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LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 27.09.2010, 4 Sa 7/10

   
Schlagworte: Diskriminierung: Alter, Betriebliche Altersversorgung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Aktenzeichen: 4 Sa 7/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 27.09.2010
   
Leitsätze: Es stellt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters dar, wenn eine Versorgungsordnung die anrechenbare Dienstzeit auf maximal 40 Dienstjahre beschränkt und hierdurch Arbeitnehmer, die vor dem 25. Lebensjahr in das Unternehmen eingetreten sind, im Falle ihres vorzeitigen Ausscheidens eine geringere Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung erwerben, als diejenigen Arbeitnehmer, die ab dem 25. Lebensjahr eingetreten sind.(Rn.42)
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 10.02.2010, 22 Ca 11809/09
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

 

Verkündet

am 27.09.2010

Ak­ten­zei­chen (Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben)

4 Sa 7/10

22 Ca 11809/09 (ArbG Stutt­gart)

Ißler, An­ge­stell­te
Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In dem Rechts­streit

- Kläger/Be­ru­fungskläger -

ge­gen

- Be­klag­te/Be­ru­fungs­be­klag­te -

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg - 4. Kam­mer - durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Lan­des­ar­beits­ge­richts Dr. Nat­ter, den eh­ren-amt­li­chen Rich­ter Ma­ser und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter von der Bey
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 02.06.2008

für Recht er­kannt:

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits-ge­richts Stutt­gart - vom 10.02.2010 - 22 Ca 11809/09 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Der Kläger trägt die Kos­ten der Be­ru­fung.

3. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand


Die Par­tei­en strei­ten über die Höhe der An­wart­schaft auf Al­ters­pen­si­on des Klägers.

Der am 22.02.1968 ge­bo­re­ne Kläger trat bei der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten, der Fir­ma H. am 01.10.1989 im Rah­men ei­nes Stu­di­ums an der Be­rufs­aka­de­mie Ba­den-Würt­tem­berg ein. Das Stu­di­um an der Be­rufs­aka­de­mie dau­er­te rund drei Jah­re. Der Kläger er­warb ei­nen Ab­schluss als In­ge­nieur für Elek­tro­tech­nik. Nach Ab­schluss sei­nes Stu­di­ums war er wei­ter­hin bei der Fir­ma H. tätig.

Zum 01.11.1999 glie­der­te die Fir­ma H. den Geschäfts­be­reich Mess­tech­nik auf die Fir­ma A. aus. Die Be­klag­te ent­stand im Jahr 2006 auf­grund der Ab­spal­tung ei­nes Geschäfts­be­reichs der Fir­maA. . Sie ist ein Un­ter­neh­men, das Test­sys­te­me für die Halb­lei­ter­in­dus­trie her­stellt. Das Ar­beits­verhält­nis des Klägers ging im Rah­men ei­nes Teil­be­triebsüber­gangs am 01.06.2006 auf die Be­klag­te über.

Die Fir­ma H. gewähr­te ih­ren Ar­beit­neh­mern Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung auf­grund ei­nes Pen­si­ons­plans (Ge­samt­zu­sa­ge) vom 30.07.1982. Zu den Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung zählt u.a. ei­ne Al­ters­pen­si­on. Der in­so­weit maßgeb­li­che Art. V hat aus­zugs­wei­se fol­gen­den Wort­laut:

Art. V
Al­ters­pen­si­on

(1) Ei­ne Al­ters­pen­si­on er­hal­ten Mit­ar­bei­ter, die nach Voll­endung des 65. Le­bens­jah-res aus den Diens­ten der Fir­ma aus­ge­schie­den sind.

(2) Die Al­ters­pen­si­on wird auf der Ba­sis der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit (Art. III) und der pen­si­onsfähi­gen Bezüge (Art. IV) be­rech­net.

Die Vor­schrift des Art. III über die an­re­chen­ba­re Dienst­zeit hat aus­zug­wei­se fol­gen­den Wort­laut:

 

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Art. III
An­re­chen­ba­re Dienst­zeit

(1) Als an­re­chen­ba­re Dienst­zeit zählen al­le vol­len Dienst­jah­re, in de­nen der Mit­ar­bei­ter bis max. zur Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs un­un­ter­bro­chen in den Diens­ten der Fir­ma ge­stan­den hat. Für die Be­rech­nung der Leis­tun­gen und der Ab­fin­dung nach Art. XI Abs. 2 wer­den an­ge­fan­ge­ne Dienst­jah­re von 6 oder mehr Mo­na­ten als vol­le Dienst­jah­re ge­rech­net. Bei der Er­mitt­lung der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit wer­den höchs­tens 40 Dienst­jah­re berück­sich­tigt. Bei mehr als 40 Dienst­jah­ren zählen die letz­ten 40 Jah­re.

Für den Fall des vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens aus der Fir­ma sieht Art. XI aus­zugs­wei­se fol­gen­de Re­ge­lung vor:

Art. XI
Vor­zei­ti­ges Aus­schei­den

(1) Schei­det der Mit­ar­bei­ter vor Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls, aber nach Ein­tritt der ge­setz­li­chen Un­ver­fall­bar­keit aus den Diens­ten der Fir­ma aus, so gel­ten die ge-setz­li­chen Re­ge­lun­gen.

Der Kläger schloss mit der Be­klag­ten zu ei­nem nicht näher vor­ge­tra­ge­nen Zeit­punkt ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag, in dem fest­ge­legt wur­de, dass das Ar­beits­verhält­nis zum 31.01.2012 en­den wird. Mit Schrei­ben von März 2009 un­ter­rich­te­te die Be­klag­te den Kläger über die ihm zu­ste­hen­den Leis­tun­gen aus den Ver­sor­gungs­plänen. In dem bei­gefügten Be­rech­nungs­bo­gen gab die Be­klag­te un­ter I. an, dass der Kläger bis zu sei­nem Aus­tritt am 31.01.2012 ei­ne Be­triebs­zu­gehörig­keit von 268 Mo­na­ten er­rei­chen wer­de. Die er­reich­ba­re Be­triebs­zu­gehörig­keit bis zum Er­rei­chen der Al­ters­gren­ze am 21.02.2033 be­tra­ge 520 Mo­na­te. Hier­aus er­rech­ne sich ein Un­ver­fall­bar­keits­fak­tor von 0,5154. Un­ter Berück­sich­ti­gung der in Art. V an-ge­ge­be­nen pen­si­onsfähi­gen Bezüge und ei­ner ma­xi­mal an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit von 40 Jah­ren er­rech­ne­te die Be­klag­te ei­ne oh­ne vor­he­ri­ges Aus­schei­den er­reich­ba­re Al­ters­pen­si­on von jähr­lich € 46.188,26. Nach Kürzung die­ses Be­trags mit dem Un­ver­fall­bar­keits­fak­tor gab die Be­klag­te die Höhe der un­ver­fall­ba­ren An­wart­schaft auf Al­ters­pen­si­on mit jähr­lich € 23.805,43 bzw. mo­nat­lich € 1.983,79 an.

