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BAG, Ur­teil vom 14.12.2005, 4 AZR 536/04

   
Schlagworte: Tarifvertrag, Tarifvertrag: Bezugnahme, Gleichstellungsabrede
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 4 AZR 536/04
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 14.12.2005
   
Leitsätze:
  1. Für die Auslegung von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln in bis zum 31. Dezember 2001 abgeschlossenen Arbeitsverträgen ("Altverträge") gilt weiter die Auslegungsregel, wonach die Bezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge regelmäßig als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, also nur die Gleichstellung nicht tarifgebundener mit tarifgebundenen Arbeitnehmern bezweckt.
  2. Der Senat beabsichtigt, diese Auslegungsregel nicht auf die ab dem 1. Januar 2002 abgeschlossenen Arbeitsverträge anzuwenden.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Osnabrück
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


4 AZR 536/04
16 Sa 502/04
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Nie­der­sach­sen

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
14. De­zem­ber 2005

UR­TEIL

Frei­tag, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,


hat der Vier­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 14. De­zem­ber 2005 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Be­p­ler, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Bott und Dr. Wol­ter so­wie die eh­ren-amt­li­che Rich­te­rin Pfeil und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Rupp­recht für Recht er­kannt:


1. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen vom 27. Au­gust 2004 - 16 Sa 502/04 - auf­ge­ho­ben, so­weit es der Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Os­nabrück vom 28. Ja­nu­ar 2004 - 4 Ca 588/03 - statt­ge­ge­ben hat.


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Die Be­ru­fung der Kläge­rin wird ins­ge­samt zurück­ge­wie­sen.


2. Die Kläge­rin hat auch die Kos­ten der Be­ru­fung und der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob der Kläge­rin die nach ei­nem Be­triebsüber­gang ver­ein­bar­ten Ta­rif­ge­halts­erhöhun­gen zu­ste­hen.

Die am 13. Ju­li 1960 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist bei der Be­klag­ten und de­ren Rechts­vorgänge­rin seit dem 1. Au­gust 1988 als Kran­ken­gym­nas­tin beschäftigt. Zum 1. Ju­ni 2001 ist der Be­trieb von der Rechts­vorgänge­rin, der Kur­be­trie­be E GmbH, auf die Be­klag­te über­ge­gan­gen. Die Rechts­vorgänge­rin war Mit­glied des kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des. Die Be­klag­te ist nicht ta­rif­ge­bun­den.


In § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 23. Ju­ni 1988 ist be­stimmt: 


„Das Ar­beits­verhält­nis rich­tet sich nach den Vor­schrif­ten des Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­tra­ges (BAT) vom 23. Fe­bru­ar 1961 und den die­sen ergänzen­den, ändern­den oder er­set­zen­den Ta­rif­verträgen. Außer­dem fin­den die für den Be­reich des Ar­beit­ge­bers je­weils gel­ten­den sons­ti­gen Ta­rif­verträge An­wen­dung.“

Durch den Vergütungs­ta­rif­ver­trag Nr. 35 (VTV Nr. 35) vom 31. Ja­nu­ar 2003 wur­de die Vergütung für die Ta­rif­grup­pe der Kläge­rin ab 1. Ja­nu­ar 2003 um 2,4 % er-höht so­wie ei­ne Ein­mal­zah­lung von 7,5 % fest­ge­legt, die im März 2003 aus­ge­zahlt wer­den soll­te. Die Be­klag­te gewähr­te der Kläge­rin we­der die­se Ein­mal­zah­lung noch die Ta­rif­ge­halts­erhöhung. Dar­auf­hin wand­te sich die Kläge­rin mit fol­gen­dem Schrei­ben von En­de April 2003 an die Be­klag­te:


„Be­treff: Gel­tend­ma­chung von Ansprüchen

Sehr ge­ehr­te Da­men und Her­ren,

hier­mit ma­che ich gemäß Ta­rif­ver­ein­ba­rung BAT § 70 mei­ne Ansprüche im Rah­men der Aus­schluss­frist gel­tend.“

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Mit ih­rer Kla­ge be­gehrt die Kläge­rin die Ein­mal­zah­lung vom März 2003 iHv. 185,00 Eu­ro so­wie die Ta­rif­erhöhun­gen für den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar bis 31. Au­gust 2003 iHv. 518,16 Eu­ro. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass ihr nach dem Ar­beits-ver­trag die Ta­rif­ge­halts­erhöhung zu­ste­he. Die Re­ge­lun­gen des BAT sei­en ein­sch­ließlich ih­rer Ände­run­gen und Ergänzun­gen in Be­zug ge­nom­men. Die­se dy­na­mi­sche Ver­wei­sung ha­be zur Fol­ge, dass die Be­klag­te auch nach dem Be­triebsüber­gang die je­wei­li­gen Ta­rifände­run­gen zu be­ach­ten ha­be.


Die Kläge­rin hat be­an­tragt, 


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 703,16 Eu­ro brut­to nebst 5 % Punk­te Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz der EZB seit dem 30. Au­gust 2003 zu zah­len.


Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass es sich bei der ar­beits­ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me­klau­sel um ei­ne sog. Gleich­stel­lungs­ab­re­de han­de­le. Das führe auf Grund des Weg­falls der ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Ta­rif­ge­bun­den­heit im Zu­ge des Be­triebsüber­gangs zur nur sta­ti­schen Wei­ter­gel­tung der ta­rif­ver­trag­li­chen Be­stim­mun­gen. Der Kläge­rin ste­he des­halb kein An­spruch auf die nach dem Be­triebsüber­gang ver­ein­bar­ten Ta­rif­ge­halts­erhöhun­gen zu.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge hin­sicht­lich der mo­nat­li­chen Ta­rif­ge­halts­erhöhun­gen für den Zeit­raum vom 1. März bis zum 31. Au­gust 2003 iHv. ins­ge­samt 388,62 Eu­ro brut­to statt­ge­ge­ben. Es hat die Kla­ge im Übri­gen ab­ge­wie­sen, weil die Ein­mal­zah­lung eben­so wie die Vergütungs­dif­fe­ren­zen bis ein­sch­ließlich Fe­bru­ar 2003 von der Kläge­rin nicht recht­zei­tig gel­tend ge­macht wor­den sei­en. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on strebt die Be­klag­te die Wie­der­her­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen kla­ge­ab­wei­sen­den Ur­teils an. Die Kläge­rin be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist be­gründet. Der Kläge­rin steht ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts die höhe­re Vergütung nach dem VTV Nr. 35 nicht zu.


I. Die An­wend­bar­keit des man­gels bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­ge­bun­den­heit zwi­schen den Par­tei­en nicht nor­ma­tiv (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) gel­ten­den VTV Nr. 35 auf ihr


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Ar­beits­verhält­nis er­gibt sich nicht aus der ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me in § 2 des Ver­tra­ges vom 23. Ju­ni 1988. Die­se Re­ge­lung ist nach der Recht­spre­chung des Se­nats als sog. Gleich­stel­lungs­ab­re­de zu ver­ste­hen. Da­nach hat die Kläge­rin An­spruch auf Vergütung nach den ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen, die bei Weg­fall der Ta­rif­ge­bun­den­heit auf Ar­beit­ge­ber­sei­te durch den Be­triebsüber­gang gal­ten. Die späte­re Ta­rif­erhöhung des VTV Nr. 35 steht der Kläge­rin nicht zu.


1. Bei der Be­zug­nah­me­klau­sel des Ar­beits­ver­tra­ges han­delt es sich um ei­ne ty­pi­sche Ver­trags­klau­sel, de­ren Aus­le­gung der un­ein­ge­schränk­ten Prüfung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt un­ter­liegt (ua. Se­nat 1. Au­gust 2001 - 4 AZR 129/00 - BA­GE 98, 293, 299).

2. Die­se Be­zug­nah­me auf den BAT in dem Ar­beits­ver­trag vom 23. Ju­ni 1988, wel­che die die­sen ergänzen­den, ändern­den oder er­set­zen­den Ta­rif­verträge in der je­wei­li­gen Fas­sung aus­drück­lich ein­be­zieht, ist nach der Recht­spre­chung des Se­nats ei­ne sog. Gleich­stel­lungs­ab­re­de.


a) Nach der bis­he­ri­gen ständi­gen Recht­spre­chung des Se­nats ist die Be­zug­nah­me in ei­nem von ei­nem ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­ver­trag auf die für das Ar­beits­verhält­nis ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge in der je­wei­li­gen Fas­sung re­gelmäßig als Gleich­stel­lungs­ab­re­de aus­zu­le­gen, wenn an­de­re für die Aus­le­gung die­ser ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me gem. §§ 133, 157 BGB be­deut­sa­me Umstände dem nicht ent­ge­gen­ste­hen. Die­se Aus­le­gungs­re­gel be­ruht auf der Vor­stel­lung, dass mit ei­ner sol­chen Ver­trags­klau­sel nur die et­wa feh­len­de Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­neh­mers er­setzt wer­den soll. Die Klau­sel soll zur schuld­recht­li­chen An­wen­dung der Ta­rif­verträge auf das Ar­beits­verhält­nis mit dem In­halt führen, wie er für die ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer gilt. Der Ar­beit­neh­mer nimmt auf Grund ei­ner Gleich­stel­lungs­ab­re­de grundsätz­lich an der Ta­ri­fent­wick­lung der in Be­zug ge­nom­me­nen ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge teil. Die­se ver­trag­li­che An­bin­dung an die dy­na­mi­sche Ent­wick­lung der ta­rif­lich ge­re­gel­ten Ar­beits­be­din­gun­gen en­det aber, wenn sie ta­rif­recht­lich auch für ei­nen ta­rif-ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer en­det, zB durch den Aus­tritt des Ar­beit­ge­bers aus dem zu-ständi­gen Ar­beit­ge­ber­ver­band, durch das Her­aus­fal­len des Be­trie­bes aus dem Gel­tungs­be­reich oder durch den Über­gang des Be­trie­bes oder Teil­be­trie­bes, in dem die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer beschäftigt sind, auf ei­nen nicht ta­rif­ge­bun­de­nen neu­en Ar­beit­ge­ber. Eben­so wie nach den ein­schlägi­gen ta­rif­recht­li­chen Re­ge­lun­gen (§ 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5 TVG, § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB) in sol­chen Fall­kon­stel­la­tio­nen für den ta­rif-

