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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 26.02.2016, 6 Sa 1581/15

   
Schlagworte: Massenentlassung, Betriebsrat
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 6 Sa 1581/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.02.2016
   
Leitsätze:

1. Eine Massenentlassungsanzeige ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber ihr entgegen § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG keine Stellungnahme des Betriebsrats beifügt und auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht erfüllt sind (BAG vom 22.11.2012 - 2 AZR 371/11 - Rn. 14 ff.).

2. Äußert sich der Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG schriftlich und stellt dies keine Stellungnahme i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG dar, so kann offenbleiben, ob im Rahmen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG jede ungenügende Stellungnahme der Massenentlassungsanzeige beizufügen ist (so wohl BAG vom 28.06.2012 - 6 AZR 780/10 - Rn. 58).

Eine nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ungenügende Stellungnahme des Betriebsrats muss jedenfalls der Erklärung des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG dann beigefügt werden, wenn die Beifügung notwendig ist, um der Agentur für Arbeit den „Stand der Beratungen“ mitzuteilen.

3. Führt der Arbeitgeber kein gebotenes Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG durch, ist eine Kündigung unwirksam (BAG vom 21.03.2013 - 2 AZR 60/12 - Rn. 19 ff.). Der Nichtdurchführung des Konsultationsverfahrens steht eine fehlende Ordnungsgemäßheit gleich.

Ein Konsultationsverfahren wird nicht ordnungsgemäß durchgeführt, wenn dem Betriebsrat als Kollegialorgan keine Möglichkeit eingeräumt wird, zu dem Ergebnis eines ersten Beratungsgesprächs des Arbeitgebers mit einer „Verhandlungskommission“ des Betriebsrats Stellung zu nehmen. Dies auch dann nicht, wenn die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG schon abgelaufen ist.

4. Es kann offenbleiben, ob eine Massenentlassungsanzeige wirksam erst dann erstattet werden kann, wenn das Konsultationsverfahren beendet worden ist (so LAG Niedersachsen vom 07.04.2011 - 4 Sa 1271/10 - Rn. 41 ff.). Die Frage der Heilungsmöglichkeit einer anfänglich unwirksamen Massenentlassungsanzeige stellt sich nicht, wenn der Arbeitgeber die Kündigung ausspricht, bevor das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG beendet worden sein kann.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 06.08.2015, 44 Ca 2312/15
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

Verkündet am

26. Fe­bru­ar 2016 

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
6 Sa 1581/15
44 Ca 2312/15
Ar­beits­ge­richt Ber­lin  

H.
Ge­richts­beschäftig­te
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

pp.

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 6. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 26. Fe­bru­ar 2016
durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt Dr. S. als Vor­sit­zen­der
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn Dr. J. und Frau L.
für Recht er­kannt:

I. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin hin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 06.08.2015 - 44 Ca 2312/15 teil­wei­se ab­geändert:
Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en we­der durch die Kündi­gung vom 29.01.2015 noch durch die Kündi­gung vom 27.06.2015 auf­gelöst wor­den ist.
Hin­sicht­lich des An­tra­ges zu 3. (all­ge­mei­ner Fest­stel­lungs­an­trag) wird die Be­ru­fung als un­zulässig ver­wor­fen.

II. Die Kos­ten ers­ter und zwei­ter In­stanz trägt die Be­klag­te.

III. Die Re­vi­si­on wird hin­sicht­lich der Kündi­gungs­schutz­anträge zu­ge­las­sen.

Dr. S.  

Dr. J.  

L.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten ins­be­son­de­re über die Wirk­sam­keit zwei­er be­triebs­be­ding­ter Kündi­gun­gen im Rah­men ei­ner Mas­sen­ent­las­sung.

Die am …. ge­bo­re­ne Kläge­rin ist bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin­nen seit dem 01.01.1992 als Flug­zeug-/Flug­gast­ab­fer­ti­gungs­kraft am Flug­ha­fen Ber­lin-Te­gel ge­gen ein mo­nat­li­ches Ge­halt von zu­letzt 3.065,10 EUR brut­to beschäftigt.

Die Be­klag­te beschäftig­te 2015 mehr als 100 Ar­beit­neh­mer. Bei der Be­klag­ten be­steht ein Be­triebs­rat. Kom­man­di­tis­tin der Be­klag­ten ist die G. Ber­lin GmbH & Co. KG (GBB). Die­se war die ein­zi­ge Auf­trag­ge­be­rin der Be­klag­ten. Die Ge­sell­schaf­ter der Be­klag­ten be­schlos­sen am 22.09.2014 den Be­trieb der Be­klag­ten zum 31.03.2015 still­zu­le­gen(An­la­ge B-K4). Die GBB kündig­te sämt­li­che noch vor­han­de­ne Auf­träge aus den Be­rei­chen Check-In zu An­fang No­vem­ber 2014, die übri­gen Auf­träge zum 31.03.2015.

Es wur­de anläss­lich der (von der Be­klag­ten be­haup­te­ten) Be­triebs­still­le­gung ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le ein­ge­setzt. Bei­sit­zer des Be­triebs­rats war un­ter an­de­rem Herr Rechts­an­walt K.. Die­ser wand­te sich im Rah­men des Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­rens an den Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den u.a. mit ei­nem drei­sei­ti­gen Schrei­ben vom 15.12.2014 (An­la­ge (K 14) II b, Bl. 228-230 d.A.) und mo­nier­te dar­in den Man­gel an In­for­ma­tio­nen sei­tens der Be­klag­ten. Man ha­be ernst­haft we­der über Al­ter­na­ti­ven zu ei­ner Be­triebs­sch­ließung noch über de­ren Wie ver­han­delt. Am 18.12.2014 erklärte die Be­klag­te die In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­hand­lun­gen für ge­schei­tert.

Mit Schrei­ben vom 02.01.2015 (An­la­ge B-K 15, Bl. 96 f. d.A.) un­ter­rich­te­te die Be­klag­te den Be­triebs­rat über die Mas­sen­ent­las­sung. Am En­de des Schrei­bens wird u.a. auf die Ver­hand­lun­gen in der Ei­ni­gungs­stel­le Be­zug ge­nom­men. Der Be­triebs­rat ant­wor­te­te mit Schrei­ben vom 14.01.2015 (An­la­ge K 14, Bl. 231 d.A.) und ver­wies auf das Schrei­ben von Herrn Rechts­an­walt K. vom 15.12.2014 (An­la­ge (K 14) II b, Bl. 228-230 d.A) im Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren, das der Be­triebs­rat sei­nem Schrei­ben bei­leg­te.

Mit Schrei­ben vom 28.01.2015 er­stat­te­te die Be­klag­te ge­genüber der Agen­tur für Cott­bus ei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge nach § 17 KSchG (An­la­ge B-K 18, Bl. 107 ff. d.A.). Das Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 14.01.2015 wur­de die­ser nicht bei­gefügt. Statt­des­sen wur­de zu „5. Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats“ erklärt: „Mit dem … Be­triebs­rat wur­den In­ter­es­sen­aus­gleichs- und So­zi­al­plan­ver­hand­lun­gen geführt. Wei­ter­hin wur­de der Be­triebs­rat noch ein­mal ge­son­dert … gemäß § 17 Abs. 2 KSchG un­ter­rich­tet. … Ei­ne ge­son­der­te Stel­lung­nah­me hat der Be­triebs­rat nicht ab­ge­ge­ben. Im Rah­men der So­zi­al­plan­ver­hand­lun­gen wur­de[.] je­doch mit dem Be­triebs­rat … über die Ein­rich­tung ei­ner Trans­fer­ge­sell­schaft … ver­han­delt. Das Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren wur­de … be­en­det … Wei­te­re, ge­son­der­te Be­ra­tun­gen hat der Be­triebs­rat nicht ver­langt.“ Mit Be­scheid vom 10.02.2015 (Bl. 123 d.A.) teil­te die Agen­tur für Ar­beit Cott­bus mit, dass die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge wirk­sam er­stat­tet wor­den sei.

Die Be­klag­te kündig­te der Kläge­rin mit Schrei­ben vom 29.01.2015 or­dent­lich zum 31.08.2015. Mit der am 16.02.2015 ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge wen­det sich die Kläge­rin ge­gen die Wirk­sam­keit der Kündi­gung vom 29.01.2015.

Auf Grund der von Kam­mern des ArbG Ber­lin geäußer­ten Be­den­ken ge­gen die Wirk­sam­keit der ers­ten Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge ent­schloss sich die Be­klag­te, vor­sorg­lich er­neut ei­ne Mas­sen­ent­las­sung vor­zu­neh­men. Mit Schrei­ben vom 10.06.2015 (An­la­ge B-M1, Bl. 274 ff. d.A.) un­ter­rich­te­te die Be­klag­te den Be­triebs­rat über ei­ne ge­plan­te vor­sorg­li­che wei­te­re Mas­sen­ent­las­sung. Mit Schrei­ben vom 17.06.2015 (An­la­ge B-M5, Bl. 289 ff. d.A.) wand­te sich der Be­triebs­rat an die Be­klag­te und un­ter­brei­te­te Vor­schläge zur Ab­wen­dung der Mas­sen­ent­las­sung. Nach Schwie­rig­kei­ten, ei­nen ge­mein­sa­men Ter­min zu fin­den, kam es am 24.06.2015 in der Zeit von 12.50h bis 18.50 h zu ei­ner „Kon­sul­ta­ti­on mit [dem] Be­triebs­rat betr. § 17 KSchG“ (Bl. 293 d.A.). Für den Be­triebs­rat wa­ren an­we­send: Die Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de Frau H. („CH“), das Be­triebs­rats­mit­glied Frau B., Herr Rechts­an­walt K. („HK“) und der Sach­verständi­ge Herr G.. Für die Be­klag­te de­ren Geschäftsführer („BA“) und Frau Rechts­anwältin R. („UR“). Bei dem Gespräch dien­te ei­ne Präsen­ta­ti­on der Be­klag­ten von 14 Sei­ten als Dis­kus­si­ons­grund­la­ge (An­la­ge B-M 9, Bl. 296 ff. d.A.). In dem Gespräch wur­de u.a. über die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Neu­eröff­nung des Be­trie­bes ge­spro­chen. Das Gespräch wur­de aus Sicht der Be­klag­ten auf 6 Sei­ten pro­to­kol­liert (An­la­ge B-M 8, Bl. 293 ff. d.A.). Im Pro­to­koll heißt es aus­zugs­wei­se:

