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ArbG Paderborn, Urteil vom 07.07.2010, 2 Ca 392/10
Schlagworte: | Kündigung | |
Gericht: | Arbeitsgericht Paderborn | |
Aktenzeichen: | 2 Ca 392/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 07.07.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
Arbeitsgericht Paderborn, 2 Ca 392/10
Tenor:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 19.02.2010 nicht beendet wurde.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 11.700,00 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über eine fristlose und hilfsweise fristgerechte Kündigung des Beklagten.
Der Kläger ist seit dem 01.01.2010 gemäß dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 15.01.2010 (Bl. 11/12 d. A.) bei dem Beklagten beschäftigt. Das vereinbarte Bruttomonatsgehalt des Klägers beträgt 3.900,00 € zuzüglich Spesen.
In dem schriftlichen Arbeitsvertrag trafen die Parteien u. a. noch folgende Regelungen:
§ 2 Kündigung
1. Das Anstellungsverhältnis ist unbefristet.
2. Eine Probezeit entfällt.
3. Das Arbeitsverhältnis kann frühestens nach zwei Jahren von seitens des Arbeitgebers beendet werden es sei den in beiderseitigem Einverständnis
4. Das Recht zur außerordlichen Kündigung bleibt unberührt. Eine fristlose Kündigung gilt für den Fall der Unwirksamkeit als fristgerechte Kündigung zum nächstzulässigen Termin.
...
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§ 7 Schlussbestimmungen
1. Mündliche Nebenabsprachen zu diesem Vertrag bestehen nicht. Ergänzungen oder Veränderungen bedürfen der Schriftform.
...
Der Kläger ist der einzige Arbeitnehmer des Beklagten.
Der Beklagte übt seine geschäftliche Tätigkeit auf dem Betriebsgelände der Firma A2 12 M2 GmbH & Co. KG aus. Der Beklagten nahm erst vor kurzem seine geschäftliche Tätigkeit auf und kauft seit dem 01.01.2010 Schrott in Polen ein und verkauft diesen in Deutschland weiter. Hauptabnehmer und Kunde des Beklagten ist hierbei die Firma M2, die dem Beklagten ca. 90 % des Warenimportes abkauft. Die restlichen 10 % entfallen auf kleinere Kunden.
Vor seiner Beschäftigung bei dem Beklagten war der Kläger seit dem 01.02.2002 Arbeitnehmer der Firma A2 M2 GmbH & Co. KG. Im Rahmen seiner Beschäftigung bei der Firma M2 unterzeichnete der Kläger u. a. eine Verschwiegenheitserklärung unter dem 05.06.2002 (Bl. 79 d. A.). Der Kläger war bei der Firma M2 zunächst als Disponent tätig, wobei sich sein Arbeitsplatz im sogenannten W4 befand. An seinem Arbeitsplatz befand sich auch ein Telefonbuch, in das die Ansprechpartner bei Kunden mit Telefonnummer eingetragen wurden. Die weiteren Einzelheiten zu dem Telefonbuch sind zwischen den Parteien streitig. Im Jahr 2006 kam es zu krankheitsbedingten Ausfallzeiten des Klägers. Ab Mitte 2006 übernahm der Sohn des Geschäftsführers A2 M2 jun. die Tätigkeit des Klägers, wobei er dessen Telefonbuch allerdings nicht nutzte. Im Jahr 2008 kündigte die Firma M2 das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis. Da sich die Kündigung im arbeitsgerichtlichen Verfahren als unwirksam erwies, führte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit der Firma M2 seit dem 01.12.2008 wieder fort. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Kläger als Fuhrparkleiter beschäftigt und hatte im Rahmen seiner Tätigkeit keine Kundenkontakte mehr.
Im Rahmen der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Beklagten und der Firma M2 vermittelte diese den Kläger an den Beklagten. Zeitgleich mit dem Arbeitsvertrag vom 15.01.2010 schlossen der Kläger und die Firma M2 einen Aufhebungsvertrag zum 31.12.2009 (Bl. 43-45 d. A.). Der Aufhebungsvertrag enthält unter § 4 "Betriebsgeheimnisse" die Regelung, dass sich der Kläger verpflichtet, alle ihm während seiner Tätigkeit bekannt gewordenen betriebsinternen Angelegenheiten, vor allem Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, geheim zu halten.