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ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer die wei­te­ren Ände­run­gen oder Ergänzun­gen der ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge man­gels bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­ge­bun­den­heit ta­rif­recht­lich nicht mehr gel­ten, fin­den die­se auf Grund der Gleich­stel­lungs­ab­re­de auch nicht mehr in den Ar­beits­verhält­nis­sen der nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer An­wen­dung.


Die­se Aus­le­gungs­re­gel hat der Se­nat - wenn auch nicht im­mer mit den zu­letzt ge­zo­ge­nen Kon­se­quen­zen - seit lan­gem und wie­der­holt an­ge­wandt (ua. 14. Fe­bru­ar 1973 - 4 AZR 176/72 - BA­GE 25, 34; 29. Ja­nu­ar 1975 - 4 AZR 218/74 - BA­GE 27, 22; 7. De­zem­ber 1977 - 4 AZR 474/76 - AP TVG § 4 Nach­wir­kung Nr. 9; 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - BA­GE 67, 330; 4. Sep­tem­ber 1996 - 4 AZR 135/95 - BA­GE 84, 97; 30. Au­gust 2000 - 4 AZR 581/99 - BA­GE 95, 296; 26. Sep­tem­ber 2001 - 4 AZR 544/00 - BA­GE 99, 120; 20. Fe­bru­ar 2002 - 4 AZR 123/01 - EzA TVG § 3 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 20; 21. Au­gust 2002 - 4 AZR 263/01 - BA­GE 102, 275; 25. Sep­tem­ber 2002 - 4 AZR 294/01 - BA­GE 103, 9; 1. De­zem­ber 2004 - 4 AZR 50/04 - AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 34 = EzA TVG § 3 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 29, auch zur Veröffent­li­chung in der Amt­li­chen Samm­lung vor­ge­se­hen). Er hat sie in Aus­ein­an­der­set­zung mit ab­wei­chen­den Auf­fas­sun­gen ausführ­lich be­gründet und ver­tei­digt (26. Sep­tem­ber 2001 - 4 AZR 544/00 - aaO; 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - BA­GE 105, 284; 27. No­vem­ber 2002 - 4 AZR 540/01 - AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 29). Die Recht­spre­chung des Se­nats wird von an­de­ren Se­na­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts ge­teilt (19. Ja­nu­ar 1999 - 1 AZR 606/98 - AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 9 = EzA TVG § 3 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 10; 4. Au­gust 1999 - 5 AZR 642/98 - BA­GE 92, 171; 21. Ju­li 2004 - 7 AZR 589/03 - EzA BGB 2002 § 620 Al­ters­gren­ze Nr. 5; 24. No­vem­ber 2004 - 10 AZR 202/04 - AP BGB § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 70 = EzA BGB 2002 § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 5, auch zur Veröffent­li­chung in der Amt­li­chen Samm­lung vor­ge­se­hen).


Zur Be­gründung der Aus­le­gungs­re­gel hat der Se­nat ins­be­son­de­re die fol­gen­den Ge­sichts­punk­te an­geführt:


Die nicht primär auf den Wort­laut ab­stel­len­de Aus­le­gung recht­fer­ti­ge sich dar­aus, dass der Ar­beit­ge­ber bei Ver­trags­schluss das Be­ste­hen ei­ner Mit­glied­schaft in der zuständi­gen Ge­werk­schaft und ei­ne da­durch be­gründe­te Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­neh­mers idR nicht ken­ne und nicht er­fra­gen dürfe. Das ha­be zur Fol­ge, dass der Ar­beit­ge­ber, um die Gleich­stel­lung der bei ihm beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer zu er­rei­chen, in al­le Ar­beits­verträge die Be­zug­nah­me­klau­sel auf­neh­me. Nach die­sen durch das Ar­beits­recht vor­struk­tu­rier­ten Be­din­gun­gen bei Ver­trags­schluss sei es ge­bo­ten, bei