„UR zum Sach­stand: Wei­ter­lei­tung Schrei­ben BR vom 17.6. an GBB und ers­te Gespräche, noch kei­ne ab­sch­ließen­de Ent­schei­dung. …

Nach­dem der BR deut­lich ge­macht hat, dass aus sei­ner Sicht oh­ne die ge­for­der­ten In­for­ma­tio­nen nicht über Kos­ten­sen­kun­gen ge­spro­chen wer­den kann, set­zen wir die Präsen­ta­ti­on fort. …

CH - Fra­ge, ob man die Präsen­ta­ti­on bis Mon­tag ha­ben könne, da man am Diens­tag mit dem Be­triebs­rat zu­sam­men­sit­zen wer­de
UR - Wir wer­den die Un­ter­la­gen sehr kurz­fris­tig zu­kom­men las­sen. Ergänzung durch BA, dass dies wahr­schein­lich noch heu­te abend, spätes­tens mor­gen früh möglich sei. …

BA - Bis 12 Uhr mor­gen noch Möglich­keit Ergänzun­gen zu heu­ti­gem Gespräch und Schrei­ben vom mit­zu­tei­len, da wir mor­gen Nach­mit­tag mit GBB über das wei­te­re Vor­ge­hen spre­chen wer­den.“

Der Geschäftsführer der Be­klag­ten über­mit­tel­te dem Be­triebs­rat mit Mail vom 24.06.2015, 19:34h (An­la­ge B-M10, Bl. 303 d.A.) die von der Be­klag­ten im Be­ra­tungs­gespräch am 24.06.2015 be­nutz­te Präsen­ta­ti­on und teil­te mit, dass das Gespräch mit der GBB erst am Abend stattfände. „Ergänzun­gen“ zum Gespräch vom 24.06. und zum Schrei­ben vom 17.06.2015 so­wie vom 24.06.2015 bzw. „ei­ne ab­sch­ließen­de Stel­lung­nah­me“ sei­en noch bis 18:00 Uhr möglich. Es könne nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass die GBB am Fol­ge­tag „ei­ne endgülti­ge Ent­schei­dung tref­fen“ wer­de. Mit Fax­schrei­ben vom 25.06.2015, 16:40h (An­la­ge B-M11, Bl. 304 d.A.) erklärte die Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de, dass man in der Be­ra­tung am 24.06.2015 „so ver­blie­ben [sei], dass Sie [der Geschäftsführer] … Ih­re Sicht der Din­ge so recht­zei­tig mit­tei­len woll­ten, dass das ge­sam­te Be­triebs­rats­gre­mi­um darüber in sei­ner Sit­zung am nächs­ten Diens­tag be­ra­ten kann. … Auf der Grund­la­ge der Erörte­run­gen und Be­schluss­fas­sung des Gre­mi­ums würde der Be­triebs­rat dann un­verzüglich und ab­sch­ließend Stel­lung neh­men. … die Mit­glie­der der .. Ver­hand­lungs­kom­mis­si­on .. hof­fen, dass wir auf der Ba­sis un­se­rer drei … In­for­ma­ti­onswünsche in ei­nem wei­te­ren Ter­min in­halt­lich wei­ter kom­men.“ Mit Schrei­ben vom 26.06.2015 (An­la­ge B-M12, Bl. 305 d.A.) teil­te der Geschäftsführer der Be­klag­ten dem Be­triebs­rat u.a. mit, dass man nicht ver­ein­bart ha­be, bis zur nächs­ten Sit­zung des Be­triebs­rats am Diens­tag zu war­ten. Oh­ne ei­ne deut­li­che kurz­fris­ti­ge Sen­kung der Per­so­nal­kos­ten sei ei­ne Wie­de­reröff­nung nicht möglich. Dar­auf ha­be der Be­triebs­rat sich auch nicht im An­satz ein­ge­las­sen.

Un­ter dem 26.06.2015 er­stat­te­te die Be­klag­te bei der Ar­beits­agen­tur Cott­bus ei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge (An­la­ge B-M 13), die bei der Ar­beits­agen­tur am 26.06.2015 ein­ging.

Mit Schrei­ben vom 27.06.2015 kündig­te die Be­klag­te der Kläge­rin zum 31.01.2016. Mit der bei Ge­richt am 13.07.2015 ein­ge­gan­gen Kla­ge­er­wei­te­rung vom 10.07.2015 (Bl. 245 d.A.) wen­det sich die Kläge­rin auch ge­gen die Wirk­sam­keit der Kündi­gung vom 27.06.2015.

Die Kläge­rin hat u.a. die An­sicht ver­tre­ten, dass die Kündi­gun­gen so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt sei­en. Der Ar­beits­platz der Kläge­rin sei nicht weg­ge­fal­len, son­dern le­dig­lich in rechts­miss­bräuch­li­cher Wei­se auf an­de­re kon­zern­ver­bun­de­ne Un­ter­neh­men ver­la­gert wor­den. Die Be­triebs­rats­anhörung und die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge zur ers­ten Kündi­gung sei­en nicht ord­nungs­gemäß er­folgt. Un­ter an­de­rem sei die Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge nicht bei­gefügt ge­we­sen. Im Übri­gen ha­be die Be­klag­te die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bei der fal­schen Agen­tur für Ar­beit er­stat­tet. Hin­sicht­lich der zwei­ten Kündi­gung hieß es erst­in­stanz­lich bzgl. § 17 KSchG le­dig­lich: „Die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge gemäß § 17 KSchG ist nicht ord­nungs­gemäß er­folgt“ (Bl. 246 d.A.).

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 29.01.2015, zu­ge­gan­gen am 29.01.2015, das Ar­beits­verhält­nis nicht auf­gelöst hat und rechts­un­wirk­sam ist

2. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen über den Ab­lauf der Kündi­gungs­frist am 31.08.2015 hin­aus wei­ter un­verändert fort­be­steht;

3. hilfs­wei­se für den Fall der Ab­wei­sung des An­trags zu 1.

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ei­nen Nach­teils­aus­gleich gemäß § 113 Abs. 3 Be­trVG i. V. m. §§ 9, 10 KSchG zu zah­len, des­sen Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, je­doch 35.248,65 EUR nicht un­ter­schrei­ten soll;

4. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 209,44 EUR brut­to zuzüglich Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz aus 114,44 EUR brut­to seit dem 02.02.2015 und aus 94,96 EUR brut­to seit dem 02.03.2015 zu zah­len;

5. dass die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 27.06.2015, zu­ge­gan­gen am 27.06.2015, das Ar­beits­verhält­nis nicht auf­gelöst hat und rechts­un­wirk­sam ist.

Die Be­klag­te hat zu­letzt be­an­tragt,

1. die Kla­ge ab­zu­wei­sen,

2. hilfs­wei­se für den Fall, dass die Be­klag­te zur Zah­lung ei­nes Nach­teils­aus­gleichs gemäß §§ 113 Abs. 3 Be­trVG, 9, 10 KSchG ver­ur­teilt wird, die vorläufi­ge Voll­streck­bar­keit des Ur­teils aus­zu­sch­ließen.

Die Be­klag­te hat u.a. die An­sicht ver­tre­ten, dass die Ord­nungs­gemäßheit der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge nicht dar­an schei­tern könne, dass das Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 14.01.2015 bei­ge­legt wor­den sei. Die­ses sei kei­ne Stel­lung­nah­me i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ge­we­sen.

Mit Ur­teil vom 06.08.2015 hat das Ar­beits­ge­richt die in der Be­ru­fungs­in­stanz anhängi­gen Kla­ge­anträge ab­ge­wie­sen. Die Be­klag­te ha­be in nicht rechts­miss­bräuch­li­cher Wei­se ih­ren Be­trieb zum 31.03.2015 still­ge­legt. Ein Be­triebsüber­gang auf Drit­te ha­be nicht statt­ge­fun­den. Ei­ne kon­zern­di­men­sio­na­le Wei­ter­beschäfti­gungs­pflicht der Be­klag­ten be­ste­he nicht. Die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge sei ord­nungs­gemäß er­folgt. Der Beifügung des Schrei­bens des Be­triebs­rats vom 14.01.2015 ha­be es nicht be­durft. Ein Nach­teils­aus­gleichs­an­spruch gemäß § 113 Abs. 3, Abs. 1 Be­trVG be­ste­he nicht. Auf Grund der Wirk­sam­keit der ers­ten Kündi­gung käme es auf die Wirk­sam­keit der zwei­ten nicht mehr an.

Für den erst­in­stanz­li­chen Sach- und Streit­stand im Übri­gen wird auf das erst­in­stanz­li­che Ur­teil so­wie auf die von den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze ver­wie­sen.

Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 06.08.2015 - 44 Ca 2312/15 - wur­de der Kläge­rin am 21.08.2015 zu­ge­stellt. Die Kläge­rin hat hier­ge­gen Be­ru­fung ein­ge­legt mit Schrift­satz vom 09.09.2015, bei Ge­richt ein­ge­gan­gen am 10.09.2015, und die­se mit Schrift­satz vom 21.10.2015, ein­ge­gan­gen bei Ge­richt am 21.10.2015, be­gründet.

