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LAG Niedersachsen, Urteil vom 25.02.2010, 5 Sa 1567/09
Schlagworte: | Betriebsübergang | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Niedersachsen | |
Aktenzeichen: | 5 Sa 1567/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 25.02.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 22.10.2009, 9 Ca 51/09 | |
LANDESARBEITSGERICHT
NIEDERSACHSEN
Verkündet am:
25.02.2010
Gerichtsangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 Sa 1567/09
9 Ca 51/09 ArbG Hannover
In dem Rechtsstreit
Klägerin und Berufungsbeklagte,
gegen
Beklagter und Berufungskläger,
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhand-lung vom 25. Februar 2010 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kubicki,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Knodel,
die ehrenamtliche Richterin Frau Hundertmark
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 22.10.2009 – 9 Ca 51/09 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten über den Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf den Beklagten sowie um die Verpflichtung, sie zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.
Die Klägerin war seit dem 01.10.1992 bei der H- und T GmbH als Hausdame beschäftigt, zuletzt mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.045,70 € bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.
Die H- und T GmbH (HTM) betrieb als Pächterin das F-Hotel, das sich auf dem Grundstück Straße 19 in B-Stadt befindet. Eigentümerin dieses Grundstückes ist die Fa. X GmbH (X).
Ein Gläubiger der X betrieb gegen diese die Zwangsvollstreckung. Vor diesem Hintergrund bestellte das Amtsgericht B-Stadt mit Beschluss vom 03.01.2008 den Beklagten zum Zwangsverwalter des Grundstückes Straße 19, B-Stadt.
Nach Anordnung der Zwangsverwaltung zahlte die HTM keine Pachtzins an den Beklagten. Daraufhin kündigte er mit Schreiben vom 10.12.2008 das Pachtverhältnis. Die HTM beachtete die Kündigung nicht, deswegen erhob der Beklagte Räumungsklage bei dem Landgericht B-Stadt, der durch Urteil vom 22.04.2009 entsprochen wurde.
Mit Beschluss vom 29.05.2009 gestattete das Amtsgericht B-Stadt dem Beklagten die Fortführung des gewerblichen Hotelbetriebs mit der Begründung, die Fortführung sei dringend geboten. Bei der darauf folgenden Zwangsräumung gegenüber der HTM am 18.06.2009 übergab der zuständige Obergerichtsvollzieher dem Beklagten die Generalschlüsselkarte und die Generalschlüssel. Irgendeine Form der Absprache zwischen dem Beklagten und der HTM erfolgte nicht.
Der Beklagte schloss daraufhin mit allen Mitarbeitern des F-Hotels, mit Ausnahme der Klägerin, neue Arbeitsverträge und führte den Hotelbetrieb fort.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es habe ein Betriebsübergang von der HTM auf den Beklagten stattgefunden und dies sowie die Weiterbeschäftigung erstinstanzlich geltend gemacht.
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Sie hat beantragt,
1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der H- und T GmbH auf den Beklagten übergegangen ist und fortbesteht,
2. den Beklagten zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Hausdame weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 22.10.2009 hat das Arbeitsgericht Hannover der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Wegen der genauen Einzelheiten der Tenorierung wird auf den erstinstanzlichen Urteilstenor, Bl. 1 und 2 des Urteils, Bl. 36 und 37 der Gerichtsakte, hinsichtlich der näheren Einzelheiten der rechtlichen Würdigung auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils, Bl. 3 – 5 desselben, Bl. 38 – 40 der Gerichtsakte, verwiesen.
Dieses Urteil ist dem Beklagten am 03.12.2009 zugestellt worden. Mit einem am 09.12.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er Berufung eingelegt und diese sogleich begründet. Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte das erstinstanzliche Ziel der Klageabweisung weiter. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er meint, die Zwangsräumung vom 18.06.2009 vor dem Hintergrund des Beschlusses des Amtsgerichts B-Stadt vom 29.05.2009 stelle die wesentliche Grundlage des Erwerbs des Hotelbetriebes dar. Ein Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB habe schon deswegen nicht vorgelegen, weil er den Hotelbetrieb nicht durch Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift erworben habe.
Er beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 22.10.2009, Az.: 9 Ca 51/09, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
- 4 -
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf ihre Schriftsätze vom 08.12.2009, 07.01. und 08.02.2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
A.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG und 519, 520 ZPO).
B.
Die Berufung ist begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu der HTM ist nicht gemäß § 613 a BGB im Wege eines Betriebsüberganges auf den Beklagten übergegangen. Deswegen ist auch dem Antrag auf Weiterbeschäftigung von vorneherein die Grundlage entzogen.
1.