Nach dem Wechsel des Klägers zu dem Beklagten räumte der Beklagte den Schreibtisch des Klägers bei der Firma M2 aus. Die Unterlagen des Klägers legte der Beklagte in einen Karton. Diese sollten später verbrannt werden. Einige Tage nach Aufnahme seiner Arbeit bei dem Beklagten am 18.01.2010 fragte der Kläger den Beklagten nach "seinem" Telefonbuch. Der Beklagte sagte daraufhin, dieses sei wohl verbrannt worden. Der Kläger sprach daraufhin den Mitarbeiter der Firma M2 N2 auf das Telefonbuch an. Dieser teilte dem Kläger mit, dass sich dessen Unterlagen noch im Heizungsraum befänden und bislang noch nicht verbrannt worden seien. Daraufhin wurde das Telefonbuch aus dem Heizungsraum geholt und von dem Kläger in Besitz genommen.
Im Rahmen seiner Tätigkeit für den Beklagten kontaktierte der Kläger verschiedene Kunden der Firma M2 und unterbreitete diesen Angebote.
Am 18.02.2010 erhielt der Beklagte einen Anruf des Geschäftsführers der Firma M2,
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A2 M2 sen., der sehr aufgebracht war und den Beklagten anschrie, dass er die Geschäftsbeziehung sofort beenden wolle. Kurz darauf fand ein Gespräch des Beklagten mit Herrn M2 sen. statt, der dem Beklagten vorwarf, er habe versucht, Stammkunden von ihm abzuwerben. Nach dem Gespräch begaben sich der Beklagte und Herr M2 sen. in das Büro des Klägers, wobei der Kläger nicht mehr anwesend war. In der Schreibtischschublade fanden sie das ehemalige Telefonbuch des Klägers von der Firma M2. Des Weiteren fanden sie diverse DVD’s des Klägers mit pornografischem Material. Auf diesen ist der Kläger u. a. dabei zu sehen, wie er sich diverse Gegenstände anal einführt. Wo die DVD’s genau aufgefunden wurden, ist zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte kontaktierte den Kläger anschließend auf dem Handy. Der Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.
Mit zwei Schreiben vom 19.02.2010, welche dem Kläger am 20.02.2010 und am 23.02.2010 zugingen, kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß. Gegen die Kündigung hat der Kläger mit einem am 26.02.2010 per Fax eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben.
Der Kläger bestreitet das Vorliegen von Kündigungsgründen. Insbesondere könne der Beklagte wegen der Regelung in § 2 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages frühestens nach zwei Jahren kündigen. Gründe für eine fristlose Kündigung lägen jedoch nicht vor. Der Beklagte könne dem Kläger nicht vorwerfen, er habe das Telefonbuch bei der Firma M2 entwendet. Vielmehr habe der Kläger das Telefonbuch selbst vor ca. acht Jahren angeschafft und es auch geführt. Der Kläger habe bis zuletzt bei der Firma M2 mit diesem Telefonbuch gearbeitet. Im Januar 2009 habe Herr M2 jun. dem Kläger Kartons mit Unterlagen in sein neues Büro gebracht, wobei sich in den Kartons auch das Telefonbuch des Klägers befunden habe. Nach dem Wechsel zu dem Beklagten habe der Kläger den Mitarbeiter der Firma M2 N2 gebeten, das Telefonbuch zurückzubringen, sofern dies noch nicht verbrannt worden sei. Dies habe Herr N2 getan, wobei der Kläger Herrn N2 auch Dankbarkeit ein Mittagessen ausgegeben habe. Der Kläger habe dies auch dem Beklagten erzählt, der sich gefreut habe und den Kläger aufgefordert habe, die im Telefonbuch aufgeführten Kunden zu kontaktieren. Der Beklagte habe den Kläger auch ausdrücklich aufgefordert, geschäftliche Kontakte zu früheren Kunden der Firma M2 herzustellen. Zu diesem Zweck habe der Beklagte sich Kontaktadressen vom Kläger geben lassen und sei per E-Mail mit den Kunden in Verbindung getreten, da es noch keine Firmen-E-Mail-Adresse gegeben habe. Beim Ausscheiden des Klägers bei der Firma M2 und der Einstellung bei dem Beklagten sei es zu keinem Zeitpunkt Thema gewesen, dass der Kläger nicht an Kunden der Firma M2 herantreten dürfe. Vielmehr seien solche Kontakte ausdrücklich von dem Beklagten gewünscht gewesen. Der Beklagte habe den Kläger auch aufgefordert, nach neuen Büroräumen zu suchen, damit der Geschäftsführer der Firma M2 ihm nicht ständig "über die Schulter schaue". Zu diesem Zwecke habe der Kläger noch am 18. und 19.02.2010 Büroräume besichtigt.
