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EuGH, Urteil vom 29.07.2010, C-151/09 - UGT-FSP
Schlagworte: | Betriebsübergang | |
Gericht: | Europäischer Gerichtshof | |
Aktenzeichen: | C-151/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 29.07.2010 | |
Leitsätze: | Eine übertragene wirtschaftliche Einheit behält ihre Selbständigkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen, wenn die Befugnisse, die innerhalb der Organisationsstrukturen des Veräußerers den für diese Einheit Verantwortlichen gewährt worden sind - nämlich die Befugnis, die Arbeit innerhalb der genannten Einheit bei der Verfolgung der wirtschaftlichen Tätigkeit, die ihr eigen ist, relativ frei und unabhängig zu organisieren, und insbesondere die Befugnisse, Weisungen und Instruktionen zu erteilen, Aufgaben auf die untergeordneten Arbeitnehmer, die zu der fraglichen Einheit gehören, zu verteilen und über die Verwendung der materiellen Ressourcen, die ihr zur Verfügung stehen, zu entscheiden, und zwar ohne unmittelbares Eingreifen anderer Organisationsstrukturen des Inhabers -, innerhalb der Organisationsstrukturen des Erwerbers im Wesentlichen unverändert bleiben. Der bloße Austausch der obersten Dienstvorgesetzten kann als solcher der Selbständigkeit der übertragenen Einheit keinen Abbruch tun, es sei denn, die neuen obersten Dienstvorgesetzten verfügen über Befugnisse, die es ihnen ermöglichen, unmittelbar die Tätigkeit der Arbeitnehmer dieser Einheit zu organisieren und somit bei der Entscheidungsfindung innerhalb dieser Einheit an die Stelle der unmittelbaren Vorgesetzten dieser Arbeitnehmer zu treten. |
|
Vorinstanzen: | ||
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
29. Juli 2010(*)
„Übergang von Unternehmen - Richtlinie 2001/23/EG - Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer -
Vertreter der Arbeitnehmer - Selbständigkeit der übertragenen Einheit“
In der Rechtssache C-151/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Juzgado de lo Social Único de Algeciras (Spanien) mit Entscheidung vom 26. März 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 28. April 2009, in dem Verfahren
Federaci6n de Servicios Públicos de la UGT (UGT-FSP)
gegen
Ayuntamiento de La Línea de la Concepci6n,
María del Rosario Vecino Uribe,
Ministerio Fiscal
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis, J. Malenovský (Berichterstatter) und D. Šváby,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Ministerio Fiscal, vertreten durch J. L. M. Retamino als Bevollmächtigten,
- der spanischen Regierung, vertreten durch B. Plaza Cruz als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Enegren und R. Vidal Puig als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. Mai 2010
folgendes
Urteil
1 | Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82, S. 16). |
2 | Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich die Federación de Servicios Públicos de la UGT (UGT-FSP) auf der einen und der Ayuntamiento de La Línea de la Concepción (im Folgenden: Ayuntamiento [Gemeinderat] de La Línea), Frau del Rosario Vecino Uribe und 19 weitere Beklagte sowie das Ministerio Fiscal auf der anderen Seite wegen der Weigerung des Ayuntamiento de La Línea gegenüberstehen, die Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der Arbeitnehmer Personen zuzuerkennen, die gewählt wurden, um diese Aufgabe in verschiedenen Unternehmen wahrzunehmen, die mit Konzessionen für auf diese Gemeinde übergegangene Gemeinwohldienstleistungen betraut waren.