§ 613 a BGB bestimmt den Übergang bestehender Arbeitsverhältnisse, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Das Merkmal des „Rechtsgeschäftes“ dient dazu, eine Abgrenzung von einem gesetzlichen oder hoheitlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses vorzunehmen (Schaub-Koch, 13. Aufl., § 117 RdNr. 29). Der Begriff des Rechtsgeschäftes ist in diesem Zusammenhang weit zu ver-stehen. Rechtsgeschäftlicher Betriebsinhaberwechsel bedeutet, dass die zum Betrieb gehörenden materiellen oder immateriellen Betriebsmittel durch besondere Übertragungsakte - und nicht durch Gesamtrechtsnachfolge oder Hoheitsakt – auf den neuen Inhaber übertragen werden. Der Erwerber wird damit neuer Inhaber des Betriebes und ist zur Nutzung dieser Betriebsmittel berechtigt. § 613 a BGB ist aber nicht nur dann anwendbar, wenn der Betrieb oder Betriebsteil als Ganzes unmittelbar durch ein einheitliches Rechtsgeschäft von dem Veräußerer auf den Erwerber übertragen wird. Ein Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft liegt auch dann vor, wenn der Übergang von einem früheren auf den neuen Betriebsinhaber rechtsgeschäftlich veranlasst wurde; sei es auch durch eine Reihe von Rechtsgeschäften oder durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen mit verschiedenen Dritten, die ihrerseits Teile des Betriebsvermögens oder die Nutzungs-
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befugnis darüber von dem ehemaligen Inhaber des Betriebes erlangt habe. Entscheidend ist, ob die Rechtsgeschäfte darauf gerichtet sind, eine funktionsfähige betriebliche Einheit zu übernehmen (BAG, Urteil vom 02.03.2006, Az.: 8 AZR 147/05 – AP Nr. 302 zu § 613 a BGB; BAG, Urteil vom 22.07.2004, Az.: 8 AZR 350/03 – AP Nr. 274 zu § 613 a BGB).
2.
Speziell zur Problematik der Fortführung eines Gewerbebetriebes durch den Zwangsverwalter hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Grundsatzentscheidung vom 09.01.1980 (BAG, Urteil vom 09.01.1980, Az.: 5 AZR 21/78 – AP Nr. 19 zu § 613 a BGB) folgende Rechtsgrundsätze aufgestellt: Die Anordnung der Zwangsverwaltung eines Grundstückes bewirkt nur die Beschlagnahme dieses Grundstückes und der in § 20 f, 148 Abs. 1 ZVG näher bezeichneten Gegenstände. Soweit der Zwangsverwalter zur Fortführung des Gewerbebetriebes Gegenstände oder Rechte des Schuldners benötigt, die nicht der Beschlagnahme durch die Zwangsverwaltung unterliegen, muss er entsprechende Verträge mit dem Schuldner abschließen. Durch die Beschlagnahme erhält der Zwangsverwalter die Verwaltungs- und Nutzungsbefugnis lediglich hinsichtlich der beschlagnahmten Grundstücke nebst Zubehör. Soweit er weitere, nicht von der Beschlagnahme erfasste Gegenstände des Schuldners, Betriebsmittel, Materialien, gewerbliche Schutzrechte, Firma und Ähnliches nutzen will, muss er mit dem Schuldner entsprechende Rechtsgeschäfte abschließen. Damit bestehen unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Schuldner als „Veräußerer“ und dem Zwangsverwalter als „Erwerber“ des Betriebes. Bei Vorliegen einer solchen Vereinbarung mit dem Schuldner, die auch stillschweigend getroffen werden kann, liegt ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 613 a BGB vor.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Köln (LAG Köln, Urteil vom 11.05.1999, Az.: 10 Sa 14/99 – NZA 2000, 36 – 39) führt die Fortführung eines Betriebes durch den Zwangsverwalter nur dann zu einem Betriebsübergang nach § 613 a BGB, wenn eine Vereinbarung mit dem Schuldner ersichtlich ist. Allein die schlichte Fortführung des Betriebes unabhängig vom Willen des Schuldners sei nicht ausreichend.
Demgegenüber soll nach einer Entscheidung des Landearbeitsgerichts Bremen (LAG Bremen, Urteil vom 06.02.1987, Az.: 4 Sa 328/85 – BB 1987 1606) allein die Fortführung des Gewerbebetriebes ohne ausdrückliche Zustimmung des Schuldners auch als Rechtsgeschäft im Sinne des § 613 a BGB ausreichen, weil bereits eine entsprechende Willenbekundung des Zwangsverwalters im Zusammenhang mit der Anordnung der Zwangsverwaltung genügen soll.
