HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 15.01.2007, 17 Sa 1322/06

   
Schlagworte: Altersbefristung
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 17 Sa 1322/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 15.01.2007
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hes­sen
Urt. v. 15.01.2007, Az.: 17 Sa 1322/06

 

Te­nor:

Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 23. März 2006, Az.: 19 Ca 3565/05, ab­geändert.

Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin mit der Be­klag­ten nicht am 30. Sep­tem­ber 2005 sein En­de ge­fun­den hat.

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, die Kläge­rin als Flug­be­glei­te­rin in der Beschäfti­gungs­grup­pe der Flug­be­glei­ter­stu­fe 5/4/17 des Vergütungs­ta­rif­ver­tra­ges der B so­wie den sons­ti­gen Ar­beits­be­din­gun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges vom 03. Ju­ni 2004 wei­ter zu beschäfti­gen.

Die Kos­ten des Rechts­streits trägt die Be­klag­te. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten auch im Be­ru­fungs­rechts­zug über den un­be­fris­te­ten Fort­be­stand ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses über das 60. Le­bens­jahr der Kläge­rin hin­aus und um Wei­ter­beschäfti­gung.

Die am 27. Sep­tem­ber 1945 ge­bo­re­ne Kläge­rin wird seit dem 01. Mai 1991 von der Be­klag­ten auf der Grund­la­ge des hier­mit in Be­zug ge­nom­me­nen Ar­beits­ver­tra­ges vom 15. März 1991 (Bl. 10 f d. A.) als Flug­be­glei­te­rin beschäftigt. Die Kläge­rin war zu­vor seit dem 17. Ja­nu­ar 1972 bei der Pan A als Flug­be­glei­te­rin beschäftigt. Das Ar­beits­verhält­nis wur­de von der Be­klag­ten über­nom­men, wo­bei Ein­zel­hei­ten der Über­nah­me in ei­nem ta­rif­li­chen So­zi­al­plan zur In­te­gra­ti­on der Mit­ar­bei­ter der A und zwei Ergänzungs­ta­rif­verträgen vom 13. Ok­to­ber 1990 (Bl. 12 f d. A.) ge­re­gelt sind.

Zif­fer 2 des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en vom 15. März 1991 lau­tet:

2. Rech­te und Pflich­ten

Die ge­gen­sei­ti­gen Rech­te und Pflich­ten er­ge­ben sich aus dem Ge­setz, den Ta­rif­verträgen, Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und Dienst­vor­schrif­ten der B in ih­rer je­weils gel­ten­den Fas­sung, aus den Be­stim­mun­gen des ta­rif­li­chen So­zi­al­pla­nes zur In­te­gra­ti­on der Mit­ar­bei­ter der A vom 13.10.1990 und aus den Be­stim­mun­gen die­ses Ver­tra­ges.

Der für die Be­klag­te ge­schlos­se­ne Man­tel­ta­rif­ver­trag Nr. 1 für das Ka­bi­nen­per­so­nal (MTV Nr. 1 Ka­bi­ne) lau­tet aus­zugs­wei­se:

§ 19 Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses we­gen Er­rei­chens der Al­ters­gren­ze

(1) Das Ar­beits­verhält­nis en­det – oh­ne dass es ei­ner Kündi­gung be­darf – mit Ab­lauf des Mo­nats, in dem das 55. Le­bens­jahr voll­endet wird.

- 2 -

(2) Das Ar­beits­verhält­nis des Ka­bi­nen­mit­ar­bei­ters kann bei körper­li­cher und be­ruf­li­cher Eig­nung in bei­der­sei­ti­gem Ein­ver­neh­men über das 55. Le­bens­jahr hin­aus verlängert wer­den.

Wird das Ar­beits­verhält­nis des Ka­bi­nen­mit­ar­bei­ters verlängert, so en­det es – oh­ne dass es ei­ner Kündi­gung be­darf – mit Ab­lauf des Mo­nats, in dem der Ka­bi­nen­mit­ar­bei­ter ein wei­te­res Le­bens­jahr voll­endet hat. Ei­ne wie­der­hol­te Verlänge­rung ist zulässig. In je­dem Fall en­det das Ar­beits­verhält­nis – oh­ne dass es ei­ner Kündi­gung be­darf – mit Ab­lauf des Mo­nats, in dem der Ka­bi­nen­mit­ar­bei­ter das 60. Le­bens­jahr voll­endet hat.

(3) Ka­bi­nen­mit­ar­bei­ter können nach Er­rei­chen der Al­ters­gren­ze, wenn und so­lan­ge sie noch voll leis­tungsfähig sind, in ei­ner an­de­ren Tätig­keit in­ner­halb der Ge­sell­schaft wei­ter­beschäftigt wer­den, so­fern ei­ne flie­ge­ri­sche Tätig­keit nicht mehr in Be­tracht kommt. In die­sem Fall kann je­doch aus der vor­an­ge­gan­ge­nen Tätig­keit als Bord­mit­ar­bei­ter kein An­spruch auf Fort­zah­lung der bis da­hin ge­zahl­ten Bezüge ab­ge­lei­tet wer­den. Ei­ne Ver­pflich­tung zur Wei­ter­beschäfti­gung be­steht we­der auf Sei­ten der B noch auf Sei­ten des Ka­bi­nen­mit­ar­bei­ters.

 

Die Kläge­rin voll­ende­te ihr 55. Le­bens­jahr am 27. Sep­tem­ber 2000. Die Par­tei­en schlos­sen in der Fol­ge­zeit die hier­mit in Be­zug ge­nom­me­nen "Be­fris­te­ten Ar­beits­verträge" vom 10. Ju­li 2000, 13. März 2001, 15. Fe­bru­ar 2002 und 23. Ju­ni 2003 (Bl. 71 f d. A.).

Am 03. Ju­ni 2004 schlos­sen die Par­tei­en ei­ne wei­te­re als "Be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag" be­zeich­ne­te Ver­ein­ba­rung, die aus­zugs­wei­se wie folgt lau­tet:

Die ... und ... schließen im bei­der­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men gemäß § 19 (2) MTV Nr. 1 für das Ka­bi­nen­per­so­nal nach­ste­hen­den be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag:

1. Be­ginn, Art und Ort der Beschäfti­gung

(1) 

Frau North wird ab dem 01.10.2004 als Flug­be­glei­te­rin in Frank­furt/Main beschäftigt. Das Ar­beits­verhält­nis en­det, oh­ne dass es ei­ner Kündi­gung be­darf in je­dem Fal­le am 30.09.2005.