Mit An­walts­schrei­ben vom 30.09.2009 wi­der­sprach der Kläger die­ser Be­rech­nung. Er teil­te hier­bei mit, dass die ma­xi­mal er­reich­ba­re Be­triebs­zu­gehörig­keit in sei­nem Fall 43 Dienst­jah-

 

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re be­tra­ge. Im Fal­le des vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens sei­en die an­re­chen­ba­ren Dienst­jah­re nicht auf ma­xi­mal 40 Dienst­jah­re be­grenzt. Die von der Be­klag­ten vor­ge­nom­me­ne Be­rech­nung führe da­zu, dass Mit­ar­bei­ter, die im Zeit­punkt ih­res Ein­tritts jünger als 25 Jah­re alt ge­we­sen sei­en, ei­ne ge­rin­ge­re Be­triebs­ren­te er­hal­ten würden als Mit­ar­bei­ter, die im Zeit­punkt des Ein­tritts min­des­tens 25 Jah­re ge­we­sen sei­en. Dies stel­le je­den­falls mit­tel­bar ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters dar.

Mit An­walts­schrei­ben vom 19.10.2009 teil­te die Be­klag­te mit, dass ei­ne Un­gleich­be­hand­lung des Klägers im Rah­men der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung nicht vor­lie­ge. Die Be­gren­zung auf 40 an­re­chen­ba­re Dienst­jah­re sei oh­ne wei­te­res zulässig.

Mit sei­ner am 30.11.2009 ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge be­gehrt der Kläger die Fest­stel­lung, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, bei der Be­rech­nung sei­ner un­ver­fall­ba­ren An­wart­schaft auf Al­ters­pen­si­on die tatsächli­chen ma­xi­ma­len Dienst­jah­re von 43,33 Jah­ren zu berück­sich­ti­gen. Der Kläger hat vor­ge­tra­gen, die von der Be­klag­ten vor­ge­nom­me­ne Be­gren­zung der an­re­chen­ba­re Dienst­jah­re auf ma­xi­mal 40 sei un­zu­tref­fend. Bei der Be­mes­sung der oh­ne vor­he­ri­ges Aus­schei­den er­reich­ba­ren Al­ters­pen­si­on le­ge die Be­klag­te ma­xi­mal 40 an­re­chen­ba­re Dienst­jah­re zu­grun­de, während sie bei der Er­rech­nung des Un­ver­fall­bar­keits­fak­tors die tatsächlich er­reich­ba­ren Dienst­jah­re von 43,33 Jah­ren zu­grun­de­le­ge. Die von ihm er­stell­ten Bei­spiels­rech­nun­gen (An­la­ge K 4) be­leg­ten, dass hier­durch Mit­ar­bei­ter, die im Zeit­punkt des Ein­tritts jünger als 25 Jah­re ge­we­sen sei­en, bei glei­cher Be­triebs­zu­gehörig­keit ei­ne ge­rin­ge­re Be­triebs­ren­te er­hiel­ten, als Mit­ar­bei­ter, die im Zeit­punkt des Ein­tritts min­des­tens 25 Jah­re alt ge­we­sen sei­en. Dem Pen­si­ons­plan sei be­reits nicht zu ent­neh­men, dass die Be­gren­zung auf ma­xi­mal 40 Dienst­jah­re auch für den Fall des vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens gel­ten sol­le. Wei­ter sei zu berück­sich­ti­gen, dass die Be­gren­zung auf 40 Dienst­jah­re ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Al­ters dar­stel­le. Zu­letzt ver­s­toße die Re­ge­lung auch ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz. Ein sach­li­cher Dif­fe­ren­zie­rungs­grund lie­ge nicht vor.

Der Kläger hat be­an­tragt:

Es wird fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, bei der Be­rech­nung der un­ver­fall­ba­ren An­wart­schaft auf Al­ters­pen­si­on des Klägers hin­sicht­lich der Höhe der Al­ters­pen­si­on oh­ne vor­he­ri­ges Aus­schei­den gemäß Art. V Ziff. 2 und 3 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung Pen­si­ons­plan vom 30.07.1982 die tatsächli­chen ma­xi­ma­len Dienst­jah­re des Klägers von 43,33 Jah­ren zu berück­sich­ti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

 

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die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Erst­in­stanz­lich hat die Be­klag­te auf die Kla­ge in­halt­lich nicht er­wi­dert. Die Par­tei­en ha­ben im Güte­ter­min vom 11.01.2010 übe­rein­stim­mend ei­ne Al­lei­n­ent­schei­dung durch den Vor­sit­zen­den be­an­tragt.

Mit Ur­teil vom 10.02.2010 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Es hat zur Be­gründung aus­geführt, die Pen­si­ons­ord­nung sei da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass die Be­gren­zung der an­re­chen­ba­re Dienst­jah­re auf 40 Dienst­jah­re auch für den Fall des vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens an­zu­wen­den sei. Maßge­bend sei die im Zeit­punkt des Aus­schei­dens be­ste­hen­de Be­mes­sungs­grund­la­ge, die auf den Ver­sor­gungs­fall hoch­zu­rech­nen sei. Aus eu­ro­pa­recht­li-chen Gründen er­ge­be sich kei­ne an­der­wei­ti­ge Aus­le­gung und An­wen­dung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Be­trAVG. Rich­tig sei zwar, dass die Be­gren­zung der Ver­sor­gungs­leis­tung auf 40 an­re­chen­ba­re Dienst­jah­re zu ei­ner mit­tel­ba­ren Un­gleich­be­hand­lung führen könne, die an das Ein­tritts­al­ter an­knüpfe. Die vor dem 25. Le­bens­jahr ein­ge­tre­te­nen Mit­ar­bei­ter würden bei ei­ner Re­gel­al­ters­gren­ze von 65 Jah­ren für die über 40 Jah­re hin­aus­ge­hen­de Be­triebs­treue nicht mehr mit ei­ner Stei­ge­rung der Ver­sor­gungs­leis­tun­gen be­lohnt. Dies sei je­doch ge­recht­fer­tigt. Die Re­ge­lung be­tref­fe le­dig­lich die sehr früh ein­ge­tre­te­nen Ar­beit­neh­mer, die an­de­rer­seits re­gelmäßig von frühzei­ti­ge­ren be­ruf­li­chen Auf­stie­gen und ei­ner frühzei­ti­gen Be­rufs­er­fah­rung im Be­trieb pro­fi­tier­ten. Auch sei die Be­gren­zung in ih­rer Aus­wir­kung eher mar­gi­nal. Die Be­gren­zung sei durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt. Der Ar­beit­ge­ber könne fest­le­gen, dass ab ei­ner ge­wis­sen Gren­ze wei­te­re Be­triebs­treue nicht mehr ho­no­riert wer­de. Die Re­ge­lung ver­s­toße auch nicht ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz. Die Pen­si­ons­ord­nung selbst dif­fe­ren­zie­re nicht nach dem Al­ter der Beschäftig­ten. Die Un­gleich­be­hand­lung re­sul­tie­re aus der Be­rech­nung nach § 2 Be­trAVG. Die­se Vor­schrift sei aber nicht am ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz zu mes­sen.