Die Kläge­rin ver­tieft ihr erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen. Zur zwei­ten Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge heißt es le­dig­lich (Bl. 375 d.A.): „Die Kündi­gung vom 27. Ju­ni 2015 ist auf je­den Fall un­wirk­sam, da.. [es] auch hier an der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge gemäß § 17 KSchG an die Agen­tur für Ar­beit Ber­lin fehlt. In­so­weit [ist] die­se Kündi­gung schon for­mal un­wirk­sam. Wei­ter­hin wird sich auf den ge­sam­ten Vor­trag zur Kündi­gung vom 29. Ja­nu­ar 2015 be­ru­fen.“

Die Kläge­rin be­an­tragt,

Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin zum Ak­ten­zei­chen 44 Ca 2312/15 vom 06.08.2015 zu Zif­fer II auf­zu­he­ben und fest­zu­stel­len,

1. dass die Kündi­gung vom 29.01.2015, zu­ge­gan­gen am 30.01.2015, das Ar­beits­verhält­nis nicht auf­gelöst hat und rechts­un­wirk­sam ist;

2. dass die Kündi­gung vom 27.06.2015, zu­ge­gan­gen am 27.06.2015, das Ar­beits­verhält­nis nicht auf­gelöst hat und rechts­un­wirk­sam ist;

3. dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen über den Ab­lauf der Kündi­gungs­fris­ten zum 31.08.2015 und zum 31.01.2016 hin­aus wei­ter un­verändert fort­be­steht;

4. hilfs­wei­se für den Fall der Ab­wei­sung des An­trags zu 1.,
die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, der Kläge­rin ei­nen Nach­teils­aus­gleich gemäß § 113 Abs. 3 Be­trVG i. V. m. §§ 9, 10 KSchG zu zah­len, des­sen Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, je­doch 35.248,65 Eu­ro nicht un­ter­schrei­ten soll, zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­ru­fungs­be­klag­te ver­tieft ihr erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen. Die ers­te Kündi­gung schei­te­re nicht an § 17 KSchG. Im Rah­men des Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­rens nach § 17 Abs. 2 KSchG sei der Be­triebs­rat hin­rei­chend un­ter­rich­tet wor­den. Der vollständi­ge Auf­trags­ver­lust sei mit­ge­teilt wor­den. Wei­te­re Hin­ter­gründe bei der GBB sei­en nicht mit­zu­tei­len ge­we­sen. Aus­weis­lich des Un­ter­rich­tungs­schrei­bens vom 02.01.2015 (An­la­ge B-K 15) ha­be die Be­klag­te die Gespräche in der Ei­ni­gungs­stel­le auch für die Kon­sul­ta­ti­on nach § 17 Abs. 2 KSchG ge­nutzt, wo­von aus­weis­lich des Schrei­bens des Be­triebs­rats vom 14.01.2015 (An­la­ge BB 1a und b) auch die­ser aus­ge­gan­gen sei. § 17 Abs. 3a KSchG sei vor­lie­gend nicht an­wend­bar. Auch die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge sei wirk­sam er­stat­tet wor­den. Die Be­klag­te be­haup­tet, dass sie die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge rein vor­sorg­lich auch an die Agen­tur für Ar­beit Ber­lin ge­sandt ha­be. Dies mit Schrei­ben vom 28.01.2015 (An­la­ge BB 3), aus­weis­lich des Bestäti­gungs­schrei­bens vom 01.10.2015 (An­la­ge BB 4). Im Übri­gen sei nach der Geschäfts­an­wei­sung der Ar­beits­agen­tur (An­la­ge BB 2) auf den „Sitz“ des Be­trie­bes ab­zu­stel­len. Das Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 14.01.2015 sei nicht der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bei­zufügen ge­we­sen. Das Schrei­ben sei kei­ne Stel­lung­nah­me i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Es sei auch nicht im Rah­men des § 17 Abs. 2 Satz 3 KSchG bei­zufügen ge­we­sen.

Auch die zwei­te Kündi­gung schei­te­re nicht an § 17 KSchG. Das Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren nach § 17 Abs. 2 KSchG sei ord­nungs­gemäß durch­geführt wor­den. Der Be­triebs­rat sei schon im Rah­men der Kon­sul­ta­ti­on zur ers­ten Kündi­gung und dann noch ein­mal im Schrei­ben vom 10.06.2015 er­neut um­fas­send in­for­miert wor­den. Das Be­ra­tungs­gespräch am 24.06.2015 sei er­geb­nis­of­fen er­folgt, ha­be je­doch zu kei­nem Ein­verständ­nis geführt. Die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge sei gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG wirk­sam. Die Zwei­wo­chen­frist des § 17 Abs. 2 Satz 3 KSchG sei ein­ge­hal­ten.

In der münd­li­chen Ver­hand­lung wur­de sei­tens des Ge­richts auf Be­den­ken hin­sicht­lich des Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­rens bei der 2. Kündi­gung hin­ge­wie­sen. Dar­auf­hin erklärte der Kläger­ver­tre­ter zu Pro­to­koll, dass die Kon­sul­ta­ti­on vor­zei­tig ab­ge­bro­chen wor­den sei. Die Be­klag­te ha­be die Be­ra­tung des Be­triebs­rats nicht ab­ge­war­tet. Dies er­ge­be sich aus dem Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 25.06.2015 (An­la­ge B-M 11). Die Be­klag­te ver­wies u.a. dar­auf, dass die Kläge­rin in­so­weit schriftsätz­lich kei­ne kon­kre­te Rüge er­ho­ben ha­be, im Übri­gen aus den von der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen (An­la­gen B-M 8, 10, 12) sich er­ge­be, dass die Be­ra­tung nicht vor­zei­tig ab­ge­bro­chen wor­den sei. Auch sei dem Be­triebs­rat aus­rei­chend Ge­le­gen­heit ge­ge­ben wor­den, ergänzend zu dem Gespräch Stel­lung zu neh­men.

Für den Sach- und Streit­stand im Übri­gen wird auf das Pro­to­koll der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 26.02.2016 (Bl. 569 d.A.) und auf die zweit­in­stanz­lich ge­wech­sel­ten Schriftsätze der Par­tei­en ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung war im We­sent­li­chen er­folg­reich. Das Ur­teil des ArbG Ber­lin ent­spre­chend ab­zuändern.

A. Die Be­ru­fung ist nur hin­sicht­lich des all­ge­mei­nen Fest­stel­lungs­an­tra­ges un­zulässig.

A. I. Die Be­ru­fung ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 Buchst. c ArbGG statt­haft so­wie form- und frist­ge­recht i. S. v. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO ein­ge­legt wor­den.

A. II. Die Be­ru­fung ist hin­sicht­lich des all­ge­mei­nen Fest­stel­lungs­an­tra­ges (Ziff. 3) nicht ord­nungs­gemäß be­gründet im Sin­ne des § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Da­nach muss die Be­ru­fungs­be­gründung die Be­zeich­nung der Umstände ent­hal­ten, aus de­nen sich die Rechts­ver­let­zung und de­ren Er­heb­lich­keit für die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung er­gibt (vgl. BAG vom 23.02.2011 - 4 AZR 313/09 - ju­ris Rn. 15) und es be­darf ei­ner Aus­ein­an­der­set­zung hin­sicht­lich je­den ab­ge­wie­se­nen Streit­ge­gen­stan­des (BAG vom 28.05.2008 - 10 AZR 351/07 - ju­ris Rn. 28 = NZA 2008, 1066). Dies ist bezüglich des all­ge­mei­nen Fest­stel­lungs­an­tra­ges nicht ge­ge­ben. Die Be­ru­fungs­be­gründung (Bl. 375 d.A.) wie­der­holt nur die schon vom ArbG Ber­lin erst­in­stanz­lich (Bl. 349 d.A.) ab­ge­lehn­ten Gründe.

B. Die Be­ru­fung ist be­gründet. Die Kündi­gungs­schutz­anträge sind zulässig und be­gründet.

B. I. Der ge­gen die Kündi­gung vom 29.01.2015 ge­rich­te­te Kündi­gungs­schutz­an­trag ist i.V.m. § 4 Satz 1 KSchG i.V.m. § 7 KSchG zulässig und auch be­gründet. Der Hilfs­an­trag auf Zah­lung ei­nes Nach­teils­aus­gleichs ist nicht an­ge­fal­len.

B. I. 1. Die Kläge­rin hat ge­gen die schrift­li­che Kündi­gung vom 29.01.2015 i.V.m. § 167 ZPO in­ner­halb der Drei­wo­chen­frist des § 4 Satz 1 KSchG Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben.

B. I. 2. Die Kündi­gung vom 29.01.2015 ist gemäß § 17 KSchG i.V.m. § 134 BGB un­wirk­sam. Die Miss­ach­tung des § 17 KSchG wur­de gerügt. Ei­ne un­wirk­sa­me not­wen­di­ge Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge führt zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung. Die Er­stat­tung der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge war not­wen­dig. Die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge vom 28.01.2015 ist un­wirk­sam. Ih­re Un­wirk­sam­keit wur­de durch den Be­scheid der Agen­tur für Ar­beit Cott­bus nicht ge­heilt.

B. I. 2.1 Die Kläge­rin hat sich im Schrift­satz vom 29.05.2015, S. 19 (Bl. 189 d.A.) erst­in­stanz­lich i.V.m. § 6 Satz 1 KSchG recht­zei­tig auf ei­ne Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung nach § 134 BGB i.V.m. § 17 KSchG be­ru­fen.

