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LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 31.03.2010, 3 Sa 379/09

   
Schlagworte: Insolvenzanfechtung, Lohn und Gehalt, Insolvenz
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Aktenzeichen: 3 Sa 379/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 31.03.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bayreuth
Urteil vom 14.07.2009, 1 Ca 488/08
   


3 Sa 379/09
1 Ca 488/08
(Ar­beits­ge­richt Bay­reuth - Kam­mer Hof -)

Verkündet am: 31.03.2010

H…
Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le


Lan­des­ar­beits­ge­richt Nürn­berg


Im Na­men des Vol­kes

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

K… V…

 

- Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:
Rechts­anwälte T… & W…

 

g e g e n

E… I… als In­sol­venz­ver­wal­ter über das Vermögen
der Fa. N… B… und H… e.K.,
In­ha­ber B… N…

 

- Be­klag­ter und Be­ru­fungskläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter:
Rechts­an­walt E… I…

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hat die 3. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nürn­berg auf Grund der münd­li­chen Ver-hand­lung vom 10. Fe­bru­ar 2010 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Lan­des­ar­beits­ge­richts Dr. F e i c h t i n g e r und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter We­ber und Rieg­ler

für Recht er­kannt:

1. Die Be­ru­fung des Be­klag­ten ge­gen das En­dur­teil des Ar­beits­ge-richts Bay­reuth, Kam­mer Hof, vom 14.07.2009, Az.: 1 Ca 488/08, wird auf Kos­ten des Be­ru­fungsführers zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob dem be­klag­ten In­sol­venz­ver­wal­ter ge­gen den Kläger als ehe­ma­li­gen Ar­beit­neh­mer der Schuld­ne­rin in­fol­ge In­sol­venz­an­fech­tung ein Rück­gewähran­spruch nach § 143 In­sO zu­steht.

Der am 14.01.1964 ge­bo­re­ne Kläger war in der Zeit vom 03.11.2003 bis 15.06.2007 bei der Fir­ma N… B… und H… e.K. beschäftigt; der Be­klag­te ist In­sol­venz­ver­wal­ter über de­ren Vermögen. Das In­sol­venz­ver­fah­ren wur­de mit Be­schluss des Amts­ge­richts Hof vom 10.09.2007 eröff­net, nach­dem die A… B… als Gläubi­ge­rin am 10.07.2007 In­sol­venz­an­trag ge­gen die Schuld­ne­rin ge­stellt hat­te.

Die Schuld­ne­rin hat­te die Löhne/Gehälter für ih­re Mit­ar­bei­ter be­reits im Jahr 2006 je­weils zeit­ver­setzt be­zahlt; we­gen der Ein­zel­hei­ten der zeit­li­chen Verzöge­rung wird auf die Dar­stel­lung des Be­klag­ten im Schrift­satz vom 02.06.2009 (Bl. 178 d.A.) ver­wie­sen. Als im April 2007, zu­min­dest bei ei­nem Großteil der Mit­ar­bei­ter, Vergütungs­zah­lun­gen ab Ja­nu­ar 2007 aus­stan­den, kam es we­gen die­ses The­mas zu ei­ner Be­triebs­ver­samm­lung. Ob

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der Kläger an die­ser Be­triebs­ver­samm­lung teil­nahm ist zwi­schen den Par­tei­en strit­tig. Der Kläger er­hielt sei­ne Net­to­vergütung für die Mo­na­te Ja­nu­ar bis März 2007, in Höhe von ins­ge­samt 5.863,20 EUR net­to in meh­re­ren Teil­zah­lun­gen erst am 04., 07., und 10.05.2007. Die­se Zah­lun­gen wur­den von dem Be­klag­ten als In­sol­venz­ver­wal­ter mit Schrei­ben vom 01.10.2007 gemäß § 130 In­sO an­ge­foch­ten. Der Be­klag­te stützt die An­fech­tung fer­ner auf § 133 Abs. 1 In­sO.