Rechtlicher Rahmen Unionsrecht |
3 | Die Richtlinie 2001/23 kodifiziert die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26) in der durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 201, S. 88) geänderten Fassung. |
4 | Dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/23 zufolge „sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten“. |
5 | In Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:
„a) Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar. b) Vorbehaltlich Buchstabe a) und der nachstehenden Bestimmungen dieses Artikels gilt als Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit. c) Diese Richtlinie gilt für öffentliche und private Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht. Bei der Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere handelt es sich nicht um einen Übergang im Sinne dieser Richtlinie.“ |
6 | Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen: … c) ‚Vertreter der Arbeitnehmer‘ oder ein entsprechender Ausdruck bezeichnet die Vertreter der Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten. …“ |
7 | Art. 6 der Richtlinie lautet:
„(1) Sofern das Unternehmen, der Betrieb oder der Unternehmens- bzw. Betriebsteil seine Selbständigkeit behält, bleiben die Rechtsstellung und die Funktion der Vertreter oder der Vertretung der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer unter den gleichen Bedingungen erhalten, wie sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder aufgrund einer Vereinbarung bestanden haben, sofern die Bedingungen für die Bildung der Arbeitnehmervertretung erfüllt sind. Unterabsatz 1 findet keine Anwendung, wenn gemäß den Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten oder durch Vereinbarung mit den Vertretern der betroffenen Arbeitnehmer die Bedingungen für die Neubestellung der Vertreter der Arbeitnehmer oder die Neubildung der Vertretung der Arbeitnehmer erfüllt sind. Wurde gegen den Veräußerer unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle (worunter auch ein von einer zuständigen Behörde ermächtigter Insolvenzverwalter verstanden werden kann) ein Konkursverfahren oder ein entsprechendes Insolvenzverfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet, können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer bis zur Neuwahl oder Benennung von Arbeitnehmervertretern angemessen vertreten sind. Behält das Unternehmen, der Betrieb oder der Unternehmens- bzw. Betriebsteil seine Selbständigkeit nicht, so treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer, die vor dem Übergang vertreten wurden, während des Zeitraums, der für die Neubildung oder Neubenennung der Arbeitnehmervertretung erforderlich ist, im Einklang mit dem Recht oder der Praxis der Mitgliedstaaten weiterhin angemessen vertreten werden. (2) Erlischt das Mandat der Vertreter der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer aufgrund des Übergangs, so gelten für diese Vertreter weiterhin die nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten vorgesehenen Schutzmaßnahmen.“ Nationales Recht |
8 | Die Richtlinie 2001/23 wurde durch das Real Decreto Legislativo 1/1995 vom 24. März 1995 zur Billigung der Neufassung des Gesetzes über das Arbeitnehmerstatut (BOE Nr. 75 vom 29. März 1995, S. 9654) in der Fassung des Gesetzes 12/2001 vom 9. Juli 2001 (BOE Nr. 164 vom 10. Juli 2001, S. 24890) (im Folgenden: Arbeitnehmerstatut) umgesetzt. |
9 | Art. 44 des Arbeitnehmerstatuts bestimmt:
„1. Wechselt der Inhaber eines Unternehmens, einer Beschäftigungsstelle oder einer selbständigen Produktionseinheit, so führt dies nicht automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern der neue Unternehmer tritt in die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Rechte und Pflichten des früheren Unternehmers ein, einschließlich der Rentenverbindlichkeiten nach Maßgabe der insoweit geltenden besonderen Vorschriften sowie allgemein aller Verpflichtungen im Bereich des zusätzlichen sozialen Schutzes, die der Veräußerer eingegangen ist. … 5. Behält das übertragene Unternehmen, die übertragene Beschäftigungsstelle oder die übertragene selbständige Produktionseinheit seine bzw. ihre Selbständigkeit, bringt der Inhaberwechsel als solcher nicht das Mandat der gesetzlichen Vertreter der Arbeitnehmer zum Erlöschen, die weiterhin ihre Aufgaben unter den gleichen Bedingungen wie zuvor ausüben.“ |