Ge­gen das ihm am 12.02.2010 zu­ge­stell­te Ur­teil hat der Kläger am 24.02.2010 Be­ru­fung ein­ge­legt und hat die­se am 17.03.2010 be­gründet. Er trägt vor, das Ar­beits­ge­richt ha­be die Kla­ge zu Un­recht ab­ge­wie­sen. Es exis­tie­re kein all­ge­mei­ner Er­fah­rungs­satz, dass ein jünge­rer Ar­beit­neh­mer früher im Un­ter­neh­men auf­stei­ge als ein älte­rer. Die Aus­wir­kung der Un­gleich­be­hand­lung sei auch kei­nes­wegs mar­gi­nal. In sei­nem Fal­le be­tra­ge die mo­nat­li­che Dif­fe­renz € 165,31. Die wei­te­re Auf­fas­sung des Ge­richts, ein Ver­s­toß ge­gen den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz lie­ge nicht vor, sei eben­falls nicht nach­voll­zieh­bar. Falls die ra­tier­li­che Kürzung nach § 2 Be­trAVG zu ei­ner Un­gleich­be­hand­lung führe, müsse dies bei der Aus­le­gung

 

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der Ver­sor­gungs­re­ge­lung richt­li­ni­en­kon­form berück­sich­tigt wer­den. Die Be­rech­nung der Ver-sor­gungs­leis­tung er­ge­be sich je­den­falls aus der Ver­sor­gungs­ord­nung.

Der Kläger be­an­tragt:

1. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Stutt­gart vom 10.02.2010, 22 Ca 11809/09, wird auf­ge­ho­ben.

2. Es wird fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, bei der Be­rech­nung der un­ver­fall­ba­ren An­wart­schaft auf Al­ters­pen­si­on des Klägers hin­sicht­lich der Höhe der Al­ters­pen­si­on oh­ne vor­he­ri­ges Aus­schei­den gemäß Art. V Ziff. 2 und 3 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung Pen­si­ons­plan vom 30.07.1982 die tatsäch-li­chen ma­xi­ma­len Dienst­jah­re des Klägers von 43,33 zu berück­sich­ti­gen.

Hilfs­wei­se:

Für den Fall, dass das Ge­richt den An­trag zu Ziff. 2 ab­wei­sen soll­te, wird hilfs­wei­se be­an­tragt, fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, bei der Be­rech­nung der un­ver­fall­ba­ren An­wart­schaft auf Al­ters­pen­si­on des Klägers hin­sicht­lich der Höhe der Al­ters­pen­si­on oh­ne vor­he­ri­ges Aus­schei­den gemäß Art. V Ziff. 2 und 3 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung des Pen­si­ons­plan vom 30.07.1982 bei der Be­rech­nung des Un­ver­fall­bar­keits­fak­tors ab­wei­chend von § 2 Abs. 1 Be­trAVG 40 Dienst­jah­re zu berück­sich­ti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie trägt vor, das Ar­beits­ge­richt ha­be zu­tref­fend ent­schie­den, dass die Be­gren­zung der an­re­chen­ba­ren Dienst­jah­re auf 40 Dienst­jah­re auch für den Fall des vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens gel­te. Es sei tatsächlich so, dass früher ein­tre­ten­de Ar­beit­neh­mer früh an Auf­stiegs­chan­cen und an Ge­halts­erhöhun­gen teilnähmen. Es lie­ge auch ein le­gi­ti­mes Ziel für die Be­gren­zung der Dienst­jah­re vor. Die Be­gren­zung der Dienst­jah­re lie­ge im frei­en Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers. Die Be­klag­te ha­be mit der Be­gren­zung deut­lich ge­macht, dass sie die­se Zeit der Be­triebs­zu­gehörig­keit für förde­rungswürdig hal­te und da­mit auch ein be­stimm­tes Ver­sor­gungs­ni­veau de­fi­nie­re. Der Kläger wer­de nicht al­lein auf­grund des Al­ters be­nach­tei­ligt, weil die

 

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Re­ge­lung auch später ein­tre­ten­de Mit­ar­bei­ter tref­fe, die über die Re­gel­al­ters­gren­ze hin­aus tätig sei­en.

Im An­schluss an die Hin­wei­se der Kam­mer in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung vom 07.06.2010 trägt die Be­klag­te ergänzend vor, die Re­ge­lung des § 2 Abs. 1 Be­trAVG sei eu­ro­pa­rechts­kon­form, weil in­so­weit der An­wen­dungs­be­reich des AGG nicht eröff­net sei. Auch die Re­ge­lung über die an­re­chen­ba­ren Dienst­jah­re sei nicht zu be­an­stan­den. Die Re­ge­lung ori­en­tie­re sich am ge­setz­li­chen Leit­bild, wo­nach kei­ne un­ver­fall­ba­ren Ansprüche entstünden, wenn der Ar­beit­neh­mer das 25. Le­bens­jahr nicht voll­endet ha­be. Darüber hin­aus zei­ge § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG, dass die vor­lie­gen­de Re­ge­lung zulässig sei. Die Re­ge­lung sei un­abhängig hier­von ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt. Sie die­ne da­zu, die tat-sächlich be­ste­hen­den Kos­ten zu pro­gnos­ti­zie­ren und ei­ne Über­ver­sor­gung zu ver­mei­den. Ein le­gi­ti­mes Ziel er­ge­be sich darüber hin­aus aus der Al­ters­struk­tur der Beschäftig­ten. Sie bie­te fast aus­sch­ließlich hoch­qua­li­fi­zier­te Ar­beitsplätze an, die ei­ne be­son­de­re Aus­bil­dung und/oder ein Stu­di­um er­for­der­ten. Das Ein­tritts­al­ter lie­ge be­zo­gen auf das Jahr 2006 bei et­wa 31 Jah­ren.

Der Kläger er­wi­dert, die in § 1 b Be­trAVG ge­re­gel­te Al­ters­gren­ze ste­he mit der vor­lie­gen­den Fra­ge­stel­lung in kei­nem Zu­sam­men­hang. Die Vor­schrift be­stim­me nicht, dass Dienst­jah­re vor dem 25. Le­bens­jahr kei­ne Berück­sich­ti­gung fin­den dürf­ten. So­fern die Be­klag­te auf § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ver­wei­se, so sei dem ent­ge­gen­zu­hal­ten, dass die Be­klag­te kei­ne Al­ters­gren­zen in ih­rer be­trieb­li­chen Ver­sor­gungs­ord­nung fest­ge­setzt ha­be. Was die von der Be­klag­ten an­geführ­ten le­gi­ti­men Zie­le an­ge­he, so die­ne die Be­gren­zung auf 40 Dienst­jah­re nicht dem Zweck, den Do­tie­rungs­rah­men nach oben zu be­gren­zen. Es sei viel­mehr da­von aus­zu­ge­hen, dass die Be­klag­te die Fol­ge ei­ner Leis­tungskürzung über­haupt nicht be­dacht ha­be. So­weit die Be­klag­te auf das durch­schnitt­li­che Ein­tritts­al­ter seit 2006 von 31 Jah­ren ver­wei­se, wer­de die­ses Vor­brin­gen zunächst be­strit­ten. Es sei auch nicht re­le­vant. Die Be-klag­te bie­te die von ihm prak­ti­zier­te Form des Aus­bil­dung selbst an. Sie stel­le da­her re­gel-mäßig auch Mit­ar­bei­ter vor Er­rei­chen des 25. Le­bens­jahrs ein.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stands wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie auf die Pro­to­kol­le über die münd­li­chen Ver­hand­lun­gen ver­wie­sen. Die Kam­mer hat mit Zu­stim­mung der Par­tei­en ei­ne Ent­schei­dung im schrift­li­chen Ver­fah­ren ge­trof­fen.