(2)

...

Das neu be­gründe­te Beschäfti­gungs­verhält­nis er­folgt im Rah­men ei­ner Voll­zeit­beschäfti­gung.

...

2. Rech­te und Pflich­ten

(1)

Die ge­gen­sei­ti­gen Rech­te und Pflich­ten er­ge­ben sich aus dem Ge­setz, den Ta­rif­verträgen und Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen der B in ih­rer je­weils gel­ten­den

- 3 -

Fas­sung, so­wie aus den Dienst­vor­schrif­ten der B und aus den Be­stim­mun­gen die­ses Ver­tra­ges.
...

Das Ver­trags­for­mu­lar wur­de der Kläge­rin mit ei­nem An­schrei­ben vom 03. Ju­ni 2004 (Bl. 141 d. A.) mit der Über­schrift "Ver­trags­verlänge­rung" über­sandt, das aus­zugs­wei­se wie folgt lau­tet:

... über­sen­den wir Ih­nen die Ver­trags­verlänge­rung, mit der Bit­te die un­ter­schrie­be­ne Zweit­schrift an ... zurück­zu­sen­den.

Mit Schrei­ben vom 26. Ju­li 2004 (Bl. 33 d. A.) be­an­trag­te die Kläge­rin er­folg­los Verlänge­rung ih­res Ar­beits­ver­tra­ges ab dem 01. Ok­to­ber 2005.

Nach wei­te­rer Kor­re­spon­denz hat sie mit ih­rer am 21. April 2005 beim Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main ein­ge­gan­ge­nen und der Be­klag­ten am 10. Mai 2005 zu­ge­stell­ten Kla­ge den un­be­fris­te­ten Fort­be­stand ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses über den 30. Sep­tem­ber 2005 hin­aus und Wei­ter­beschäfti­gung zu den bis­he­ri­gen Ar­beits­be­din­gun­gen gel­tend ge­macht.

Sie hat die Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 30. Sep­tem­ber 2005 aus meh­re­ren Gründen für rechts­un­wirk­sam ge­hal­ten. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung sei un­zulässig, da die Par­tei­en durch die Be­zug­nah­me auf § 19 Abs. 2 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne die An­wen­dung des § 14 Abs. 3 Tz­B­fG kon­klu­dent aus­ge­schlos­sen hätten. Sie hat ge­meint, zwi­schen der Be­fris­tung vom 03. Ju­ni 2004 wie den vor­an­ge­gan­ge­nen Jah­res­be­fris­tun­gen be­ste­he ein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang i.S.d. § 14 Abs. 3 Satz 2 zum ursprüng­li­chen Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en; woll­te man die­sen als bis zur Voll­endung des 55. Le­bens­jah­res be­fris­tet an­se­hen, grei­fe je­den­falls § 14 Abs. 2 Tz­B­fG , so dass auch dann ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung un­zulässig sei. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, § 14 Abs. 3 sei in­so­weit ge­mein­schafts­wid­rig und dürfe nicht mehr an­ge­wen­det wer­den, als die sach­grund­lo­se Be­fris­tung al­lein auf­grund des Al­ters des Ar­beit­neh­mers ermöglicht wer­de. Sie hat be­haup­tet, für die Al­ters­gren­ze des § 19 Abs. 2 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne be­ste­he kein recht­fer­ti­gen­der Sach­grund. Die Al­ters­gren­ze von 60 Jah­ren für das Ka­bi­nen­per­so­nal sei we­der aus si­cher­heits­tech­ni­schen noch aus an­de­ren Gründen sach­lich ge­recht­fer­tigt. Die Kläge­rin hat be­haup­tet, die Ge­fahr der Be­ein­träch­ti­gung der Leis­tungsfähig­keit wer­de mit zu­neh­men­dem Le­bens­al­ter nicht größer, es sei­en in der Re­gel die jünge­ren Mit­ar­bei­ter, die in Not­si­tua­tio­nen auf­grund ih­rer Un­er­fah­ren­heit aus­fie­len und nicht zu adäqua­ten Re­ak­tio­nen in der La­ge sei­en. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, nach Voll­endung ih­res 55. Le­bens­jah­res sei­en zwi­schen den Par­tei­en kei­ne ein­zel­be­fris­te­ten Ar­beits­verträge ge­schlos­sen, son­dern Verlänge­run­gen des ursprüng­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges ver­ein­bart wor­den.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin mit der Be­klag­ten nicht am 30. Sep­tem­ber 2005 sein En­de ge­fun­den hat, son­dern darüber hin­aus un­be­fris­tet zu den bis­he­ri­gen Ar­beits­be­din­gun­gen fort­be­steht;

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin wei­ter als Flug­be­glei­te­rin in der Beschäfti­gungs­grup­pe der Flug­be­glei­ter­stu­fe 514/17 des Vergütungs­ta­rif­ver­tra­ges der B so­wie den sons­ti­gen Ar­beits­be­din­gun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges vom 03. Ju­ni 2004 wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

- 4 -

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die mit Ver­trag vom 03. Ju­ni 2004 ver­ein­bar­te Be­fris­tung bedürfe gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG oh­ne­hin kei­nes Sach­grun­des. Die Vor­schrift sei an­wend­bar. Es be­ste­he auch kein en­ger sach­li­cher Zu­sam­men­hang zu ei­nem vor­her­ge­hen­den un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag mit ihr, da al­le Ar­beits­verträge der Par­tei­en be­fris­tet ge­we­sen sei­en. Die Be­klag­te hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, für die Al­ters­gren­ze des § 19 Abs. 2 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne be­ste­he im Übri­gen auch ein recht­fer­ti­gen­der Sach­grund. Die Al­ters­gren­ze die­ne dem Schutz von Le­ben und Ge­sund­heit der Be­sat­zungs­mit­glie­der und der Pas­sa­gie­re. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten bei der Norm­set­zung im Rah­men der ih­nen zu­ste­hen­den Einschätzungs­präro­ga­ti­ve die Prämis­se zu­grun­de ge­legt, dass die Ge­fahr ei­ner Be­ein­träch­ti­gung der Leis­tungsfähig­keit ge­ne­rell mit zu­neh­men­dem Al­ter größer wer­de. Das In­ter­es­se des ein­zel­nen Ar­beit­neh­mers an der Er­hal­tung sei­nes Ar­beits­plat­zes müsse ge­genüber den be­son­de­ren In­ter­es­sen an der Gewährung der Si­cher­heit des Luft­ver­kehrs zurück­tre­ten. Auf­grund der bei der Be­klag­ten ta­rif­ver­trag­lich vor­ge­se­he­nen Über­g­angs­ver­sor­gung in Form der al­lein von ihr fi­nan­zier­ten Fir­men­ren­te und der an­sch­ließen­den Al­ters­ver­sor­gung sei das ta­rif­lich ver­an­lass­te En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses für das Ka­bi­nen­per­so­nal fi­nan­zi­ell ab­ge­si­chert.

Das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main hat die Kla­ge durch am 23. März 2006 verkünde­tes Ur­teil, Az. 19 Ca 3565/05, ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, die mit Ver­trag vom 03. Ju­ni 2004 ver­ein­bar­te Be­fris­tung sei gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG sach­grund­los zulässig. Al­lein durch ei­nen im Ver­trag er­folg­ten Hin­weis auf ei­nen Sach­grund sei § 14 Abs. 3 Tz­B­fG nicht kon­klu­dent ein­zel­ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen. § 14 Abs. 3 Satz 2 Tz­B­fG fin­de kei­ne An­wen­dung, da dem be­fris­te­ten Ver­trag vom 03. Ju­ni 2004 ein eben­falls be­fris­te­ter Ver­trag vor­an­ge­gan­gen sei. § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG fin­de auch un­ein­ge­schränkt An­wen­dung. Es könne da­hin­ste­hen, ob die Be­fris­tungsmöglich­keit nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG eu­ro­pa­rechts­wid­rig sei. Selbst wenn auf­grund des Ur­teils des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 22. No­vem­ber 2005 von Un­an­wend­bar­keit des § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG aus­zu­ge­hen sei, sei im Hin­blick auf vor Be­kannt­wer­den die­ser Ent­schei­dung ab­ge­schlos­se­ne al­ters­be­fris­te­te Ar­beits­verträge Ver­trau­ens­schutz zu gewähren. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils (Bl. 170 bis 174 d. A.) ver­wie­sen.

Ge­gen die­ses ihr am 28. Ju­li 2006 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Kläge­rin am 11. Au­gust 2006 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 28. Sep­tem­ber 2006 be­gründet.

Sie wie­der­holt und ver­tieft ih­ren Vor­trag, hält an ih­rer Auf­fas­sung fest, § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG sei ge­mein­schafts­wid­rig und nicht an­zu­wen­den. Sie meint, in­so­weit be­ste­he auch kein Ver­trau­ens­schutz für vor Be­kannt­wer­den der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 22. No­vem­ber 2005 ge­trof­fe­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tungs­ver­ein­ba­run­gen. Sie be­haup­tet, für ei­ne Al­ters­gren­ze von 60 Jah­ren gemäß § 19 Abs. 2 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne be­ste­he kein sach­li­cher Grund. Ei­ne re­le­van­te Zu­nah­me des Ri­si­kos al­ters­be­ding­ter Aus­fall­er­schei­nun­gen be­ste­he nicht. Im Übri­gen sei­en Fälle, in de­nen der al­ters­be­ding­te Aus­fall ei­nes Mit­glieds des Ka­bi­nen­per­so­nals die Pas­sa­gie­re oder an­de­re Per­so­nen in erns­te Ge­fahr brin­gen könne, der­art theo­re­tisch und un­wahr­schein­lich, dass sie nicht ge­eig­net sei­en, ei­ne ge­ne­rel­le Al­ters­gren­ze zu recht­fer­ti­gen. So­weit sich die Be­klag­te bei ih­rer Ar­gu­men­ta­ti­on zu ei­nem al­ters­be­dingt erhöhten Ri­si­ko plötz­lich auf­tre­ten­der Fehl­re­ak­tio­nen und al­ters­be­ding­ter Aus­fall­er­schei­nun­gen auf ein in an­de­ren Rechts­strei­ten (Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, 8 Sa 998/03, 8 Sa 721/03, 8 Sa 715/03, 8 Sa 1077/03) ein­ge­hol­tes Gut­ach­ten des C vom 08. De­zem­ber 2004 (Bl. 270 f d. A.) be­zie­he, könne die­ses nicht zur Be­gründung ei­nes erhöhten Si­cher­heits­ri­si­kos her­an­ge­zo­gen wer­den, nach­dem sei­ne Grund­la­ge Un­ter­su­chun­gen an Flug­ka­pitänen und Aus­wer­tung von Un­ter­su­chun­gen an Männern im re­le­van­ten Al­ter wa­ren. Die Kläge­rin meint, die Be­klag­te könne sich zur Be­gründung der Al­ters­gren­ze von Ka­bi­nen­mit­ar­bei­tern nicht auf die Si­cher­heits­stan­dards bei der Beschäfti­gung von Flug­zeugführern zurück­zie­hen und ver­weist dar­auf, im Ge­gen­satz zur Beschäfti­gung von Pi­lo­ten ge­be es für die Beschäfti­gung des Ka­bi­nen­per­so­nals im in­ter­na­tio­na­len Luft­ver­kehr ge­ra­de kei­ne Ab­kom­men, Richt­li­ni­en und in­ter­na­tio­na­le Vor­ga­ben über Al­ters­be­gren­zun­gen.

- 5 -

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 23. März 2006, Az. 19 Ca 3565/05, ab­zuändern und

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin mit der Be­klag­ten nicht am 30. Sep­tem­ber 2005 sein En­de ge­fun­den hat;

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin als Flug­be­glei­te­rin in der Beschäfti­gungs­grup­pe der Flug­be­glei­ter­stu­fe 514/17 des Vergütungs­ta­rif­ver­tra­ges der B so­wie den sons­ti­gen Ar­beits­be­din­gun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges vom 03. Ju­ni 2004 wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung un­ter Ver­tie­fung und Wie­der­ho­lung ih­res Vor­trags und be­haup­tet, für die Al­ters­gren­zen­re­ge­lung in § 19 Abs. 2 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne be­ste­he ein recht­fer­ti­gen­der Sach­grund. Auch das Ka­bi­nen­per­so­nal sei in ei­nem Not­fall über­durch­schnitt­li­chen phy­si­schen und psy­chi­schen Be­las­tun­gen aus­ge­setzt. Die ta­rif­ver­trag­li­che Al­ters­gren­ze tra­ge me­di­zi­ni­schen Er­fah­rungs­wer­ten Rech­nung, wo­nach das Ri­si­ko al­ters­be­ding­ter Aus­fall­er­schei­nun­gen und un­er­war­te­ter Fehl­re­ak­tio­nen zu­neh­me. Die­ses Ri­si­ko sei auch nicht durch die ta­rif­ver­trag­lich vor­ge­se­he­nen re­gelmäßigen Ge­sund­heitsüber­prüfun­gen aus­zu­sch­ließen. Die Not­wen­dig­keit, im Fal­le ei­ner Noträum­ung bis zu 50 Fluggäste zu eva­ku­ie­ren, be­din­ge ei­ne erhöhte körper­li­che und geis­ti­ge Leis­tungsfähig­keit. Leis­tungsfähig­keit und Re­ak­ti­onsfähig­keit ließen mit höhe­rem Al­ter nach. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten bei der Ver­ein­ba­rung der Al­ters­gren­ze die An­nah­me zu­grun­de ge­legt, dass bei der ge­werbsmäßigen Beförde­rung im Luft­ver­kehr über die Voll­endung des 60. Le­bens­jah­res hin­aus al­ters­be­dingt zusätz­li­che Ge­fah­ren für den Flug­ver­kehr ein­tre­ten. Die­se An­nah­me wer­de durch das Gut­ach­ten des C vom 08. De­zem­ber 2004 bestätigt. Auch wenn ei­ne Not­lan­dung ei­nes Flug­zeugs oder an­de­re Notfälle die Aus­nah­me dar­stel­le, müsse das Ka­bi­nen­per­so­nal über die ent­spre­chen­den Fähig­kei­ten verfügen, um ge­ge­be­nen­falls rasch die ge­eig­ne­ten Maßnah­men zu tref­fen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streit­stan­des wird auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze und de­ren An­la­gen ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 23. März 2006, Az. 19 Ca 3565/05, ist gemäß §§ 8 Abs. 2 , 64 Abs. 2 lit. b und c ArbGG statt­haft und auch im Übri­gen zulässig, ins­be­son­de­re form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 66 Abs. 1 , 64 Abs. 6 ArbGG , 519 , 520 Abs. 1 und 3 ZPO .

Sie ist auch be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en en­de­te nicht durch Be­fris­tung zum 30. Sep­tem­ber 2005. Dem­ent­spre­chend ist die Be­klag­te ver­pflich­tet, die Kläge­rin bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en en­de­te nicht am 30. Sep­tem­ber 2005, denn die im Ar­beits­ver­trag vom 03. Ju­ni 2004 ver­ein­bar­te Be­fris­tung ist un­wirk­sam, der Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en gilt da­mit als auf un­be­stimm­te Zeit ge­schlos­sen, § 16 Satz 1 Tz­B­fG .

- 6 -

Die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­tra­ges ist un­wirk­sam, weil sie durch kei­nen sach­li­chen Grund ge­recht­fer­tigt ist, § 14 Abs. 1 Satz 1 Tz­B­fG , und ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung nicht nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG zulässig ist.

Die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­tra­ges be­durf­te nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Tz­B­fG ei­nes sie recht­fer­ti­gen­den sach­li­chen Grun­des.

§ 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG , wo­nach die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges kei­nes sach­li­chen Grun­des be­darf, wenn der Ar­beit­neh­mer das 58. Le­bens­jahr voll­endet hat, ist mit Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf nicht ver­ein­bar und nicht an­zu­wen­den.

Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG lässt zwar zu, dass die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen können, dass Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen sind und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein le­gi­ti­mes Ziel, wor­un­ter ins­be­son­de­re rechtmäßige Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung zu ver­ste­hen sind, ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind. Nach der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs ( Ur­teil vom 22. No­vem­ber 2005, C-144/04 – Man­gold; NZA 2005, 1345 [EuGH 22.11.2005 - C 144/04] ) ge­hen aber na­tio­na­le Vor­schrif­ten, so­weit sie das Al­ter des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers als ein­zi­ges Kri­te­ri­um für die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­tra­ges fest­le­gen, oh­ne dass nach­ge­wie­sen wäre, dass die Fest­le­gung ei­ner Al­ters­gren­ze als sol­che un­abhängig von an­de­ren Erwägun­gen im Zu­sam­men­hang mit der Struk­tur des je­wei­li­gen Ar­beits­markts und der persönli­chen Si­tua­ti­on des Be­trof­fe­nen zur Er­rei­chung des Zie­les der be­ruf­li­chen Ein­glie­de­rung ar­beits­lo­ser älte­rer Ar­beit­neh­mer ob­jek­tiv er­for­der­lich ist, über das hin­aus, was zur Er­rei­chung des ver­folg­ten Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich ist. Nach der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs ist hier­bei das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters als all­ge­mei­ner Grund­satz des Ge­mein­schafts­rechts an­zu­se­hen und ob­liegt es dem na­tio­na­len Ge­richt, bei dem ein Rechts­streit über das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters anhängig ist, im Rah­men sei­ner Zuständig­kei­ten den recht­li­chen Schutz, der sich für den Ein­zel­nen aus dem Ge­mein­schafts­recht er­gibt, und die vol­le Wirk­sam­keit des all­ge­mei­nen Ver­bots der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters zu gewähr­leis­ten, in­dem es je­de ent­ge­gen­ste­hen­de Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts un­an­ge­wen­det lässt.

Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ( Ur­teil vom 26. April 2006, 7 AZR 500/04 , NZA 2006, 1162), der die Kam­mer folgt, hat der Eu­ropäische Ge­richts­hof mit der Ent­schei­dung vom 22. No­vem­ber 2005 die ihm über­tra­ge­nen Kom­pe­ten­zen nicht über­schrit­ten und sind die na­tio­na­len Ge­rich­te an den Un­an­wend­bar­keits­aus­spruch des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs ge­bun­den, so­weit er die Un­an­wend­bar­keit von § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG mit ei­ner mit all­ge­mei­nen Grundsätzen des Ge­mein­schafts­rechts nicht zu ver­ein­ba­ren­den Un­gleich­be­hand­lung im Hin­blick auf das Al­ter be­gründet. Der Ver­s­toß von § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG ge­gen die Vor­schrif­ten des Ge­mein­schafts­rechts führt hier­nach da­zu, dass die Vor­schrift nicht an­zu­wen­den ist, wo­bei auf­grund der un­mit­tel­ba­ren Gel­tung des ge­mein­schafts­recht­li­chen Primärrechts in den Mit­glied­staa­ten der An­wen­dungs­vor­rang des Ge­mein­schafts­rechts da­zu führt, dass die na­tio­na­len Ge­rich­te bei der Ent­schei­dung der bei ih­nen anhängi­gen Ver­fah­ren ent­ge­gen­ste­hen­des in­ner­staat­li­ches Recht aus ei­ge­ner Ent­schei­dungs­be­fug­nis un­an­ge­wen­det zu las­sen ha­ben, oh­ne dass sie des­sen Auf­he­bung durch den Ge­setz­ge­ber oder durch ein Ver­fas­sungs­ge­richt ab­zu­war­ten hätten und oh­ne dass ei­ne Vor­la­ge nach Art. 100 Abs. 1 GG über­haupt möglich wäre. Hier­nach ist § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG schließlich auch nicht aus Gründen ge­mein­schafts­recht­li­chen oder na­tio­na­len Ver­trau­ens­schut­zes auf vor Be­kannt­wer­den der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs ver­ein­bar­te Be­fris­tun­gen an­zu­wen­den.