10 | Art. 67 Abs. 1 a. E. des Arbeitnehmerstatuts sieht für den Fall einer Erhöhung der Zahl der Beschäftigten die Möglichkeit zur Durchführung von Teilwahlen in einem Unternehmen nach folgender Maßgabe vor:
„Teilwahlen können nach Fällen des Ausscheidens oder der Abberufung oder zur Anpassung der Arbeitnehmervertretung an eine Erhöhung der Zahl der Beschäftigten durchgeführt werden. Tarifverträge können notwendige Maßnahmen zur Anpassung der Arbeitnehmervertretung an erhebliche Reduzierungen der Belegschaft eines Unternehmens vorsehen. In Ermangelung solcher Bestimmungen ist eine solche Anpassung durch eine Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und den Vertretern der Arbeitnehmer vorzunehmen.“ |
11 | Art. 67 Abs. 3 des Arbeitnehmerstatuts sieht vor:
„Die Dauer des Mandats der Vertreter des Personals und der Mitglieder des Betriebsrats beträgt vier Jahre, wobei sie ihre Aufgaben bei der Ausübung ihrer Zuständigkeiten und Garantien so lange ausüben, bis Neuwahlen angesetzt und durchgeführt worden sind. Vertreter des Personals und Mitglieder des Betriebsrats können während ihres Mandats nur auf Entscheidung der Arbeitnehmer, die sie gewählt haben, durch eine hierzu einberufene Versammlung, die mindestens ein Drittel der Wahlberechtigten umfasst, mit absoluter Mehrheit und in persönlicher, freier, direkter und geheimer Wahl abberufen werden. Jedoch kann eine solche Abberufung nicht während Tarifverhandlungen und auch nicht vor Ablauf von mindestens sechs Monaten erfolgen.“ Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage |
12 | Am 25. August 2008 erließ der Bürgermeister des Ayuntamiento de La Línea ein Dekret, mit dem er beschloss, eine Reihe von Konzessionen für Gemeinwohldienstleistungen abzulösen, deren Erbringung bis dahin vier privaten Konzessionsunternehmen übertragen war. Die Dienstleistungen, die Gegenstand der abgelösten Konzessionen waren, betrafen Hausmeisterdienste und die Reinigung öffentlicher Schulen, die Straßenreinigung sowie den Unterhalt der Parkanlagen und Gärten. |
13 | Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass, nachdem die verschiedenen Konzessionen für Gemeinwohldienstleistungen durch den Ayuntamiento de La Línea abgelöst worden waren, die Arbeitnehmer, die zur Belegschaft der bisherigen Konzessionsunternehmen gehörten, von der Gemeindeverwaltung übernommen und in deren Personal eingegliedert wurden; diese Arbeitnehmer werden jedoch ausnahmslos auf denselben Arbeitsplätzen weiterbeschäftigt und versehen die gleichen Aufgaben wie vor der Ablösung, und zwar an denselben Beschäftigungsstätten unter Weisung derselben unmittelbaren Vorgesetzten, ohne wesentliche Änderungen ihrer Arbeitsbedingungen mit dem einzigen Unterschied, dass jetzt ihre obersten Dienstvorgesetzten oberhalb der vorgenannten Vorgesetzten die zuständigen gewählten Vertreter sind, d. h. die Gemeinderäte oder der Bürgermeister. |
14 | Die gesetzlichen Vertreter der Arbeitnehmer jedes dieser Konzessionsunternehmen beantragten infolge der Ablösung der Konzessionen beim Ayuntamiento de La Línea die Bewilligung von Arbeitnehmervertretungsstunden. Mit Entscheidung vom 10. September 2008 wurden diese Anträge mit der Begründung abgelehnt, dass die betreffenden Arbeitnehmer in Anbetracht ihrer Eingliederung in das Gemeindepersonal nicht mehr ihre Aufgaben als gesetzliche Vertreter wahrnähmen. |
15 | In diesem Zusammenhang verlangte die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die UGT‑FSP, nachdem sie von dieser Entscheidung am 28. Oktober 2008 Kenntnis erhalten hatte, vom Ayuntamiento de La Línea Klarstellungen und erhob sodann am 13. November 2008 beim Juzgado de lo Social Único de Algeciras Klage gegen die genannte Entscheidung. |
16 | Mit Entscheidung vom 26. März 2009 hat der Juzgado de lo Social Único de Algeciras beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist die Voraussetzung der Selbständigkeit, auf die Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 Bezug nimmt, bei einem Sachverhalt (wie demjenigen des Ausgangsverfahrens) erfüllt, bei dem nach der Ablösung verschiedener Konzessionen für Gemeinwohldienstleistungen durch eine Gemeindeverwaltung die Arbeitnehmer, die der Belegschaft der einzelnen Unternehmen angehörten, die bis dahin die Konzessionen besaßen, von dieser Gemeindeverwaltung übernommen und in deren Personal eingegliedert werden, jedoch eben diese Arbeitnehmer (ausnahmslos) auf denselben Arbeitsplätzen weiterbeschäftigt werden und die gleichen Aufgaben wie vor der Ablösung versehen, und zwar an denselben Beschäftigungsstätten unter Weisung derselben unmittelbaren Vorgesetzten (Dienstvorgesetzten), ohne wesentliche Änderungen der Arbeitsbedingungen mit dem einzigen Unterschied, dass jetzt die obersten Vorgesetzten (oberhalb der vorgenannten Vorgesetzten) die entsprechenden öffentlichen Amtsträger (Gemeinderäte oder Bürgermeister) sind? Zur Vorlagefrage |