 

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Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die Be­ru­fung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG statt­haft. Sie ist auch gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der ge­setz­li­chen Form und Frist ein­ge­legt und be­gründet wor­den. Ge­gen­stand der Be­ru­fung ist mit dem Haupt­an­trag die in ers­ter In­stanz er­ho­be­ne Fest­stel­lungs­kla­ge, mit der der Kläger die Pflicht zur An­rech­nung sei­ner ge­sam­ten Dienst­jah­re fest­ge­stellt wis­sen will. Mit dem in der Be­ru­fungs­in­stanz erst­mals ge­stell­ten Hilfs­an­trag be­gehrt der Kläger, dass die Be­klag­te bei der ra­tier­li­chen Be­rech­nung nach § 2 Abs. 1 Be­trAVG nur 40 Dienst­jah­re zu­grun­de legt. Wenn die­se nachträgli­che Kla­gehäufung nicht be­reits nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig ist, so un­ter­liegt sie je­den­falls nach § 533 ZPO kei­nen Be­den­ken.

II.

Die Be­ru­fung des Klägers ist un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend ent­schie­den, dass die zulässi­ge Kla­ge un­be­gründet ist.

1. Die Kla­ge ist als Fest­stel­lungs­kla­ge zulässig. Sie ist ge­rich­tet auf die Fest­stel­lung des In­halts der be­triebs­ren­ten­recht­li­chen An­wart­schaft des Klägers, weil der Ver­sor­gungs­fall un­strei­tig noch nicht ein­ge­tre­ten ist. Hier­bei möch­te der Kläger zwar nur ei­nen be­stimm­ten Fak­tor sei­nes Ru­he­geld­an­spruchs geklärt wis­sen. Ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge muss sich aber nicht zwin­gend auf das Ru­he­geld­rechts­verhält­nis im Gan­zen er­stre­cken (Ger­mel­mann, ArbGG, 7. Auf­la­ge, § 46 Rn 98).

Mit sei­nem Haupt­an­trag be­gehrt der Kläger die Fest­stel­lung, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, bei der Be­rech­nung sei­ner be­triebs­ren­ten­recht­li­chen An­wart­schaft die tatsächli­chen ma­xi­ma­len Dienst­jah­re von 43,33 Jah­ren zu berück­sich­ti­gen. Hilfs­wei­se be­gehrt er für den Fall, dass das Ge­richt den Haupt­an­trag ab­wei­sen soll­te, die Fest­stel­lung, dass bei der ra­tier­li­chen Be­rech­nung nach § 2 Abs. 1 Be­trAVG nur 40 Dienst­jah­re berück­sich­tigt wer­den.

Das nach § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se liegt vor. Auch wenn der Ver­sor­gungs­fall noch nicht ein­ge­tre­ten ist, be­steht ein Bedürf­nis für ei­ne als­bal­di­ge Klä-

 

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rung der strei­ti­gen Fra­gen. Der Kläger kann nicht dar­auf ver­wie­sen wer­den, erst nach Ein-tritt des Ver­sor­gungs­falls ei­nen Pro­zess mit sei­ner Ar­beit­ge­be­rin über den In­halt und Um-fang sei­ner Ver­sor­gungs­rech­te zu führen (vgl. nur BAG 07.03.1995 - 3 AZR 282/94 - AP Be­trAVG § 1 = Gleich­be­hand­lung Nr. 26).

2. Die Kla­ge ist so­wohl mit dem Haupt­an­trag als auch mit dem Hilfs­an­trag un­be­gründet. Die Be­klag­te ist be­rech­tigt, bei der Be­rech­nung der be­triebs­ren­ten­recht­li­chen An­wart­schaft des Klägers die an­re­chen­ba­re Dienst­zeit auf 40 Dienst­jah­re zu be­gren­zen (da­zu 2. a bis e). Die Be­klag­te ist außer­dem nicht hilfs­wei­se ver­pflich­tet, bei der Er­mitt­lung des Un­ver­fall­bar­keits­fak­tors nach § 2 Abs. 1 Be­trAVG le­dig­lich 40 Dienst­jah­re zu­grun­de­zu­le­gen (da­zu 2.f).

a) Der Kläger hat un­strei­tig ei­ne be­triebs­ren­ten­recht­li­che An­wart­schaft auf der Grund­la­ge des Pen­si­ons­plans der Fir­ma H. vom 30.07.1982 er­wor­ben. Nach Mit­tei­lung der Be­klag­ten in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung be­ruh­te die­se Ver­sor­gungs­re­ge­lung auf ei­ner Ge­samt­zu­sa­ge. So­mit gin­gen die sich aus dem Pen­si­ons­plan er­ge­ben­den Rech­te gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB zunächst von der Fir­ma H. auf die Fir­ma A. und so­dann im Rah­men ei­nes wei­te­ren Teil­be­triebsüber­gangs am 01.06.2006 auf die Be­klag­te über. Dies steht zwi­schen den Par­tei­en außer Streit.

b) Nach Art. V des Pen­si­ons­plans er­hal­ten Mit­ar­bei­ter, die nach Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs aus den Diens­ten der Fir­ma aus­ge­schie­den sind, ei­ne Al­ters­pen­si­on. Die Al­ters­pen­si­on wird auf der Ba­sis der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit und der pen­si­onsfähi­gen Bezüge be­rech­net. Zu der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit enthält Art. III Abs. 1 die Re­ge­lung, dass als an­re­chen­ba­re Dienst­zeit al­le vol­len Dienst­jah­re zählen, in de­nen der Mit­ar­bei­ter bis ma­xi­mal zur Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs un­un­ter­bro­chen in den Diens­ten der Fir­ma ge­stan­den hat. Bei der Er­mitt­lung der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit wer­den höchs­tens 40 Dienst­jah­re berück­sich­tigt.

Zur Fall­ge­stal­tung des vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens aus dem Un­ter­neh­men be­stimmt Art. XI, dass die ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen gel­ten, wenn ein Mit­ar­bei­ter vor Ein­tritt des Ver­sor­gungs­fal­les, aber nach Ein­tritt der ge­setz­li­chen Un­ver­fall­bar­keit aus den Diens­ten der Fir­ma aus­schei­det. Was die Be­rech­nung der An­wart­schaft an­geht, so enthält die Vor­schrift zwar kei­ne Ver­wei­sung auf die Re­ge­lung über die an­re­chen­ba­re Dienst­zeit in Art. III Abs. 1 des Pen­si­ons­plans. Das Ar­beits­ge­richt hat je­doch den Pen­si­ons­plan zu­tref­fend da­hin­ge­hend aus­ge­legt, dass die Be­gren­zung der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit auf 40 Dienst­jah­re auch für die Fall­ge­stal­tung des vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens gilt. Dies

 

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er­gibt sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Be­trAV, wo­nach sich die An­wart­schaft auf der Grund­la­ge der vol­len Ver­sor­gungs­leis­tung er­rech­net. Da für die vol­le Ver­sor­gungs­leis­tung die An­re­chen­bar­keit auf 40 Dienst­jah­re be­schränkt ist, gilt die­se Be­schränkung zwangsläufig auch für die An­wart­schaft bei vor­zei­ti­gem Aus­schei­den. Ge­gen die­se Rechts­auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts hat der Kläger in der Be­ru­fung kei­ne Ein­wen­dun­gen mehr er-ho­ben.