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der Aus­le­gung ei­ner Be­zug­nah­me­klau­sel, so­weit sich aus den kon­kre­ten For­mu­lie­run­gen oder Umständen nichts an­de­res er­ge­be, auf die ty­pi­scher­wei­se vor­lie­gen­den Zweck­be­stim­mun­gen und In­ter­es­sen ab­zu­stel­len. Der Zweck der Be­zug­nah­me­klau­sel in ei­nem von ei­nem ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­ver­trag be­ste­he re­gelmäßig in der Gleich­stel­lung von ta­rif­ge­bun­de­nen und nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern, dh. in der gleichmäßigen An­wen­dung der ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge, die für die ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer un­mit­tel­bar und zwin­gend gel­ten, auf al­le Beschäftig­ten. Der Gleich­stel­lungs­zweck be­schränke sich ty­pi­scher­wei­se dar­auf, die mögli­cher­wei­se feh­len­de Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­neh­mers zu er­set­zen, dh. ihn ei­nem ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer gleich­zu­stel­len. Es ge­he mit ei­ner sol­chen Ver­trags­klau­sel nicht dar­um, die­sem Ar­beit­neh­mer un­abhängig von der ta­rif­recht­li­chen Bin­dung des Ar­beit­ge­bers an die Ta­rif­verträge ei­ne dau­ern­de Teil­ha­be an der Ta­ri­fent­wick­lung zu si­chern. Man könne nicht an­neh­men, dass mit der Be­zug­nah­me­klau­sel, die auf die Gleich­stel­lung ab­zie­le, ei­ne dy­na­mi­sche An­wend­bar­keit der Ta­rif­verträge auf Dau­er fest­ge­schrie­ben wer­den sol­le, die über die nor­ma­ti­ve Gel­tung für ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­neh­mer hin­aus­ge­he. Eben­so we­nig könne da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass den ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern, de­ren Ar­beits­ver­trag aus den ge­nann­ten Gründen re­gelmäßig eben­falls ei­ne Be­zug­nah­me­klau­sel ent­hal­te, ar­beits­ver­trag­lich im Sin­ne ei­ner fest­ge­schrie­be­nen dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me ei­ne wei­ter­ge­hen­de Be­tei­li­gung an der Ta­ri­fent­wick­lung zu­ge­stan­den wer­den sol­le, als die­se ih­nen ta­rif­recht­lich zu­ste­he. Die Aus­le­gung ei­ner dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me­klau­sel als Gleich­stel­lungs­ab­re­de schei­de al­ler­dings von vorn­her­ein aus, wenn der Ar­beit­ge­ber selbst nicht ta­rif­ge­bun­den sei oder wenn der Ar­beits­ver­trag auf nach ih­rem Gel­tungs­be­reich nicht ein­schlägi­ge Ta­rif­verträge ver­wei­se. In sol­chen Fällen, in de­nen die in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­verträge schon bei Ver­trags­schluss auch für ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­neh­mer nicht nor­ma­tiv gel­ten, ge­be es für die An­nah­me ei­ner das Aus­le­gungs­er­geb­nis prägen­den Gleich­stel­lungs­ab­sicht kei­ne Grund­la­ge.


b) Die Recht­spre­chung des Se­nats zur Gleich­stel­lungs­ab­re­de ist im Schrift­tum außer auf Zu­stim­mung (zB Löwisch/Rieb­le TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 232; Gaul ZfA 2003, 75, 91; Rei­chel Die ar­beits­ver­trag­li­che Be­zug­nah­me auf den Ta­rif­ver­trag S. 120 ff.) auf viel­fa­chen Wi­der­spruch ges­toßen (ua. Däubler NZA 1996, 225; Däubler/Lo­renz TVG § 3 Rn. 246; Kem­pen/Za­chert/St­ein TVG 4. Aufl. § 3 Rn. 183 ff.; Thüsing/Lam­brich RdA 2002, 193; An­nuß Ar­buR 2002, 361; Bay­reu­ther DB 2002, 1008; Grimm EWiR 2002, 563, 564; Lam­brich BB 2002, 1267; St­ein Ar­buR 2003, 361; Thüsing NZA 2003, 1184; ge­genüber der Be­gründung des Se­nats kri­tisch auch Hens­s­ler/Hei­den RdA


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2004, 241). Die Be­den­ken sind auch in jüngs­ter Zeit wie­der­holt wor­den (zB An­nuß ZfA 2005, 405, ins­bes. 421 ff.; Ha­nau NZA 2005, 489; Thüsing NZA 2005, 1280). Auch ei­ni­ge Lan­des­ar­beits­ge­rich­te sind ne­ben dem Be­ru­fungs­ge­richt der Recht­spre­chung des Se­nats nicht ge­folgt (ua. LAG Ros­tock 15. April 2002 - 2 Sa 48/02 - PflR 2003, 208; Hess. LAG 23. März 1999 - 4 Sa 1300/98 - NZA-RR 2000, 93; LAG Ham­burg 15. No­vem­ber 2000 - 4 Sa 32/00 - NZA 2001, 562).