Der Kläger hat vor­ge­tra­gen, er ha­be im Zeit­punkt des Er­halts der streit­ge­genständ­li­chen Vergütungs­zah­lun­gen kei­ne Kennt­nis da­von ge­habt, dass die Schuld­ne­rin be­reits zah­lungs­unfähig ge­we­sen sei, auch be­strei­te er, dass zu die­sem Zeit­punkt be­reits Zah­lungs­unfähig­keit be­stan­den ha­be. An der Be­triebs­ver­samm­lung im April 2007 ha­be er nicht teil­ge­nom­men, da er sich im Ur­laub be­fun­den ha­be. Selbst wenn er aber im Mai 2007 bei der Aus­zah­lung der streit­ge­genständ­li­chen Gehälter ge­wusst hätte, dass die Schuld­ne­rin ge­genüber ei­nem Großteil der Beschäftig­ten eben­falls mit Ge­halts­zah­lun­gen im Rück­stand ge­we­sen sei, recht­fer­ti­ge ei­ne sol­che Kennt­nis nicht die In­sol­venz­an­fech­tung. Als Ar­beit­neh­mer ha­be er we­der Ein­blick in die Fi­nanz­buch­hal­tung des Un­ter­neh­mens ge­habt noch Lei­tungs­auf­ga­ben im kaufmänni­schen Be­reich wahr­ge­nom­men. Es sei ihm da­her nicht möglich ge­we­sen, zu er­ken­nen, ob bei der Schuld­ne­rin nur Zah­lungs­schwie­rig­kei­ten bzw. Zah­lungs­sto­ckun­gen oder be­reits Zah­lungs­unfähig­keit vor­ge­le­gen ha­be. Der tägli­che Ar­beits­ab­lauf zu Be­ginn des Mo­nats Mai 2007 und auch noch bis ca. ei­ne Wo­che vor Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ha­be kei­ne Rück­schlüsse auf ei­ne dro­hen­de In­sol­venz oder Zah­lungs­unfähig­keit zu­ge­las­sen. Bis An­fang/Mit­te Ju­ni 2007 hätten Lie­fe­ran­ten Wa­ren an die Schuld­ne­rin ge­gen Rech­nung ge­lie­fert, so bei­spiels­wei­se die Fir­men B…, Nie­der­las­sung Z… oder H…, Ho…. Auch in der Ver­gan­gen­heit sei es im Übri­gen wie­der­holt zu Verzöge­run­gen der Lohn­zah­lun­gen ge­kom­men. Die je­weils rückständi­gen Gehälter sei­en dann je­doch im­mer ord­nungs­gemäß nach­ge­zahlt wor­den.

Der Kläger hat be­an­tragt:

Es wird fest­ge­stellt, dass der Be­klag­te kei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung von Ar­beits­ent­gelt der Mo­na­te Ja­nu­ar 2007, Fe­bru­ar 2007 und März 2007 in Höhe von EUR 5.863,20 ge­gen den Kläger hat.

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Der Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.


Der Be­klag­te hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Schuld­ne­rin sei im Mai 2007 be­reits zah­lungs­unfähig ge­we­sen, da die Kre­dit­li­nie bei der Spar­kas­se F… na­he­zu aus­geschöpft ge­we­sen sei und auf der an­de­ren Sei­te je­den­falls Ver­bind­lich­kei­ten von mehr als rund drei Mil­lio­nen Eu­ro be­stan­den hätten. Der Kläger ha­be zwar nicht po­si­tiv Kennt­nis von der Zah­lungs­unfähig­keit der Schuld­ne­rin ge­habt, je­doch ge­wusst, dass sei­ne Vergütung und auch die Vergütung sei­ner Ar­beits­kol­le­gen mit drei­mo­na­ti­ger Ver­spätung be­zahlt wor­den sei, teil­wei­se noch da­zu in Ra­ten. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­ho­fes ha­be der Kläger hier­aus zwin­gend auf die Zah­lungs­unfähig­keit der Schuld­ne­rin schließen müssen, zu­mal auch der In­sol­venz­geld­zeit­raum von drei Mo­na­ten zu die­sem Zeit­punkt ab­ge­lau­fen ge­we­sen sei. Ei­ne Gläubi­ger­be­nach­tei­li­gung durch den Schuld­ner lie­ge vor, da die­ser die rückständi­gen Löhne nach Gus­to aus­be­zahlt ha­be; auch dies­bezüglich sei die Kennt­nis des Klägers von die­ser Be­nach­tei­li­gungs­ab­sicht zu ver­mu­ten.

Nach­dem das Bun­des­ar­beits­ge­richt mit Be­schluss vom 31.07.2009 die Rechts­be­schwer­de des Be­klag­ten ge­gen den den Rechts­weg be­ja­hen­den Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nürn­berg vom 08.12.2008 zurück­ge­wie­sen hat, hat das Ar­beits­ge­richt mit En­dur­teil vom 14.07.2009 fest­ge­stellt, dass der Be­klag­te kei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung von Ar­beits­ent­gelt der Mo­na­te Ja­nu­ar, Fe­bru­ar und März 2007 in Höhe von 5.863,20 EUR ge­genüber dem Kläger hat.