Es wird nicht ver­kannt, dass der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs wie auch der des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 26. April 2006 je­weils ein nach § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG sach­grund­los be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag ei­nes bei Be­ginn des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses noch nicht

- 7 -

58-jähri­gen Ar­beit­neh­mers zu­grun­de lag. Dem­ent­spre­chend be­fasst sich auch die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts aus­drück­lich aus­sch­ließlich mit der Un­ver­ein­bar­keit von § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG mit Ge­mein­schafts­recht. Die Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs enthält ei­ne der­ar­ti­ge aus­drück­li­che Be­zug­nah­me auf Satz 4 des § 14 Abs. 3 Tz­B­fG zwar nicht, gibt sie aber un­ter Rd­nr. 69, 70 und ins­be­son­de­re 73 zu er­ken­nen. Höchst­rich­ter­lich ent­schie­den ist da­mit bis­her le­dig­lich die Un­zulässig­keit der sach­grund­lo­sen Be­fris­tung mit bei Ver­trags­be­ginn 52 bis 57 Jah­re al­ten Ar­beit­neh­mern auf der Grund­la­ge der bis 31. De­zem­ber 2006 ge­re­gel­ten Ab­sen­kung der Al­ters­gren­ze.

Die Kläge­rin hat­te da­ge­gen bei Be­ginn des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges vom 03. Ju­ni 2004 das 58. Le­bens­jahr be­reits voll­endet. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG wäre da­mit un­abhängig von der durch § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG er­folg­ten be­fris­te­ten Ab­sen­kung der Al­ters­gren­ze ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung zulässig.

Kon­se­quenz der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 22. No­vem­ber 2005 ist nicht nur die Un­zulässig­keit sach­grund­lo­ser Be­fris­tun­gen mit 52- bis 57-jähri­gen Ar­beit­neh­mern gemäß § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG , son­dern auch die Un­zulässig­keit sach­grund­lo­ser auf § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG gestütz­ter Be­fris­tun­gen mit Ar­beit­neh­mern, die bei Be­ginn der Be­fris­tung das 58. Le­bens­jahr be­reits voll­endet ha­ben (a. A. Bau­er/Ar­nold, NJW 2006, 6, 11; vgl. aber auch Preis, NZA 2006, 402, 410).

Die Erwägun­gen der Ent­schei­dun­gen des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 22. No­vem­ber 2005 und des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 26. April 2006 tref­fen auch auf nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG un­ge­ach­tet der zeit­lich be­fris­te­ten Her­ab­set­zung der Al­ters­gren­ze gemäß § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG ge­trof­fe­ne Be­fris­tungs­ver­ein­ba­run­gen zu. § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG , der sach­grund­lo­se Be­fris­tun­gen mit Ar­beit­neh­mern ab Voll­endung des 58. Le­bens­jah­res zulässt, verstößt aus den­sel­ben Gründen ge­gen Ge­mein­schafts­recht und ist da­mit un­an­wend­bar wie die später in Kraft ge­tre­te­ne Vor­schrift des § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG (eben­so Ar­beits­ge­richt Ber­lin, Ur­teil vom 30. März 2006, 81 Ca 1543/06 ). Die­sel­ben Erwägun­gen führen auch da­zu, dass we­der ge­mein­schafts­recht­li­cher noch Ver­trau­ens­schutz nach na­tio­na­lem Recht be­steht.

Nach der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 22. No­vem­ber 2005 be­ruht die Un­ver­ein­bar­keit von § 14 Abs. 3 Tz­B­fG mit Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG dar­auf, dass das Al­ter des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers als ein­zi­ges Kri­te­ri­um für die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­tra­ges fest­ge­legt wird, oh­ne dass nach­ge­wie­sen wäre, dass die Fest­le­gung ei­ner Al­ters­gren­ze als sol­che un­abhängig von an­de­ren Erwägun­gen im Zu­sam­men­hang mit der Struk­tur des je­wei­li­gen Ar­beits­markts und der persönli­chen Si­tua­ti­on des Be­trof­fe­nen zur Er­rei­chung des Ziels der be­ruf­li­chen Ein­glie­de­rung ar­beits­lo­ser älte­rer Ar­beit­neh­mer ob­jek­tiv er­for­der­lich ist. Auch da­mit ver­bleibt ei­ne große und aus­sch­ließlich nach dem Le­bens­al­ter de­fi­nier­te Grup­pe von Ar­beit­neh­mern, die da­mit während ei­nes er­heb­li­chen Teils ih­res Be­rufs­le­bens Ge­fahr läuft, von fes­ten Beschäfti­gungs­verhält­nis­sen aus­ge­schlos­sen zu sein. Der von § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG be­trof­fe­ne Per­so­nen­kreis ist zwar na­tur­gemäß klei­ner als der von § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG be­trof­fe­ne Per­so­nen­kreis. Eben­so ist der Teil des Be­rufs­le­bens, bei dem die Ge­fahr des Aus­schlus­ses von fes­ten Beschäfti­gungs­verhält­nis­sen aus­ge­schlos­sen zu wer­den, na­tur­gemäß ge­rin­ger als bei bei­spiels­wei­se 52-jähri­gen Ar­beit­neh­mern. Dies be­ruht aber zunächst auf dem Al­ter und da­mit auf ei­nem un­zulässi­gen Dif­fe­ren­zie­rungs­kri­te­ri­um. Das Al­ter al­lein gibt aber wie­der­um al­lein un­abhängig von der persönli­chen Si­tua­ti­on des Be­trof­fe­nen (Eu­ropäischer Ge­richts­hof, Ur­teil vom 22. No­vem­ber 2005, a.a.O., un­ter Rd­nr. 65) kei­nen An­halts­punkt dafür, dass die Eröff­nung sach­grund­lo­ser Be­fris­tungsmöglich­keit zur Er­rei­chung des Ziels der be­ruf­li­chen Ein­glie­de­rung ar­beits­lo­ser älte­rer Ar­beit­neh­mer ob­jek­tiv an­ge­mes­sen und er­for­der­lich ist. Wie der vor­lie­gen­de Rechts­streit zeigt, eröff­net § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG auch die sach­grund­lo­se Be­fris­tungs­ab­re­de mit nicht ar­beits­lo­sen älte­ren Ar­beit­neh­mern, bei­spiels­wei­se dann, wenn die Vor­aus­set­zun­gen des § 14 Abs. 3 Satz 2 Tz­B­fG nicht vor­lie­gen.