Im Mit­tel­punkt der Kri­tik, die sich teil­wei­se aus­drück­lich auf die Un­klar­hei­ten­re­gel des § 305c Abs. 2 BGB stützt, steht der Ein­wand, dass die Aus­le­gungs­re­gel des Se­nats an ei­nen Um­stand an­knüpfe, der im an sich ein­deu­ti­gen Wort­laut dy­na­mi­scher ein­zel­ver­trag­li­cher In­be­zug­nah­men von Ta­rif­verträgen kei­nen An­halt fin­de. Es sei zu berück­sich­ti­gen, dass es oh­ne wei­te­res möglich sei, die Abhängig­keit der Dy­na­mik in Be­zug ge­nom­me­ner Ta­rif­verträge oder Ta­rif­wer­ke von der Ta­rif­ge­bun­den­heit des den Ver­trags­wort­laut vor­ge­ben­den Ar­beit­ge­bers im Ver­trags­text zwei­fels­frei zum Aus­druck zu brin­gen. Da­zu sind auch schon seit länge­rem For­mu­lie­rungs­vor­schläge er­ar­bei­tet wor­den (zB Ha­nau/Ka­nia FS Schaub S. 239, 261; Gaul BB 2000, 1086, 1088; Rei­chel Die ar­beits­ver­trag­li­che Be­zug­nah­me auf den Ta­rif­ver­trag S. 252; Lam­brich BB 2002, 1267; Hens­s­ler/Hei­den RdA 2004, 241, 246). An­ge­sichts des­sen sei es nicht ver­tret­bar, dem Ar­beit­neh­mer die Auf­ga­be zu­zu­wei­sen, sich ge­genüber dem ei­ne an sich ein­deu­ti­ge Ver­trags­klau­sel vor­ge­ben­den Ar­beit­ge­ber zu ver­ge­wis­sern, ob er die Klau­sel im Hin­blick auf sei­ne mögli­che Ta­rif­ge­bun­den­heit oder un­abhängig da­von ver­ein­ba­ren wol­le. Da­mit im Zu­sam­men­hang ste­hend wird als sehr pro­ble­ma­tisch an­ge­se­hen, dass der­sel­be Ver­trags­wort­laut un­ter­schied­li­che Rechts­fol­gen auslöst, je nach­dem, ob bei Ver­trags­schluss der für die zweck­ori­en­tier­te Aus­le­gung des Se­nats maßgeb­li­che, aber für den Ar­beit­neh­mer als Ver­trags­part­ner nicht er­kenn­ba­re Um­stand der Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­ge­bers vor­lag oder nicht.


c) Der Se­nat be­ab­sich­tigt, die­ser Kri­tik Rech­nung zu tra­gen und bei Verträgen, die nach dem 31. De­zem­ber 2001 ab­ge­schlos­sen wor­den sind, für dy­na­mi­sche Ver­wei­sun­gen auf ein­schlägi­ge Ta­rif­verträge und Ta­rif­wer­ke nicht mehr die Aus­le­gungs­re­gel zu ver­wen­den, dass sie stets als bloße Gleich­stel­lungs­klau­seln zu ver­ste­hen sind, wenn es kei­ne in­ner­halb oder außer­halb der Ver­trags­ur­kun­de lie­gen­den ei­ne sol­che An­nah­me aus­sch­ließen­den An­halts­punk­te gibt. Für Verträge aus der Zeit zu­vor wen­det der Se­nat aber die­se Aus­le­gungs­re­gel aus Gründen des Ver­trau­ens­schut­zes wei­ter­hin an.
 


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(1) Für die - im In­ter­es­se des Ar­beits­le­bens an­gekündig­te - Ände­rung der Recht­spre­chung spricht schon, dass die für die Recht­fer­ti­gung der Aus­le­gungs­re­gel an­ge­nom­me­nen Rah­men­be­din­gun­gen teil­wei­se weg­ge­fal­len sind. Es kann nicht mehr im Sin­ne ei­ner ty­pi­sie­ren­den Be­trach­tung da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass den den Ar­beits­ver­trags­in­halt vor­ge­ben­den Ar­beit­ge­bern die mögli­che Be­deu­tung ei­ner dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me­klau­sel bei zukünf­ti­gen Ände­run­gen hin­sicht­lich der Ta­rif­ge­bun­den­heit, sei es durch Aus­tritt des ver­trags­sch­ließen­den Ar­beit­ge­bers selbst aus dem Ar­beit­ge­ber­ver­band, sei es durch Über­gang von Be­trieb und Ar­beits­verhält­nis­sen auf ei­nen nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber nicht be­wusst war. Die seit Jah­ren geführ­te kon­tro­ver­se Dis­kus­si­on um die Aus­le­gung der Be­zug­nah­me­klau­seln recht­fer­tigt es zu­neh­mend we­ni­ger, bei der Aus­le­gung un­abhängig vom Wort­laut und den dem Ar­beit­neh­mer er­kenn­ba­ren Umständen von ty­pi­schen In­ter­es­sen und Mo­ti­ven des Ar­beit­ge­bers aus­zu­ge­hen. In die­ser kon­tro­ver­sen Dis­kus­si­on ist im­mer wie­der - verstärkt durch kon­kre­te For­mu­lie­rungs­vor­schläge, die die mögli­cher­wei­se ge­woll­te Gleich­stel­lungs­ab­sicht hin­rei­chend deut­lich zum Aus­druck brin­gen - dar­auf hin­ge­wie­sen wor­den, die Aus­le­gungs­pro­ble­me bei Be­zug­nah­me­klau­seln sei­en auch dar­in be­gründet, dass die­se nachlässig und oh­ne er­kenn­ba­ren dif­fe­ren­zier­ten Ge­stal­tungs­wil­len for­mu­liert wor­den sind. Zu­dem ist der Se­nat in den letz­ten Jah­ren viel­fach mit Fall­kon­stel­la­tio­nen be­fasst ge­we­sen, in de­nen Ar­beit­ge­ber dy­na­mi­sche Ver­wei­sungs­klau­seln in Ar­beits­verträgen vor­ga­ben, ob­wohl sie bei Ver­trags­schluss nicht, nicht mehr oder noch nicht ta­rif­ge­bun­den wa­ren. Es ist des­halb zu­neh­mend zwei­fel­haft ge­wor­den, ob oh­ne kon­kre­te An­halts­punk­te da­von aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass dy­na­mi­sche Ver­wei­sun­gen auf ein­schlägi­ge Ta­rif­verträge ty­pi­scher­wei­se nur die Gleich­stel­lung der nicht ta­rif-ge­bun­de­nen mit den ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern be­zwe­cken. Auch der Um­stand, dass auf Grund der veränder­ten wirt­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen die Fra­ge von Gel­tung und An­wend­bar­keit von Ta­rif­verträgen - auch im Rah­men der im­mer häufi­ger wer­den­den Be­triebs- und Teil­be­triebsübergänge - ge­stei­ger­te Ak­tua­lität er­fuhr, war hin­rei­chen­der An­lass, bei der Ge­stal­tung von Be­zug­nah­me­klau­seln die ge­woll­ten Rechts­fol­gen auch aus­drück­lich zu for­mu­lie­ren.