Das Erst­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung im Kern wie folgt be­gründet:

Die zulässi­ge Kla­ge sei be­gründet. Der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen sei rechts­kräftig ent­schie­den. Da der Be­klag­te ei­nen An­spruch ge­gen den Kläger aus § 143 In­sO gel­tend ma­che, sei die ne­ga­ti­ve Fest­stel­lungs­kla­ge auch gemäß § 256 Abs. 1 ZPO be­gründet. Dem Be­klag­ten ste­he ein sol­cher Rück­gewährungs­an­spruch je­doch nicht zu. Die Kam­mer fol­ge der Auf­fas­sung des Bun­des­ge­richts­hofs (Ur­teil vom 19.02.2009 – IX ZR 62/08 – ZIP 2009, 526), wo­nach aus dem Um­stand, dass der Ar­beit-

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neh­mer, dem in der Kri­se noch Zah­lun­gen auf rückständi­ge Lohn­for­de­run­gen er­bracht würden und der wis­se, dass die­ser Ar­beit­ge­ber außer­dem noch an­de­ren Ar­beit­neh­mern Lohn schul­dig sei, nicht ge­schlos­sen wer­den könne, dass die­ser Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des § 130 Abs. 2 In­sO Kennt­nis von Umständen ha­be, die zwin­gend auf die Zah­lungs­unfähig­keit sei­nes Ar­beit­ge­bers schließen ließen. Ei­ne sol­che Kennt­nis sei zu ver­nei­nen, so­lan­ge der Ar­beit­neh­mer, der re­gelmäßig kei­nen Über­blick über die fi­nan­zi­el­le Ge­samt­si­tua­ti­on des Ar­beit­ge­bers ha­be, nur Schluss­fol­ge­run­gen all­ge­mei­ner Art wie die auf Zah-lungs­schwie­rig­kei­ten, Zah­lungs­sto­ckun­gen oder ei­ne Ten­denz zum Vermögens­ver­fall zie­hen könne. Er­for­der­lich sei, dass der Ar­beit­neh­mer zum Zeit­punkt der später an­ge­foch­te­nen Zah­lun­gen wis­se, dass der Schuld­ner von sei­nen als fällig ein­ge­for­der­ten Ver­bind­lich­kei­ten ei­nen nicht un­we­sent­li­chen Teil der­zeit nicht erfüllen könne und auch kei­ne kon­kre­te Aus­sicht be­ste­he, hierfür aus­rei­chen­de und ver­wend­ba­re Geld­mit­tel in den nächs­ten drei Wo­chen zu er­lan­gen. Wen­de man die­se Grundsätze im vor­lie­gen­den Fall an, so sei, selbst wenn man die vom Kläger be­strit­te­ne Zah­lungs­unfähig­keit der Schuld­ne­rin An­fang Mai 2007 und des Wei­te­ren die Kennt­nis da­von, dass der Schuld­ner zum Zah­lungs­zeit­punkt nicht nur ihm, son­dern auch ei­nen Großteil sei­ner Ar­beits­kol­le­gen Löhne schul­dig ge­blie­ben sei, un­ter­stel­le, nicht von ei­ner Kennt­nis im Sin­ne des § 130 Abs. 2 In­sO aus­zu­ge­hen. Denn es sei we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich, dass der Kläger et­wa, über die Kennt­nis er­heb­li­cher Lohnrückstände ihm bzw. sei­nen Ar­beits­kol­le­gen ge­genüber hin­aus, Kennt­nis von der ge­sam­ten Vermögens­si­tua­ti­on, ins­be­son­de­re an­der­wei­ti­gen Ver­bind­lich­kei­ten ge­habt hätte. Un­wi­der­spro­chen tra­ge er darüber hin­aus vor, bis An­fang/Mit­te Ju­li 2007 hätten Lie­fe­ran­ten noch auf Rech­nung an die Schuld­ne­rin ge­lie­fert. Zie­he man dann noch in Be­tracht, dass, aus­weis­lich des Sach­vor­trags der Be­klag­ten, die Schuld­ne­rin auch be­reits im Jah­re 2006 im­mer wie­der verzöger­te, letzt­lich dann aber doch vollständig die Vergütun­gen der Mit­ar­bei­ter be­zahlt hätte, so dürf­te der Kläger zum Zeit­punkt der an­ge­foch­te­nen Zah­lun­gen noch von ei­ner bloßen Zah­lungs­klem­me aus­ge­hen, er muss­te nicht be­reits zwin­gen­den Schluss auf ei­ne Zah­lungs­unfähig­keit der Schuld­ne­rin zie­hen. Da­mit lägen die sub­jek­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen des § 130 Abs. 2 In­sO nicht vor, so­dass der Be­klag­te die an­ge­grif­fe­nen Zah­lun­gen nicht ha­be mit Er­folg an­fech­ten können. Dies gel­te auch für die An­fech­tungs­vor­schrift des § 133 Abs. 1 In­sO. Kennt­nis im Sin­ne des § 133 Abs. 1 Satz 2 In­sO von der dro­hen­den Zah­lungs­unfähig­keit könne aus den vor­ste­hen­den Gründen beim Kläger eben­falls nicht an­ge­nom­men wer­den.

