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BAG, Be­schluss vom 16.06.1998, 5 AZN 154/98

   
Schlagworte: Arbeitnehmer
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 5 AZN 154/98
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 16.06.1998
   
Leitsätze: Pauschal bezahlte Fotoreporter einer Zeitungsredaktion können Arbeitnehmer sein, wenn sie - u.a. durch Dienstpläne - derart in den Arbeitsablauf eingebunden sind, daß sie faktisch die Übernahme von Fototerminen nicht ablehnen können (Abgrenzung zu BAG Beschluß vom 29. Januar 1992 - 7 ABR 25/91 - AP Nr. 47 zu § 5 BetrVG 1972 mit Anm. Wank).
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Dresden
Sächsisches Landesarbeitsgericht
   

5 AZN 154/98
3 Sa 627/97 Säch­si­sches LAG

Be­schluß
In Sa­chen

 

pp.


hat der Fünf­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts am 16. Ju­ni 1998 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter Grie­be­ling, die Rich­ter Dr. Rei­ne­cke und Kreft so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Ackert und Man­d­ros­sa be­schlos­sen:


1. Die Be­schwer­de der Be­klag­ten ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on im Ur­teil des Säch­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 14. No­vem­ber 1997 - 3 Sa 627/97 - wird zurück­ge­wie­sen.

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2. Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens zu tra­gen.


3. Der Streit­wert für das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird auf 16.500,00 DM fest­ge­setzt.


Gründe:


I. Der Kläger war von Sep­tem­ber 1990 bis En­de des Jah­res 1992 bei der be­klag­ten Ver­lags­ge­sell­schaft als an­ge­stell­ter Bild­re­por­ter für die C beschäftigt. Mit Wir­kung vom 1. März 1993 tra­fen die Par­tei­en ei­ne Ver­ein­ba­rung, der­zu­fol­ge der Kläger als „frei­er Fo­to­graf" für die Be­klag­te tätig wur­de. Der Ver­trag lau­tet aus­zugs­wei­se wie folgt:


„§ 2


Der Ver­lag ver­pflich­tet sich vom Fo­to­gra­fen min­des­tens 80 Fo­tos pro Mo­nat ab­zu­neh­men. Hierfür wird pau­scha­liert ei­ne Sum­me vom 5.500,00 DM mo­nat­lich zuzüglich 7 % Mehr­wert­steu­er fest­ge­legt. Mit die­ser Sum­me ist auch ei­ne höhe­re An­zahl ab­ge­gol­ten.

§3


Dem Fo­to­gra­fen ist be­kannt, daß mit dem Ho­no­rar - und der Er­stat­tung mögli­cher Auf­wen­dun­gen - sämt­li­che Kos­ten und Leis­tun­gen des Part­ners - ins­be­son­de­re nut­zungs­recht­li­cher Art - ab­ge­gol­ten sind. Der Fo­to­graf ist ver­pflich­tet, sei­ne Werkleis­tun­gen an bis zu fünf Ta­gen pro Wo­che zu er­brin­gen. Soll­te er im Ein­zel­fal­le darüber hin­aus ein­ge­setzt wer­den, hat der Fo­to­graf das Recht, in der Fol­ge­zeit an ei­ner ent­spre­chend ver­rin­ger­ten Wo­chen­tags­zahl zur Verfügung zu ste­hen. Es steht dem Ver­lag frei, mit dem Fo­to­gra­fen ei­ne an­ge­mes­se­ne Ab­gel­tungs­re­ge­lung zu ver­ein­ba­ren.

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§4


Für die Ent­wick­lung der Schwarz-weiß-Fil­me so­wie zur An­fer­ti­gung der Abzüge hat der Fo­to­graf sein ei­ge­nes La­bor in ei­ge­nen Räum­en zu nut­zen. Der Ver­lag wird den Fo­to­gra­fen -so­weit möglich und prak­ti­ka­bel - un­terstützen. Für die Be­nut­zung der La­bor­tech­nik - Geräte und Che­mi­ka­li­en - des Ver­lags wird ei­ne Kos­ten­pau­scha­le in Höhe von DM 300,00 er­ho­ben. Die Kos­ten für Fil­me trägt der Fo­to­graf. Glei­ches gilt für die ge­sam­te Fo­to­ausrüstung. Der Ver­lag wird dem Fo­to­gra­fen je­doch 80 Fil­me pro Mo­nat un­ent­gelt­lich zur Verfügung stel­len.