B. I. 2.2 Die Un­wirk­sam­keit ei­ner Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge führt zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung (BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - ju­ris Rn. 34 m.w.N. = NZA 2015, 881; BAG vom 22.11.2012 - 2 AZR 371/11 - ju­ris Rn. 31 ff. = NZA 2013, 845 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 42; BAG vom 28.06.2012 - 6 AZR 780/10 - ju­ris Rn. 37 und Leit­satz = NZA 2012, 1029 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 40). Ei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge ist u.a. un­wirk­sam, wenn ihr ent­ge­gen § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG kei­ne Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats bei­gefügt ist und auch die Vor­aus­set­zun­gen des § 17 Abs. 2 Satz 3 KSchG nicht erfüllt sind (BAG vom 22.11.2012 - 2 AZR 371/11 - ju­ris Rn. 14 ff. = NZA 2013, 845 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 42).

B. I. 2.3 Bei mehr als 100 be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen in­ner­halb von 30 Ka­len­der­ta­gen war die Er­stat­tung ei­ner Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge nach § 17 Abs. 1 KSchG ge­bo­ten. Die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge­pflicht be­steht auch im Fall ei­ner vollständi­gen Be­triebs­still­le­gung (BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - ju­ris Rn. 14 m.w.N. = NZA 2015, 881).

B. I. 2.4 Die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge vom 28.01.2015 war je­den­falls schon des­halb un­wirk­sam, weil die Be­klag­te das Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 14.01.2015 i.V.m. der An­la­ge (Schrei­ben des Herrn Rechts­an­walt K. vom 15.12.2014) nicht der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bei­gefügt hat.

B. I. 2.4.1 Das Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 14.01.2015 nebst An­la­ge ist zwar kei­ne Stel­lung­nah­me i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Die Be­klag­te hat aber nicht gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG er­satz­wei­se den „Stand der Be­ra­tun­gen“ dar­ge­legt, wo­zu hier die Vor­la­ge der un­genügen­den Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats in Form des Schrei­bens vom 14.01.2015 gehört hätte. Statt­des­sen hat sie letzt­lich ir­reführen­de An­ga­ben zum Be­ra­tungs­stand ab­ge­ge­ben.

B. I. 2.4.1.-1 Das Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 14.01.2015 nebst An­la­ge war kei­ne ord­nungs­gemäße Stel­lung­nah­me i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Nicht je­de Äußerung des Be­triebs­rats im Rah­men des Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­rens ist ei­ne Stel­lung­nah­me i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG bei­zufügen­de Stel­lung­nah­me muss sich auf das Er­geb­nis der nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG er­for­der­li­chen Be­ra­tun­gen über die Möglich­kei­ten be­zie­hen, Ent­las­sun­gen zu ver­mei­den oder ein­zu­schränken und ih­re Fol­gen zu mil­dern. Um der Agen­tur für Ar­beit Aus­kunft darüber ge­ben zu können, ob und wel­che Möglich­kei­ten er sieht, die an­ge­zeig­ten Kündi­gun­gen zu ver­mei­den, und zu­gleich zu be­le­gen, dass so­zia­le Maßnah­men mit ihm be­ra­ten und ggf. ge­trof­fen wor­den sind, muss sich der Be­triebs­rat in ei­ner Wei­se äußern, die er­ken­nen lässt, dass er sei­ne Be­tei­li­gungs­rech­te als ge­wahrt an­sieht und dass es sich um ei­ne ab­sch­ließen­de Erklärung zu den vom Ar­beit­ge­ber be­ab­sich­tig­ten Kündi­gun­gen han­delt. Dafür reicht auch die ein­deu­ti­ge Mit­tei­lung aus, kei­ne Stel­lung neh­men zu wol­len (BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - ju­ris Rn. 38 = NZA 2015, 881).

Die­sen ho­hen An­for­de­run­gen ent­spricht das Schrei­ben des Be­triebs­rats nicht. Es ver­weist le­dig­lich dar­auf, dass der Be­triebs­rat wie in den Ver­hand­lun­gen um den In­ter­es­sen­aus­gleich sich nicht genügend in­for­miert sieht. Die Ausführun­gen des Be­triebs­rats ge­ben nicht „das Er­geb­nis be­reits ab­ge­schlos­se­ner Be­ra­tun­gen“ (BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 39, a.a.O.) wie­der und ent­hal­ten auch nicht die Erklärung, dass der Be­triebs­rat „sei­nen Ver­hand­lungs­an­spruch als erfüllt be­trach­te“ (BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 39, a.a.O.).

B. I. 2.4.1.-2 Auch als i.S.v. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG un­genügen­de Stel­lung­nah­me war das Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 14.01.2015 nebst An­la­ge im Rah­men des § 17 Abs. 2 Satz 3 KSchG vor­zu­le­gen. Im Rah­men des § 17 Abs. 3 Satz 3 Be­trVG hat­te die Be­klag­te den „Stand der Be­ra­tun­gen“ dar­zu­le­gen. Dies war ihr aber nicht möglich, oh­ne die - mögli­cher­wei­se un­zu­rei­chen­den oder un­zu­tref­fen­den Äußerun­gen des Be­triebs­rats und des Herrn Rechts­an­walt Kus­ter - der Ar­beits­agen­tur vor­zu­le­gen.

Es kann da­bei of­fen blei­ben, ob in je­dem Fall im Rah­men des § 17 Abs. 2 Satz 3 KSchG auch ei­ne "Stel­lung­nah­me" des Be­triebs­rats, die nicht den An­for­de­run­gen des § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG genügt ("un­genügen­de Stel­lung­nah­me"), ei­ner Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bei­zufügen ist (so wohl BAG vom 28.06.2012 - 6 AZR 780/10 - ju­ris Rn. 58 = NZA 2012, 1029 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 40 ("in­dem er ihr nicht nur die un­zu­rei­chen­de Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats beifügt"), dem Wort­laut fol­gend Schaub/Linck, Ar­beits­rechts-Hand­buch, 16. Aufl. 2015, § 142 Rn. 23; Vos­sen, in: Stahl­ha­cke/Preis/Vos­sen, Kündi­gung, 11. Aufl. 2015, Rn. 1649a; in BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - ju­ris Rn. 40 = NZA 2015, 881 ist die­ser Pas­sus (Rn. 58) nicht wie­der­holt).

Ei­ne un­genügen­de Stel­lung­nah­me muss je­den­falls dann bei­ge­legt wer­den, wenn dies not­wen­dig ist, um den "Stand der Be­ra­tun­gen" (§ 17 Abs. 2 Satz 3 KSchG) dar­zu­le­gen. Dies folgt aus dem Norm­zweck des § 17 KSchG im All­ge­mei­nen und aus der Beifügungs­pflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG so­wie dem Er­satz­cha­rak­ter des § 17 Abs. 2 Satz 3 KSchG ins­be­son­de­re:

§ 17 KSchG dient in Um­set­zung der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20. Ju­li 1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen - MERL - dem Schutz der Ar­beit­neh­mer vor den Fol­gen von Mas­sen­ent­las­sun­gen. Haupt­ziel der MERL ist im Hin­blick auf die so­zioöko­no­mi­schen Aus­wir­kun­gen von Mas­sen­ent­las­sun­gen, sol­chen Ent­las­sun­gen Kon­sul­ta­tio­nen mit Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern und die Un­ter­rich­tung der zuständi­gen Behörde vor­an­ge­hen zu las­sen. Die Kon­sul­ta­ti­on mit den Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern er­streckt sich auf die Möglich­keit, Mas­sen­ent­las­sun­gen zu ver­mei­den oder zu be­schränken, so­wie auf die Möglich­keit, ih­re Fol­gen durch so­zia­le Be­gleit­maßnah­men, die ins­be­son­de­re Hil­fen für ei­ne an­der­wei­ti­ge Ver­wen­dung oder Um­schu­lung der ent­las­se­nen Ar­beit­neh­mer zum Ziel ha­ben, zu mil­dern. Die Agen­tur für Ar­beit soll die Möglich­keit ha­ben, recht­zei­tig Maßnah­men zur Ver­mei­dung oder we­nigs­tens zur Verzöge­rung von Be­las­tun­gen des Ar­beits­markts ein­zu­lei­ten und für an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gun­gen der Ent­las­se­nen zu sor­gen (vgl. BAG vom 21.03.2012 - 6 AZR 596/10 - ju­ris Rn. 21 m.w.N. = NZA 2012, 1058 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 39).

Die Beifügungs­pflicht nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG soll ge­genüber der Agen­tur für Ar­beit be­le­gen, ob und wel­che Möglich­kei­ten der Be­triebs­rat sieht, die an­ge­zeig­ten Kündi­gun­gen zu ver­mei­den. Sie soll zu­gleich be­le­gen, dass so­zia­le Maßnah­men mit dem Be­triebs­rat be­ra­ten und ggf. ge­trof­fen wor­den sind. Sch­ließlich soll das Beifügungs­er­for­der­nis ver­hin­dern, dass der Ar­beit­ge­ber ei­ne für ihn ungüns­ti­ge Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats ge­genüber der Agen­tur für Ar­beit ver­schweigt, um ei­ne für ihn güns­ti­ge Ent­schei­dung der Behörde zu er­wir­ken (BAG vom 21.03.2012 - 6 AZR 596/10 - ju­ris Rn. 22 = NZA 2012, 1058 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 39). Die Erklärungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist nur ei­ne Er­satzlösung im Fall feh­len­der oder un­genügen­der Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats und ver­folgt letzt­lich den­sel­ben Norm­zweck wie § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Auch in die­sem Fall be­steht die „Ver­pflich­tung, den Be­ginn und Stand der Be­ra­tun­gen durch ei­nen glaub­haf­ten Vor­trag zu do­ku­men­tie­ren“ (ErfK/Kiel, 16. Aufl. 2016, KSchG § 17 Rn. 32).