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Mit der beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Nürn­berg am 16.07.2009 ein­ge­gan­ge­nen und am 30.09.2009 be­gründe­ten Be­ru­fung – die Be­ru­fungs­be­gründungs­frist war bis zu die­sem Tag verlängert wor­den – ver­folgt der Be­klag­te sein Ver­fah­rens­ziel auf Kla­ge­ab­wei­sung wei­ter. We­gen sei­nes Be­ru­fungs­vor­brin­gens wird auf die Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift vom 24.09.2009 so­wie die Schriftsätze vom 25.11.2009 und 12.01.2010 Be­zug ge­nom­men.

Der Be­ru­fungskläger und Be­klag­te be­an­tragt:

I. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bay­reuth vom 14.07.09 wird auf­ge­ho­ben.

II. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

III. Der Kläger trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens.

IV. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 


Der Be­ru­fungs­be­klag­te und Kläger be­an­tragt:


Die Be­ru­fung wird ab­ge­wie­sen.


Hilfs­wei­se wird für den Fall des Un­ter­lie­gens be­an­tragt,


die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen.


Hin­sicht­lich des Be­ru­fungs­vor­brin­gens des Be­klag­ten wird auf die Be­ru­fungs­be­ant­wor­tung vom 20.11.2009 so­wie den Schrift­satz vom 04.01.2010 Be­zug ge­nom­men.

Von ei­ner wei­ter­ge­hen­den Dar­stel­lung des Tat­be­stan­des wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab­ge­se­hen.


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Ent­schei­dungs­gründe:


Die zulässi­ge Be­ru­fung bleibt in der Sa­che oh­ne Er­folg.

I.

In ver­fah­rens­recht­li­cher Hin­sicht ist das Be­ru­fungs­ge­richt an den vom Erst­ge­richt an­ge­nom­me­nen Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ge­bun­den (§ 17 a Abs. 5 GVG, § 48 ArbGG).

II.

Dem Be­klag­ten steht der er­ho­be­ne in­sol­venz­recht­li­che Rück­gewähran­spruch (§ 143 In­sO), der auf die Zah­lun­gen der Schuld­ne­rin vom 04., 07. und 10.05.2007 gestützt wird, nicht zu. Dem ne­ga­ti­ven Fest­stel­lungs­an­trag des Klägers war da­mit statt­zu­ge­ben. Das Be­ru­fungs­ge­richt folgt zunächst den zu­tref­fen­den Dar­le­gun­gen des Erst­ge­richts, de-nen es sich in vol­lem Um­fang an­sch­ließt. Ergänzend sind zu den in der Be­ru­fung er­ho­be­nen Einwände fol­gen­de Ausführun­gen ver­an­lasst:

1. a) Aus Gründen des Ver­kehrs­schut­zes wird der Gläubi­ger der De­ckungs­an­fech­tung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 In­sO erst aus­ge­setzt, wenn er die Zah­lungs­unfähig­keit des Schuld­ners (oder den In­sol­venz­an­trag) im maßgeb­li­chen Zeit­punkt (§ 140 In­sO) kennt. Dies hat das Erst­ge­richt zu Recht ver­neint. Kennt der Gläubi­ger die Zah­lungs­ein­stel­lung, ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 In­sO auch sei­ne Kennt­nis der Zah­lungs­unfähig­keit an­zu­neh­men. Denn die dort for­mu­lier­te Ver­mu­tung gilt auch im Rah­men des In­sol­venz­an­fech­tungs­rechts (BGH vom 12.10.2006 – IX ZR 228/03 – ZIP 2006, 2222). Kennt­nis be­deu­tet im All­ge­mei­nen ein für si­cher ge­hal­te­nes Wis­sen. Der Gläubi­ger kennt die Zah­lungs­unfähig­keit oder die Zah­lungs­ein­stel­lung als kom­ple­xe Rechts­be­grif­fe nur, wenn er die Li­qui­dität oder das Zah­lungs­ver­hal­ten des

