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Hessisches LAG, Urteil vom 03.11.2010, 2 Sa 979/10
Schlagworte: | Kündigung: Außerordentlich, Abmahnung, Kündigung: Stalking, Stalking, Kündigung: Fristlos | |
Gericht: | Hessisches Landesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 2 Sa 979/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 03.11.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Wiesbaden, Urteil vom 31.03.2010, 7 Ca 3503/09 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.04.2012, 2 AZR 258/11 |
|
Hessisches Landesarbeitsgericht
Verkündet am:
03. November 2010
Aktenzeichen: 2 Sa 979/10
(Arbeitsgericht Wiesbaden: 7 Ca 3503/09)
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Berufungsverfahren
Kläger und
Berufungskläger
Prozessbevollmächtigt.:
gegen
Beklagte und
Berufungsbeklagte
Prozessbevollmächtigt.:
hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 2,
auf die mündliche Verhandlung vom 03. November 2010
durch die xx des Landesarbeitsgerichts xx als Vorsitzende
und den ehrenamtlichen Richter xx
und den ehrenamtlichen Richter xx
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31. März 2010 - 7 Ca 3503/09 - abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist des beklagten Landes vom 13. November 2009 aufgelöst worden ist.
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Das beklagte Land wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 23% und das beklagte Land 77% zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um die Wirksamkeit einer außerordentlichen hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist und um einen Zeugnisanspruch.
Der am xx geborene, verheiratete, gehbehinderte Kläger, der mit einem Grad von 80 als schwerbehinderter Mensch mit den festgestellten Merkzeichen G, B anerkannt ist, arbeitete beim beklagten Land seit Anfang 1989 als Verwaltungsangestellter und war seit 2005 beim A (im Folgenden: A) zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 3.421,01 tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Bundesangestelltentarifvertrag und der diesen ergänzenden, ersetzenden oder ablösenden Tarifverträge aufgrund Bezugnahme im Arbeitsvertrag Anwendung.
Im Jahr 2007 wandte sich die damals über eine Zeitarbeitsfirma in der Niederlassung Wiesbaden des A beschäftigte Mitarbeiterin B an die Niederlassungsleiterin mit einer Beschwerde über den Kläger, da diese sich in verschiedener Weise von ihm belästigt fühlte. In dem auch zur Wahrung der Rechte des Klägers durchgeführten Verfahren vor der Beschwerdestelle gemäß AGG kam es am 12. April 2007 zu einer Sitzung. Mit Schreiben vom 19. April 2007 (Bl. 189 d. A.) teilte das beklagte Land dem Kläger mit, dass die Zeitarbeitskraft weder dienstlich noch privat Kontakt mit ihm wünsche und dieser Wunsch vorbehaltlos zu respektieren sei. Dem Kläger wurde weiterhin aufgegeben, dass ein dienstlicher Kontakt über dritte Personen herzustellen sei und eine Kontaktaufnahme zu der Mitarbeiterin B auf jeden Fall zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterbleiben habe.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 wandte sich die ebenfalls über eine Zeitarbeitsfirma seit dem 16. Juni 2009 in der Niederlassung Wiesbaden des A beschäftigte Mitarbeiterin C an den Direktor des A D. Dieses Schreiben lag dem Direktor am 9. Oktober 2009 vor und wurde am 12. Oktober 2009 an die zuständige Personalabteilung in der Zentrale des A weitergeleitet. Das Schreiben der Mitarbeiterin C führt als Betreff „Beschwerde über Herrn E“ auf. Frau C berichtete in diesem Schreiben, dass sie sich durch die Klägerin in unerträglicher Art und Weise belästigt und bedrängt fühle. Obwohl sie sich ihm gegenüber deutlich geäußert habe, suche er weiterhin den