 

§5

Der Fo­to­graf ist selbständi­ger Un­ter­neh­mer. Er un­ter­liegt kei­nen Wei­sun­gen und be­stimmt sei­ne Ar­beits­zeit in vol­ler Selbständig­keit. Er ist je­doch ver­pflich­tet, im Rah­men be­trieb­li­cher Prio­ritäten freie Ar­beits­ka­pa­zitäten be­reit zu hal­ten.

Der Fo­to­graf kann die Diens­te auch durch Drit­te er­brin­gen las­sen, so­weit die­se Drit­ten zu­vor dem Ver­lag vor­ge­stellt und von die­sem schrift­lich als ge­eig­net ak­zep­tiert wor­den sind. Der Ver­lag wird Drit­te ak­zep­tie­ren, wenn der Fo­to­graf de­ren fach­li­che Eig­nung und Verläss­lich­keit nach­weist.

Die zu er­brin­gen­den Leis­tun­gen wer­den durch den Ver­lag zu er­tei­len­den Auf­trägen kon­kre­ti­siert.


Er wird Ab­sa­gen oder not­wen­di­ge Ter­min­ver­schie­bun­gen je­weils un­verzüglich und ver­bun­den mit ei­nem kon­kre­ten Ge­gen­vor­schlag mit­tei­len und der Be­ar­bei­tung an­ge­nom­me­ner Auf­träge ge­genüber an­de­ren Auf­ga­ben Prio­rität einräum­en.

Der Auf­trag­ge­ber, der durch sei­nen ver­ant­wort­li­chen Re­dak­teur oder des­sen Be­auf­trag­ten han­delt, gibt ei­nen Mo­tiv- oder For­mat­wunsch vor. An­sons­ten ist der Fo­to­graf im Rah­men pflicht­gemäßen Er­mes­sens bei der Mo­tiv- und For­mat­wahl frei.

§7

Der Fo­to­graf räumt dem Ver­lag für al­le er­stell­ten Beiträge (Text und Bild) im Auf­trag des Ver­lags ein zeit­lich, räum­lich und sach-

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lich un­be­schränk­tes, aus­sch­ließli­ches Nut­zungs­recht an sämt­li­chen Ur­he­ber- und Leis­tungs­schutz­rech­ten ein.

§8

Dem Fo­to­gra­fen steht ein be­zahl­ter Frei­stel­lungs­an­spruch von 24 Ta­gen im Jahr zu.

Aus­fall­zei­ten (z. B. Frei­zeit und Er­ho­lung, Krank­heit), die nicht zu vergüten sind, wird der Fo­to­graf dem Ver­lag frühestmöglich mit­tei­len. Zei­ten zur Er­ho­lung sol­len dem Ver­lag je­den­falls zwei Mo­na­te vor­ab an­gekündigt wer­den.

 

§9

Der Fo­to­graf ist der­zeit nicht für Wett­be­wer­ber des Ver­la­ges tätig.

Falls der Fo­to­graf be­ab­sich­tigt, für Wett­be­wer­ber des Ver­la­ges tätig zu wer­den, wird er den Ver­lag zu­vor schrift­lich kon­sul­tie­ren.

..."


Bei der C wur­den ins­ge­samt vier Bild­re­por­ter, da­von - ein­sch­ließlich des Klägers - zwei „freie" Re­por­ter und zwei an­ge­stell­te Re­por­ter beschäftigt. Die ein­zel­nen Auf­träge wur­den vom Fo­to­chef der Re­dak­ti­on den ein­zel­nen Fo­to­re­por­tern zu­ge­teilt. Der Kläger trug sich in ei­nen Dienst­plan ein.


Der Kläger hat u.a. die Fest­stel­lung be­gehrt, seit dem 1. März 1993 als an­ge­stell­ter Fo­to­graf in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zu ste­hen. Das Ar­beits­ge­richt hat durch Teil­ur­teil die­sem An­trag ent­spro­chen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen und die Re­vi­si­on ge­gen sein Ur­teil nicht zu­ge­las­sen. Hier­ge­gen wen­det sich die Be­klag­te mit der auf Di­ver­genz gestütz­ten Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de.
 