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Schuld­ners we­nigs­tens lai­en­haft be­wer­ten kann. Nach § 130 Abs. 2 In­sO steht der Kennt­nis der Zah­lungs­unfähig­keit oder des Eröff­nungs­an­tra­ges die Kennt­nis von Umständen gleich, die zwin­gend auf die Zah­lungs­unfähig­keit oder den Eröff­nungs­an­trag schließen las­sen. Vor­aus­ge­setzt wird, dass der In­sol­venzgläubi­ger die tatsächli­chen Umstände kennt, aus de­nen bei zu­tref­fen­der recht­li­cher Be­wer­tung die Zah­lungs­unfähig­keit zwei­fels­frei folgt, dann ver­mag er sich nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, dass er den an sich zwin­gen­den Schluss von den Tat­sa­chen auf den Rechts­be­griff nicht selbst ge­zo­gen ha­be (BAG vom 19.02.2009 – IX ZR 62/08 – ZIP 2009, 526).

b) Die Kennt­nis ein­zel­ner Tat­sa­chen, die für ei­ne Zah­lungs­ein­stel­lung oder Zah­lungs­unfähig­keit spre­chen, kann des­halb nicht genügen, wenn sich nur die un­ge­wis­se Möglich­keit ei­ner Zah­lungs­unfähig­keit befürch­ten las­sen. Der zwin­gen­de Schluss aus den In­di­ztat­sa­chen auf die Zah­lungs­unfähig­keit kann viel­mehr nur ge­zo­gen wer­den, wenn sich ein red­lich Den­ken­der, der vom Ge­dan­ken auf den ei­ge­nen Vor­teil nicht be­ein­flusst ist, an­ge­sichts der ihm be­kann­ten Tat­sa­chen der Ein­sicht nicht ver­sch­ließen kann, der Schuld­ner sei zah­lungs­unfähig (HK-In­sO/Kreft, 5. Aufl. § 130 Rn. 29). Mi­sche sich in die Vor­stel­lun­gen des Gläubi­gers – wenn auch mögli­cher­wei­se irrtümlich – Tat­sa­chen, die bei ei­ner Ge­samt­be­trach­tung den Schluss auf die Zah­lungs­unfähig­keit des Schuld­ners nicht zwin­gend na­he­le­gen, fehlt dem Gläubi­ger die ent­spre­chen­de Kennt­nis. Be­wer­tet er hin­ge­gen das ihm vollständig be­kann­te Tat­sa­chen­bild, das ob­jek­tiv die An­nah­me der Zah­lungs­unfähig­keit ge­bie­tet, falsch, kann er sich nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, dass er die­sen Schluss nicht ge­zo­gen ha­be (BAG vom 19.02.2009 – IX ZR 62/08 – a.a.O.).

c) Aus­ge­hend von die­sen Grundsätzen ist der Um­stand, dass der Kläger im Mai 2007 Kennt­nis über die Höhe sei­ner ei­ge­nen For­de­run­gen von meh­re­ren Mo­natslöhnen (Ja­nu­ar bis März 2007) hat­te und wuss­te, dass die Schuld­ne­rin ge­genüber ei­nem Großteil der übri­gen Beschäftig­ten eben­falls mit der Erfüllung von Lohn- und Ge­halts­zah­lun­gen – in un­ter­schied­li­chem Um­fang – in Rück­stand ge­ra­ten war, vor­lie­gend nicht ge­eig­net von ei­ner Er­kennt­nis im Sin­ne des § 130 In­sO aus­zu­ge­hen. Denn an­ders als bei in­sti­tu­tio­nel­len Gläubi­gern oder Gläubi­gern mit „In­si­der­kennt­nis­sen“, wird der Über­blick ei­nes Ar­beit­neh­mers ins­be­son­de­re wenn er we­der in der Fi­nanz­buch­hal­tung des Un­ter­neh­mens ein­ge­setzt ist noch Lei­tungs­auf­ga­ben im kaufmänni­schen