17 | Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, ob eine übertragene wirtschaftliche Einheit ihre Selbständigkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 behält, wenn die Arbeitnehmer, die ihrer Belegschaft angehörten, von einer Gemeinde übernommen und in deren Personal eingegliedert werden und diese Arbeitnehmer auf denselben Arbeitsplätzen weiterbeschäftigt werden und die gleichen Aufgaben wie vor der Ablösung versehen, und zwar an denselben Beschäftigungsstätten unter Weisung derselben unmittelbaren Vorgesetzten, ohne wesentliche Änderungen ihrer Arbeitsbedingungen mit dem einzigen Unterschied, dass gewählte Vertreter die obersten Vorgesetzten der übertragenen Einheit werden. |
18 | Die spanische Regierung ist der Ansicht, dass im Ausgangsverfahren die Voraussetzungen für einen Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23 nicht gegeben seien. Zwischen den Konzessionsunternehmen und dem Ayuntamiento de La Línea habe kein Übergang von nennenswerten materiellen Ressourcen stattgefunden, da die öffentlichen Schulen, die Straßen sowie die Parkanlagen und Gärten der Gemeinde bereits dem Ayuntamiento de La Línea gehört hätten. Es sei allein die gesamte Belegschaft, die die Konzessionsunternehmen beschäftigt hätten, übernommen worden. Man könne, selbst wenn die menschliche Arbeitskraft hierbei ein wichtiger Faktor sei, den materiellen Aspekt nicht außer Acht lassen, auf dem die Hausmeister‑, Reinigungs‑ und Unterhaltsdienstleistungen beruhten, die den genannten Konzessionsunternehmen übertragen gewesen seien. |
19 | Zur Beantwortung dieser Frage ist somit vorab zu bestimmen, ob ein Übergang wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende unter Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 fällt. Nur wenn diese Frage bejaht wird, stellt sich die Frage nach der Selbständigkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23.
Zum Vorliegen eines Übergangs im Sinne von Art. 1 der Richtlinie 2001/23 |
20 | Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass es im Ausgangsverfahren um die Übernahme einer Reihe von Konzessionen von Gemeinwohldienstleistungen durch eine Gemeinde, eine juristische Person des öffentlichen Rechts, geht, deren Erbringung bis dahin verschiedenen privaten Konzessionsunternehmen übertragen gewesen war. Der Rechtsakt, mit dem dieser Übergang erfolgte, ist ein Gemeindedekret. |
21 | Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 ist die Richtlinie 2001/23 auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar. |
22 | Nach ständiger Rechtsprechung soll die Richtlinie 2001/23 die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleisten. Entscheidend für einen Übergang im Sinne der Richtlinie ist daher, ob die fragliche Einheit ihre Identität bewahrt, was namentlich dann zu bejahen ist, wenn der Betrieb tatsächlich weitergeführt oder wieder aufgenommen wird (vgl. u. a. Urteile vom 18. März 1986, Spijkers, 24/85, Slg. 1986, 1119, Randnrn. 11 und 12, sowie vom 15. Dezember 2005, Güney-Görres und Demir, C-232/04 und C-233/04, Slg. 2005, I‑11237, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
23 | Der Gerichtshof hat zur Richtlinie 77/187 in der durch die Richtlinie 98/50 geänderten Fassung entschieden, dass die Tatsache allein, dass der Erwerber eine juristische Person des öffentlichen Rechts, im vorliegenden Fall eine Gemeinde, ist, es nicht ausschließt, dass ein in den Anwendungsbereich der genannten Richtlinie fallender Übergang vorliegt (Urteil vom 26. September 2000, Mayeur, C-175/99, Slg. 2000, I-7755, Randnr. 33). Ein derartiger Schluss ist auch unter der Geltung der Richtlinie 2001/23 zwingend. |