Das Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 14.01.2015 (An­la­ge K 14, Bl. 227 d.A.) ist ei­ne im Rah­men des Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren des § 17 Abs. 2 KSchG ab­ge­ge­be­ne Erklärung des Be­triebs­rats. Es be­zieht sich laut Be­treff aus­drück­lich auf das Un­ter­rich­tungs­schrei­ben der Be­klag­ten gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG vom 02.01.2016 (Bl. 96 f. d.A.). Dies wird auch dar­an deut­lich, dass es im 2. Ab­satz heißt, dass die Be­klag­te dem Be­triebs­rat die An­zei­ge an die Ar­beits­agen­tur zu­kom­men las­sen sol­le, wenn sie trotz des Wun­sches wei­ter zu ver­han­deln, „gleich­wohl“ die An­zei­ge er­stat­te. Das Schrei­ben des Herrn Rechts­an­walt K. vom 15.12.2014 war Teil der Ant­wort des Be­triebs­rats. Dies durch aus­drück­li­che Be­zug­nah­me im An­schrei­ben und da­durch, dass es dem Schrei­ben des Be­triebs­rats noch ein­mal bei­gefügt wur­de. Es hat­te auch ei­nen aus­rei­chen­den Sach­be­zug zum Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren. Die Be­klag­te selbst hat die In­ter­es­sen­aus­gleichs- und So­zi­al­plan­ver­hand­lun­gen für ei­ne gleich­zei­ti­ge Kon­sul­ta­ti­on nach § 17 Abs. 2 KSchG nut­zen wol­len. Das an­walt­li­che Schrei­ben vom 15.12.2014 konn­te oh­ne wei­te­res in das Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren ein­be­zo­gen wer­den, wenn es durch den erklärten Ver­such der Be­klag­ten, das Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren mit dem Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren zu kom­bi­nie­ren, nicht eh´ schon auch Teil des Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­rens war.

Das drei­sei­ti­ge Schrei­ben vom 15.12.2014 war auch ge­halt­voll und gab die Po­si­ti­on des Be­triebs­rats zu dem (fest­ge­fah­re­nen) Stand der Be­ra­tun­gen mit der Be­klag­ten wie­der. Ob die dar­in ent­hal­te­nen For­de­run­gen des Be­triebs­rats zu Recht er­ho­ben wur­den oder für die Mas­sen­ent­las­sung letzt­lich durch­schla­gend und von Be­lang wa­ren, hat­te die Agen­tur für Ar­beit zu be­ur­tei­len.

Das Schrei­ben des Herrn Rechts­an­walt K. vom 15.12.2014 war auch nicht da­durch un­be­acht­lich und zeit­lich über­holt, dass die Be­klag­te am 18.12.2014 das Schei­tern der In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­hand­lun­gen erklärt hat­te. Für den Be­triebs­rat hat­te sich er­sicht­lich durch den Ab­bruch der In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­hand­lun­gen an der von ihm sub­jek­tiv so emp­fun­de­nen In­for­ma­ti­ons­mi­se­re nichts geändert.

Die Be­klag­te hat das Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 14.01.2015 i.V.m. dem Schrei­ben des Herrn Rechts­an­walt K. vom 15.12.2014 auch nicht zu­min­dest im We­sent­li­chen wie­der­ge­ben. Statt den Stand der Be­ra­tun­gen wie­der­zu­ge­ben, wird die Ar­beits­ver­wal­tung letzt­lich ir­re­geführt. Ob­wohl ei­ne zu­min­dest un­genügen­de Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats vor­lag und der Be­triebs­rat sei­nen Ver­hand­lungs­an­spruch nicht erfüllt sah, erklärte die Be­klag­te in der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge, dass der Be­triebs­rat „ei­ne ge­son­der­te Stel­lung­nah­me“ nicht ab­ge­ge­ben und „wei­te­re, ge­son­der­te Be­ra­tun­gen“ nicht ver­langt ha­be (Bl. 168 d.A.).

B. I. 2.4.2 Ist die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge schon auf Grund der feh­len­den „Stel­lung­nah­me“ des Be­triebs­rats und da­mit auch die Kündi­gung un­wirk­sam, kommt es nicht dar­auf an, ob die Kündi­gung i.V.m. § 17 KSchG noch aus an­de­ren Gründen un­wirk­sam ist.

B. I. 2.4.3 Der Man­gel der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge ist auch durch den Be­scheid der Agen­tur für Ar­beit gemäß § 20 KSchG nicht ge­heilt wor­den (vgl. all­ge­mein BAG vom 22.11.2012 - 2 AZR 371/11 - ju­ris Rn. 30 m.w.N. = NZA 2013, 845 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 42).

B. I. 3 Auf sons­ti­ge Un­wirk­sam­keits­gründe kommt es nicht an.

B. II. Der ge­gen Kündi­gung vom 27.06.2015 ge­rich­te­te Kündi­gungs­schutz­an­trag ist eben­falls zulässig und be­gründet.

B. II. 1 Die Drei­wo­chen­frist des § 4 Satz 1 KSchG ist i.V.m. § 167 ZPO ge­wahrt.

B. II. 2 Die Kündi­gung ist je­den­falls nach § 17 Abs. 2 KSchG i.V.m. § 134 BGB un­wirk­sam. Ei­ne Un­wirk­sam­keit nach § 17 KSchG ist aus­rei­chend gerügt. Ei­ne Kündi­gung ist auch dann un­wirk­sam, wenn die Kon­sul­ta­ti­on nach § 17 Abs. 2 KSchG nicht ord­nungs­gemäß war. Der po­si­ti­ve Be­scheid der Agen­tur für Ar­beit konn­te die Un­wirk­sam­keit nicht hei­len.

B. II. 2.1 Die Durchführung des Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­rens nach § 17 Abs. 2 KSchG stellt ne­ben dem An­zei­ge­ver­fah­ren nach § 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 KSchG ei­ne ei­genständi­ge Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zung für die Kündi­gung dar. Ist vor Aus­spruch ei­ner Kündi­gung ein nach § 17 Abs. 2 KSchG er­for­der­li­ches Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren nicht durch­geführt wor­den, ist die Kündi­gung we­gen Ver­s­toßes ge­gen ein ge­setz­li­ches Ver­bot i.S.v. § 134 BGB rechts­un­wirk­sam (BAG vom 21.03.2013 - 2 AZR 60/12 - ju­ris Rn. 19 ff. = NZA 2013, 966 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 45 ; LAG Düssel­dorf vom 13.11.2013 - 4 Sa 699/13 - ju­ris Rn. 57 = ArbR 2014, 156; a.A. (über­holt) Ho­y­nin­gen-Hue­ne/Linck, KSchG, 15. Aufl. 2013, § 17 Rn. 68).

Ei­ne Kündi­gung ist erst nach dem En­de der Be­ra­tung i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG wirk­sam (Schaub/Linck, Ar­beits­rechts-Hand­buch, 16. Aufl. 2015, § 142 Rn. 17). Selbst wenn man das Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren vor­lie­gend nicht als vor­zei­tig ab­ge­bro­chen, son­dern auf Grund der in­zwi­schen ab­ge­lau­fe­nen Zeit und der da­mit ver­bun­de­nen Möglich­keit des Be­triebs­rats, als Kol­le­gi­al­or­gan zu­min­dest im Nach­hin­ein Stel­lung zu be­zie­hen, für be­en­det ansähe, wäre je­den­falls das Zu­sam­men­spiel der Kon­sul­ta­ti­on und der An­zei­ge nicht be­ach­tet wor­den. Da­bei kann die - vor­la­ge­pflich­ti­ge (vgl. BVerfG vom 25.02.2010 - 1 BvR 230/09 - NZA 2010, 439 = NJW 2010, 1268 (Rein­hard) = AP GG Art. 101 Nr. 65 = EzA § 17 KSchG Nr. 21; BAG vom 22.11.2012 - 2 AZR 371/11 - ju­ris Rn. 49 = NZA 2013, 845 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 42) - Fra­ge of­fen­blei­ben, ob bei ei­ner richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung das Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren vor Er­stat­tung ei­ner Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge ab­ge­schlos­sen sein muss (be­ja­hend LAG Nie­der­sach­sen vom 07.04.2011 - 4 Sa 1271/10 - ju­ris Rn. 41 ff. = EzA SD 2011, Nr. 22, S. 4 Os.; zum Streit­stand BVerfG vom 25.02.2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 26 f., a.a.O.); nur emp­feh­lend ErfK/Kiel, 16. Aufl. 2016, KSchG § 17 Rn. 25a)). Selbst wenn man von der Zulässig­keit ei­ner nachträgli­chen Hei­lung ei­ner anfäng­lich man­gels Be­en­di­gung des Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­rens un­wirk­sa­men Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge aus­gin­ge und ei­ne nachträgli­che Hei­lung durch ei­ne nachträgli­che Be­en­di­gung der Kon­sul­ta­ti­on und nachträgli­cher Ak­tua­li­sie­rung der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge durch Vor­la­ge ei­ner ab­sch­ließen­den Stel­lung­nah­me gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG oder ei­ner Mit­tei­lung über den Stand der Be­ra­tun­gen nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG für möglich er­ach­te­te, so kommt dies vor­lie­gend schon rein zeit­lich nicht in Be­tracht.

Der Be­triebs­rat war - als Kol­le­gi­al­or­gan - we­der vor Er­stat­tung der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge am Frei­tag, den 26.06.2015, noch vor Aus­spruch der Kündi­gung am Sams­tag, den 27.06.2015, mit dem Er­geb­nis des Gesprächs am Mitt­woch, den 24.06.2015, be­fasst, noch ist er im Rah­men des § 2 Abs. 1 Be­trVG so zu stel­len.