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II. Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de ist un­be­gründet.


1. Die Be­klag­te be­haup­tet, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be sei­ner Ent­schei­dung „fol­gen­de Rechts­grundsätze" zu­grun­de ge­legt:


- Die Art der Tätig­keit und der Um­fang der nach der Ver­ein­ba­rung zu er­brin­gen­den Leis­tung ließen ei­ge­ne Dis­po­si­tio­nen des Klägers über sei­ne Ar­beits­zeit kaum zu. Da der Kläger min­des­tens 80 Fo­tos im Mo­nat ab­zu­lie­fern hat­te, mußte er in der Re­gel für die Re­dak­ti­ons­ar­beit zur Verfügung ste­hen. Da die, wenn auch for­mal un­ver­bind­li­chen, Dienst­pläne über Jah­re hin­weg durch­geführt wur­den, müssen sie als re­gelmäßig ver­bind­lich an­ge­se­hen wer­den. Das dem Kläger ein­geräum­te Recht, Einsätze ge­le­gent­lich ab­zu­leh­nen, kann die An­nah­me ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses nicht aus­sch­ließen.


Die Fo­to­aufträge an den Kläger wa­ren so ge­la­gert, daß ei­ne Dis­po­si­ti­on des Klägers über die zeit­li­che Er­le­di­gung nicht mehr möglich war. In der Re­gel mußte sich der Kläger dem Re­por­ter an­sch­ließen. Die Fo­tos wur­den noch am sel­ben Ta­ge benötigt.


Für die An­nah­me ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses spricht auch die nur ge­rin­ge­re ge­stal­te­ri­sche Frei­heit des Klägers in Er­le­di­gung der ihm über­tra­ge­nen Ar­bei­ten. Die Auf­träge an ihn be­stan­den in der Re­gel dar­in, ein be­stimm­tes Ta­ges­er­eig­nis im Bild fest­zu­hal­ten. Hier­bei mußte er sich na­tur­gemäß dem The­ma des von der Re­dak­ti­on be­schlos­se­nen Be­richts an­pas­sen.

- Be­reits nach der Ver­ein­ba­rung vom 25. Fe­bru­ar 1993, schließlich aber im Hin­blick auf die prak­ti­sche Durchführung kann die Be­klag­te in­ner­halb ei­nes be­stimm­ten en­gen zeit­li­chen Rah­mens über die Ar­beits­leis­tung des Klägers verfügen. Hier­an ändert sich nichts da­durch, daß § 5 der Ver­ein­ba­rung auch von „Ab­sa­gen oder not­wen­di­gen Ter­min­ver­schie­bun­gen" des Klägers spricht. Denn die Be­klag­te ist dar­auf an­ge­wie­sen, daß im­mer ei­ne be­stimm­te Zahl von Fo­to­re­por­tern, sei­en die­se als An­ge­stell­te oder als freie Mit­ar­bei­ter geführt,, zur Verfügung steht.

Für die Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft des Klägers spricht auch, daß es die­sem ver­wehrt war, die von ihm ge­lie­fer­ten Fo­tos in an­de­rer Wei­se zu ver­wer­ten."

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Die Be­klag­te räumt ein, daß die­se Ausführun­gen nicht als abs­trak­te Rechtssätze for­mu­liert sind, maßge­bend sei aber ei­ne in­halt­li­che Di­ver­genz. Die­se sei ge­ge­ben. Die Ausführun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts be­ruh­ten im Schwer­punkt auf der An­nah­me, daß der Kläger kei­ne Dis­po­si­ti­on über sei­ne Ar­beits­zeit und nur ei­ne ge­rin­ge ge­stal­te­ri­sche Frei­heit bei der Er­le­di­gung der ihm über­tra­ge­nen Fo­to­ar­bei­ten ha­be. Dem­ge­genüber ha­be der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts (Be­schluß vom 29. Ja­nu­ar 1992 - 7 ABR 25/91 - EzA § 5 Be­trVG 1972 Nr. 52) ent­schie­den, daß ver­bind­li­che Vor­ga­ben hin­sicht­lich der Zeit und des Orts der Fo­to­ter­mi­ne kei­nen Aus­sa­ge­wert hin­sicht­lich der persönli­chen Abhängig­keit des Mit­ar­bei­ters hätten.


2. Die be­haup­te­te Di­ver­genz be­steht nicht.

Es trifft schon nicht zu, daß den an­geführ­ten Aus­sa­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts ein für die An­nah­me ei­ner Di­ver­genz er­for­der­li­cher abs­trak­ter Rechts­satz des In­halts ent­nom­men wer­den könn­te, daß die Bin­dung des Bild­re­por­ters an Zeit und Ge­gen­stand der Ar­beit bei be­stimm­ten Fo­to­ter­mi­nen ein ent­schei­den­der Ge­sichts­punkt für die Ab­gren­zung von abhängi­ger und un­abhängi­ger Tätig­keit sei. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat ei­ne Rei­he von An­zei­chen für die An­nah­me ei­ner abhängi­gen Tätig­keit an­geführt, sie ab­ge­wo­gen und spe­zi­ell zu der Bin­dung der Re­por­ter an die Fo­to­ter­mi­ne aus­geführt:


„Die Fo­to­aufträge an den Kläger wa­ren so ge­la­gert, daß ei­ne Dis­po­si­ti­on des Klägers über die zeit­li­che Er­le­di­gung nicht mehr möglich war. In der Re­gel mußte sich der Kläger dem Re­por­ter an­sch­ließen. Die Fo­tos wur­den noch am sel­ben Ta­ge benötigt (auch des­halb läßt sich der vor­lie­gen­de Fall nicht mit dem­je­ni­gen ver­glei­chen, wel­cher dem Be­schluß des BAG vom
29.01.1992 - 7 ABR 25/91 - in EzA Nr. 52 zu § 5 Be­trVG 1972 zu­grun­de lag)."
 


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Wei­ter heißt es in dem Ur­teil:


„Sch­ließlich spricht für die An­nah­me ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses auch die nur ge­rin­ge ge­stal­te­ri­sche Frei­heit des Klägers in Er­le­di­gung der ihm über­tra­ge­nen Ar­bei­ten. Die Auf­träge an ihn be­stan­den in der Re­gel dar­in, ein be­stimm­tes Ta­ges­er­eig­nis im Bild fest­zu­hal­ten. Hier­bei mußte er sich na­tur­gemäß dem The­ma des von der Re­dak­ti­on be­schlos­se­nen Be­richts an­pas­sen."


Ab­ge­se­hen da­von, daß die­sen Aus­sa­gen des Be­ru­fungs­ge­richts auch in­halt­lich ge­folgt wer­den kann - wor­auf es bei der Di­ver­genz­be­schwer­de al­ler­dings nicht an­kommt - ist hier ent­schei­dend, daß es sich um fall­be­zo­ge­ne, al­so um sub­su­mie­ren­de Aus­sa­gen han­delt, nicht aber um abs­trak­te, fallüberg­rei­fen­de Rechtssätze.

Im übri­gen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt aus­geführt, die vom Kläger ge­schul­de­te Leis­tung fülle schon nach dem Ver­trag ein Voll­zeit­ar­beits­verhält­nis aus. Auch tatsächlich ha­be die Be­klag­te in­ner­halb ei­nes en­gen zeit­li­chen Rah­mens über die Ar­beits­kraft des Klägers verfügt. Das for­ma­le Recht des Klägers zu Ab­sa­gen von Ter­mi­nen oder not­wen­di­gen Ver­schie­bun­gen ände­re dar­an nichts. Die Be­klag­te sei dar­auf an­ge­wie­sen ge­we­sen, daß der Kläger zur Verfügung ge­stan­den ha­be und des­we­gen auch Dienst­pläne be­nutzt. Die Be­klag­te ha­be er­war­tet, daß der Kläger zu den ge­nann­ten Zei­ten an­we­send sei. An­ders sei ein (rei­bungs­lo­ser) Re­dak­ti­ons­be­trieb nicht vor­stell­bar.


Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on kommt hier­nach nicht in Be­tracht.

Grie­be­ling 

Rei­ne­cke 

Kreft

Man­d­ros­sa

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