24 | Der Umstand, dass die Entscheidung, mit der die Übernahme der Konzessionen von Gemeinwohldienstleistungen erfolgte, ein Dekret ist, nämlich eine Entscheidung, die der Ayuntamiento de La Línea einseitig getroffen hat, steht der Feststellung eines Übergangs im Sinne der Richtlinie 2001/23 zwischen den Konzessionsunternehmen und dem Ayuntamiento de La Línea nicht entgegen. |
25 | Der Gerichtshof hat nämlich bereits entschieden, dass der Umstand, dass der Übergang auf einseitigen Entscheidungen der staatlichen Stellen und nicht auf einer Willensübereinstimmung beruht, die Anwendung der Richtlinie nicht ausschließt (Urteil vom 19. Mai 1992, Redmond Stichting, C-29/91, Slg. 1992, I-3189, Randnrn. 15 bis 17, sowie vom 14. September 2000, Collino und Chiappero, C‑343/98, Slg. 2000, I-6659, Randnr. 34). |
26 | Die Richtlinie 2001/23 ist anwendbar, wenn eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit übernommen wird, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist (vgl. insbesondere Urteil vom 19. September 1995, Rygaard, C-48/94, Slg. 1995, I-2745, Randnr. 20). Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich somit auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (vgl. insbesondere Urteile vom 11. März 1997, Süzen, C-13/95, Slg. 1997, I-1259, Randnr. 13, vom 20. November 2003, Abler u. a., C-340/01, Slg. 2003, I-14023, Randnr. 30, sowie Güney-Görres und Demir, Randnr. 32). |
27 |
Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Übergang einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit erfüllt sind, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden, wozu namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang materieller Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten gehören. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. Urteile Spijkers, Randnr. 13, Redmond Stichting, Randnr. 24, Süzen, Randnr. 14, Abler u. a., Randnrn. 33 und 34, sowie Güney-Görres und Demir, Randnrn. 33 und 34). |
28 | Außerdem hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass eine wirtschaftliche Einheit in bestimmten Branchen ohne nennenswerte materielle oder immaterielle Betriebsmittel tätig sein kann, so dass die Wahrung der Identität einer solchen Einheit über die sie betreffende Transaktion hinaus nicht von der Übertragung derartiger Betriebsmittel abhängen kann (vgl. Urteile Süzen, Randnr. 18, vom 10. Dezember 1998, Hernández Vidal u. a., C-127/96, C-229/96 und C-74/97, Slg. 1998, I-8179, Randnr. 31, und Hidalgo u. a., C-173/96 und C-247/96, Slg. 1998, I-8237, Randnr. 31). |
29 | So hat der Gerichtshof entschieden, dass in bestimmten Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden sind, eine wirtschaftliche Einheit darstellen kann und dass in diesem Fall eine solche Einheit ihre Identität über ihren Übergang hinaus bewahren kann, wenn der neue Unternehmensinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft übernimmt, die sein Vorgänger gezielt für diese Tätigkeit eingesetzt hatte. Denn dann erwirbt der neue Unternehmensinhaber eine organisierte Gesamtheit von Faktoren, die ihm die Fortsetzung der Tätigkeiten oder bestimmter Tätigkeiten des übertragenden Unternehmens auf Dauer erlaubt (Urteile Süzen, Randnr. 21, Hernández Vidal u. a., Randnr. 32, und Hidalgo u. a., Randnr. 32). |
30 | Im Einzelnen hat der Gerichtshof in Bezug auf ein Reinigungsunternehmen entschieden, dass eine organisierte Gesamtheit von Arbeitnehmern, denen eigens und auf Dauer eine gemeinsame Aufgabe zugewiesen ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen kann, ohne dass weitere Betriebsmittel vorhanden sind (Urteil Hernández Vidal u. a., Randnr. 27). |
31 | Wie die Generalanwältin in Nr. 39 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, erweist sich der Umstand, dass im Ausgangsverfahren Gegenstände wie die Schulgebäude, die Straßen, die Parkanlagen und die öffentlichen Gärten, auf die sich die von den privaten Konzessionsunternehmen erbrachten Dienstleistungen bezogen, nicht übertragen worden sind, als belanglos. Denn die materiellen Vermögenswerte, die gegebenenfalls in Betracht gezogen werden müssten, sind die Einrichtungen, Maschinen und/oder Ausrüstungsgegenstände, die tatsächlich zur Erbringung der Hausmeister-, Reinigungs- und Unterhaltsdienstleistungen verwendet werden. |
32 | Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, anhand aller vorstehenden Auslegungsgesichtspunkte festzustellen, ob im Ausgangsverfahren ein Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23 stattgefunden hat.