c) Die Be­klag­te hat auf der Grund­la­ge des § 2 Abs. 1 Satz 1 Be­trAVG die An­wart­schaft des Klägers rech­ne­risch zu­tref­fend er­mit­telt. Sie hat in ei­nem ers­ten Schritt die tatsächlich er­reich­te Be­triebs­zu­gehörig­keit mit 268 Mo­na­ten er­mit­telt (01.10.1989 bis 31.01.2012). In ei­nem zwei­ten Schritt hat sie die mögli­che Be­triebs­zu­gehörig­keit auf 520 Mo­na­te fest­ge­legt (01.10.1989 bis 21.02.2033). Die Be­rech­nung auf Mo­nats­ba­sis un­ter­liegt kei­nen Be­den­ken (BAG 22.02.1983 - 3 AZR 546/80 - AP Be­trAVG § 7 Nr. 15). Aus dem Verhält­nis zwi­schen der tatsächli­chen und der mögli­chen Be­triebs­zu­gehörig­keit er­gibt sich der Un­ver­fall­bar­keits­fak­tor von 0,5154. Die im drit­ten Schritt zu be­stim­men­de vol­le Ver­sor­gungs­leis­tung hat die Be­klag­te eben­falls zu­tref­fend er­mit­telt. Auf der Grund­la­ge der ma­xi­mal an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit von 40 Dienst­jah­ren und der pen­si­onsfähi­gen Bezüge beträgt die Höhe der un­ver­fall­ba­ren An­wart­schaft des Klägers auf Al­ters­pen­si­on jähr­lich € 23.805,23 bzw. € 1.983,79 mo­nat­lich.

d) Die Kla­ge ist mit dem Haupt­an­trag un­be­gründet, weil die Re­ge­lung in Art. III Abs. 1 des Pen­si­ons­plans, wo­nach die an­re­chen­ba­re Dienst­zeit auf 40 Dienst­jah­re be­grenzt ist, nicht ge­gen § 1, § 3 Abs. 2 und § 7 AGG verstößt. Die Re­ge­lung führt zwar an sich zu ei­ner mit­tel­ba­ren Be­nach­tei­li­gung des Klägers im Sin­ne des § 3 Abs. 2 AGG. Die Be­nach­tei­li­gung ist je­doch durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt; die ge­trof­fe­ne Re­ge­lung ist auch zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich.

aa) Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz ist auf den vor­lie­gen­den Fall an­wend­bar. Trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG ent­hal­te­nen Ver­wei­sung auf das Be­triebs-ren­ten­ge­setz gilt das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz auch für die be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung. Dies be­darf im Hin­blick auf die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 11.12.2009 (3 AZR 249/06 - AP AGG § 2 Nr. 1) kei­ner wei­te­ren Erörte­rung mehr. Auch der zeit­li­che An­wen­dungs­be­reich des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes ist eröff­net. Im Streit­fall er­gibt sich dies schon dar­aus, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en im Zeit­punkt des In­kraft­tre­tens des All­ge-mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes am 18.08.2006 noch be­stand (zu­letzt BAG 20.04.2010 - 3 AZR 509/08 - Ju­ris m.w.N.).

 

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bb) Ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung des Klägers nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG we­gen des Al­ters liegt nicht vor. Die Be­stim­mung über die an­re­chen­ba­re Dienst­zeit knüpft nicht in das Le­bens­al­ter, son­dern an die Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit an. Der Kläger wird je­doch durch die Be­gren­zung der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit we­gen sei­nes Al­ters mit­tel­bar be­nach­tei­ligt. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung vor, wenn dem An­schein nach neu­tra­le Vor­schrif­ten Per­so­nen we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des in be­son­de­rer Wei­se be­nach­tei­li­gen können, es sei denn, die be­tref­fen­den Vor­schrif­ten sind durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel sind zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich.

Es lässt sich nicht in Ab­re­de stel­len, dass die Be­gren­zung der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit auf 40 Dienst­jah­re zu ei­ner Be­nach­tei­li­gung des Klägers führt. Die Bei-spiels­rech­nun­gen des Klägers (An­la­ge K 4) be­le­gen, dass die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, die bei der Be­klag­ten vor dem 25. Le­bens­jahr ein­tre­ten, kei­nen Nut­zen von ih­rer po­ten­ti­ell länge­ren Be­triebs­zu­gehörig­keit ha­ben. Im Fal­le des vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens er­hal­ten sie so­gar ei­ne ge­rin­ge­re Be­triebs­ren­te als die­je­ni­gen Ar-beit­neh­mer, die nach Er­rei­chen des 25. Le­bens­jahrs in das Un­ter­neh­men ein­tre­ten, wo­bei die­se Aus­wir­kung we­ni­ger der Be­gren­zungs­klau­sel als viel­mehr der Vor­schrift über die ra­tier­li­che Kürzung des vol­len Ver­sor­gungs­an­spruchs gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Be­trAVG ge­schul­det ist. Ei­ne ver­gleich­ba­re Aus­wir­kung tritt zwar auch dann ein, wenn ein nach Voll­endung des 25. Le­bens­jahrs ein­ge­tre­te­ner Ar­beit­neh­mer über die der­zei­ti­ge Re­gel­al­ters­gren­ze von 65 Jah­ren hin­aus ar­bei­tet. Die­se Fall­ge­stal­tung kann je­doch, weil sie in der Pra­xis kaum auf­tritt, ver­nachlässigt wer­den. Die hier strei­ti­ge Be­gren­zung des an­re­chen­ba­ren Dienst­al­ters trifft ty­pi­scher­wei­se die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, die vor dem 25. Le­bens­jahr in das Un­ter­neh­men ein­tre­ten. Ein sta­tis­ti­scher Nach­weis ist nicht er­for­der­lich (BAG 18.08.2009 - 1 ABR 47/08 - AP AGG § 3 Nr. 1 Rn 29).

cc) Die mit­tel­ba­re Un­gleich­be­hand­lung ist aber im Streit­fall durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt. Die ge­trof­fe­ne Re­ge­lung ist auch zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich. Sie dient der Ri­si­ko­be­gren­zung, um die Leis-tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung für den Ar­beit­ge­ber über­schau­bar und kal­ku­lier­bar zu ma­chen. Hier­bei er­gibt die ge­setz­li­chen Wer­tung des § 1 b Abs. 1 Satz 1 Be­trAVG, wo­nach die An­wart­schaft auf ei­ne Be­triebs­ren­te nicht er­hal­ten bleibt, wenn das Ar­beits­verhält­nis vor Voll­endung des 25. Le­bens­jah­res en­det,

 

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dass vor dem 25. Le­bens­jahr zurück­ge­leg­te Dienst­zei­ten ei­nen ge­rin­ge­ren ar­beits-recht­li­chen Schutz ge­nießen als späte­re Dienst­zei­ten. Da­mit fehlt es im Streit­fall be­reits an den tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ei­ner mit­tel­ba­ren Be­nach­tei­li­gung. Auf ei­ne mögli­che Recht­fer­ti­gung nach § 10 AGG kommt es nicht mehr an (BAG 20.04.2010 a.a.O. Rn 69; BAG 18.08.2009 a.a.O. Rn 30, 31).