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Kontakt zu ihr. Ferner schilderte sie Vorkommnisse in den letzten Monaten. Wegen der Einzelheiten dieses Beschwerdeschreibens wird auf Bl. 160-163 d. A. Bezug genommen. Unstreitig hatte der Kläger im Zeitraum vom 17. Juni bis 12. Oktober 2009 mehr als 120 e-Mails bzw. MMS oder SMS an die Mitarbeiterin C verschickt. Die Mitarbeiterin C versandte im gleichen Zeitraum insgesamt 6 e-Mails an ihn, letztmalig am 4. August 2009. Wegen der Einzelheiten dieser Nachrichten wird auf Bl. 190-234 d. A. verwiesen. Das beklagte Land teilte dem Kläger am 13. Oktober 2009 mit, dass eine Beschwerde gegen ihn vorliege. Ihm wurde ferner mitgeteilt, dass der Sachverhalt erst noch aufgeklärt werden müsse und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werde. Ferner wurde als „Sofortmaßnahme“ angeordnet, dass er mit sofortiger Wirkung jeden dienstlichen und privaten Verkehr mit der Beschwerdeführerin C zu unterlassen habe und nur in dienstlichen Dingen über Dritte Kontakt zu ihr aufnehmen dürfe. Am 15. Oktober 2009 hörte das beklagte Land zunächst die Beschwerdeführerin C an. Hierbei schilderte sie die Situation aus ihrer Sicht. Am 16. Oktober 2009 übersandte die Mitarbeiterin C dem beklagten Land per e-Mail den gesamten bei ihr noch vorhandenen privaten e-Mail-Verkehr mit dem Kläger. Noch am selben Tag wurde der Kläger schriftlich über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert und ihm Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum 23. Oktober 2009 gegeben. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2009, beim beklagten Land am 26. Oktober 2009 eingegangen, nahm der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten zu den Vorwürfen Stellung. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2009 hörte das beklagte Land den Personalrat der Niederlassung Wiesbaden zur beabsichtigten Kündigung an. Wegen der Einzelheiten dieses Anhörungsschreibens wird auf Bl. 142-149 d.A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2009 wurde die örtliche Schwerbehindertenvertretung ebenfalls zur beabsichtigten Kündigung angehört. Gleichzeitig wurde am 30. Oktober 2009 beim Integrationsamt die Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen und hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist beantragt. Mit Entscheidung vom 13. November 2009 stimmte das Integrationsamt der beabsichtigten Kündigung zu. Unmittelbar nach Zugang des Bescheides erhielt der Kläger mit Schreiben vom 13. November 2009 eine fristlos, hilfsweise außerordentliche unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 30. Juni 2010.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochte-
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nen Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31. März 2010 gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 377-393 d. A.).
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin C durch vorgenanntes Urteil das beklagte Land verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sei aufgrund der außerordentlichen Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009, dem Kläger noch am selben Tag zugegangen, mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden und das beklagte Land sei daher verpflichtet, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen. Die Rechtswirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 13. November 2009 folge aufgrund des schwerwiegenden Verdachts, dass der Kläger der Mitarbeiterin C im Sinne des § 238 StGB nachgestellt und somit eine strafbare Handlung begangen habe. Zumindest bestehe aber auch aufgrund starker Verdachtsmomente der Verdacht, dass er schwerwiegend seine nebenvertraglichen Arbeitspflichten verletzt habe, indem er den Betriebsfrieden beharrlich durch Belästigung der im Wege der Zeitarbeit beim beklagten Land beschäftigten Mitarbeiterin C gestört habe. Die Wirksamkeitsvoraussetzung der vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers liege aufgrund der Aufforderung im Schreiben vom 16. Oktober 2009 und der Stellungnahme des Klägers mit Schreiben vom 23. Oktober 2009 vor. Aufgrund der belegten Kontakte und der Schilderungen der Mitarbeiter C lägen auch auf objektive Tatsachen gestützte schwerwiegende Verdachtsgründe vor. Der dringende Verdacht, dass der Kläger den Tatbestand des § 238 Abs. 1 Ziff. 2 StGB verwirklicht habe, indem er beharrlich unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation Kontakt zu der über eine Zeitarbeitsfirma in der Niederlassung Wiesbaden beschäftigten Mitarbeiterin C hergestellt habe, beruhe auf der durch die Beweisaufnahme gewonnen Überzeugung einer unbefugten Nachstellung. Die Zeugin C habe bekundet, dass sie Anfang September 2009 dem Kläger gesagt habe, sie wolle mit ihm nicht mehr privat zu tun haben; nur dienstliche Sachen, die unbedingt notwendig seien, solle er mit ihr besprechen. Auch dieses Gespräch habe sie nur dadurch beenden können, indem sie einfach gegangen sei. Gleichwohl habe der Kläger sie am nächsten Tag wieder abgefangen und versucht, das Gespräch vom Vortag fortzusetzen. Trotz dieses eindeutigen Hinweises spätestens Anfang September 2009 durch die Zeugin C an den Kläger, sie in Zukunft nicht weiter privat zu kontaktieren, habe der