Die Un­an­wend­bar­keit von § 14 Abs. 3 Tz­B­fG be­ruht nach der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 22. No­vem­ber 2005 nicht auf ho­ri­zon­ta­ler Di­rekt­wir­kung der Richt­li­nie 2000/78/EG zwi­schen Pri­va­ten, son­dern auf der An­wen­dung un­abhängig vom Ab­lauf der Um­set­zungs­frist für die

- 8 -

Richt­li­nie gel­ten­den ge­mein­schafs­recht­li­chen Primärrechts, nämlich des Ver­bots ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters als all­ge­mei­nem Grund­satz des Ge­mein­schafts­rechts. Die­se Erwägun­gen gel­ten dann auch hin­sicht­lich § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG . Die Norm un­ter­liegt dem Gel­tungs­be­reich des Ge­mein­schafts­rechts, denn das Tz­B­fG dient nach der amt­li­chen An­mer­kung der Um­set­zung der Richt­li­nie 97/81/EG des Ra­tes vom 15. De­zem­ber 1997 zu der von UN­ICE, CEEP und EGB ge­schlos­se­nen Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit (RV) und der Richt­li­nie 1999/70/EG des Ra­tes vom 28. Ju­ni 1999 zu der EGB-UN­ICE-CEEP-Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (Ur­teil vom 26. April 2006, a.a.O.) in­ter­pre­tiert die Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 22. No­vem­ber 2005 zur Un­an­wend­bar­keit von § 14 Abs. 3 (Satz 4) Tz­B­fG als auf ei­ner Dop­pel­be­gründung be­ru­hend, nämlich auch auf dem Grund­satz der Ver­trags­treue der Mit­glied­staa­ten, hier­aus ab­ge­lei­te­ter Vor­wir­kung von Richt­li­ni­en und aus dem Grund­satz der Ver­trags­treue eben­falls ab­ge­lei­te­ter Un­an­wend­bar­keit na­tio­na­len Rechts. So­weit der Eu­ropäische Ge­richts­hof in die­sem Zu­sam­men­hang aus­geführt hat, die Mit­glied­staa­ten dürf­ten während der Frist für die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie kei­ne Vor­schrif­ten er­las­sen, die ge­eig­net sei­en, die Er­rei­chung des in die­ser Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Ziels ernst­lich in Fra­ge zu stel­len, gilt aber auch dies dann für § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG glei­cher­maßen wie für § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG . Auch § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG ist nach der Richt­li­nie 2000/78/EG in Kraft ge­tre­ten, nämlich am 01. Ja­nu­ar 2001, da­mit zu ei­nem Zeit­punkt, in dem für den na­tio­na­len Ge­setz­ge­ber die Frist für die Um­set­zung der Richt­li­nie be­reits lief und während de­rer er im Sin­ne die­ser Dop­pel­be­gründung dann auch kei­ne dem Ziel der Richt­li­nie zu­wi­der­lau­fen­de oder es in Fra­ge stel­len­de Vor­schrift er­las­sen durf­te. Dass das Tz­B­fG selbst nicht der Um­set­zung der Richt­li­nie 2000/78/EG dient, ist in die­sem Zu­sam­men­hang un­er­heb­lich (Eu­ropäischer Ge­richts­hof, Ur­teil vom 22. No­vem­ber 2005, a.a.O., Rd­nr. 68).

§ 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG verstößt da­mit un­ter Zu­grun­de­le­gung der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs und An­er­ken­nung sei­ner Zuständig­keit für Ent­schei­dun­gen über die nach sei­ner Auf­fas­sung exis­tie­ren­den un­ge­schrie­be­nen Nor­men des Ge­mein­schafts­rechts, die als primäres Ge­mein­schafts­recht Gel­tung ent­fal­ten, glei­cher­maßen wie § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG ge­gen ge­mein­schafts­recht­li­ches Primärrecht, nämlich ge­gen den aus völker­recht­li­chen Verträgen und ge­mein­sa­mer Ver­fas­sungs­tra­di­ti­on der Mit­glied­staa­ten ab­ge­lei­te­ten Grund­satz des Ver­bots der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung. Da­mit hat das na­tio­na­le Ge­richt in den Gel­tungs­be­reich des Ge­mein­schafts­rechts fal­len­de ent­ge­gen­ste­hen­de na­tio­na­le Re­ge­lun­gen un­an­ge­wen­det zu las­sen, da­mit auch § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG . Der Un­an­wend­bar­keits­aus­spruch des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs be­zieht sich ge­ra­de auch auf § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG , denn die­ser und nicht § 14 Abs. 3 Satz 4 Tz­B­fG re­gelt die sach­grund­lo­se Be­fris­tungsmöglich­keit. Ei­ne Ab­sen­kung der Al­ters­gren­ze als sol­che und iso­liert be­trach­tet verstößt nach der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs noch nicht ge­gen Ge­mein­schafts­recht und die Schutz­ni­veau­klau­sel des § 8 RV.

§ 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG ist dann auch we­der aus Gründen des ge­mein­schafts­recht­li­chen oder des na­tio­na­len Ver­trau­ens­schut­zes auf ei­ne vor dem 22. No­vem­ber 2005 ge­trof­fe­ne Be­fris­tungs­ab­re­de an­zu­wen­den (Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 26. April 2006, a.a.O.).