Am 18.02.2010 sei dann ca. um 16.30 Uhr der Geschäftsführer M2 Sen. in das Büro des Klägers gekommen und habe diesen angebrüllt, wie er denn Kunden der Firma M2 anschreiben könne. Der Kläger habe daraufhin gesagt, dies sei nicht verboten, sondern vielmehr sein Job. Der Kläger sei dann gegangen, weil der Beklagte dem Kläger schon vor Ankunft des Geschäftsführers der Firma M2 gesagt habe, der Kläger solle Feierabend machen. Die pornografischen DVD’s seien in der am Arbeitsplatz befindlichen Jacke des Klägers und nicht im Schreibtisch gewesen. Im Übrigen wiesen diese keinen verbotenen Inhalt auf. Der Kläger habe den Inhalt der DVD’s auch nicht auf dem PC am Arbeitsplatz gespeichert, wobei dieser PC ihm ohnehin erst Mitte Februar 2010 zur Verfügung gestanden habe. Kurze Zeit nachdem der Kläger am 18.02.2010 seinen Arbeitsplatz bei dem Beklagten verlassen habe, habe er einen Anruf von dem Beklagten erhalten. Der
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Beklagte habe ihm gesagt, er werde "A6" (den Geschäftsführer der Firma M2) schon wieder beruhigen und der Kläger solle in jedem Fall ein neues Büro suchen. Nach Zugang der Kündigung habe der Kläger dann aber den Beklagten angerufen und diesen gefragt, was das denn solle. Der Beklagte habe dem Kläger gesagt, man werde sich Montag zusammensetzen und über alles sprechen. Dies sei jedoch nicht erfolgt.
Nach der Übergabe von zwei Büroschlüsseln im Kammertermin am 07.07.2010 haben beide Parteien den Widerklageantrag übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die arbeitgeberseitige, fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung vom 19.02.2010, zugestellt sowohl am 20.02.2010, als auch am 23.02.2010, nicht beendet worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, die fristgerechte Kündigung sei wirksam. Der Kläger sei seinerzeit bei der Einstellung durch die Firma M2 von dem Geschäftsführer beauftragt worden ein neues Telefonbuch anzulegen. Dieses Telefonbuch sei von der Firma M2 angeschafft und gezahlt worden. Im Laufe der Zeit seien von verschiedenen Mitarbeitern Eintragungen vorgenommen worden. Mit Übernahme der Tätigkeit des Klägers durch Herrn M2 jun. sei das Telefonbuch in Vergessenheit geraten, aber jedoch noch weiter geführt worden. Als der Kläger zuletzt bei der Firma M2 als Fuhrparkleiter tätig war, sei das Telefonbuch an seinem früheren Arbeitsplatz verblieben, dem das Buch zugeordnet gewesen sei. Während der Tätigkeit als Fuhrparkleiter habe der Kläger dann offensichtlich sein altes Telefonbuch entwendet.
Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages zwischen dem Kläger und der Firma M2 sowie des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien sei im Vorfeld intensiv mit dem Kläger darüber gesprochen worden, dass Voraussetzung sei, dass der Kläger die erlangten Kundenkontakte aus der Zeit bei der Firma M2 nicht nutzen und auch keine Kunden abwerben solle. Dies sei auch nochmals Anfang Januar 2010 im Beisein des Geschäftsführers der Firma M2 mit und zwischen den Parteien besprochen worden. Dem Beklagten sei von dem Geschäftsführer der Firma M2 auch mitgeteilt worden, dass er ausschließlich Kunden aus Norddeutschland ansprechen dürfe, da es sich hierbei nicht um ein Einzugsgebiet der Firma M2 handele. Dem Kläger sei mitgeteilt worden, dass bei Zuwiderhandlungen kein Arbeitsvertrag geschlossen werde. In einem weiteren Gespräch am 15.01.2010 zwischen den Parteien im Beisein des Geschäftsführers der Firma M2 habe der Beklagte dem Kläger nochmals mitgeteilt, dass er keine Kunden der Firma M2 abwerben dürfe, weil sonst die Firma M2 alle Geschäftsbeziehungen zu ihm abbreche und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dann nicht möglich sei. Der Kläger habe dies dem Beklagten versichert. Anschließend sei der schriftliche Arbeitsvertrag geschlossen worden.
Nach Aufnahme seiner Tätigkeit bei dem Beklagten sei der Kläger dann selbst in den Heizungsraum gegangen und habe sich das Telefonbuch der Firma M2 geholt. Als am 18.02.2010 der Beklagte und der Geschäftsführer der Firma M2 um 16 Uhr zum Büro des Klägers gegangen seien, um ihn zur Rede zu stellen, sei der Kläger förmlich geflüchtet, obwohl sein reguläres Arbeitszeitende erst um 17 Uhr gewesen wäre. Als der Beklagte gemeinsam mit Herrn M2 den Schreibtisch des Klägers durchsuchte, habe der Beklagte dann erstmalig das Telefonbuch der Firma M2 gesehen. Des Weiteren hätten sich die
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DVD’s mit dem pornografischen Material in den Schubladen des Schreibtisches des Klägers befunden. Die darauf dokumentierten Neigungen des Klägers seien eindeutig als pervers zu qualifizieren. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger den Inhalt der DVD’s auch während der Arbeitszeit sichtete. Die auf Blatt 86 und 87 der Akte gezeigten Fotos seien am 17. und 18.02.2010 auf dem Rechner des Beklagten gespeichert worden. Nach Durchsuchung des Schreibtisches des Klägers habe der Beklagte den Kläger auf seinem Handy kontaktiert. Der Beklagte habe hierbei sein Telefon wegen der Anwesenheit des Geschäftsführers Firma M2 auf Lautsprecher gestellt und diesen Umstand dem Kläger mitgeteilt. Daraufhin habe der Beklagte den Kläger in sachlicher Form mit dem Sachverhalt konfrontiert. Der Kläger habe sich inhaltlich nicht äußern wollen. Er habe lediglich gesagt: "Ich pisse auf euch alle. Ihr Arschlöcher, ihr könnt mich alle mal". Danach sei die Verbindung abgebrochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A. Die Klage ist zulässig und begründet.
Die streitgegenständliche Kündigung vom 19.02.2010 vermochte das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch fristgemäß zu beenden.
I. Die fristlose Kündigung vom 19.02.2010 ist unwirksam.
1. Der Kläger hat die dreiwöchige Klagefrist gemäß §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG eingehalten.
2. Es fehlt jedoch am Vorliegen eines wichtigen Grundes zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB.
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
a. Das unstreitige Unterbreiten von Angeboten an Kunden der Firma M2 berechtigt den Beklagten nicht zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
aa. Zunächst haben der Kläger und die Firma M2 weder im Aufhebungsvertrag noch anderswo ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gemäß §§ 74 ff. HGB vereinbart. Auch die zwischen dem Kläger und der Firma M2 vereinbarte nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht begründet keine Verpflichtung des Klägers, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses an Kunden der Firma M2 heranzutreten. Im Übrigen handelt es sich hierbei um vertragliche Regelungen zwischen dem Kläger und der Firma M2, welche für das Arbeitsverhältnis der Parteien keine unmittelbaren Auswirkungen haben.
bb. Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Beklagten zu den getroffenen Absprachen im Zusammenhang mit der Eingehung des Arbeitsverhältnisses, wonach der Kläger nicht an
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Kunden der Firma M2 herantreten dürfe.
iner Beweisaufnahme über die von dem Beklagten behaupteten Abreden vor Abschluss des Arbeitsvertrages bedurfte es nicht. Denn dem Beklagten ist es wegen der Regelungen in § 7 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages der Parteien verwehrt, sich auf die von ihm behauptete mündliche Abrede zu berufen.