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Kläger nach den Darstellungen der Zeugin den Kontakt zu ihr weiter gesucht. Insbesondere durch Verwendung von Telekommunikationsmitteln, nämlich per e-Mail / MMS und SMS, habe er entgegen des bekundeten Willens Kontakt zur Zeugin hergestellt und ihr eine Vielzahl von Nachrichten mittels Telekommunikationsmittel zukommen lassen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände bestehe somit aufgrund objektiver Verdachtsmomente zumindest der dringende Verdacht, dass er beharrlich unter Missachtung des entgegenstehenden Willens der Zeugin diese mittels Telekommunikationsmittel im Sinne des § 238 StGB kontaktiert, hierdurch auch den Betriebsfrieden nachhaltig gestört und so durch sein Verhalten in schwerwiegender Art und Weise seine Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt habe. Der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung stehe auch nicht entgegen, dass es keine weitere Abmahnung des Klägers gebe. Unter Berücksichtigung der Vorwürfe aus dem Jahr 2007 betreffend die Mitarbeiterin B und insbesondere der in diesem Zusammenhang erklärten ausdrücklichen Aufforderungen unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen durch das beklagte Land und des jetzigen schwerwiegenden Fehlverhaltens betreffend die Zeugin C sei eine Abmahnung des Klägers entbehrlich. Dem Kläger habe aufgrund des damaligen Vorfalls bekannt sein müssen, dass im Falle des ausdrücklich erklärten entgegenstehenden Willens einer Arbeitskollegin eine weitere Kontaktaufnahme in welcher Form auch immer zu dieser zu unterlassen sei. Ein solches Verhalten sei jedoch im Übrigen auch ohne „Vorgeschichte“ eine Selbstverständlichkeit beim täglichen Miteinander. Auch der Gesetzgeber habe bei der Fassung des § 238 StGB „lediglich“ darauf abgestellt, ob beharrlich gehandelt werde und es nicht für erforderlich gehalten, dass der Täter mindestens einmal zuvor wirksam z.B. von der Polizei abgemahnt worden sei. Auch hieraus ergebe sich, dass die Privatsphäre eines jeden, ein hohes Gut sei, welches von jedem zu achten und zu respektieren sei. Dennoch habe der Kläger vorliegend in einer Vielzahl von Fällen, auch nach der ausdrücklich erklärten Bitte bzw. Aufforderung der Zeugin C, keinen privaten Umgang mehr zu wünschen, diese weiterhin aufgesucht und per e-mail / MMS oder / SMS kontaktiert und diese somit erheblich belästigt. Dass ein solches Fehlverhalten nicht hingenommen werde, hätte dem Kläger bekannt sein müssen. Außerdem sei auch nicht zu erwarten, dass eine Abmahnung dazu führen würde, dass zukünftig eine andere Kollegin nicht wieder in selber oder gleich gelagerter Art und Weise bedrängt und belästigt werde. Denn der Kläger vermag in seinem Verhalten keinen Fehler erkennen. Nach seiner Ansicht habe er lediglich aufgrund enttäuschter Freundschaft herausfinden wollen, warum die Zeugin sich
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ihm gegenüber „so unfreundlich“ verhalten habe. In diesem Zusammenhang sei weiterhin zu berücksichtigen, dass vom beklagten Land auch nicht hingenommen werden könne, dass der Kläger erst nach einer Beschwerde einer Mitarbeiterin aufgefordert werden müsse, durch eine „Sofortmaßnahme“ bzw. ein „Kontaktverbot“ den Kontakt zu dieser bestimmten Person zu unterlassen. Dem beklagten Land sei eine solche Maßnahme erst möglich, wenn sich die betreffende Mitarbeiterin melde. Ob und wann sie dies tue, sei aber nicht sicher. Das beklagte Land müsse aber als öffentlicher Arbeitgeber alles dafür tun, das Persönlichkeitsrecht der bei ihm beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu schützen und zu wahren. Eine Umsetzung oder Versetzung komme aus den dargestellten Gründen als milderes Mittel daher auch nicht in Betracht und dem beklagten Land sei auch nicht zumutbar, den Kläger bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 393-411 d.A. Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 3. November 2010 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.