Zum Begriff „Selbständigkeit“ im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2001/23 |
33 | Die spanische Regierung trägt vor, dass der Begriff „Selbständigkeit“ in Art. 6 der Richtlinie 2001/23 als dem Begriff „Identität“ in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie gleichwertig auszulegen sei. Dieser Auslegung ist jedoch nicht zu folgen. |
34 | Wie nämlich aus Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2001/23 hervorgeht, ist die Frage nach der Wahrung der Identität zum Zeitpunkt der vertraglichen Übertragung oder Verschmelzung der betreffenden wirtschaftlichen Einheit zu beurteilen. Nur wenn die Identität dieser Einheit gewahrt bleibt, kann ein derartiger Vorgang als „Übergang“ im Sinne dieser Richtlinie eingestuft werden. |
35 | Die Frage nach der Wahrung der Selbständigkeit beurteilt sich hingegen erst ab dem Zeitpunkt, zu dem bereits festgestellt worden ist, dass ein Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23 vorliegt. Denn diese Richtlinie soll auf jeden Übergang anwendbar sein, der den Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie entspricht, unabhängig davon, ob die übertragene wirtschaftliche Einheit ihre Selbständigkeit innerhalb der Struktur des Erwerbers behält oder nicht (vgl. Urteil vom 12. Februar 2009, Klarenberg, C-466/07, Slg. 2009, I-803, Randnr. 50). |
36 | Wären die Begriffe „Identität“ und „Selbständigkeit“ gleichwertig, verlöre der einleitende Teil von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23, der die Voraussetzung aufstellt, dass das fragliche Unternehmen, der fragliche Betrieb oder der fragliche Unternehmens- bzw. Betriebsteil seine Selbständigkeit behält, seine praktische Wirksamkeit, da Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie automatisch anwendbar wäre, wenn die Identität der geschäftlichen Einheit im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie gewahrt bleibt. Folglich sind diese Begriffe nicht gleichwertig, und die Frage, ob ein Unternehmen seine Selbständigkeit im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2001/23 behält, ist erst zu prüfen, wenn festgestellt worden ist, dass ein Übergang im Sinne dieser Richtlinie tatsächlich stattgefunden hat. |
37 | Zum Selbständigkeitsbegriff ist festzustellen, dass der genannte Art. 6 ihn nicht definiert. Auch in den übrigen Artikeln der Richtlinie wird dieser Begriff nicht definiert. |
38 | Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus dem Gebot der einheitlichen Anwendung des Rechts der Union wie auch aus dem Gleichheitssatz, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (vgl. in diesem Sinne zuletzt Urteil vom 3. Dezember 2009, Yaesu Europe, C-433/08, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
39 | Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung sind Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Recht der Union nicht definiert, entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgten Ziele zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 10. März 2005, easyCar, C-336/03, Slg. 2005, I-1947, Randnr. 21, vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann, C-549/07, Slg. 2008, I-11061, Randnr. 17, und vom 5. März 2009, Kommission/Frankreich, C-556/07, Randnr. 50). |
40 | Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2001/23 die Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens dadurch gewährleisten soll, dass sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren (vgl. u. a. Urteile vom 10. Februar 1988, Foreningen af Arbejdsledere i Danmark, 324/86, Slg. 1988, 739, Randnr. 9, vom 9. März 2006, Werhof, C-499/04, Slg. 2006, I-2397, Randnr. 25, und vom 27. November 2008, Juuri, C-396/07, Slg. 2008, I‑8883, Randnr. 28). Der Anspruch der Arbeitnehmer auf Vertretung bildet hiervon keine Ausnahme. Daraus folgt, dass diese Vertretung durch den Übergang im Allgemeinen nicht beeinträchtigt werden darf. |
41 | Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23, der die allgemeine Vorschrift für die Vertretung der Arbeitnehmer enthält, bestimmt nämlich, dass, sofern das Unternehmen, der Betrieb oder der Unternehmens- bzw. Betriebsteil seine Selbständigkeit behält, die Rechtsstellung und die Funktion der Vertreter oder der Vertretung der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer unter den gleichen Bedingungen erhalten bleiben, wie sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs bestanden haben. |