Gemäß § 7 Abs. 1 des Arbeitsvertrages bestehen mündliche Nebenabsprachen zu diesem Vertrag nicht. Derartige Abreden vor Vertragsschluss behauptet der Beklagte jedoch. Es handelt sich insbesondere bei den von der Beklagten dargelegten Absprachen nicht lediglich um Arbeitsanweisungen durch den Beklagten, sondern vielmehr um Abreden im Zusammenhang mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages der Parteien. Denn die von dem Beklagten behaupteten Gespräche fanden alle vor Abschluss des Arbeitsvertrages der Parteien statt. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch kein arbeitsvertragliches Weisungsrecht, welches der Beklagte gegenüber dem Kläger hätte ausüben können. Vielmehr ging es nach dem Vortrag des Beklagten ihm und dem Geschäftsführer der Firma M2 darum, die Voraussetzungen für den Abschluss eines Arbeitsverhältnisses der Parteien festzulegen. Nach den Ausführungen des Beklagten sollte die Absprache, dass keine Kunden der Firma M2 abgeworben werden, sozusagen Geschäftsgrundlage für das Arbeitsverhältnis der Parteien seien.
Eine derartige Abrede findet sich jedoch in dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien nicht wieder. Wegen der Regelung und § 7 Abs. 1 des Arbeitsvertrages kann sich der Beklagte auch nicht auf die von ihm behauptete Absprache der Parteien berufen. Da es sich bei den Regelungen des schriftlichen Arbeitsvertrages um allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB handelt, ist es dem Beklagten als Verwender der allgemeinen Geschäftsbedingungen zudem verwehrt, sich auf eine etwaige Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung in § 7 Abs. 1 zu berufen (vgl. BAG vom 27.10.2005 - 8 AZR 3/05 - AP BGB § 310 Nr. 5).
Allein die Unterbreitung von Angeboten an Kunden der Firma M2 durch den Kläger rechtfertigt allein vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Firma M2 unstreitig um den größten Kunden des Beklagten handelt, nicht die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Insbesondere ist nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer grundsätzlich frei, seinem ehemaligen Arbeitgeber Wettbewerb zu machen. Dass es sich bei seinem Verhalten um eine Pflichtverletzung handeln könnte, war aus Sicht des Klägers damit überhaupt nicht erkennbar. Von daher rechtfertigt das Ansprechen von Kunden der Firma M2 allenfalls nach einer vorherigen Abmahnung die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung ist daher unwirksam.
b. Der Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der fristlosen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB auch nicht darauf berufen, dass der Kläger das bei der Firma M2 verwendete Telefonbuch an sich nahm und die darin befindlichen Informationen weiter verwendete.
Das Telefonbuch ist nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten bei der Firma M2 bereits seit dem Jahr 2006 in Vergessenheit geraten. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien stand das Buch bereits im Heizungskeller zur Verbrennung bereit. Von daher hat es nach Auffassung der Kammer nicht das Gewicht eines wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB, wenn der Kläger sein (ehemaliges) Telefonbuch vor der Verbrennung bewahrt und an sich nimmt. Insbesondere ist unabhängig von den Eigentumsverhältnissen hinsichtlich des Telefonbuchs dieses Verhalten nicht mit der Begehung eines Vermögensdeliktes zu Lasten des größten Kunden des Beklagten gleichzusetzen, zumal es sich bei dem Kläger zudem um den ehemaligen Arbeitnehmer
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der Firma M2 handelt.
Soweit man auf die Verwendung der sich aus dem Telefonbuch ergebenden Informationen durch den Kläger abstellt, ergibt sich daraus – wie bereits unter I. 2. a. ausgeführt – kein Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Vielmehr war der Kläger grundsätzlich frei, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Kenntnisse hinsichtlich der Kunden der Firma M2 zu verwenden. In diesem Zusammenhang wiegt auch die Nutzung von Informationen aus dem Telefonbuch der Firma M2 nicht schwer. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt, ausschließlich auf das Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien abzustellen ist. Darauf, wie der Geschäftsführer der Firma M2 das Verhalten des Klägers wertet, kommt es nicht an.
c. Auch die von dem Beklagten auf den DVD’s vorgefundenen pornografischen Aufnahmen des Klägers berechtigen den Beklagten nicht zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Strafrechtlich relevant ist der Inhalt der DVD’s unstreitig nicht. Grundsätzlich handelt es sich bei den auf den DVD’s zu sehenden sexuellen Praktiken des Klägers um dessen Privatangelegenheiten, auch wenn der Beklagte die DVD’s im Bereich der klägerischen Arbeitsplatzes auffand. Das außerdienstliche Verhalten eines Arbeitnehmers kommt jedoch nur dann als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung in Betracht, wenn hierdurch das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird. Hierbei ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht zum Sittenrichter über die in seinem Betrieb tätigen Arbeitnehmer berufen (vgl. KR-Fischermeier, 8. Auflage, § 626 BGB, Rdnr. 414).
Allein der Umstand, dass die auf den DVD’s zu sehenden Aufnahmen den Beklagten anwidern und er diese als "pervers" empfindet, berechtigt den Beklagten daher nicht zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, da der Inhalt der DVD’s keinen Bezug zur Tätigkeit des Klägers und seinen Arbeitsleistungen aufweist. Konkrete Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses sind damit nicht erkennbar.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Behauptung des Beklagten, die auf Blatt 86 und 87 der Akte befindlichen Aufnahmen hätten sich auf dem Rechner des Klägers befunden. Der Kläger hat in Abrede gestellt, Fotos auf seinem dienstlichen Computer gespeichert zu haben. Der Beklagte hat für seine Behauptung keinen Beweis angetreten. Allein aus den auf den Fotos aufgedruckten Datums- und Uhrzeitangaben ergibt sich nicht, dass diese auf dem PC am Arbeitsplatz des Klägers gespeichert waren.
Dass der Kläger die pornografischen Fotos während seiner Arbeitszeit anschaute und bearbeitete, ist nicht ersichtlich. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine Vermutung des Beklagten, die dieser nicht weiter substantiiert hat.
d. Des Weiteren berechtigt nach Auffassung der Kammer auch die von dem Beklagten behaupteten Äußerungen des Klägers in dem Handytelefonat der Parteien nach Auffinden der DVD´s am Arbeitsplatz des Klägers nicht die fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB.
Zwar können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers bzw. seiner Vertreter oder Repräsentanten, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine fristlose Kündigung an sich rechtfertigen (vgl. BAG vom 10. Oktober 2002 – 2 AZR 418/01 – DB 2003, 1797 – BAG vom 17. Februar 2000 – 2 ARZ 927/98 – juris). Unter Berücksichtigung der Umstände des
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Einzelfalles ist die von dem Beklagten angeführte Beleidigung nicht als so gravierend zu erachten, als dass eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt wäre.
Nachdem der Beklagte noch im Klageerwiderungsschriftsatz die behaupteten Beleidigungen des Klägers gänzlich unerwähnt ließ und lediglich vortrug, der Kläger habe sich in dem Handytelefonat nicht zum Sachverhalt äußern wollen, hat er im Schriftsatz vom 25. Mai 2010 erstmals behauptet, der Kläger habe – nachdem ihm der Beklagte im sachlichen Ton den Sachverhalt schilderte - abschließend geäußert: "Ich pisse auf euch alle. Ihr Arschlöcher, ihr könnt mich alle mal." Hierbei handelt es sich tatbestandlich um eine erhebliche Beleidigung sowohl des Beklagten als auch des mithörenden Geschäftsführers der Fa. M2.
Jedoch ist diese Äußerung in den gesamten Geschehensablauf einzuordnen und in diesem Licht zu betrachten. Unstreitig hat der Beklagte zusammen mit dem Geschäftsführer der Fa. M2 die DVD`s mit dem pornografischen Material des Klägers aufgefunden und sich diese mit ihm zusammen angeschaut. Unabhängig davon, ob sich die DVD`s des Klägers in der Schreibtischschublade oder in der Jacke des Klägers befanden, war es vom Kläger sicherlich nicht bezweckt, den Inhalt dieser DVD´s seinem jetzigen und seinem ehemaligen Arbeitgeber zugänglich zu machen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Sichtung des Bild- und Filmmaterials auf den DVD´s durch den Beklagten und Herrn M2 sen. für den Kläger zumindest unangenehm war.
Selbst wenn man also unterstellt, dass der Beklagte – wie er vorträgt – auch diesen Sachverhalt dem Kläger am Handy sachlich und wertungsfrei schilderte, wiegt in diesem Zusammenhang die behauptete Beleidigung des Klägers als Überreaktion nicht derart schwer, als dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Beklagten nicht mehr zumutbar wäre. Vielmehr rechtfertigt die zwar schwerwiegende, aber jedoch einmalige und unüberlegt ausgeführte Beleidigung (vgl. auch BAG vom 17. Februar 2000 – 2 AZR 927/98 – a. a. O.) nicht die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten.
e. Schließlich rechtfertigt auch das von dem Beklagten behauptete unentschuldigte Fehlen des Klägers am 18. Februar 2010 in der Zeit von 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr nicht die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Ohne vorherige Abmahnung kann eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses allenfalls gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer über längere Zeit unentschuldigt fehlt. Ein einziger Fehltag rechtfertigt grundsätzlich noch keine außerordentliche Kündigung (vgl. KR-Fischermeier, 8. Auflage, § 626 BGB, Rd-Nr. 409).
Von daher reicht eine einzige Stunde unentschuldigtes Fehlen nicht aus, um einen wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB darzustellen und die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.
f. Da die von dem Beklagten unter a. bis e. angeführten Kündigungsgründe schon jeweils für sich gesehen nicht reichen, um das Arbeitsverhältnis außerordentlich gemäß § 626 BGB zu beenden, ergibt sich ein fristloser Kündigungsgrund nicht auch aus einer Gesamtbetrachtung aller Vorwürfe. Nach alledem ist die fristlose Kündigung unwirksam.
II. Die von dem Beklagten ausgesprochene, hilfsweise fristgemäße Kündigung vermag das Arbeitsverhältnis der Parteien ebenfalls nicht zu beenden. Denn die ordentliche Kündigung des Beklagten ist schon deshalb unwirksam, weil sie aufgrund § 2 Ziffer 3 des von den Parteien unter dem 15. Januar 2010 geschlossenen Arbeitsvertrages ausgeschlossen ist. Grundsätzlich kann ein Arbeitsvertrag unter Einhaltung der
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ordentlichen Kündigungsfrist gekündigt werden. Die Parteien können jedoch das Recht zur ordentlichen Kündigung ausschließen. Dies kann ausdrücklich geschehen oder sich aus den Umständen zweifelsfrei ergeben (vgl. BAG vom 13. Juni 1990 – 5 AZR 301/89 – juris; KR-Spilger, 8. Auflage, § 622 BGB, Rd-Nr. 116 ff.).
Gemäß § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages kann das Arbeitsverhältnis frühestens nach 2 Jahren von Seiten des Arbeitgebers beendet werden. Aus dieser Regelung ergibt sich der Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit für den Beklagten für die Dauer von zwei Jahren nach Abschluss des Arbeitsvertrages. Dies hat zur Folge, dass während dieser Zeit zugegangene ordentliche Kündigungen unwirksam sind. Eine Umdeutung dahingehend, dass die Wirkung erst zum Ablauf der 2-Jahres-Frist eintritt, erfolgt nicht.
Somit war dem Klageantrag vollumfänglich stattzugeben.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 91 a ZPO. Soweit die Parteien hinsichtlich der Widerklage den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wären die Kosten des Rechtsstreits insoweit dem Kläger aufzuerlegen gewesen, da er sich nach der (faktischen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Rückgabe der Büroschlüssel in Verzug befand. Da für die Widerklage jedoch lediglich ein Streitwert von 250,00 Euro zugrunde zu legen war und das Unterliegen des Klägers sich insoweit geringfügig darstellt und keine höheren Kosten veranlasst hat, waren dem Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
C. Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er war für den Kündigungsschutzantrag mit einem Vierteljahreseinkommen des Klägers gemäß § 42 Abs. 4 GKG zu bewerten.
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