Ge­mein­schafts­recht­li­cher Ver­trau­ens­schutz be­steht nicht. Die Ent­schei­dung über die Reich­wei­te des ge­mein­schafts­recht­li­chen Ver­trau­ens­schut­zes ist dem Eu­ropäischen Ge­richts­hof vor­be­hal­ten. Ei­ne Ein­schränkung der zeit­li­chen Wir­kun­gen sei­ner Ent­schei­dung durch den Eu­ropäischen Ge­richts­hof ist nicht er­folgt. Ver­trau­ens­schutz nach na­tio­na­lem Recht be­steht eben­falls nicht. Die Be­klag­te konn­te nicht auf die Wirk­sam­keit sach­grund­lo­ser Al­ters­be­fris­tun­gen ver­trau­en, nach­dem von An­fang an kon­tro­vers dis­ku­tiert wur­de, ob § 14 Abs. 3 Satz 1 Tz­B­fG ge­mein­schafts­recht­li­chen An­for­de­run­gen genügt, bis zum Ab­schluss des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges auch kei­ne höchst­rich­ter­li­che Ent­schei­dung über die Zulässig­keit ei­ner al­lein auf das Le­bens­al­ter des Ar­beit­neh­mers gestütz­ten sach­grund­lo­sen Be­fris­tung er­gan­gen war und an­ders als bei­spiels­wei­se bei der Aus­le­gung von § 17 KSchG auch kei­ne als ge­si­chert gel­ten­de Ver­wal­tungs­pra­xis ei­nen Ver­trau­en­stat­be­stand ver­mit­teln konn­te (Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 26. April 2006, a.a.O.).

- 9 -

Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung vom 03. Ju­ni 2004 und die in § 19 Abs. 2 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne vor­ge­se­he­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit Voll­endung des 60. Le­bens­jah­res sind un­wirk­sam, da der er­for­der­li­che Sach­grund i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Tz­B­fG nicht vor­liegt. Ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lun­gen über die Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen und da­mit auch ta­rif­ver­trag­li­che Al­ters­gren­zen sind zulässig, un­ter­lie­gen aber eben­falls der ar­beits­ge­richt­li­chen Be­fris­tungs­kon­trol­le und bedürfen da­mit zu ih­rer Wirk­sam­keit eben­falls ei­nes sie recht­fer­ti­gen­den Sach­grun­des, wo­bei den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en al­ler­dings ei­ne Einschätzungs­präro­ga­ti­ve in Be­zug auf die tatsächli­chen Ge­ge­ben­hei­ten zu­steht. Das Er­for­der­nis ei­nes die Be­fris­tung recht­fer­ti­gen­den Sach­grun­des entfällt hier­durch al­ler­dings nicht, wo­bei bis zum In­kraft­tre­ten des Tz­B­fG (jetzt § 22 Abs. 1 Tz­B­fG ) die Über­prüfung ta­rif­ver­trag­li­cher Al­ters­gren­zen an­hand der eben­falls nicht ta­rif­dis­po­si­ti­ven von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Grundsätze zur Be­fris­tungs­kon­trol­le zu er­fol­gen hat­te. Es wird nicht ver­kannt, dass auf die­ser Grund­la­ge nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ge­ra­de auch für den Be­reich von Luft­ver­kehrs­un­ter­neh­men ta­rif­ver­trag­li­che Al­ters­gren­zen für das Cock­pit­per­so­nal als zulässig an­ge­se­hen wer­den. Hier­nach ge­hen die­se Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen auf me­di­zi­ni­sche Er­fah­rungs­wer­te zurück, nach de­nen das Cock­pit­per­so­nal über­durch­schnitt­li­chen psy­chi­schen und phy­si­schen Be­las­tun­gen aus­ge­setzt ist, in de­ren Fol­ge das Ri­si­ko al­ters­be­ding­ter Aus­fall­er­schei­nun­gen und un­er­war­te­ter Fehl­re­ak­tio­nen zu­nimmt. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat hier­zu wie­der­holt aus­geführt, die Al­ters­gren­ze si­che­re die ord­nungs­gemäße Erfüllung der Be­rufstätig­keit und die­ne darüber hin­aus dem Schutz von Le­ben und Ge­sund­heit der Be­sat­zungs­mit­glie­der und Pas­sa­gie­re. Zwar hänge das zur Min­de­rung der Leis­tungsfähig­keit führen­de Al­tern nicht al­lein vom Le­bens­al­ter ab, son­dern sei ein schlei­chen­der Pro­zess, der in­di­vi­du­ell ver­schie­den schnell vor sich ge­he. Mit höhe­rem Le­bens­al­ter wer­de je­doch ein Al­tern mit den da­mit ver­bun­de­nen Fol­gen wahr­schein­li­cher, es ent­spre­che der all­ge­mei­nen Le­bens­er­fah­rung, dass die Ge­fahr ei­ner Be­ein­träch­ti­gung der Leis­tungsfähig­keit ge­ne­rell auch heu­te noch mit zu­neh­men­den Al­ter größer wer­de ( Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 27. No­vem­ber 2002, 7 AZR 655/01 , AP Nr. 2 zu § 620 BGB Al­ters­gren­ze; Ur­teil vom 21. Ju­li 2004, 7 AZR 589/03 , EzA § 620 BGB 2002 Al­ters­gren­ze Nr. 5 ; je­weils m.w.N.).

Die­se Grundsätze las­sen sich je­doch nicht auf das Ka­bi­nen­per­so­nal über­tra­gen. Während zum Bei­spiel das Ver­sa­gen ei­nes Flug­zeugführers Le­ben und Ge­sund­heit der Flug­pas­sa­gie­re, des Flug­per­so­nals so­wie der Men­schen in den über­flo­ge­nen Ge­bie­ten in äußers­te Ge­fahr brin­gen kann, ist beim Ka­bi­nen­per­so­nal ein der­ar­ti­ges Si­cher­heits­ri­si­ko in nicht annähernd glei­cher Wei­se ge­ge­ben. Aus die­sem Grund hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt ( Ur­teil vom 31. Ju­li 2002, 7 AZR 140/01 , AP Nr. 14 zu § 1 TVG Ta­rif­verträge: Luft­fahrt) be­reits ei­ne ta­rif­ver­trag­li­che Al­ters­gren­ze von 55 Jah­ren für Ka­bi­nen­per­so­nal als un­wirk­sam an­ge­se­hen, da Fälle, in de­nen der al­ters­be­ding­te Aus­fall ei­nes Mit­glieds des Ka­bi­nen­per­so­nals die Flug­pas­sa­gie­re, das Flug­per­so­nal oder gar Men­schen in über­flo­ge­nen Ge­bie­ten in erns­te Ge­fahr brin­gen könn­te, der­art theo­re­tisch und un­wahr­schein­lich sind, dass sie nicht ge­eig­net sei­en, der Recht­fer­ti­gung ei­ner ge­ne­rel­len Al­ters­gren­ze von 55 Jah­ren für die­se Per­so­nen­grup­pe zu die­nen. Falls ein Mit­glied des Ka­bi­nen­per­so­nals während ei­nes Flugs ein­mal al­ters­be­dingt aus­fal­len soll­te, wer­den da­durch Leib und Le­ben der Flug­pas­sa­gie­re und des Flug­per­so­nals oder sons­ti­ge wich­ti­ge Rechtsgüter nicht gefähr­det. Al­lein mit ex­tre­men Aus­nah­mefällen wie ei­ner Not­lan­dung lässt sich nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts die Al­ters­gren­ze ge­ra­de nicht recht­fer­ti­gen.