42 | Sodann ist darauf hinzuweisen, dass nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch der Begriff „Selbständigkeit“ das Recht bezeichnet, sich von seinen eigenen Regeln leiten zu lassen. |
43 | Angewandt auf eine wirtschaftliche Einheit bezeichnet dieser Begriff die den für diese Einheit Verantwortlichen gewährten Befugnisse, die Arbeit innerhalb der genannten Einheit bei der Verfolgung der wirtschaftlichen Tätigkeit, die ihr eigen ist, relativ frei und unabhängig zu organisieren, und insbesondere die Befugnisse, Weisungen und Instruktionen zu erteilen, Aufgaben auf die untergeordneten Arbeitnehmer, die zu der fraglichen Einheit gehören, zu verteilen und über die Verwendung der materiellen Ressourcen, die ihr zur Verfügung stehen, zu entscheiden, und zwar ohne unmittelbares Eingreifen anderer Organisationsstrukturen des Inhabers (im Folgenden: Organisationsbefugnisse). |
44 | Daher wird grundsätzlich die Selbständigkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23 gewahrt, wenn die Organisationsbefugnisse der für die übertragene Einheit Verantwortlichen nach dem Übergang innerhalb der Strukturen des Erwerbers im Vergleich zu der Lage vor dem Übergang im Wesentlichen unverändert bleiben. |
45 | Somit muss in diesem Fall das Recht der Arbeitnehmer auf Vertretung grundsätzlich unter den gleichen Bedingungen wie vor dem Übergang ausgeübt werden können. |
46 | Dagegen sind in einer Lage, in der die Arbeitnehmer nach dem Übergang unter Verantwortlichen arbeiten, deren Organisationsbefugnisse beschnitten worden sind und nicht mehr als selbständig eingestuft werden können, die Interessen der Arbeitnehmer nicht mehr dieselben, und die Bedingungen ihrer Vertretung müssen sich folglich den eingetretenen Änderungen anpassen. Daher muss, wie aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie 2001/23 hervorgeht, das Mandat der vom Übergang betroffenen Vertreter der Arbeitnehmer in einem solchen Fall auf den Zeitraum beschränkt werden, der erforderlich ist, um eine neue Vertretung der Arbeitnehmer zu bilden oder zu benennen. |
47 | Was den Fall einer etwaigen Umverteilung bestimmter Organisationsbefugnisse innerhalb der übertragenen Einheit betrifft, so kann eine solche Umverteilung grundsätzlich deren Selbständigkeit nicht beeinträchtigen. Wichtig ist, dass sämtliche für die übertragene Einheit Verantwortlichen die Organisationsbefugnisse, über die sie bereits vor dem Übergang verfügten, gegenüber anderen Organisationsstrukturen des neuen Inhabers ausüben können. |
48 | Der bloße Austausch der obersten Dienstvorgesetzten wie im Ausgangsverfahren kann als solcher der Selbständigkeit der übertragenen Einheit keinen Abbruch tun. |
49 | Allein Befugnisse, die es diesen Dienstvorgesetzten erlauben würden, unmittelbar die Tätigkeit der Arbeitnehmer dieser Einheit zu organisieren und innerhalb dieser Einheit an deren Stelle Entscheidungen zu treffen, könnten die Selbständigkeit der genannten Einheit beeinträchtigen. Dabei kann allerdings eine derartige Ersetzung bei der Entscheidungsfindung innerhalb der übertragenen Einheit nicht als ihrer Selbständigkeit abträglich angesehen werden kann, wenn sie ausnahmsweise unter dringlichen Umständen wie einem schweren, dem Funktionieren dieser Einheit abträglichen Zwischenfall zeitweilig und aufgrund der hierfür festgelegten Regeln erfolgt. |
50 | Eine bloße Kontrollbefugnis der obersten Dienstvorgesetzten beeinträchtigt im Allgemeinen nicht die Selbständigkeit der übertragenen Einheit, es sei denn, diese Befugnis umfasst auch Befugnisse wie die in der vorstehenden Randnummer genannten. |
51 | Eine derartige Auslegung des Selbständigkeitsbegriffs ermöglicht es im Übrigen, die praktische Wirksamkeit von Art. 6 der Richtlinie 2001/23 zu wahren, da der Übergang eines Unternehmens, eines Betriebs oder eines Unternehmens- oder Betriebsteils in der Praxis fast immer mit dem Austausch der obersten Dienstvorgesetzten einhergeht. |
52 | Diese Auslegung kann nicht durch das Vorbringen der spanischen Regierung in Frage gestellt werden, dass eine derartige Auslegung, die im Ausgangsverfahren den Fortbestand der bestehenden Vertretung der Arbeitnehmer bedeuten würde, zum einen eine Art „Doppelvertretung“ innerhalb der Belegschaft des neuen Inhabers schaffen und zum anderen darauf hinauslaufen würde, den wirtschaftlichen Schaden außer Acht zu lassen, der dem neuen Inhaber in Anbetracht seiner Verpflichtung verursacht würde, den übergegangenen Vertretern der Arbeitnehmer „Arbeitnehmervertretungsstunden“ zu gewähren. Denn mit diesem Vorbringen werden lediglich die Rechtsfolgen der Entscheidung des Gesetzgebers der Union bei der Einführung von Art. 6 der Richtlinie 2001/23 in Frage gestellt. |