Darüber hin­aus müssen auch die Wer­tun­gen des Rechts der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen be­ach­tet wer­den: Nicht nur die Un­klar­hei­ten­re­gel des § 305c Abs. 2 BGB, auch das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und das Ver­bot der gel­tungs­er­hal­ten­den Re­duk­ti­on in § 306 BGB strei­ten als all­ge­mei­ne Rechts­grundsätze ge­gen ei­ne wohl­wol­len­de Aus­le­gung zu Guns­ten des Klau­sel­ver­wen­ders und da­mit auch da­ge­gen, ei­ne durch das En­de ei­ner ursprüng­lich be­ste­hen­den Ta­rif­ge-


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bun­den­heit auflösend be­ding­te Dy­na­mik in Be­zug ge­nom­me­ner Ta­rif­verträge, an die der Klau­sel­ver­wen­der bei Ver­trags­schluss ge­dacht ha­ben mag, als Ver­trags­in­halt auch dann zu er­ken­nen, wenn sich hierfür we­der im Ver­trags­wort­laut noch in den den Ver­trags­schluss be­glei­ten­den Umständen ein An­halts­punkt fin­det.

Die­se recht­li­chen Ge­sichts­punk­te spre­chen im Übri­gen auch ge­gen die An­nah­me ei­ne Ver­tragslücke. Oh­ne kon­kre­te An­halts­punk­te er­gibt sich al­lein aus ei­ner dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me­klau­sel noch nicht, dass sich das Re­ge­lungs­pro­gramm des Ver­tra­ges auf die Zeit der Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­ge­bers be­schränkt.


Es gibt al­ler­dings kei­ne Rechts­gründe, wel­che die Ver­ein­ba­rung ei­ner Gleich­stel­lungs­ab­re­de im Ar­beits­ver­trag aus­sch­ließen. Sie ist eben­so im Rah­men der Ver­trags­frei­heit des ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bers als Klau­sel­ver­wen­der möglich, wie es dem Ar­beit­ge­ber frei steht, sich von ei­ner Ar­beit­ge­ber­ko­ali­ti­on fern zu hal­ten, sich aber gleich­wohl dem Ord­nungs­mo­dell für das Ar­beits- und So­zi­al­le­ben in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land da­durch an­zu­pas­sen, dass er mit sei­nen Beschäftig­ten die Ge­stal­tung der Ar­beits­verhält­nis­se durch das ein­schlägi­ge Ta­rif­werk in sei­ner je­wei­li­gen Fas­sung ver­ein­bart. Es ist da­ne­ben im Rah­men der Ver­trags­frei­heit auch recht­lich un­be­denk­lich, Ta­rif­verträge nur in ei­ner be­stimm­ten Fas­sung sta­tisch in Be­zug zu neh­men oder Ta­rif­wech­sel­klau­seln zu ver­ein­ba­ren. Die Rechts­ord­nung ver­langt aber in je­dem Fall von dem Ver­wen­der all­ge­mei­ner Ver­trags­be­din­gun­gen oder dem Un­ter­neh­mer bei Ab­schluss ei­nes ei­nem Ver­brau­cher ge­stell­ten Ver­tra­ges, dass das je­wei­li­ge Re­ge­lungs­ziel für den Ver­trags­part­ner mit hin­rei­chen­der Deut­lich­keit zum Aus­druck kommt.