Es wird nicht ver­kannt, dass die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ei­ne ta­rif­ver­trag­li­che Al­ters­gren­ze für Ka­bi­nen­per­so­nal von 55 Jah­ren be­traf, während vor­lie­gend nach § 19 Abs. 1 und 2 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne ei­ne fle­xi­ble Al­ters­gren­ze ver­ein­bart ist, die erst bei Voll­endung des 60. Le­bens­jah­res zwin­gend das Aus­schei­den aus dem flie­ge­ri­schen Ar­beits­verhält­nis vor­sieht. Dies ändert aber nichts an den der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 31. Ju­li 2002 zu­grun­de lie­gen­den Erwägun­gen. Un­abhängig vom Le­bens­al­ter des Ka­bi­nen­per­so­nals führt plötz­li­cher Aus­fall während ei­nes Flu­ges nicht zu Si­cher­heits­ri­si­ken für Le­ben und Ge­sund­heit. Un­abhängig vom Le­bens­al­ter des Ka­bi­nen­per­so­nals bleibt es da­bei, dass die Ar­gu­men­ta­ti­on der Be­klag­ten zu Not­fall­si­tua­tio­nen aus­sch­ließlich ei­ne ex­tre­me Aus­nah­me­si­tua­ti­on be­trifft, die nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ge­ra­de nicht die ge­ne­rel­le Al­ters­gren­ze recht­fer­tigt. Es wird fer­ner nicht ver­kannt, dass in dem der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 31. Ju­li 2002 zu­grun­de lie­gen­den Sach­ver­halt un­ter­schied­li­che ta­rif­ver­trag­li­che Al­ters­gren­zen für Cock­pit-und Ka­bi­nen­per­so­nal be­stan­den, während § 19 des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges Nr. 5a für das

- 10 -

Cock­pit­per­so­nal der Be­klag­ten je­den­falls in ähn­li­cher Wei­se wie § 19 Abs. 1 und 2 MTV Nr. 1 Ka­bi­ne ein fle­xi­bles Aus­schei­den zwi­schen Voll­endung des 55. und des 60. Le­bens­jah­res re­gelt. Dies ist un­er­heb­lich, da das Bun­des­ar­beits­ge­richt in der Ent­schei­dung vom 31. Ju­li 2002 die Un­wirk­sam­keit der ta­rif­ver­trag­li­chen Al­ters­gren­ze für Ka­bi­nen­per­so­nal ge­ra­de nicht mit ei­nem Ver­s­toß ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz be­gründet hat. Gleich­be­hand­lungs­grundsätze kom­men vor­lie­gend auch schon des­we­gen nicht zum Tra­gen, weil wie dar­ge­legt die Ri­si­ko­si­tua­ti­on bei Flug­zeugführern ge­ra­de nicht der beim Ka­bi­nen­per­so­nal ent­spricht und die Man­tel­ta­rif­verträge Nr. 1 für das Ka­bi­nen­per­so­nal und Nr. 5a für das Cock­pit­per­so­nal oh­ne­hin von un­ter­schied­li­chen Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ab­ge­schlos­sen wur­den. So­weit die Be­klag­te sich schließlich in ih­rer Ar­gu­men­ta­ti­on auf das Gut­ach­ten des C vom 08. De­zem­ber 2004 be­zieht, ist die­ses für die Ent­schei­dung des vor­lie­gen­den Rechts­streits oh­ne Be­deu­tung. Das Gut­ach­ten be­fasst sich mit dem Ri­si­ko al­ters­be­ding­ter Aus­fall­er­schei­nun­gen und Fehl­re­ak­tio­nen von Flug­zeugführern nach Voll­endung des 60. Le­bens­jah­res und da­mit, ob bei ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung von Flug­zeugführern über das 60. Le­bens­jahr hin­aus Ge­fah­ren für den Flug­ver­kehr aus­ge­hen. Es hat so­mit kei­ne Aus­sa­ge­kraft darüber, ob bei Ka­bi­nen­per­so­nal ein ver­gleich­ba­res Ri­si­ko al­ters­be­ding­ter Aus­fall­er­schei­nun­gen und Fehl­re­ak­tio­nen be­steht. Vor al­lem aber führt selbst bei An­nah­me ei­nes ver­gleich­ba­ren Ri­si­kos der plötz­li­che al­ters­be­ding­te Aus­fall ei­nes Mit­glieds des Ka­bi­nen­per­so­nals während des Flu­ges ge­ra­de nicht zu ei­ner kon­kre­ten Gefähr­dungs­si­tua­ti­on, wie dies beim Cock­pit­per­so­nal der Fall ist. Der Um­stand, dass der Kläge­rin we­gen al­ters­be­ding­ten Aus­schei­dens aus dem Ar­beits­verhält­nis ein ta­rif­ver­trag­li­cher An­spruch auf Zah­lung ei­ner Über­g­angs­ver­sor­gung zu­steht, er­setzt den feh­len­den Sach­grund nicht und wäre le­dig­lich ge­eig­net, ei­ne an sich ge­recht­fer­tig­te Al­ters­gren­ze als "noch eher zu­mut­bar" er­schei­nen zu las­sen (Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 31. Ju­li 2002, a.a.O.).

Da die ver­ein­bar­te Be­fris­tung un­wirk­sam ist und das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht auf­grund ta­rif­ver­trag­li­cher Al­ters­gren­ze en­de­te und auch kei­ne über­wie­gen­den ent­ge­gen­ste­hen­den Ar­beit­ge­ber­in­ter­es­sen dar­ge­legt sind, steht der Kläge­rin in ent­spre­chen­der An­wen­dung der von der Recht­spre­chung ( Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 27. Fe­bru­ar 1985, GS 1/84 , AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäfti­gungs­pflicht) ent­wi­ckel­ten Grundsätze auch ihr ar­beits­ver­trag­li­cher Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits zu.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 Abs. 1 ZPO .

Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ist die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen.

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 17 Sa 1322/06