53 | Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der spanischen Regierung, das aus einer Diskriminierung und einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gegenüber den Personalvertretern und Gewerkschaftsvertretern des vorhandenen Personals des neuen Inhabers hergeleitet wird. |
54 | Wie die Generalanwältin hierzu in Nr. 88 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, wäre, selbst unterstellt, dass die Lage der übergegangenen und die der bei dem neuen Inhaber beschäftigten Arbeitnehmer vergleichbar wäre, die unterschiedliche Behandlung, die aus einem möglichen Ungleichgewicht innerhalb der Organisation des neuen Inhabers zulasten der Gewerkschaftsvertreter, die dort bereits vertreten sind, und der betreffenden Personalvertreter, deren Zahl unverändert bleibt, entstünde, im Licht des Ziels der Richtlinie 2001/23 gerechtfertigt, das darin besteht, im Rahmen des Möglichen in der Praxis zu gewährleisten, dass die neuen Arbeitnehmer durch den Übergang gegenüber der Situation vor dem Übergang nicht benachteiligt werden. |
55 | Zum Vorbringen einer Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit des bestehenden Personals genügt die Feststellung, dass die spanische Regierung nicht dartut, inwiefern unter den im Ausgangsverfahren obwaltenden Umständen die Ausübung dieser Freiheit durch die Beibehaltung der Vertreter der Arbeitnehmer der übertragenen Einheit beeinträchtigt wird. |
56 | Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass eine übertragene wirtschaftliche Einheit ihre Selbständigkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 behält, wenn die Befugnisse, die innerhalb der Organisationsstrukturen des Veräußerers den für diese Einheit Verantwortlichen gewährt worden sind - nämlich die Befugnis, die Arbeit innerhalb der genannten Einheit bei der Verfolgung der wirtschaftlichen Tätigkeit, die ihr eigen ist, relativ frei und unabhängig zu organisieren, und insbesondere die Befugnisse, Weisungen und Instruktionen zu erteilen, Aufgaben auf die untergeordneten Arbeitnehmer, die zu der fraglichen Einheit gehören, zu verteilen und über die Verwendung der materiellen Ressourcen, die ihr zur Verfügung stehen, zu entscheiden, und zwar ohne unmittelbares Eingreifen anderer Organisationsstrukturen des Inhabers -, innerhalb der Organisationsstrukturen des Erwerbers im Wesentlichen unverändert bleiben. Der bloße Austausch der obersten Dienstvorgesetzten kann als solcher der Selbständigkeit der übertragenen Einheit keinen Abbruch tun, es sei denn, die neuen obersten Dienstvorgesetzten verfügen über Befugnisse, die es ihnen ermöglichen, unmittelbar die Tätigkeit der Arbeitnehmer dieser Einheit zu organisieren und somit bei der Entscheidungsfindung innerhalb dieser Einheit an die Stelle der unmittelbaren Vorgesetzten dieser Arbeitnehmer zu treten.
Kosten |
57 | Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt: Eine übertragene wirtschaftliche Einheit behält ihre Selbständigkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen, wenn die Befugnisse, die innerhalb der Organisationsstrukturen des Veräußerers den für diese Einheit Verantwortlichen gewährt worden sind - nämlich die Befugnis, die Arbeit innerhalb der genannten Einheit bei der Verfolgung der wirtschaftlichen Tätigkeit, die ihr eigen ist, relativ frei und unabhängig zu organisieren, und insbesondere die Befugnisse, Weisungen und Instruktionen zu erteilen, Aufgaben auf die untergeordneten Arbeitnehmer, die zu der fraglichen Einheit gehören, zu verteilen und über die Verwendung der materiellen Ressourcen, die ihr zur Verfügung stehen, zu entscheiden, und zwar ohne unmittelbares Eingreifen anderer Organisationsstrukturen des Inhabers -, innerhalb der Organisationsstrukturen des Erwerbers im Wesentlichen unverändert bleiben. Der bloße Austausch der obersten Dienstvorgesetzten kann als solcher der Selbständigkeit der übertragenen Einheit keinen Abbruch tun, es sei denn, die neuen obersten Dienstvorgesetzten verfügen über Befugnisse, die es ihnen ermöglichen, unmittelbar die Tätigkeit der Arbeitnehmer dieser Einheit zu organisieren und somit bei der Entscheidungsfindung innerhalb dieser Einheit an die Stelle der unmittelbaren Vorgesetzten dieser Arbeitnehmer zu treten. |
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Spanisch.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), http://curia.europa.eu
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