(2) Der Se­nat hält an sei­ner Aus­le­gungs­re­gel für dy­na­mi­sche In­be­zug­nah­men ein­schlägi­ger Ta­rif­verträge oder Ta­rif­wer­ke für Alt­verträge, die vor In-Kraft-Tre­ten des Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes am 1. Ja­nu­ar 2002 ab­ge­schlos­sen wor­den sind, fest.

Dafür spricht ent­schei­dend der Ge­sichts­punkt des durch das Rechts­staats­prin­zip vor­ge­ge­be­nen Ver­trau­ens­schut­zes. Der Se­nat hat die Aus­le­gungs­re­gel in jah­re­lan­ger Recht­spre­chung ent­wi­ckelt und durch in der Amt­li­chen Samm­lung des Ge­richts veröffent­lich­te Ur­tei­le im­mer wie­der be­kräftigt. Die Recht­spre­chung der In­stanz­ge­rich­te hat die­se Recht­spre­chung eben­so wie die be­ra­ten­de und fo­ren­si­sche Pra­xis von Anwälten und Verbänden - auch auf Ar­beit­neh­mer­sei­te - ver­brei­tet als ge­fes­tigt an­ge­se­hen. Die Ar­beit­ge­ber und ih­re Be­ra­ter ha­ben des­halb, so­weit sie nur Gleich­stel­lungs­klau­seln be­zweckt hat­ten, idR kei­ne Ver­su­che un­ter­nom­men, den Wort­laut der von ih­nen ab­ge­schlos­se­nen Verträge in dem an­ge­streb­ten Sin­ne klar­zu­stel­len und


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so ih­ren teil­wei­se er­heb­li­chen wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen, et­wa im Zu­sam­men­hang mit ge­plan­ten Be­triebs- oder Be­triebs­teil­veräußerun­gen, Rech­nung zu tra­gen. Im Schrift­tum ist ei­ne rück­wir­ken­de Ände­rung der Recht­spre­chung über­wie­gend auch we­der er­war­tet noch ge­for­dert wor­den.


Die­ser Be­fund recht­fer­tigt es, die Aus­le­gungs­re­gel un­verändert auf Alt­verträge an­zu­wen­den, die bis­her aus­sch­ließlich Ge­gen­stand der Se­nats­recht­spre­chung wa­ren. Als Stich­tag für die Ände­rung der Recht­spre­chung er­scheint es ge­bo­ten, den Zeit­punkt des In-Kraft-Tre­tens des Schul­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes, den 1. Ja­nu­ar 2002, als Stich­tag zu Grun­de zu le­gen. Seit­dem ist die AGB-Kon­trol­le für Ar­beits­verträge und da­mit auch für ar­beits­ver­trag­li­che Ver­wei­sungs­klau­seln aus­drück­lich ge­setz­lich an­ge­ord­net. Seit die­ser Zeit kann von Ar­beit­ge­bern ver­langt wer­den, dass sie in Be­zug­nah­me­klau­seln das von ih­nen Ge­woll­te hin­rei­chend klar for­mu­lie­ren.

Dem Ver­trau­ens­schutz für Alt­verträge steht die Son­der­vor­schrift für Dau­er­schuld­verhält­nis­se in der Über­g­angs­vor­schrift des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB nicht ent­ge­gen. Nach die­ser Be­stim­mung fin­det das BGB in sei­ner jet­zi­gen Fas­sung seit dem 1. Ja­nu­ar 2003 auch auf die vor dem 1. Ja­nu­ar 2002 ent­stan­de­nen Schuld­verhält­nis­se An­wen­dung. Da­nach gilt die AGB-Kon­trol­le ab dem 1. Ja­nu­ar 2003 auch für vor dem 1. Ja­nu­ar 2002 ab­ge­schlos­se­ne Ar­beits­verträge, al­so auch die Un­klar­hei­ten­re­ge­lung in § 305c Abs. 2 BGB. Der Grund­satz, dass die Un­klar­heit ei­ner von ei­ner Sei­te vor­for­mu­lier­ten Re­ge­lung zu Las­ten des Ver­wen­ders geht, war zwar schon vor der Er­stre­ckung der AGB-Kon­trol­le auf das Ar­beits­recht durch das Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz der Sa­che nach an­er­kannt (zB BAG 17. No­vem­ber 1998 - 9 AZR 584/97 - AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 10 = EzA TVG § 3 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 11), hat aber die An­er­ken­nung der Aus­le­gungs­re­gel nicht ver­hin­dert (zB Se­nat 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - BA­GE 105, 284). Er steht des­halb der wei­te­ren An­wen­dung die­ser Aus­le­gungs­re­gel des Se­nats auf Alt­verträge un­ter dem Ge­sichts­punkt des Ver­trau­ens­schut­zes in ei­ne ständi­ge Recht­spre­chung nicht zwin­gend ent­ge­gen. Im Übri­gen hat der Se­nat an­de­re Möglich­kei­ten, den ge­bo­te­nen Ver­trau­ens­schutz im An­schluss an Art. 229 § 5 EGBGB zu gewähr­leis­ten, er­wo­gen. Ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung der Be­stim­mung im Sin­ne ei­ner zeit­lich be­grenz­ten Klar­stel­lungsmöglich­keit der Klau­sel­ver­wen­der durch ein­zel­ver­trag­li­che Abände­rungs­an­ge­bo­te hat der Se­nat in­des ua. we­gen der da­durch be­wirk­ten Ver­un­si­che­rung in den Be­trie­ben ver­wor­fen.
 