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In der Kommentarliteratur wird, soweit es die Problematik der Fortführung eines Betriebes durch den Zwangsverwalter anbelangt, überwiegend die Auffassung vertreten, lediglich dann, wenn eine Vereinbarung des Zwangsverwalters mit dem Schuldner als dem bisherigen Betriebsinhaber erkennbar sei, könne § 613 a BGB angewendet werden (Münch/Komm BGB-Müller-Glöge, Band 4, § 613 a RdNr. 70; H/W/K-Willemsen, 3. Aufl., § 613 a BGB, RdNr. 209; Staudinger-Annuß, Buch 2, 2005, § 613 a RdNr. 129).
3.
Nach Auffassung der Berufungskammer liegt ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 613 a BGB jedenfalls dann nicht vor, wenn es – wie im vorliegenden Streitfall – an einer entsprechenden Willensbekundung des Schuldners zur Fortführung des Gewerbebetriebes fehlt. Allein die entsprechende Willensbekundung des Zwangsverwalters im Zusammenhang mit der Anordnung der Zwangsverwaltung genügt nicht.
a)
Selbst bei weiter Auslegung des Tatbestandsmerkmales „Rechtsgeschäft“ muss dieses doch irgendeine Vereinbarung oder eine auf einer Willensbekundung beruhende Einverständniserklärung des früheren Betriebsinhabers beinhalten. Alles andere verstößt bereits gegen den Wortlaut des § 613 a BGB. Es entspricht auch nicht seinem Sinn und Zweck, da dieses Merkmal „durch Rechtsgeschäft“ nicht allein ein negatives Tatbestandsmerkmal ist, welches ausschließlich der Abgrenzung zur Gesamtrechtsnachfolge oder zum Hoheitsakt dient. Es sind immer auch besondere durch den früheren Inhaber vorgenommene Übertragungsakte erforderlich. Diese müssen einen vom früheren Betriebsinhaber abgeleiteten Erwerb der Betriebsmittel erkennen lassen, der darauf gerichtet ist, eine funktionsfähige betriebliche Einheit zu übernehmen.
Im vorliegenden Streitfall gibt es eine solche als Einverständnis oder gar als Rechtsgeschäft zu bewertende Willensbekundung der früheren Betriebsinhaberin, der Fa. HTM, nicht. Bereits deswegen scheidet ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB aus.
b)
Abgesehen davon handelt es sich auch um einen hoheitlichen Übertragungsvorgang. Der Beklagte hat den von ihm fortgeführten Hotelbetrieb im Wege einer Zwangsvollstreckung erhalten. Wesentliche Grundlage für seine Befugnis, den Gewerbebetrieb selbst fortzuführen, war der Beschluss des Amtsgerichts B-Stadt vom 29.05.2009, welcher seine Grundlage in der Zwangsverwalterverordnung hat: Danach ist nach § 5 ZwVwV die Nutzung des
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Gewerbebetriebes, der sich auf dem zwangsverwalteten Grundstück befindet, durch Vermietung oder Verpachtung grundsätzlich zulässig. Will der Zwangsverwalter diesen Gewerbebetrieb eigenwirtschaftlich nutzen, dann bedarf dies der Zustimmung des Amtsgerichtes nach Anhörung des Gläubigers und des Schuldners. Die an der zweckmäßigen Nutzung des Gewerbebetriebes orientierte Gerichtsentscheidung im Rahmen des § 10 ZwVwV hat hoheitlichen Charakter, selbst wenn sie auf einem Antrag, einer Willensentscheidung und einer entsprechenden Antragsbegründung durch den Zwangsverwalter beruht. Denn auch diese Willensbekundungen des Zwangsverwalters sind durch seine hoheitlichen Aufgaben im Rahmen der Zwangsverwaltung geprägt und haben sich an der bestmöglichen Verwertung dieses Grundstückes zu orientieren.
Dies stellt kein Rechtsgeschäft gemäß § 613 a BGB dar.
C.
Die Klägerin hat als unterlegene Partei gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 ArbGG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil findet, wie sich aus der Urteilsformel ergibt, die Revision statt.
Die Revisionsschrift muss innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils, die Revisionsbegründung innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils bei dem Bundesarbeitsgericht eingehen.
Die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts lautet:
Postfach, 99113 Erfurt
oder
Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt.
Telefax-Nr.: (0361) 26 36 – 20 00
Vor dem Bundesarbeitsgericht müssen sich die Parteien durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer Rechtsanwälten nur die in § 11 Absatz 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG bezeichneten Organisationen zugelassen. Diese müssen in Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
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Die Revisionsschrift, die Revisionsbegründungsschrift und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Revisionsverfahren sollen 7-fach – für jeden weiteren Beteiligten ein Exemplar mehr – eingereicht werden.
Kubicki
Knodel
Hundertmark
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Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |