit­neh­mer ver­tei­di­gen den ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schluss.

– Sei­te 7 –

In der Be­schwer­de­ver­hand­lung ma­chen sie deut­lich, dass es ih­nen in ers­ter Li­nie um die Durchführung der Be­triebs­rats­wahl un­ter Zu­las­sung der ei­ge­nen Vor­schlags­lis­te ge­he.

Die Ar­beit­ge­be­rin stellt kei­nen An­trag.

In der Be­schwer­de­ver­hand­lung bringt sie zum Aus­druck, kein In­ter­es­se an ei­ner be­triebs­rats­lo­sen Zeit zu ha­ben.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des tatsächli­chen Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten und der von ih­nen geäußer­ten Rechts­an­sich­ten wird ergänzend auf den ge­sam­ten Ak­ten­in­halt ver­wie­sen.

II.

Die zulässi­ge Be­schwer­de ist über­wie­gend be­gründet, weil kein Ab­bruch der Be­triebs­rats­wahl zu verfügen ist (1.). Die wei­te­re Durchführung der Wahl steht je­doch un­ter der Ein­schränkung der in die­ser Be­schwer­de­ent­schei­dung verfügten Zu­las­sung der hier näher be­zeich­ne­ten Vor­schlags­lis­te un­ter der eben­falls hier an­ge­ord­ne­ten Be­kannt­ga­be (2.).

Letz­te­rem steht nicht ent­ge­gen, dass die Ar­beit­neh­mer nicht ih­rer­seits Be­schwer­de ge­gen die Zurück­wei­sung ih­res Haupt­an­tra­ges ein­ge­legt und sich auch nicht dem Rechts­mit­tel des Wahl­vor­stan­des an­ge­schlos­sen ha­ben. Denn in Re­de steht der nach § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG im Be­schluss­ver­fah­ren zulässi­ger­wei­se im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung aus­ge­ur­teil­te Hilfs­an­trag der Ar­beit­neh­mer, ge­gen den sich der Wahl­vor­stand nun­mehr im Rah­men sei­ner Be­schwer­de wehrt. Im Rah­men des aus­ge­ur­teil­ten Verfügungs­an­trags be­stimmt bei le­dig­lich par­ti­el­lem Er­folg der Be­schwer­de nach § 938 Abs. 1 ZPO das Ge­richt nach frei­em Er­mes­sen, wel­che An­ord­nun­gen zur Ein­rei­chung des Zwecks der Re­ge­lung ei­nes einst­wei­li­gen Zu­stands (§ 940 ZPO) er­for­der­lich sind. Da­bei stellt die Wahl­durchführung nach Maß-


– Sei­te 8 –

ga­be der Ent­schei­dung des Be­schwer­de­ge­richts das Mi­nus ge­genüber dem mit der Be­schwer­de bekämpf­ten Ab­bruch der Wahl des Be­triebs­rats dar.


1. Al­ler­dings war die Wahl des Be­triebs­rats nicht ab­zu­bre­chen.

Wird ge­gen we­sent­li­che Vor­schrif­ten über das Wahl­recht, die Wähl­bar­keit oder das Wahl­ver­fah­ren ver­s­toßen und ist ei­ne Be­rich­ti­gung nicht er­folgt, kann nach § 19 Abs. 1 Be­trVG ei­ne Wahl des Be­triebs­rats an­ge­foch­ten wer­den, es sei denn, dass durch den Ver­s­toß das Wahl­er­geb­nis nicht geändert oder be­ein­flusst wer­den konn­te.

An­fech­tungs­gründe im vor­ste­hen­den Sin­ne ma­chen die Ar­beit­neh­mer gel­tend.
Da­hin­ste­hen kann je­doch, ob ei­ne Wahl­an­fech­tung auf­grund der Ursächlich­keit der auf­ge­zeig­ten Wahl­rechts­verstöße auch er­folg­reich wäre. Denn die­se Fra­ge müss­te in ei­nem Wahl­an­fech­tungs­ver­fah­ren be­ant­wor­tet wer­den.

An­ders wäre nur zu ent­schei­den, wenn die auf­ge­zeig­ten Mängel so schwer­wie­gend wären, dass sich die Wahl als nich­tig er­wie­se. Denn dann käme es auf die Wahl­an­fech­tung nicht an.

Die Ar­beit­neh­mer zei­gen al­ler­dings kei­ne Rechts­verstöße auf, wel­che die Nich­tig­keits­fol­ge be­gründen könn­ten. Für die­se Si­tua­ti­on stellt das Ge­setz mit dem Wahl­an­fech­tungs­ver­fah­ren in § 19 Be­trVG al­lein das In­stru­ment der Wahl­an­fech­tung zur Verfügung, in des­sen Rah­men die durch­geführ­te Be­triebs­rats­wahl bis zu ih­rer Kas­sa­ti­on als wirk­sam zu be­han­deln ist. Un­ter­lau­fen wer­den kann dies nicht mit ei­nem An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung, der schon die Durchführung der Wahl ver­hin­dern soll und mit­hin auch ei­nen gänz­lich an­de­ren Streit­ge­gen­stand als das Wahl­an­fech­tungs­ver­fah­ren hat.

2. Die näher be­zeich­ne­te Vor­schlags­lis­te ist al­ler­dings zu der am 03.05.2010


– Sei­te 9 –

mit der Kon­se­quenz der auf­ge­ge­be­nen Be­kannt­ma­chung (§ 10 Abs. 2 WO) zu­ge­las­sen. Denn in­so­weit ha­ben die An­trag­stel­ler ei­nen Verfügungs­an­spruch und ei­nen Verfügungs­grund (vgl. § 920 Abs. 2 ZPO) glaub­haft ge­macht.

a) Als wahl­be­rech­tig­te und wähl­ba­re Be­wer­ber und Be­wer­be­rin­nen ha­ben die an­trag­stel­len­den Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­neh­me­rin­nen ge­gen den Wahl­vor­stand im Rah­men des­sen Ver­pflich­tung zur Vor­be­rei­tung und Durchführung der Wahl des Be­triebs­rats nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG An­spruch auf Zu­las­sung der Vor­schlags­lis­te, die auf­grund zu Un­recht er­folg­ter Ver­wei­ge­rung der Zu­las­sung nun-mehr ge­richt­lich zu­ge­las­sen ist.

Aus § 19 Abs. 1 Be­trVG er­gibt sich, dass ein Ver­s­toß ge­gen ei­ne we­sent­li­che Wahl­vor­schrift be­rich­tigt wer­den kann (§ 19 Abs. 1 Halb­satz 1 in sei­ner zen­tra­len letz­ten tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zung [„... und ei­ne Be­rich­ti­gung nicht er­folgt ist“]); ei­ne Be­schränkung der Be­rich­ti­gung auf be­stimm­te Verstöße oder of­fen­ba­re Un­rich­tig­kei­ten ist nicht er­sicht­lich (vgl. BAG vom 19.09.1985 – 6 ABR 4/89 – Ju­ris Rd­nr. 28). Das Ge­setz gibt zu er­ken­nen, dass nach ei­nem Wahl­feh­ler ei­ne Be­rich­ti­gung grundsätz­lich im­mer vor­zugswürdig ist, weil die recht­zei­ti­ge Be­rich­ti­gung den bis da­hin be­ste­hen­den An­fech­tungs­grund be­sei­tigt. Grundsätz­lich sind al­le Wahl­feh­ler re­pa­ra­bel, von der feh­len­den Be­stel­lung des Wahl­vor­stands über Feh­ler des Wahl­ver­fah­rens bis zur Fest­stel­lung des endgülti­gen Wahl­er­geb­nis­ses. Da­bei hängt es von der Art des Ver­s­toßes ab, in wel­cher Wei­se die Be­rich­ti­gung je­weils zu er­fol­gen hat. Die Be­rich­ti­gung ist in wei­tem Sin­ne zu ver­ste­hen. Maßgeb­lich ist die Wah­rung der Be­stim­mun­gen des Ge­set­zes und der Wahl­ord­nung. Ziel der Be­rich­ti­gung (und da­mit Maßstab der Be­rich­ti­gungsfähig­keit) muss es sein, den Ein­fluss des Wahl­feh­lers auf das Wahl­er­geb­nis zu un­ter­bin­den. Dies er­for­dert bei Wahl­feh­lern, die vor der Stimm­ab­ga­be er­folgt sind, ei­ne so recht­zei­ti­ge Kor­rek­tur, dass ihr Ein­fluss auf den Wähl­er­wil­len aus­ge­schlos­sen wird (vgl. m. w. N. et­wa GK-Be­trVG/Kreutz § 19 Rd­nr. 35).


Zum rich­ti­gen Ver­hal­ten des Wahl­vor­stan­des ge­genüber ei­nem Wahl­vor­schlag, der – wie hier – ei­ne nicht wähl­ba­re Be­wer­be­rin enthält, ist zu un­ter­schei­den:

– Sei­te 10 –

(1) Der Wahl­vor­stand han­delt nach ei­ner nicht un­um­strit­ten ge­blie­be­nen Ent­schei­dung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts (vom 27.05.1960 – BVerwG VII P 13/59 – Voll­text AP Nr. 2 zu § 10 WO zum Pers­VG m. krit. Anm. Küchen­hoff) rechtmäßig, wenn er ei­nen Wahl­vor­schlag, auf dem nicht sämt­li­che Be­wer­ber wähl­bar sind, zurück­weist. Zu be­ur­tei­len war al­ler­dings ei­ne be­reits zum Zeit­punkt ih­rer Ein­rei­chung nach Auf­fas­sung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts we­gen des ge­nann­ten Man­gels feh­ler­haf­te Vor­schlags­lis­te.