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d) Nach al­le­dem ist bei der Aus­le­gung der Be­zug­nah­me­klau­sel in dem hier be­trof­fe­nen Ar­beits­ver­trag vom 23. Ju­ni 1988 von der bis­he­ri­gen Aus­le­gungs­re­gel zur Be­zug­nah­me­klau­sel aus­zu­ge­hen.


Da­nach han­delt es sich vor­lie­gend um ei­ne Gleich­stel­lungs­ab­re­de. Die Kur­be­trie­be E GmbH als da­ma­li­ge Ar­beit­ge­be­rin war ta­rif­ge­bun­den und der dy­na­misch in Be­zug ge­nom­me­ne BAT war nach sei­nem Gel­tungs­be­reich ein­schlägig. Der Se­nat hat Be­zug­nah­me­klau­seln mit For­mu­lie­run­gen wie in § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges auch wie­der-holt als Gleich­stel­lungs­ab­re­de aus­ge­legt (zB 26. Sep­tem­ber 2001 - 4 AZR 544/00 - BA­GE 99, 120; 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - BA­GE 105, 284).

We­der aus dem Ar­beits­ver­trag selbst noch aus sons­ti­gen Umständen er­ge­ben sich An­halts­punk­te für ei­ne ab­wei­chen­de Aus­le­gung der Be­zug­nah­me­klau­sel. Die Er­stre­ckung der Be­zug­nah­me auf „die für den Be­reich des Ar­beit­ge­bers je­weils gel­ten-den sons­ti­gen Ta­rif­verträge“ be­inhal­tet, dass ne­ben dem BAT auch sons­ti­ge vom Gel­tungs­be­reich ein­schlägi­ge Ta­rif­verträge dy­na­misch An­wen­dung fin­den sol­len. Dar­aus lässt sich aber nicht her­lei­ten, dass kei­ne Gleich­stel­lungs­ab­re­de, son­dern ei­ne vom Be­ste­hen ei­ner Ta­rif­ge­bun­den­heit un­abhängi­ge dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me ge­wollt ist.


e) Aus­ge­hend von der Aus­le­gung der Be­zug­nah­me in § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges als Gleich­stel­lungs­ab­re­de fin­det der BAT in der zur Zeit des Be­triebsüber­gangs gel­ten­den Fas­sung wei­ter­hin An­wen­dung. Er gilt sta­tisch fort. Die die ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen ändern­den und ergänzen­den Ta­rif­re­ge­lun­gen durch den erst nach dem Be­triebsüber­gang ver­ein­bar­ten VTV Nr. 35 kom­men der Kläge­rin nicht mehr zu Gu­te.


Das er­gibt sich aus § 613a Abs. 1 BGB. Der Be­triebsüber­neh­mer tritt hier­nach nur in die Rech­te und Pflich­ten aus den über­nom­me­nen Ar­beits­verhält­nis­sen ein, wie sie zum Zeit­punkt des Über­gangs be­stan­den. Sie wa­ren im Fal­le der Kläge­rin ua. durch die Gleich­stel­lungs­ab­re­de in § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges näher be­stimmt. Durch sie wird auch im Fal­le ei­nes durch ei­nen Be­triebsüber­gang ein­tre­ten­den Weg­falls der Ta­rif­ge­bun­den­heit der über­nom­me­ne nicht­or­ga­ni­sier­te Ar­beit­neh­mer nur so ge­stellt, als wäre er ta­rif­ge­bun­den (Se­nat 16. Ok­to­ber 2002 - 4 AZR 467/01 - BA­GE 103, 141; 29. Au­gust 2001 - 4 AZR 332/00 - BA­GE 99, 10). Bei dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­nes ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mers auf ei­nen nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Be­triebs­er­wer­ber wer­den aber nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB die Rechts­nor­men des vor dem Be­triebsüber­gang ta­rif­recht­lich gel­ten­den BAT-Ta­rif­wer­kes nur in der zur Zeit des Be­triebsüber­gangs gel­ten­den Fas­sung In­halt des Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen über-

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nom­me­nem Ar­beit­neh­mer und Be­triebs­er­wer­ber (Se­nat 20. Ju­ni 2001 - 4 AZR 295/00 - AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 18 = EzA BGB § 613a Nr. 203).


II. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 ZPO. 


Be­p­ler 

Bott 

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Rupp­recht

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