Er verfolgt sein Klagebegehren hinsichtlich der Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung teilweise unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Er vertritt die Ansicht, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung lägen nicht vor. Zum einen habe das beklagte Land die zweiwöchige Ausschlussfrist nicht gewahrt. Dies folge aus dem unstreitigen Umstand, dass der Direktor des A bereits am 9. Oktober 2009 Kenntnis von dem Schreiben der Mitarbeiterin C erlangt habe, die Zustimmung des Integrationsamtes jedoch erst am 30. Oktober 2009 beantragt worden sei. Der Kläger vertritt die Ansicht, dass Aufklärungsmaßnahmen, so sie denn überhaupt notwendig gewesen seien, nicht mit der gebotenen Eile durchgeführt worden seien. Außerdem fehle es an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung. Denn selbst wenn davon auszugehen sei, was er bestreitet, dass er die Mitarbeiterin C massiv belästigt und unter Druck gesetzt habe, gebe es nach der von der Mitarbeiterin auf etwa den 3. September 2009 datierten Äußerung ihm gegenüber, keinen privaten Kontakt mehr zu wünschen, nur einige wenige Kontaktaufnahmen seinerseits. Letztlich sei die ausgesprochene Kündigung auch unverhältnismäßig, da das beklagte Land ihn hätte abmahnen müssen, da auch ihm gegen-
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über eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bestehe. Eine solche Abmahnung sei auch nicht entbehrlich gewesen, wie sein Verhalten im Jahr 2007 zeige. Zwar sei in dem damaligen Schreiben vom 19. April 2007 keine Abmahnung zu sehen. Allerdings habe er sich an die ihm gegebenen Anweisung gehalten, was zeige, dass er zur Änderung seines Verhaltens in der Lage sei. Letztlich meint der Kläger, die Wirksamkeit der Kündigung scheitere an der zu seinen Gunsten ausgehenden Interessenabwägung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31. März 2010 – 7 Ca 3503/09 – teilweise abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose, noch durch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist des beklagten Landes vom 13. November 2009 nicht aufgelöst worden ist und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände geendet hat, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 19. November 2009 sowie über den 30. Juni 2010 hinaus fortbesteht, sowie das beklagte Land zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt .
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Es verteidigt die angefochtene Entscheidung ebenfalls unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens. Es ist im Übrigen der Ansicht, eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil der Kläger schwerwiegend gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen habe und damit das notwendige Vertrauen unwiederbringlich zerstört gewesen sei, zumal der Kläger bereits im Jahr 2007 sich in vergleichbarer, nicht akzeptierbarer Weise gegenüber einer Mitarbeiterin fehlverhalten habe.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 3. November 2010 (Bl. 534 d.A.) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers gegen das am 31. März 2010 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist zulässig. Die Rechtsmittel ist als in einem Rechtsstreit über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses eingelegt ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes und im Übrigen nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Der Kläger hat es auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).
II.
Die Berufung des Klägers hat auch Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat weder infolge der fristlosen noch infolge der außerordentichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 13. November 2009 zum 30. Juni 2010 geendet.
1.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht durch die angegriffene außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 geendet.
Das beklagte Land kann die fristlose Kündigung nicht auf eine erwiesene Strafttat oder schwerwiegende Vertragsverletztung oder den Verdacht einer Straftat bzw. einer solchen Vertragsverletzung stützen.
a.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob - wie das Arbeitsgericht mit nachvollziehbarer umfassender Begründung angenommen hat - aufgrund des Verhaltens des Klägers gegenüber seiner Kollegin C in dem Zeitraum Anfang September 2009 bis Mitte Oktober 2009 der Verdacht einer Straftat bzw. einer schwerwiegenden Pflichtverletzung bzw. das Vorliegen einer solchen durch den Kläger bejaht werden kann.
Auch das Berufungsgericht sieht in dem klägerischen Verhalten gegenüber der Arbeitnehmerin C in dem vorgenannten Zeitraum eine ungebührliche, jedes übliche Maß übersteigende, belästigende Kontaktaufnahme, durch welche sich die Mitarbeiterin – insbesondere auch aufgrund der Diktion der Äußerungen des Klägers – nachvollzieh-
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bar schwerwiegend bedrängt und belästigt gefühlt hat. Insoweit kann das Berufungsgericht daher zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die insoweit zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verweisen und auf sie gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug nehmen. Anzumerken ist lediglich, dass auch dann, wenn das Verhalten des Klägers den Tatbestand des § 238 StGB nicht erfüllt, eine schwerwiegende Vertragsverletzung bzw. der Verdacht einer solchen anzunehmen ist.
Denn der Kläger hat jedenfalls mit dem massiven Einsatz verschiedener Telekommunikationsmittel Kontakte mit der Mitarbeiterin C über Gebühr und ohne jegliche erkennbare Notwendigkeit aufgenommen und damit deren berechtigtes Interesse auf Achtung ihrer Persönlichkeit und Wahrung von Distanz verletzt. Selbst wenn berücksichtigt wird, dass die Mitarbeiterin C zunächst auch selbst den Kontakt zu dem Kläger gesucht, mithin ein normaler Umgang unter Kollegen vorgelegen hat, und sie erst zu einem späteren Zeitpunkt versucht hat, diesen auf das unbedingt notwendige dienstliche Maß zu beschränken, hat der Kläger auch dann noch Anlässe gesucht und dienstliche Gründe genutzt, um in den persönlichen Bereich hineingehende Gespräche zu suchen und zumindest mittelbar Druck auf die Mitarbeiterin C auszuüben, um diese zu einer Verhaltensänderung ihm gegenüber zu veranlassen. Damit hat er die ihm aufgrund des Arbeitsvertrags obliegenden Verhaltenspflichten verletzt, die ihm gebieten, alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber, anderen Arbeitnehmern und dem Betrieb abträglich ist. Hierzu gehört auch, dass er durch sein Verhalten den sogenannten Bereich der betrieblichen Verbundenheit der Mitarbeiter nicht unzulässig beeinträchtigt. Gegen diese Pflicht hat er verstoßen, auch wenn nur sein Sachvortrag als wahr unterstellt wird. Denn er hat ohne zwingenden Grund Kontakte im Zeitraum Anfang September bis Mitte Oktober 2009 zu der Mitarbeiterin C aufgebaut und diese – durch unterschwellige Andeutungen – bedrängt und zu einer Änderung ihres offensichtlich unfreundlicheren Verhaltens ihm gegenüber aufgefordert, obwohl er aufgrund des Verhaltens der Mitarbeiterin C erkennen konnte, dass die Mitarbeiterin außer dienstlich unvermeidbaren Kontakten keine weiteren mehr mit ihm wünscht.
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b.
Allerdings fehlt es nach Auffassung des Berufungsgerichts bisher an einer einschlägigen Abmahnung des Klägers.
Das Verhalten des Klägers ist grundsätzlich steuerbar, wie seine Reaktion auf die „Sofortmaßnahme“ des beklagten Landes vom 13. Oktober 2009 zeigt. Der Kläger hat auf entsprechende Aufforderung hin jeglichen dienstlichen und privaten Verkehr mit der Mitarbeiterin C unterlassen.