(2) Grund­le­gend mit der Fra­ge, wie im Fal­le des Ver­lus­tes der Wähl­bar­keit nach Fest­stel­lung der Gültig­keit ei­ner Vor­schlags­lis­te zur Be­triebs­rats­wahl zu ver­fah­ren ist, hat sich ausführ­lich erst­mals Schnei­der (FS Wolf­gang Däubler 1999 S. 286 ff.) be­fasst. In der Fol­ge wur­de un­ter aus­drück­li­cher Be­zug­nah­me (auch auf DKK/Schnei­der § 8 WO Rd­nr. 4) Schnei­ders Vor­schlag gemäß (a. a. O. [FS]) ei­ne Kor­rek­turmöglich­keit durch den Wahl­vor­stand durch Strei­chen des Be­wer­bers nach Ver­lust des­sen Wähl­bar­keit befürwor­tet für die Zeit nach Ab­lauf der Ein­rei­chungs­frist (Fit­ting § 8 WO 2001 Rd­nr. 4) bzw. auf die Zeit nach Ein­rei­chung (GK-Be­trVG/Kreutz § 8 WO Rd­nr. 9). Zum Teil wur­den zusätz­li­che und von Schnei­der nicht auf­ge­stell­te Vor­aus­set­zun­gen oh­ne nähe­re Erläute­rung hin­zu­gefügt, et­wa die, dass den Lis­ten­un­ter­zeich­nern die Auf­nah­me des nicht wähl­ba­ren Kan­di­da­ten auf die Lis­te nicht vor­zu­wer­fen sein dürfe (so et­wa Fit­ting a. a. O.).


(3) Hier war die Lis­te auch i. S. der vor­erwähn­ten Ent­schei­dung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts bei Ein­rei­chung gültig. Sub­jek­ti­ve Ver­sa­gungs­gründe der bei Fit­ting be­zeich­ne­ten Art sind dem Wahl­ver­fah­rens­recht fremd. Auch auf den Weg­fall der Wähl­bar­keit erst nach Ab­lauf der Ein­rei­chungs­frist kommt es nicht an. Maßge­bend ist viel­mehr, dass der Wahl­vor­stand die ein­ge­reich­ten Vor­schlags­lis­ten un­verzüglich, möglichst bin­nen ei­ner Frist von zwei Ar­beits­ta­gen nach ih­rem Ein­gang zu prüfen und bei Ungültig­keit oder Be­an­stan­dung (Un­ter­strei­chung durch die Kam­mer) ei­ner Lis­te die Lis­ten­ver­tre­te­rin oder den Lis­ten­ver­tre­ter un­verzüglich schrift­lich un­ter An­ga­be der Gründe zu un­ter­rich­ten hat (§ 7 Abs. 2 Satz 2 WO). In die­ser Pha­se gibt es kei­nen ein­sich­ti­gen Grund, war­um ei­ne bei ih­rer Ein­rei­chung gülti­ge Lis­te ins­ge­samt zurück­zu­wei­sen ist, wenn ab dem Zeit­punkt des Be­ginns des Prü-


– Sei­te 11 –

fungs­rechts und der Prüfungs­pflicht des Wahl­vor­stan­des im Fal­le ei­nes Kan­di­da­ten der erst nach Ein­rei­chung er­folg­te Ver­lust der Wähl­bar­keit fest­ge­stellt wird und mit­hin le­dig­lich ein Be­an­stan­dungs­grund vor­liegt.


Das Ab­stel­len auf den Ab­lauf der Ein­rei­chungs­frist wäre ge­mes­sen dar­an bloße Förme­lei. Es macht in der Sa­che kei­nen Un­ter­schied, ob die Wähl­bar­keit nach Ein­rei­chung der Vor­schlags­lis­te oder nach Ab­lauf der Ein­rei­chungs­frist entfällt. Ins­be­son­de­re wird nicht der Wil­le der ih­re Stütz­un­ter­schrift Leis­ten­den verfälscht, wenn ein Kan­di­dat nach Ein­rei­chung der Lis­te sei­ne Wähl­bar­keit ver­liert. Denn je­de Un­terstützung birgt das Ri­si­ko, dass der un­terstütz­te Kan­di­dat nach Ein­rei­chung der Lis­te die Wähl­bar­keit ver­liert, aus wel­chen Gründen auch im­mer (ne­ben ei­nem Aus­schei­den aus dem Be­trieb et­wa der To­des­fall oder die Rück­nah­me der Kan­di­da­tur, ins­be­son­de­re durch schrift­li­che Erklärung ge­genüber dem Wahl­vor­stand nach Ein­rei­chung des an­sons­ten gülti­gen Wahl­vor­schlags).