(1) In be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gungs­sys­te­men sind Re­ge­lun­gen, die das Ri­si­ko des Ar­beit­ge­bers be­gren­zen sol­len, weit ver­brei­tet. Be­stim­mun­gen über Min­dest- oder Höchst­al­ters­gren­zen, über War­te­zei­ten, über Späte­hen- oder Al­ters­ab­stands­klau­seln und über Be­gren­zungs­klau­seln sol­len die fi­nan­zi­el­len Las­ten über­schau­bar und kal­ku­lier­bar ma­chen. Da der Ar­beit­ge­ber bei ei­ner von ihm fi­nan­zier­ten be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung frei über de­ren Einführung ent­schei­det, ist er auch grundsätz­lich frei in der Ent­schei­dung, wel­che Leis­tun­gen er zu­sagt und wie hoch er die Leis­tun­gen do­tiert. Dass er hier­zu auch Re­ge­lun­gen tref­fen kann, die an das Al­ter des Ar­beit­neh­mers an­knüpfen, ist durch § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG und Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78/EG an­er­kannt. So stellt die Fest­set­zung von Al­ters­gren­zen bei der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung re­gelmäßig kei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters dar (BT-Drs. 16/1780 S. 36).

Ei­ne der Ri­si­ko­be­gren­zung die­nen­de Re­ge­lung enthält auch das Be­triebs­ren­ten-ge­setz selbst. Nach § 1 b Abs. 1 Satz 1 Be­trAVG bleibt die An­wart­schaft aus ei­ner Ver­sor­gungs­zu­sa­ge nur dann er­hal­ten, wenn das Ar­beits­verhält­nis vor Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls, je­doch nach Voll­endung des 25. Le­bens­jahrs en­det und die Ver-sor­gungs­zu­sa­ge zu die­sem Zeit­punkt min­des­tens 5 Jah­re be­stan­den hat. Zur früher gel­ten­den Min­dest­al­ters­gren­ze von 35 Jah­ren hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (Ur­teil vom 18.10.2005 - 3 AZR 506/04 - AP Be­trAVG § 1 Un­ver­fall­bar­keit Nr. 13) un­ter dem Ge­sichts­punkt der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts ent­schie­den, die da­ma­li­ge Min­dest­al­ters­gren­ze sei das Er­geb­nis ei­nes Kom­pro­mis­ses zwi­schen So­zi­al­schutz und Be­rufs­frei­heit der Ar­beit­neh­mer ei­ner­seits so­wie der un-ter­neh­me­ri­schen Frei­heit und dem Bin­dungs­in­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an­de­rer­seits. Der Ge­setz­ge­ber sei hier­bei von ei­ner ein­ge­schränk­ten Schutz­bedürf­tig­keit des Ar­beit­neh­mers in jun­gen Jah­ren aus­ge­gan­gen. Es sei in ei­nem jünge­ren Le­bens­al­ter leich­ter möglich, Ver­lus­te von An­wart­schaf­ten an­der­wei­tig aus­zu­glei­chen. Die Al­ters­gren­ze von 35 Jah­ren stel­le so­mit ein ge­eig­ne­tes und an­ge­mes­se­nes Mit­tel dar, die be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung zu fördern und die Ar­beit­ge­ber nicht durch ei­ne un­ein­ge­schränk­te Un­ver­fall­bar­keit von der Gewährung der­ar­ti­ger Leis­tun­gen über­haupt ab­zu­schre­cken.

 

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Die­se Erwägun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts gel­ten für die mitt­ler­wei­le auf 25 Le­bens­jah­re her­ab­ge­setz­te Al­ters­gren­ze erst recht. Ab dem 01.01.2001 hat der Ge­setz­ge­ber die Min­dest­al­ters­gren­ze von 35 Jah­ren zunächst auf 30 Jah­re und so­dann ab dem 01.01.2009 auf 25 Le­bens­jah­re ver­rin­gert (im Ein­zel­nen: Blo­mey-er/Rolfs/Ot­to, Be­trAVG, 5. Auf­la­ge, § 1 b Rn 71 ff.). Die Her­ab­set­zung er­folg­te, um möglichst vie­len Beschäftig­ten die be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung zu er­hal­ten (BT-Drs. 16/6539, S:7). Außer­dem soll­te der auf eu­ropäischer Ebe­ne ge­plan­ten Por­ta-bi­litäts­richt­li­nie Rech­nung ge­tra­gen wer­den. Der Ent­wurf der Kom­mis­si­on der eu-ropäischen Ge­mein­schaf­ten vom 20.10.2005 (KOM (2005) 507 endgültig) sah in Art. 4 ei­ne Min­dest­al­ters­gren­ze von 21 Jah­ren vor. Nach­dem die­ser Vor­schlag auf Kri­tik ges­toßen war, leg­te die Kom­mis­si­on der eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten am 09.10.2007 ei­nen geänder­ten Vor­schlag vor (KOM (2007) 603 endgültig). Nach die­sem Ent­wurf wur­de die Min­dest­al­ters­gren­ze für die Un­ver­fall­bar­keit im Er­geb­nis wie­der auf 25 Jah­re an­ge­ho­ben (im Ein­zel­nen: Höfer, Be­trAVG, ART Rn 16.6; Blo­mey­er/Rolfs/Ot­to, Be­trAVG, 5. Auf­la­ge, Ein­lei­tung Rn 151 ff). Das Norm­set-zungs­ver­fah­ren ruht der­zeit.

Ins­ge­samt be­trach­tet lässt sich § 1 b Be­trAVG die ge­setz­li­che Wer­tung ent­neh­men, dass Dienst­zei­ten, die der Ar­beit­neh­mer vor Voll­endung des 25. Le­bens­jahrs zurück­ge­legt hat, ei­nen we­ni­ger ho­hen Schutz ge­nießen als später zurück­ge­leg­te Dienst­zei­ten. Über­tra­gen auf die hier vor­lie­gen­de Fall­ge­stal­tung ei­ner Be­gren-zungs­klau­sel be­deu­tet dies, dass der Kläger sich nicht dar­auf be­ru­fen kann, sei­ne vor dem 25. Le­bens­jahr zurück­ge­leg­ten Dienst­zei­ten müss­ten den­sel­ben „Wert“ ge­nießen wie die später zurück­ge­leg­ten. Die strei­ti­ge Re­ge­lung in Art. III Abs. 1 des Pen­si­ons­plans steht im Ein­klang mit ei­ner zen­tra­len Wer­tung des deut­schen Be­triebs­ren­ten­rechts. Die­se Wer­tung ist bis­lang auch durch das Uni­ons­recht nicht in Fra­ge ge­stellt wor­den ist.