B. II. 2.2 Die Kläge­rin hat ei­ne Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung nach § 17 Abs. 2 KSchG hin­rei­chend gerügt. Dies schon schriftsätz­lich. Erst­in­stanz­lich hat sie pau­schal gerügt, dass die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge „nicht ord­nungs­gemäß“ er­folgt sei (Bl. 246 d.A.). Dass die Kläge­rin zweit­in­stanz­lich schriftsätz­lich aus­drück­lich nur auf die ver­meint­lich feh­len­de Zuständig­keit der Agen­tur für Ar­beit Cott­bus ein­ge­gan­gen ist, kann sinn­voll, so­weit über­haupt zulässig, nicht als von ihr ge­woll­te Be­schränkung des Prüfungs­pro­gramms des § 17 KSchG ver­stan­den wer­den. Auch wenn die Kläge­rin nur von der Un­wirk­sam­keit der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge sprach, ist zu­dem da­mit auch die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung auf Grund un­zu­rei­chen­der Kon­sul­ta­ti­on i.S.d. § 17 Abs. 2 KSchG mit gerügt.

B. II. 2.3 Die Kläge­rin ist der im Rah­men des § 17 KSchG ge­stuf­ten Sub­stan­ti­ie­rungs­pflicht nach­ge­kom­men. Dies, ob­wohl die Be­klag­te für die zwei­te Kündi­gung um­fang­reich zum Kon­sul­ta­ti­ons- und An­zei­ge­ver­fah­ren vor­ge­tra­gen und die Kläge­rin vor der münd­li­chen Ver­hand­lung „fast nichts“ Kon­kre­tes da­zu ge­schrie­ben hat. Die Nicht­be­ach­tung des Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­rens er­gibt sich aus den von der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen, oh­ne dass die Be­klag­te die­sen Be­fund münd­lich ausräum­en konn­te.

Ein Ar­beit­ge­ber hat die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für die ord­nungs­gemäße Durchführung des Ver­fah­rens nach § 17 KSchG. Hat er sub­stan­ti­iert dar­ge­legt, dass und wie er das Kon­sul­ta­ti­ons- und An­zei­ge­ver­fah­ren nach § 17 KSchG durch­geführt hat, darf sich der Ar­beit­neh­mer nicht auf ein pau­scha­les Be­strei­ten der Ord­nungs­gemäßheit be­schränken, son­dern muss im Ein­zel­nen dar­le­gen, wel­che Feh­ler des Ver­fah­rens er war­um für ge­ge­ben hält (BAG vom 13.12.2012 - 6 AZR 5/12 - ju­ris Rn. 42 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 43). Ein pau­scha­les Be­strei­ten des Ar­beit­neh­mers genügt je­doch dann, wenn sich aus dem Vor­trag des Ar­beit­ge­bers bzw. aus den von ihm vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen „ein­deu­tig“ (BAG vom 13.12.2012 - 6 AZR 5/12 - ju­ris Rn. 42 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 43) er­gibt, dass § 17 KSchG ver­letzt wor­den ist. Dar­auf ist der Ar­beit­ge­ber nach § 139 ZPO hin­zu­wei­sen.

Hier er­gibt sich schon aus den von der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen, dass das Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG nicht ord­nungs­gemäß war. An dem Er­geb­nis ändert sich auch nichts, wenn man die Erklärun­gen der Be­klag­ten zu Pro­to­koll berück­sich­tigt.

Unschädlich er­scheint es da­bei, dass ein Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 24.06.2015, das aus­weis­lich des Pro­to­kolls vom 24.06.2015 (An­la­ge B-M 8, S. 1; Bl. 293 d.A.) und der Mail vom 24.06.2015 (An­la­ge B-M 10, Bl. 303 d.A.) exis­tiert, nicht zur Ak­te ge­langt ist. Ab­ge­se­hen da­von, dass die sorgfälti­gen Be­klag­ten­ver­tre­ter in ih­rem Schrift­satz vom 28.07.2015, S. 22 f. (Bl. 260 f. d.A.) 17 An­la­gen der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge anführen und al­le An­la­gen bis auf die An­la­ge 13 (= Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 24.06.2015) be­le­gen, wird auch schriftsätz­lich auf die­ses Schrei­ben kei­nen Be­zug ge­nom­men. Es wur­de auch nach ei­ner länge­ren Ver­hand­lungs­pau­se von der Be­klag­ten nicht erwähnt, so dass da­von aus­zu­ge­hen ist, dass es aus Sicht der Be­klag­ten auf die­ses Schrei­ben nicht an­kommt.

B. II. 2.4 Es be­stand für die be­trof­fe­nen 101 Ar­beit­neh­mer (vgl. An­la­ge B-M13) ei­ne An­zei­ge­pflicht nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG und da­mit ei­ne Kon­sul­ta­ti­ons­pflicht nach § 17 Abs. 2 KSchG.

B. II. 2.5 Das Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren mit dem Be­triebs­rat nach § 17 Abs. 2 KSchG ist nicht be­en­det. Selbst wenn es in­zwi­schen durch Zeit­ab­lauf be­en­det wor­den sein soll­te, war es nicht vor der Er­stat­tung der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge am 26.06.2015 und auch nicht vor der Erklärung der Kündi­gung mit Schrei­ben vom 27.06.2015 be­en­det wor­den.

Es kann da­bei of­fen­blei­ben, ob die Be­klag­te es bei dem ein­ma­li­gen Be­ra­tungs­gespräch am 24.06.2015 be­las­sen und wei­te­re Be­ra­tungs­ter­mi­ne ver­wei­gern durf­te. Es kann auch of­fen­blei­ben, ob der ein­sei­ti­ge Ab­bruch der Be­ra­tun­gen durch die Be­klag­te ver­früht war, weil die Ver­hand­lun­gen nach dem Gespräch am 24.06.2015 noch „schweb­ten“. Eben­so, ob die Aus­sa­ge des Be­triebs­rats in sei­nem Schrei­ben vom 25.06.2015 (An­la­ge B-M 11) zu­trifft, dass man ver­blie­ben war, dass der Geschäftsführer noch In­for­ma­tio­nen nach­lie­fern woll­te und der Be­triebs­rat erst nach sei­ner Sit­zung am Diens­tag „ab­sch­ließend Stel­lung neh­men“ durf­te (die­sem Verständ­nis wi­der­sprach der Geschäftsführer der Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 26.06.2015 (An­la­ge B-M 12)).

Aus­rei­chend ist die Fest­stel­lung, dass das Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren nach § 17 KSchG we­der vor der Er­stat­tung der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge am 26.06.2015 noch vor Aus­spruch der Kündi­gung am 27.06.2015 be­en­det war. Dies, weil der Be­triebs­rat nach dem von der Be­klag­ten selbst do­ku­men­tier­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zess kei­ne zu­mut­ba­re Möglich­keit hat­te, als Kol­le­gi­al­or­gan zu dem Er­geb­nis der Be­ra­tung vom 24.06.2015 Stel­lung zu neh­men.

B. II. 2.5.1 Der Ar­beit­ge­ber ist im Rah­men der Kon­sul­ta­ti­on nach § 17 Abs. 2 KSchG nicht zu ei­ner Ei­ni­gung ver­pflich­tet (BAG vom 13.07.2006 - 6 AZR 198/06 - ju­ris Rn. 24 = NZA 2007, 25 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 22). Es ist auch unschädlich, wenn der Ar­beit­ge­ber letzt­lich an sei­nen Plänen festhält. Der Ar­beit­ge­ber muss je­doch "mit dem erns­ten Wil­len zur Ei­ni­gung" ver­han­deln (Moll, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündi­gungs­recht, 4. Aufl. 2012, KSchG, § 17 Rn. 74b m.w.N.).

Das Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren nach § 17 Abs. 2 KSchG ist „si­cher“ un­ter an­de­rem be­en­det, wenn die Be­triebs­part­ner sich dar­auf verständi­gen, der Be­triebs­rat ei­ne ab­sch­ließen­de Stel­lung­nah­me i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG ab­gibt, der Ar­beit­ge­ber mit dem für die Kon­sul­ta­ti­on zuständi­gen Be­triebs­rat ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich (§§ 111, 112 Be­trVG) mit Na­mens­lis­te (§ 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG; § 125 Abs. 2 In­sO) oder oh­ne Na­mens­lis­te, aber mit hin­rei­chend deut­li­cher, in­te­grier­ter Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats (BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - ju­ris Rn. 17 = NZA 2015, 881; BAG vom 21.03.2012 - 6 AZR 596/10 - ju­ris Rn. 17 ff. = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 39) ab­sch­ließt. An­sons­ten lässt sich das En­de ei­ner Be­ra­tung in der Re­gel kaum oder nur schwer fest­stel­len (vgl. auch BAG vom 18.12.1984 - 1 AZR 176/82 - ju­ris Rn. 32 = AP Be­trVG 1972 § 113 Nr. 11: „Ob der Un­ter­neh­mer mit dem Be­triebs­rat ernst­haft be­ra­ten hat, läßt sich kaum oder je­den­falls er­heb­lich schwe­rer fest­stel­len. Und nur bei ernst­haf­ten Be­ra­tun­gen mit dem Wil­len zu ei­ner Ei­ni­gung könn­te man da­von spre­chen, der Un­ter­neh­mer ha­be die Ei­ni­gung ver­sucht“ (zu § 111 Satz 1 Be­trVG). Es kann of­fen blei­ben, ob es ei­ner förm­li­chen „Schluss­be­ra­tung“ be­darf (of­fen­las­send für den an­ders ge­la­ger­ten Fall der Be­ra­tung vor Un­ter­rich­tung BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - ju­ris Rn. 29 f. = NZA 2015, 881) bzw. hier die Be­klag­te hätte deut­lich ma­chen müssen, dass sie un­ter Umständen nur zu ei­nem ein­ma­li­gen Be­ra­tungs­gespräch be­reit war.

Nach BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - ju­ris Rn. 29 = NZA 2015, 881 (fol­gend ErfK/Kiel, 16. Aufl. 2016, KSchG § 17 Rn. 24 a.E.) darf der Ar­beit­ge­ber von ei­nem En­de der Be­ra­tung auch aus­ge­hen, wenn er mit sei­ner Un­ter­rich­tung dem Be­triebs­rat zwar ei­ne Be­ra­tung an­ge­bo­ten hat, sei­tens des Be­triebs­rats je­doch „nicht bin­nen zu­mut­ba­rer Frist“ ei­ne Re­ak­ti­on er­folgt oder die Re­ak­ti­on des Be­triebs­rats im Fall schon vor­he­ri­ger Be­ra­tung nach ver­tret­ba­rer Einschätzung des Ar­beit­ge­bers „kei­nen An­satz für wei­te­re, zielführen­de Ver­hand­lun­gen bie­tet“. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen hier nicht vor: der Be­triebs­rat hat in­ner­halb der Zwei­wo­chen­frist re­agiert. Ob es kei­nen An­satz für wei­te­re zielführen­de Gespräche gab, konn­te auf Grund des Gesprächs mit der „Ver­hand­lungs­kom­mis­si­on“ nicht ge­sagt wer­den, da der Be­triebs­rat als Gre­mi­um da­mit noch kei­ne Stel­lung be­zo­gen hat­te.

Das En­de der Be­ra­tung lag nicht schon al­lein des­halb vor, weil die Zwei­wo­chen­frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ab­ge­lau­fen war und ei­ne ein­ma­li­ge, un­ter­stellt ernst­haf­te und um­fang­rei­che Be­ra­tung im obi­gen Sinn mit Ver­tre­tern des Be­triebs­rats statt­ge­fun­den hat­te. Wenn es heißt, dass es aus­rei­che, den Be­triebs­rat nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu un­ter­rich­ten und nach Ab­lauf der Zwei­wo­chen­frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG den Stand der Be­ra­tun­gen der Ar­beits­ver­wal­tung mit­zu­tei­len (so wohl KR/Wei­gand, 11. Aufl. 2016, § 17 Rn. 145), so er­scheint dies miss­verständ­lich. Es mag so sein, dass es aus­reicht, den Be­triebs­rat zu un­ter­rich­ten, ihm ei­nen Be­ra­tungs­ter­min an­zu­bie­ten und - wenn die­ser vom Be­triebs­rat nicht wahr­ge­nom­men wird -, dass der Ar­beit­ge­ber die Erklärun­gen nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG nach Ab­lauf der Zwei­wo­chen­frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ab­gibt (so Rein­hard, RdA 2007, 207 (214)). Hier liegt der Fall aber an­ders: es wur­de mit dem kon­sul­ta­ti­ons­wil­li­gen Be­triebs­rat ein ge­mein­sa­mer Ter­min für ei­ne „Ver­hand­lungs­kom­mis­si­on“ ver­ein­bart, oh­ne dass die Be­en­di­gung der Kon­sul­ta­ti­on durch ei­ne nachgängi­ge Sit­zung des Be­triebs­rats als Gre­mi­um von der Be­klag­ten ab­ge­war­tet wur­de.

B. II. 2.5.2 Ent­schei­dend ist hier, dass Adres­sat der Kon­sul­ta­ti­on gemäß § 17 Abs. 2 KSchG der Be­triebs­rat als „Kol­le­gi­al­or­gan“ ist (vgl. all­ge­mein BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - ju­ris Rn. 21 m.w.N. = NZA 2015, 881; in ei­nem Par­al­lel­fall (die „ers­te Kündi­gung“ be­tref­fend) LAG Ber­lin-Bran­den­burg vom 09.12.2015 - 15 Sa 1512/15 u.a. - ju­ris Rn. 38 = ZIP 2016, 286). Adres­sat ist nicht die Ei­ni­gungs­stel­le, sind nicht die Ver­tre­ter des Be­triebs­rats in der Ei­ni­gungs­stel­le, nicht ei­ne „Ver­hand­lungs­kom­mis­si­on“ des Be­triebs­rats und auch nicht ei­ne Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de al­lein. Ei­ne Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de ist nicht der Be­triebs­rat und kann als bloße „Ver­tre­te­rin in der Erklärung“ (vgl. Fit­ting, Be­trVG, 27. Aufl. 2014, § 26 Rn. 22 m.w.N.) an­ders wie der Geschäftsführer ei­ner GmbH den Be­triebs­rat als Gre­mi­um nur „im Rah­men der von ihm [dem Be­triebs­rat] ge­fass­ten Be­schlüsse“ (BAG vom 10.10.2007 - 7 ABR 51/06 - ju­ris Rn. 15 = NZA 2008, 369 = AP Be­trVG 1972 § 26 Nr. 17) ver­tre­ten. Für ei­ne Blan­ko­voll­macht der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den i.S.v. § 26 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG - so über­haupt zulässig - ist hier nichts vor­ge­tra­gen (vgl. all­ge­mein BAG vom 26.02.2015 - 2 AZR 955/13 - Rn. 21, a.a.O.).

Die Be­klag­te muss­te dem Be­triebs­rat als Gre­mi­um die Chan­ce ei­ner ab­sch­ließen­den Stel­lung­nah­me ge­ben. Das Sys­tem des Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­rens ist aus­weis­lich des § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG auf ei­ne Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats an­ge­legt. Für ei­ne sol­che Stel­lung­nah­me be­durf­te es ei­nes Be­triebs­rats­be­schlus­ses nach ei­ner ord­nungs­gemäßen La­dung. Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den al­lein oder der Ver­hand­lungs­kom­mis­si­on war ei­ne ab­sch­ließen­de Stel­lung­nah­me i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG nicht möglich.

Die Be­klag­te wuss­te, dass die nächs­te Be­triebs­rats­sit­zung erst am Diens­tag er­fol­gen soll­te (vgl. Pro­to­koll vom 24.06.2015, S. 6; Bl. 295Rs. d.A.). Sie hat auch nicht im Vor­feld dar­auf ge­drängt, dass der Be­triebs­rat kurz­fris­ti­ger zu­sam­men­tre­ten soll­te. Es kann da­her of­fen blei­ben, ob die Be­klag­te im Hin­blick auf das na­hen­de Mo­nats­en­de dem Be­triebs­rat zeit­li­che Vor­ga­ben hätte ma­chen können. Dem Vor­trag der Be­klag­ten ist ei­ne Vor­ga­be an den Be­triebs­rat, dass der Be­triebs­rat es ermögli­chen sol­le, dass im un­mit­tel­ba­ren An­schluss an die Be­ra­tung am 24.06.2015 der Be­triebs­rat als Gre­mi­um am 25.06.2015 (18.00h) Stel­lung be­zie­hen könne, je­den­falls nicht zu ent­neh­men (vgl. An­la­gen B M 3, 4, 5, 6, 7).

Wenn die Be­klag­te dem Be­triebs­rat im Mail vom 24.06.2015, 19:34h (An­la­ge B-M10), für ei­ne wei­te­re bzw. so­gar für „ei­ne ab­sch­ließen­de Stel­lung­nah­me“ ei­ne Frist nur bis Don­ners­tag, den 25.06.2015, 18.00h setz­te, war die Ein­hal­tung die­ser Frist für den Be­triebs­rat als Gre­mi­um er­sicht­lich „nicht zu schaf­fen“ oder war selbst im Rah­men des § 2 Abs. 1 Be­trVG die­sem nicht zu­mut­bar.

Auch das münd­li­che Ar­gu­ment, dass der Be­triebs­rat doch wuss­te, dass an­ge­sichts des na­hen­den Mo­nats- und Quar­tals­en­de die Zeit für die Be­klag­te dräng­te, über­zeugt nicht. Dem Schrift­ver­kehr der Be­klag­ten mit dem Be­triebs­rat bezüglich der Su­che nach ei­nem ge­mein­sa­men Ter­min (vgl. An­la­gen B-M 3, 4, 5, 6, 7) ist das nicht aus­drück­lich zu ent­neh­men. Selbst wenn der Be­triebs­rat sich „das den­ken konn­te“, war er nicht - auch im Rah­men des § 2 Abs. 1 Be­trVG nicht - ge­hal­ten, für den gar nicht ab­seh­ba­ren Fall, dass die Be­klag­te es mit der Be­ra­tung am 24.06.2016 be­wen­den las­sen woll­te, gleich­sam ei­ne Be­triebs­rats­sit­zung „auf Vor­rat“ für den 25.06.2015 an­zu­be­rau­men. Dies selbst dann nicht, wenn die Be­triebs­rats­mit­glie­der al­le­samt frei­ge­stellt wa­ren und (aus Sicht der Be­klag­ten) „nichts zu tun hat­ten“.

Der Be­triebs­rat hat die Be­klag­te auch nicht in „ei­ne Fal­le lau­fen las­sen“. Es ob­lag der Be­klag­ten, im Hin­blick auf den be­droh­lich na­he an das Mo­nats­en­de rücken­den Be­ra­tungs­ter­min dem Be­triebs­rat zu kom­mu­ni­zie­ren, dass man nach der Be­ra­tung am 24.06.2015 nicht länger als ei­nen Tag auf ei­ne Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats war­ten wol­le. Dies ist sei­tens der Be­klag­ten frühes­tens je­doch mit der Mail vom 24.06.2015, 19:34h (An­la­ge B-M 10, Bl. 303 d.A.) er­folgt. Selbst die­ser Mail ist nicht klar zu ent­neh­men, dass der Be­triebs­rat bis zum 25.06.2015, 18.00h als Kol­le­gi­al­or­gan ei­ne Stel­lung­nah­me i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG ab­zu­ge­ben hat­te. Zwar ist die Mail (un­ter­stellt) an al­le Be­triebs­rats­mit­glie­der ge­rich­tet, je­doch be­zieht sich die Mail auf das Kon­sul­ta­ti­ons­gespräch mit der „Ver­hand­lungs­kom­mis­si­on“, so dass schon un­klar ist, wer der ei­gent­li­che Adres­sat des Schrei­bens sein soll. Auch ist zwar von ei­ner „ab­sch­ließen­den Stel­lung­nah­me“ die Re­de, die­se wird aber nur frei­ge­stellt, nicht un­be­dingt ge­for­dert. Die Not­wen­dig­keit da­zu bleibt auch völlig in der Schwe­be, da am En­de des Schrei­bens nur von der Möglich­keit, nicht aber Si­cher­heit ei­ner endgülti­gen Ent­schei­dung der GBB bzw. der Be­klag­ten ge­spro­chen wird.

Selbst wenn man die Mail vom 24.06.2015, 19:34h als ul­ti­ma­ti­ve Auf­for­de­rung zu ei­ner ab­sch­ließen­den Stel­lung­nah­me läse, konn­te die Be­klag­te selbst i.V.m. § 2 Abs. 1 Be­trVG nicht vom Be­triebs­rat er­war­ten, dass die­ser als Gre­mi­um noch am 25.06.2015 zu­sam­men­trat. Die Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de hat­te aus­weis­lich des Pro­to­kolls der Be­klag­ten in dem Kon­sul­ta­ti­ons­gespräch am Mitt­woch, den 24.06.2015, mit­ge­teilt, dass der Be­triebs­rat (als Gre­mi­um) be­ab­sich­ti­ge, am kom­men­den Diens­tag, d.h. den 30.06.2015, über das Er­geb­nis des Kon­sul­ta­ti­ons­gesprächs zu be­ra­ten. Dies wur­de im Schrei­ben des Be­triebs­rats vom 25.06.2015 (An­la­ge B-M 11) be­kräftigt. Im Vor­feld hat­te der Be­triebs­rat zu­dem in sei­nem Schrei­ben vom 17.06.2015 (An­la­ge B-M 5) dar­um ge­be­ten, den Wirt­schafts­prüfer Herrn G. und Herrn Rechts­an­walt K. „zu der Be­ra­tung so­wie der Vor­be­rei­tung und Nach­be­rei­tung her­an­zie­hen“ (S. 3, Bl. 290 d.A.) zu können. Die­se wa­ren auch als Sach­verständi­ge an dem Kon­sul­ta­ti­ons­gespräch am 24.06.2015 be­tei­ligt. Es war aber le­bens­fremd zu er­war­ten, dass so­wohl ei­ne Nach­be­ra­tung mit den Sach­verständi­gen wie auch ei­ne Sit­zung des Be­triebs­rats i.V.m. ei­ner ord­nungs­gemäßen La­dung („recht­zei­tig un­ter Mit­tei­lung der Ta­ges­ord­nung“, vgl. § 29 Abs. 2 Satz 3 Be­trVG) auf Grund des Mails vom 24.06.2015, 19:34h in­ner­halb von St­un­den bis zum 25.06.2015, 18.00h möglich oder zu­mut­bar war.
Im Er­geb­nis über­ging die Be­klag­te mit ih­rem ab­rup­ten Vor­ge­hen se­hen­den Au­ges den Be­triebs­rat als Gre­mi­um, da sie schon rein zeit­lich dem Be­triebs­rat kei­ne zu­mut­ba­re Möglich­keit ließ, als Gre­mi­um zu der Be­ra­tung am 24.06.2015 vor Er­stat­tung der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bzw. Aus­spruch der Kündi­gung Stel­lung zu neh­men.

B. II. 2.5.3 Die Be­ra­tun­gen nach § 17 Abs. 2 KSchG wa­ren auch nicht schon des­halb i.V.m. § 2 Abs. 1 Be­trVG mit dem Gespräch am 24.06.2015 be­en­det, weil der Be­triebs­rat er­sicht­lich nur hin­hal­tend und de­struk­tiv war. In sei­nem Schrei­ben vom 17.06.2015 (An­la­ge B-M 5) hat­te der Be­triebs­rat ver­sucht, Kon­struk­ti­ves zu ent­wi­ckeln. Die­ses Schrei­ben wur­de vom Geschäftsführer zu Be­ginn des Gespräches aus­drück­lich in das Gespräch ein­be­zo­gen (An­la­ge B-M 8) und in­so­fern ernst ge­nom­men. Auch der Gesprächs­ver­lauf und die Vor­schläge des Be­triebs­ra­tes im Gespräch vom 24.06.2015 mögen zwar aus Sicht der Be­klag­ten an der wirt­schaft­li­chen oder kon­zern­di­men­sio­na­len Rea­lität vor­bei und letzt­lich kei­ne „Grund­la­ge für ei­ne ernst­haf­te Gespräche“ (An­la­ge B-M 12) ge­we­sen sein. Al­lein des­halb war der Be­triebs­rat je­doch nicht de­struk­tiv.

Die Aus­sa­ge des Geschäftsführers vom Schrei­ben vom 26.06.2015 (An­la­ge B-M 12), dass im Rah­men der Dis­kus­si­on am 24.06.2015 deut­lich ge­wor­den sei, dass der Be­triebs­rat sich „auf ei­ne sol­che Dis­kus­si­on über sol­che The­men [zu ho­he Per­so­nal­kos­ten] noch nicht ein­mal im An­satz ein­las­sen wol­le[.]“ ist nicht nach § 138 Abs. 3 ZPO un­strei­tig, weil sie nur die Wer­tung des Geschäftsführers ist. Sie fin­det sich auch im Pro­to­koll vom 24.06.2015 nicht wie­der. Selbst wenn, war die Po­si­ti­on des Be­triebs­rats, der Mit­wir­kung an ei­ner Per­so­nal­kos­ten­sen­kung erst nach mehr In­for­ma­tio­nen näher zu tre­ten (vgl. Pro­to­koll, S. 6, 1. Ab­satz (Bl. 295Rs.)), ob­jek­tiv mögli­cher­wei­se nicht be­rech­tigt, je­doch ver­tret­bar, je­den­falls nicht nur Ob­struk­ti­on und Hin­hal­te­tak­tik.

Die pro­to­kol­lier­te Äußerung von Herrn Rechts­an­walt K., dass ein Lohn­ver­zicht der Ar­beit­neh­mer in Höhe von „20 oder 30 EUR .. si­cher­lich okay“ sei, mag der Be­klag­ten höhnisch ge­klun­gen ha­ben. Rechts­an­walt K. und da­mit sei­ne nicht im­mer har­mo­nie­bedürf­ti­ge Persönlich­keit war der Be­klag­ten aber schon länger be­kannt, so dass es ihr möglich war, ei­ne sol­che Äußerung zu re­la­ti­vie­ren. Auch die pro­to­kol­lier­te Äußerung des Wirt­schafts­prüfers G. „Kon­kur­renz in­ter­es­siert ihn nicht“ (S. 4, Bl. 294 Rs. d.A.) mag ob­jek­tiv bar jed­we­den öko­no­mi­schen wirt­schaft­li­chen Sach­ver­stan­des ge­we­sen sein, ent­sprach aber zu­min­dest der of­fen­bar sub­jek­tiv ernst­haft ver­tre­te­nen Per­spek­ti­ve ei­nes Wirt­schafts­prüfers.

B. II. 2.5.4 Ein feh­ler­haf­ter Ab­lauf des Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­rens wird durch ei­nen po­si­ti­ven Be­scheid der Agen­tur für Ar­beit nicht ge­heilt (BAG vom 21.03.2013 - 2 AZR 60/12 - ju­ris Rn. 30 = NZA 2013, 966 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 45; LAG Düssel­dorf vom 13.11.2013 - 4 Sa 699/13 - ju­ris Rn. 57 = ArbR 2014, 156).

B. III. 1. Die Kos­ten des Rechts­streits trägt die Be­klag­te. In ers­ter In­stanz nach den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, 91a, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. In der zwei­ten In­stanz nach den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

B. III. 2. Die Re­vi­si­on war hin­sicht­lich der ers­ten Kündi­gung war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zu­zu­las­sen, da in ver­gleich­ba­ren Par­al­lel­ver­fah­ren di­ver­gie­ren­de Ent­schei­dun­gen des LAG Ber­lin-Bran­den­burg vor­lie­gen. Hin­sicht­lich der zwei­ten Kündi­gung war die Re­vi­si­on nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG eben­falls zu­zu­las­sen, da die 11. Kam­mer des LAG Ber­lin-Bran­den­burg - 11 Sa 1505/15 - ei­ne Un­wirk­sam­keit der „zwei­ten“ Kündi­gung nach § 17 KSchG bei ver­gleich­ba­rer pro­zes­sua­ler Si­tua­ti­on ver­neint hat.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von d. Be­klag­ten bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt,
Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt
(Post­adres­se: 99113 Er­furt),

Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

schrift­lich beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt wer­den.

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

schrift­lich zu be­gründen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­de.

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als sol­che sind außer Rechts­anwälten nur fol­gen­de Stel­len zu­ge­las­sen, die zu­dem durch Per­so­nen mit Befähi­gung zum Rich­ter­amt han­deln müssen:

• Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
• ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

Für d. Kläge­rin ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.
Auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de gem. § 72 a ArbGG wird hin­ge­wie­sen.

Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments i. S. d. § 46c ArbGG genügt. Nähe­re In­for­ma­tio­nen da­zu fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts un­ter www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de.

Hin­weis der Geschäfts­stel­le
Das Bun­des­ar­beits­ge­richt bit­tet, sämt­li­che Schriftsätze in sie­ben­fa­cher Aus­fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.

Dr. S.

Dr. J.

L.

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