Das gerügte Verhalten des Klägers ist auch nicht bereits zuvor von dem beklagten Land abgemahnt worden. Das Schreiben vom 19. April 2007 (Bl. 189 d.A.) stellt keine solche Abmahnung dar, die auf die Änderung eines generellen Verhaltens gegenüber anderen Beschäftigten des beklagten Landes abzielt. Seinem Wortlaut nach werden dem Kläger in dem Schreiben eindeutig nur in Bezug auf die Mitarbeiterin B Vorgaben in Bezug auf den Umgang gemacht und nur in Bezug auf diese Vorgaben arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht. Hierbei handelt es sich nicht um eine allgemeine Abmahnung in Bezug auf das Unterlassen einer übermäßigen, jedes notwendige Maß übersteigenden Kontaktaufnahme zu anderen Mitarbeitern des beklagten Landes, die die Qualität einer nicht hinnehmbaren Belästigung erreicht.
Anders als das beklagte Land meint ist im Streitfall eine Abmahnung auch nicht entbehrlich.
Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Abmahnung erforderlich, wenn wegen eines nicht vertragsgerechten Verhaltens gekündigt werden soll und die Störungen im Leistungsbereich liegen, wobei dies für jede Kündigung gilt, die wegen eines Verhaltens des Arbeitnehmers oder aus einem Grund in seiner Person ausgesprochen werden soll, den er durch sein steuerbares Verhalten beseitigen kann, wenn also eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (vgl. BAG vom 23. Juni 2009 - 2 AZR 283/08, AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung; BAG vom 11. März 1999 - 2 AZR 507/98, AP Nr. 149 zu § 626 BGB und vom 17. Februar 1994 - 2 AZR 616/93, AP Nr. 116 zu § 626 BGB). Denn nur nach einer vergeblichen vorherigen Abmahnung ist die notwendige negative Zukunftsprognose zu bejahen, dass auch zukünftig weitere Vertragsverletzungen zu befürchten sind.
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Diese Prognose ist erforderlich, da der Kündigungszweck zukunftsbezogen ausgerichtet ist. Entscheidend ist, ob eine Wiederholungsgefahr besteht und ob sich das vergangene Ereignis auch zukünftig belastend auswirkt. Deshalb wird erst nach einer Abmahnung die erforderliche Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass sich der Arbeitnehmer auch in Zukunft nicht vertragsgetreu verhalten werde (vgl. BAG vom 4. Juni 1997 – 2 AZR 526/96, AP Nr. 137 zu § 626 BGB und vom 26. Januar 1995 – 2 AZR 649/94, AP Nr. 34 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).
Von diesem Grundsatz gelten Ausnahmen nur, wenn durch das zukünftige Verhalten des Arbeitnehmers die Störung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr behoben werden kann. Eine Abmahnung ist deshalb dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Annahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (vgl. BAG vom 23. Juni 2009 a.a.O.; BAG Urteil vom 10. Februar 1999 - 2 ABR 31/98, AP Nr. 42 zu § 15 KSchG und vom 1. Juli 1999 - 2 AZR 676/98, AP Nr. 11 zu § 15 BBiG). Gleiches gilt, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden kann. Eine solche Situation ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer eindeutig nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten, was wiederum der Fall ist, wenn er seine Vertragsverletzungen hartnäckig und uneinsichtig fortsetzt, obwohl er die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens kennt (vgl. BAG vom 4. Juni 1997 a.a.O.). Selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs kann es danach Fälle geben, in denen eine Abmahnung nicht ohne Weiteres entbehrlich erscheint (vgl. BAG vom 23. Juni 2009 – 2 AZR 103/08, AP Nr. 59 zu § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung, KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 264 m.w.N.). Dies gilt etwa, wenn dem Arbeitnehmer zwar die Verbotswidrigkeit seines Verhaltens Anreichend klar ist, er aber Grund zu der Annahme haben durfte, der Arbeitgeber würde dieses nicht als ein so erhebliches Fehlverhalten werten, dass dadurch der Bestand des Arbeitsverhältnisses auf dem Spiel stünde (BAG vom 23. Juni 2009 a.a.O.).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist eine Abmahnung in Bezug auf das vom Kläger gezeigte Verhalten nicht entbehrlich gewesen. Dem Kläger konnte die Distanzlosigkeit seines Verhaltens gegenüber der Mitarbeiterin C und die damit einhergehende Pflichtverletzung aufgrund des schleichenden Prozesses entgehen, auch wenn das Gericht
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der Aussage der Zeugin C glaubt, er habe, trotz eindeutigen Hinweises Anfang September 2009, nur noch im unbedingt notwendigen dienstlichen Rahmen mit ihm Kontakt haben zu wollen, immer wieder versucht, das Gespräch auch auf persönliche Dinge zu bringen.
Anders als bei einer eindeutigen Äußerung bzw. Bitte der Mitarbeiterin C ist aber davon auszugehen, dass der Kläger sein Verhalten generell bei Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen im Falle einer ungebührlich intensiven, durch objektive dienstliche Belange nicht gerechtfertigten Kontaktaufnahme durch den Arbeitgeber geändert hätte. Dass sein Verhalten änderbar ist, zeigt seine Reaktion auf das Schreiben vom 19. April 2007 und die Aufforderung des beklagten Landes vom 13. Oktober 2009.
Die Pflichtverletzung des Klägers ist auch nicht so gelagert, dass durch das zukünftige Verhalten die Störung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr behoben werden kann. Zwar sieht das beklagte Land das Vertrauen in die Person des Klägers als unwiederbringlich zerstört an, dem kann jedoch unter Anlegung einer objektiven Betrachtungsweise nicht gefolgt werden. Zwar hat der Arbeitgeber ein legitimes Interesse daran, deutlich zu machen, dass er den ihm gegenüber seinen Beschäftigten obliegenden Würde- und Integritätsschutz ernst nimmt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 3. November 2009 – 3 Sa 357/09, dokumentiert in juris). Allerdings stellt sich das Fehlverhalten des Klägers als nicht so gravierend dar, dass es dem beklagte Land oder der belästigte Mitarbeiterin unter keinen Umständen zuzumuten ist, mit dem Kläger zukünftig zusammen arbeiten zu müssen.
2.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auch nicht aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist mit dem 30. Juli 2010 geendet.
Zwar kann einem aufgrund tariflicher oder vertraglicher Regelungen ordentlich unkündbarem Mitarbeiter gegenüber eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ausgesprochen werden. Allerdings kann es dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für eine solche Kündigung im Streitfall vorliegen.
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Denn auch wenn in Bezug auf eine solche Kündigung vom Vorliegen eines wichtigen Grundes ausgegangen würde, sind die angeführten Verhaltensweisen des Klägers nicht geeignet, einen Kündigungsgrund darzustellen, da es – wie bereits oben ausgeführt worden ist – an einer einschlägigen Abmahnung des Klägers fehlt. Damit besteht das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. Juni 2010 hinaus fort.
3.
Das beklagte Land schuldet dem Kläger die Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Zwischenzeugnisses.
Auch wenn das Gesetz in § 630 S. 4 BGB i. V. m. § 109 GewO nur einen Anspruch auf Erteilung eines sogenannten Abschlusszeugnisses bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsieht, ist anerkannt, dass aus triftigen Gründen auch während des Arbeitsverhältnisses ein Zwischenzeugnis verlangt werden kann (§ 61 Abs. 2 BAT, § 35 Abs. 2 TV-H). Ein derartiger Grund ist gegeben, wenn bei verständiger Betrachtungsweise der Wunsch des Arbeitnehmers nach Erteilung eines Zwischenzeugnisses berechtigt erscheint, was bei rechtlichen oder tatsächlichen Veränderungen des Arbeitsverhältnisses anzunehmen ist (vgl. (ErfK/Müller-Glöge, 9. Aufl., § 109 GewO, Rn 50).
Ein solcher Anlass ist für den Kläger aufgrund der ausgesprochenen Kündigung und dem damit für einen Arbeitnehmer einhergehenden Bestreben, sich auch bei Obsiegen im Kündigungsschutzverfahren um einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen, zu sehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Das beklagte Land hat als die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Für die Zulassung der Revision besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung (§ 72 Abs. 2 ArbGG).
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