(2) Ne­ben der ge­setz­li­chen Wer­tung aus § 1 b Be­trAVG kann sich die Be­klag­te zur Recht­fer­ti­gung der Be­gren­zungs­klau­sel auf wei­te­re rechtmäßige Zie­le be­ru­fen. Mit der Berück­sich­ti­gung des Dienst­al­ters kann der Ar­beit­ge­ber un­ter­schied­li­che Zie­le ver­fol­gen: Pro­gres­si­ve Ver­sor­gungs­zu­sa­gen begüns­ti­gen langjährig Beschäftig­te; de­gres­si­ve Ver­sor­gungs­zu­sa­gen be­nach­tei­li­gen sie mit­tel­bar (Rolfs, NZA 2008, 553, 556). Nimmt der Ar­beit­ge­ber ei­ne Be­gren­zung der an­re­chen­ba­ren Dienst­jah­re vor, so bringt er da­mit zum Aus­druck, dass er ab ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt ei­ne länge­re Be­triebs­zu­gehörig­keit nicht mehr ho­no­rie­ren will. In Recht­spre­chung

 

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(LAG Nie­der­sach­sen 21.04.3009 - 3 Sa 957/08 B - Ju­ris) und Li­te­ra­tur (Rolfs a.a.O. S. 557, Cisch/Böhm, BB 2007, 602, 607; Thum BB 2008, 2291, 2293; Adom­eit/Mohr, ZfA 2008, 449, 468; a.A. Ren­gier NZA 2006, 1251, 1255) wird ei­ne der­ar­ti­ge Be­gren­zung grundsätz­lich als zulässig an­ge­se­hen. Al­ler­dings ist zu for­dern, dass die Be­gren­zung den An­for­de­run­gen des § 3 Abs. 2 AGG genügt. Dass hier­bei das Ziel ei­ner Ri­si­ko­be­gren­zung ein rechtmäßiges Ziel dar­stellt, lässt sich nicht in Ab­re­de stel­len. Die ge­trof­fe­ne Re­ge­lung muss aber darüber hin­aus zur Um­set­zung des grundsätz­lich le­gi­ti­men Ziels der Ri­si­ko­be­gren­zung auch an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sein.

Im vor­lie­gen­den Fall kann sich die Be­klag­te auf un­ter­neh­mens­be­zo­ge­ne Sach-gründe be­ru­fen, die ei­ne Be­gren­zung der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit auf 40 Dienst­jah­re recht­fer­ti­gen. Hier­bei kommt es nicht - wie wohl der Kläger meint - dar­auf an, dass die­se Ziel­set­zung be­reits bei Er­lass der Ver­sor­gungs­re­ge­lung be­ab­sich­tigt war, al­so zu ei­nem Zeit­punkt, zu dem sich Fra­gen der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung noch kaum ge­stellt ha­ben. Viel­mehr ist aus­schlag­ge­bend, ob sich die Be­klag­te zum jet­zi­gen Zeit­punkt, un­ter der Gel­tung des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes, ei­ne le­gi­ti­me Ziel­set­zung be­ru­fen kann. Ein sol­che liegt im Streit­fall vor Die Be­klag­te hat vor­ge­tra­gen, dass sie als ein Un­ter­neh­men der Hoch­tech­no­lo­gie über­wie­gend Ar­beit­neh­mer ein­stellt, die ein Stu­di­um oder ei­ne an­de­re höher­wer­ti­ge Aus­bil­dung ab­sol­viert ha­ben. Ob das durch­schnitt­li­che Ein­tritts­al­ter bei der Be­klag­ten nun bei 29 oder bei 31 Jah­ren liegt, ist in die­sem Zu­sam­men­hang ir­re­le­vant. Ent­schei­dend ist, dass ein aka­de­mi­scher oder ein an­de­rer höher­wer­ti­ger Ab­schluss re­gelmäßig da­zu führt, dass die Ar­beit­neh­mer sel­ten vor Mit­te 20 in das Be­rufs­le­ben ein­tre­ten.

Der Kläger stellt in­so­fern ei­nen Son­der­fall dar, als er das nur in Ba­den-Würt­tem­berg ver­brei­te­te Stu­di­um an ei­ner Be­rufs­aka­de­mie (jetzt Dua­le Hoch­schu­le) ab­sol­viert hat. Das dua­le Stu­di­um be­steht aus ei­nem aka­de­mi­schen Stu­di­um so­wie ei­nem Pra­xis­teil, wo­bei sich Theo­rie und Pra­xis­pha­sen im Rhyth­mus ab­wech­seln. Hier­bei schließen die Stu­die­ren­den mit den ko­ope­rie­ren­den Un­ter­neh­men ei­nen Aus­bil­dungs­ver­trag (sie­he da­zu im Ein­zel­nen den In­ter­net­auf­tritt der Dua­len Hoch­schu­le Ba­den-Würt­tem­berg, www.dh­bw.de). Die­ser ba­denwürt­tem­ber­gi­schen Be­son­der­heit muss­te die Be­klag­te in ih­rer Ver­sor­gungs­re­ge­lung kei­ne Rech­nung tra­gen. Denn ge­ne­ra­li­sie­ren­de und ty­pi­sie­ren­de Re­ge­lun­gen sind in be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gungs­sys­te­men un­ver­meid­bar. Die Be­klag­te durf­te da­von aus­ge­hen, dass Ab­sol­ven­ten mit ei­nem aka­de­mi­schen Ab­schluss re­gel-

 

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mäßig Mit­te 20 sind, wenn sie in das Be­rufs­le­ben ein­tre­ten. Wenn die­ser Per­so-nen­kreis bis zur der­zei­ti­gen Re­gel­al­ters­gren­ze von 65 Jah­ren im Un­ter­neh­men tätig ist, hat für sie die Be­gren­zungs­klau­sel kei­ne ne­ga­ti­ven Aus­wir­kun­gen. Ob sich et­was an­de­res er­gibt, wenn die Re­gel­al­ters­gren­ze suk­zes­si­ve ab dem Jahr 2012 auf 67 Jah­re an­ge­ho­ben wird, be­darf - noch - kei­ner Ent­schei­dung.

(3) Die Be­gren­zung der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit auf 40 Dienst­jah­re ist zur Er­rei-chung des oben ge­nann­ten Ziels auch an­ge­mes­sen und er­for­der­lich. Die Re­ge­lung stellt si­cher, dass die Be­triebs­treue der­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, die nach Ab­schluss ih­rer Aus­bil­dung in das Un­ter­neh­men ein­tre­ten, re­gelmäßig in vol­lem Um­fang ho­no­riert wird. Die­ser Per­so­nen­kreis er­lei­det auch im Fal­le ei­nes vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens aus dem Un­ter­neh­men kei­ne wei­te­ren Nach­tei­le. Dass dies beim Kläger an­ders ist, be­ruht auf der Re­ge­lung des § 2 Abs. 1 Satz Be­trAVG über die ra­tier­li­che Kürzung des vol­len Ver­sor­gungs­an­spruchs.

(4) Der Kläger kann sich nicht dar­auf be­ru­fen, dass der Eu­ropäische Ge­richts­hof zu den in § 622 Abs. 2 BGB ge­re­gel­ten verlänger­ten Kündi­gungs­fris­ten ent­schie­den hat, es ver­s­toße ge­gen das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung, wenn vor Voll­endung des 25. Le­bens­jahrs lie­gen­de Beschäfti­gungs­zei­ten des Ar­beit­neh­mers bei der Be-rech­nung der verlänger­ten Kündi­gungs­fris­ten nicht berück­sich­tigt wer­den (EuGH 19.01.2010 - C - 555/07 - NZA 2010, 85). Der Eu­ropäische Ge­richts­hof hat in die­ser Ent­schei­dung die Erwägung, dass jünge­ren Ar­beit­neh­mern ei­ne größere be­ruf­li­che und persönli­che Mo­bi­lität zu­ge­mu­tet wer­den könne, zwar als le­gi­ti­mes Ziel an­ge­se­hen. Er hat je­doch die An­ge­mes­sen­heit und Er­for­der­lich­keit der Re­ge­lung ver­neint, weil die Re­ge­lung auch die vor dem 25. Le­bens­jahr ein­ge­tre­te­nen Ar­beit-neh­mer tref­fe, die bei ih­rer Ent­las­sung ei­ne lan­ge Be­triebs­zu­gehörig­keit auf­wie­sen. Für die­sen Per­so­nen­kreis gel­te das Ar­gu­ment der größeren Mo­bi­lität nicht mehr. Mit sol­chen kündi­gungs­recht­li­chen Erwägun­gen steht die hier strei­ti­ge Be-gren­zungs­klau­sel aber in kei­nem Zu­sam­men­hang.