Auch sonst wird über­wie­gend an­ge­nom­men, dass es oh­ne Ein­fluss auf die Wirk­sam­keit des Wahl­vor­schla­ges ist, wenn ein Be­wer­ber nach Ein­rei­chung des ihn be­nen­nen­den Wahl­vor­schlags sei­ne Kan­di­da­tur zurück­zieht. Auch dann wird an­ge­nom­men, dass der Be­tref­fen­de vom Wahl­vor­stand ge­stri­chen wer­den kann oder die Wähler in sons­ti­ger Wei­se (et­wa durch den Zu­satz: „Kan­di­da­tur zurück­ge­zo­gen“) auf die Rück­nah­me hin­ge­wie­sen wer­den können (vgl. m. z. N. GK-Be­trVG/Kreutz § 14 Rd­nr. 71).


Der kor­ri­gie­ren­de Ein­griff be­reits für den Zeit­raum zwi­schen Ein­rei­chung und Ab­lauf der Ein­rei­chungs­frist bringt auch in größtem Maße das ak­ti­ve und pas­si­ve Wahl­recht so­wie die Le­gi­ti­ma­ti­on des zu wählen­den Be­triebs­rats zur Gel­tung. Im­mer­hin steht ei­ne Vor­schlags­lis­te mit 17 Kan­di­da­ten in Re­de, die nach dem Er­geb­nis der Be­schwer­de­ver­hand­lung von et­wa 1/6 der Be­triebs­an­gehöri­gen gestützt wird. Würde hier nicht i. S. der Re­ge­lung des § 19 Abs. 1 Halb­satz 1 Be­trVG (mit Bin­dungs­wir­kung der ge­richt­li­chen Ent­schei­dung; ih­re Miss­ach­tung hätte als gro­ber Ver­s­toß ge­gen das Wahl­recht auch die Nich­tig­keit der Wahl zur Fol­ge, wes­halb die an­ge­ord­ne­te Be­kannt­ma­chung nicht ge­son­dert mit Zwangs­mit­teln zu be­weh­ren ist) be-

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rich­tigt, wäre kaum an­zu­neh­men, dass durch die ver­wei­ger­te Zu­las­sung der Lis­te das Wahl­er­geb­nis nicht i. S. von § 19 Abs. 1 zwei­ter Halb­satz Be­trVG geändert oder be­ein­flusst wer­den konn­te. Ge­ra­de oh­ne Zu­las­sung hätte ei­ne Wahl­an­fech­tung – m. a. W. – mit großer Wahr­schein­lich­keit Er­folg. Wahl­freund­lich ist da­mit hier al­lein die Be­rich­ti­gung, von der die ih­re Stütz­un­ter­schrift leis­ten­den Ar­beit­neh­mer und die Wähler durch ent­spre­chen­de Be­kannt­ma­chung auch er­fah­ren.


b) Glaub­haft ist auch ein Verfügungs­grund.
Würde die Be­rich­ti­gung samt Be­kannt­ma­chung hier nicht verfügt wer­den, müss­ten die Ar­beit­neh­mer, die je­weils für sich al­lein nicht an­fech­tungs­be­rech­tigt sind, auf ei­ne Wahl­an­fech­tung hof­fen, und ih­rem pas­si­ven Wahl­recht könn­te u. U. erst nach ei­nem mögli­cher­wei­se lang an­dau­ern­den Wahl­an­fech­tungs­ver­fah­ren Gel­tung ver­schafft wer­den.

Dem­ge­genüber ist die Ar­beit des Wahl­vor­stan­des nach Ab­schluss der Wahl des Be­triebs­rats er­le­digt.

III.

Ei­ner Kos­ten­ent­schei­dung be­darf es nicht. In Be­schluss­ver­fah­ren wer­den Ge­richts­kos­ten nicht er­ho­ben noch ent­steht ei­ne pro­zes­sua­le Kos­ten­tra­gungs­pflicht. Ein dies­bezügli­cher Aus­spruch ist hier dem­gemäß ent­behr­lich.


Ge­gen die­sen Be­schluss ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben. In den Fällen des Er­las­ses ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung im Be­schluss­ver­fah­ren (§ 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) fin­det nach § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG die Be­schwer­de nicht statt. Des­halb kommt auch ei­ne Ent­schei­dung über die Zu­las­sung der Rechts­be­schwer­de nicht in Be­tracht.

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