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Be­reich wahr­zu­neh­men hat, in al­ler Re­gel be­grenzt sein und nur Schluss­fol­ge­run­gen all­ge­mei­ner Art wie die­je­ni­ge auf Zah­lungs­schwie­rig­kei­ten, Zah­lungs­sto­ckun­gen oder ei­ne Ten­denz zum Vermögens­ver­fall zu­las­sen (BGH vom 19.02.2009 – IX ZR 62/08 – a.a.O. mit wei­te­ren Nach­wei­sen). Die Vor­schrif­ten des § 130 Abs. 2 In­sO ver­langt viel­mehr Kennt­nis­se von den kon­kre­ten Umständen, die ein ein­deu­ti­ges Ur­teil über die Li­qui­ditäts­ge­samt­la­ge des Un­ter­neh­mens ermögli­chen. Die Kennt­nis des Klägers von den Lohnrückständen der Schuld­ne­rin, nicht nur ihm son­dern auch ei­nem Großteil sei­ner Ar­beits­kol­le­gen ge­genüber, ver­schaff­te ihm je­doch noch nicht den er­for­der­li­chen Ge­samtüber­blick über die Li­qui­ditäts- oder Zah­lungs­la­ge des schuld­ne­ri­schen Un­ter­neh­mens. Ins­be­son­de­re war für ihn nicht er­kenn­bar, wel­chen An­teil die Lohnrückstände an den ins­ge­samt fälli­gen und ein­ge­for­der­ten Geld­schul­den hat­ten (BAG vom 19.02.2009 – IX ZR 62/08 – a.a.O.). Darüber hin­aus ist zu berück­sich­ti­gen, dass bis An­fang/Mit­te Ju­ni 2007 Lie­fe­ran­ten noch auf Rech­nung an die Schuld­ne­rin Ma­te­ria­li­en ge­lie­fert hat­ten.

2. Ei­ne An­fech­tung nach § 133 Abs. 1 In­sO schei­det eben­falls aus. In­so­weit fehlt es je­den­falls an der hierfür er­for­der­li­chen Kennt­nis des Klägers von ei­nem Be­nach­tei­li­gungs­vor­satz der Schuld­ne­rin. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 In­sO wird die­se Kennt­nis ver­mu­tet, wenn der An­fech­tungs­geg­ner bei Vor­nah­me der Hand­lung wuss­te, dass die Zah­lungs­unfähig­keit des Schuld­ners droh­te und die Hand­lung die Gläubi­ger be­nach­tei­lig­te. Da­von kann un­ter Berück­sich­ti­gung der un­ter II. 1. dar­ge­leg­ten Gründe nicht aus­ge­gan­gen wer­den.


Nach al­le­dem war die Be­ru­fung mit der Kos­ten­fol­ge des § 97 ZPO zurück­zu­wei­sen.

Die Re­vi­si­on wird gemäß § 72 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG zu­ge­las­sen.

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Ge­gen die­ses Ur­teil kann der Be­klag­te Re­vi­si­on ein­le­gen.

Für den Kläger ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Frist von ei­nem Mo­nat ein­ge­legt und in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten be­gründet wer­den.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung des Ur­teils.

Die Re­vi­si­on muss beim

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Post­an­schrift:
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Te­le­fax-Num­mer:
0361 2636-2000

ein­ge­legt und be­gründet wer­den.

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

Es genügt auch die Un­ter­zeich­nung durch ei­nen Be­vollmäch­tig­ten der Ge­werk­schaf­ten und von Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie von Zu­sam­men­schlüssen sol­cher Verbände
- für ih­re Mit­glie­der
- oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der

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oder

von ju­ris­ti­schen Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich in wirt­schaft­li­chem Ei­gen­tum ei­ner der im vor­ge­nann­ten Ab­satz be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen,
- wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt
- und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In je­dem Fall muss der Be­vollmäch­tig­te die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Zur Möglich­keit der Re­vi­si­ons­ein­le­gung mit­tels elek­tro­ni­schen Do­ku­ments wird auf die Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ar­beits­ge­richt vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hin­ge­wie­sen. Ein­zel­hei­ten hier­zu un­ter
http://www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de

 

 


Dr. Feicht­in­ger, Vi­ze­präsi­dent des Lan­des­ar­beits­ge­richts

We­ber, eh­ren­amt­li­cher Rich­ter


Rieg­ler, eh­ren­amt­li­cher Rich­ter

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