e) Die Re­ge­lung des Art. III Abs. 1 des Pen­si­ons­plans verstößt auch nicht ge­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz.

aa) Der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ge­bie­tet dem Ar­beit­ge­ber, oder Grup­pen von Ar­beit­neh­mern, die sich in glei­cher oder ver­gleich­ba­rer La­ge be­fin­den, gleich zu be­han­deln. Un­ter­sagt ist dem Ar­beit­ge­ber so­wohl ei­ne willkürli­che Schlech­ter­stel­lung ein­zel­ner Ar­beit­neh­mer in­ner­halb ei­ner Grup­pe als auch ei­ne

 

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sach­frem­de Grup­pen­bil­dung. Der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ver­bie­tet aber nicht ei­ne Un­gleich­be­hand­lung, die durch ei­nen Sach­grund ge­recht­fer­tigt ist.

bb) Im Be­reich der vom Ar­beit­ge­ber fi­nan­zier­ten be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung liegt ein Sach­grund vor, wenn der Ar­beit­ge­ber die Ri­si­ken, für die er ei­ne Ver­sor­gung gewährt, be­gren­zen und bes­ser kal­ku­lier­bar ma­chen möch­te. Vor­aus­set­zung für die Wirk­sam­keit ei­ner der­ar­ti­gen Be­gren­zung ist, dass ein aus­rei­chen­der Zu­sam-men­hang mit ein­leuch­ten­den Ri­si­ko­erwägun­gen vor­liegt (BAG 27.06.2006 - 3 AZR 352/05 (A) - AP Be­trAVG § 1b Nr. 6). Ei­ne der­art ein­leuch­ten­de Ri­si­ko­erwägung liegt im Streit­fall vor. In­so­weit kann auf die Ausführun­gen zu 2. d) cc) ver­wie­sen wer­den.

f) Die Kla­ge ist auch mit dem Hilfs­an­trag un­be­gründet, weil die Be­klag­te nicht ver­pflich­tet ist, bei der ra­tier­li­chen Be­rech­nung der An­wart­schaft des Klägers nicht die ma­xi­mal mögli­che Be­triebs­zu­gehörig­keit von 43,33 Jah­ren, son­dern - zum Aus­gleich dafür, dass bei der Be­rech­nung des vol­len Ver­sor­gungs­an­spruchs nur 40 Dienst­jah­re her­an­ge­zo­gen wer­den - eben­falls nur die an­re­chen­ba­re Dienst­zeit von 40 Jah­ren zu berück­sich­ti­gen

aa) Die vom Kläger be­klag­te Aus­wir­kung, dass er im Fal­le sei­nes vor­zei­ti­gen Aus-schei­dens ei­ne ge­rin­ge­re An­wart­schaft er­wer­ben wird als ein Ar­beit­neh­mer, der erst nach Voll­endung sei­nes 25. Le­bens­jahrs bei der Be­klag­ten ein­ge­tre­ten ist, fin­det ih­re Ur­sa­che in der Re­ge­lung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG. Die­se Re­ge­lung kann ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers nicht da­hin­ge­hend an­ge­wandt wer­den, dass bei der ra­tier­li­chen Kürzung des vol­len Ver­sor­gungs­an­spruchs statt der ma­xi­mal mögli­chen Be­triebs­zu­gehörig­keit von 43,33 Jah­ren le­dig­lich die an­re­chen­ba­re Dienst­zeit von 40 Jah­ren berück­sich­tigt wird.

Die ra­tier­li­che Be­rech­nung be­wirkt - un­abhängig vom vor­lie­gen­den Fall - bei glei-cher Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung jünge­rer Ar-beit­neh­mer, weil der Quo­ti­ent we­gen der länge­ren mögli­chen Be­triebs­zu­gehörig­keit und da­mit des höhe­ren Di­vi­sors ge­rin­ger ist. So erhält ein 45jähri­ger Ar­beit­neh­mer, der nach 10 Jah­ren Be­triebs­zu­gehörig­keit das Ar­beits­verhält­nis be­en­det, ein Drit­tel der Voll­ver­sor­gung, während ein 55jähri­ger Ar­beit­neh­mer nach 10jähri­ger Be­triebs­zu­gehörig­keit die Hälf­te der Voll­ver­sor­gung erhält (Bei­spiel nach Rolfs NZA 2008, 553 Fn 33).

 

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bb) Die Vor­schrift des § 2 Abs. 1 Be­trAVG verstößt gleich­wohl nicht ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot we­gen des Al­ters. Ihr Zweck ist es, ei­ne all­ge­mein gülti­ge, vom In­halt des kon­kre­ten Ver­sor­gungs­ver­spre­chens un­abhängi­ge Re­gel zu sta­tu­ie­ren, die die Be­triebs­treue als ei­nen ent­schei­den­den ty­pi­schen Be­rech­nungs­fak­tor ho­no­riert (LAG Köln 06.05.2009 - 9 Sa 1/09 - Ju­ris; Blo­mey­er/Rolfs/Ot­to, a.a.O. § 2 Rn 22 ff; Höfer, a.a.O., § 2 Rn 3073; Cisch/Böhm a.a.O. S. 608; Adom­eit/Mohr a.a.O. S. 465; kri­tisch Ren­gier NZA 2006, 1251, 1255). Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 15.07.1998 - 1 BVR 1554/89 - u.a. - AP Be­trAVG 18 Nr. 26) aus­geführt, an der Sach­an­ge­mes­sen­heit der Re­ge­lung sei nicht zu zwei­feln. Ein an­de­rer An­satz sei nicht er­sicht­lich. Dem schließt sich die Kam­mer an. Die durch die ra­tier­li­che Kürzung be­wirk­te Be­nach­tei­li­gung der jünge­ren Ar­beit­neh­mer fin­det ih­re Recht­fer­ti­gung dar­in, dass sie die im Ver­sor­gungs­werk an­ge­leg­te Er­war­tung der Be­triebs­treue in größerem Aus­maß nicht erfüllen als die älte­ren Ar­beit­neh­mer (so Rolfs, a.a.O., S. 556).


III.

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten sei­nes oh­ne Er­folg ein­ge­leg­ten Rechts­mit­tels zu tra­gen. Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­ruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

 

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung

1. Ge­gen die­ses Ur­teil kann d. Kläg. schrift­lich Re­vi­si­on ein­le­gen. Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Frist von ei­nem Mo­nat, die Re­vi­si­ons­be­gründung in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

ein­ge­hen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­on und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Pro­zess­be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

a. Rechts­anwälte,
b. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
c. ju­ris­ti­sche Per­so­nen, die die Vor­aus­set­zun­gen des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ArbGG erfüllen.

In den Fällen der lit. b und c müssen die han­deln­den Per­so­nen die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

2. Für d. Bekl. ist ge­gen die­ses Ur­teil ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben. Auf § 72a ArbGG wird hin­ge­wie­sen.

 


Dr. Nat­ter

Held

Sto­cker

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