- -> zur Mobil-Ansicht
- Arbeitsrecht aktuell
- Tipps und Tricks
- Handbuch Arbeitsrecht
- Gesetze zum Arbeitsrecht
- Urteile zum Arbeitsrecht
- Urteile 2023
- Urteile 2021
- Urteile 2020
- Urteile 2019
- Urteile 2018
- Urteile 2017
- Urteile 2016
- Urteile 2015
- Urteile 2014
- Urteile 2013
- Urteile 2012
- Urteile 2011
- Urteile 2010
- Urteile 2009
- Urteile 2008
- Urteile 2007
- Urteile 2006
- Urteile 2005
- Urteile 2004
- Urteile 2003
- Urteile 2002
- Urteile 2001
- Urteile 2000
- Urteile 1999
- Urteile 1998
- Urteile 1997
- Urteile 1996
- Urteile 1995
- Urteile 1994
- Urteile 1993
- Urteile 1992
- Urteile 1991
- Urteile bis 1990
- Arbeitsrecht Muster
- Videos
- Impressum-Generator
- Webinare zum Arbeitsrecht
-
Kanzlei Berlin
030 - 26 39 62 0
berlin@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Frankfurt
069 - 71 03 30 04
frankfurt@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hamburg
040 - 69 20 68 04
hamburg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hannover
0511 - 89 97 701
hannover@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Köln
0221 - 70 90 718
koeln@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei München
089 - 21 56 88 63
muenchen@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Nürnberg
0911 - 95 33 207
nuernberg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Stuttgart
0711 - 47 09 710
stuttgart@hensche.de
AnfahrtDetails
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.12.2010, 26 Sa 1632/10
Schlagworte: | Sozialplanabfindung, AGG | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 26 Sa 1632/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 09.12.2010 | |
Leitsätze: | 1. Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nunmehr in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt ist. Er ist in den Rang eines Primärrechts erhoben worden, das unabhängig von einer nationalen Umsetzung auch im Verhältnis zwischen Privaten von den Gerichten unmittelbar anzuwenden ist (vgl. EuGH 19. Januar 2010 – C-555/07 - [Kücükdeveci] AP Nr. 14 zu Richtlinie 2000/78/EG = NZA 2010, 85 = EzA Richtlinie 2000/78 EG-Vertrag 1999 Nr. 14, zu Rn. 21 f. der Gründe). Ob dieses Verbot verletzt worden ist, ließ sich angesichts seiner Unbestimmtheit bis zum Inkrafttreten des AGG nur am Maßstab der es konkretisierenden Richtlinie 2. Die hier vorgenommene Begrenzung der Sozialplanansprüche durch den Höchstbetrag von 180.000 Euro in Nr. III 3 des Sozialplans stellt als solche keine Benachteiligung iSd. des § 3 AGG dar, weder eine unmittelbare noch eine mittelbare. Die Möglichkeit der zusätzlichen Berücksichtigung des Lebensalters bei der Berechnung des Sozialplananspruchs ist allgemein anerkannt (vgl. zB. BAG 2. Oktober 2007 – 1 AZN 793/07 – AP Nr. 52 zu § 75 BetrVG 2001 Nr. 6 = EzA § 75 BetrVG 2001 Nr. 626, zu Rn. 8 der Gründe). Gleiches gilt für Höchstbetragsregelungen. Solche Regelungen führen einerseits dazu, dass ältere Belegschaftsmitglieder, zu denen der Kläger gehört, gegenüber jüngeren bevorzugt werden. Die angegriffene Höchstbetragsregelung als solche führt nicht zu einer Benachteiligung. Vielmehr trägt sie der vorherigen überproportionalen Steigerung der Abfindung Rechnung und begrenzt die unterschiedliche Behandlung jüngerer und älterer Belegschaftsmitglieder wieder. 3. Ob die nicht für den Kläger maßgebliche Regelung für die Gruppe der über 57-jährigen (plus sechs Monate) bei Berücksichtigung der in der Entscheidung des EuGH vom 12. Oktober 2010 (C-499/08 – [Andersen] NZA 2010, 1341) aufgezeigten |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 03.06.2010, 54 Ca 8758/09 | |
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
26 Sa 1632/10
54 Ca 8758/09
Arbeitsgericht Berlin
Verkündet
am 09.12.2010
M. VA
als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 26. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzenden
sowie die ehrenamtlichen Richter V. und Z.
für Recht erkannt:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom
03.06.2010 – 54 Ca 8758/09 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.2. Die Revision wird nicht zugelassen.
- 4 -
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.
Der 1953 geborene schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten von 1974 bis zum 31. Dezember 2009 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete einvernehmlich anlässlich einer Betriebsänderung. In dem in diesem Zusammenhang geschlossene Sozialplan heißt es ua.:
„III. Abfindungsregelung
1. …
2. Abfindungsformel und Zuschläge
2.1 Es wird eine Abfindung nach folgender Berechnung gewährt:
Bruttomonatsgehalt x Betriebszugehörigkeit x Lebensjahre
27,9
zuzüglich Sockelabfindung in Höhe von EUR 5.000,-
2.2 …
2.3 Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte erhalten einen Zuschlag in Höhe von EUR 5.000,00…
3. Höchstbetrag der Abfindung
Der Höchstbetrag der Abfindungszahlung einschließlich Zuschläge beläuft sich auf EUR 180.000,00 brutto.
IV. Regelung für rentennahe Jahrgänge
1. Arbeitnehmer, die am 31. Januar 2009 das 57. Lebensjahr + 6 Monate vollendet haben und die
- entweder nach Ablauf der individuellen Kündigungsfrist oder einem Wechsel in die Transfergesellschaft (TG) für maximal 12 Monate und ggf.
- dem anschließenden Bezug von Arbeitslosengeld I (ALG I) für die maximale Dauer (derzeit 24 Monate)
frühestmöglich eine vorgezogene Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen können, haben keinen Anspruch auf Abfindungszahlungen nach Ziff. III…“
Die Regelung unter Nr. 2 des Sozialplans hätte zu einem Abfindungsbetrag in Höhe von 300.863,26 Euro geführt. Im Hinblick auf Nr. 3 des Sozialplans zahlte die Beklagte an den Kläger 180.000 Euro aus.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Differenz zur ungekürzten Basisabfindung verlangt. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Festlegung der Höchstbetragsgrenze stelle eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. Sie erfülle nicht die Anforderungen des Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG und stelle einen Verstoß gegen §§ 3, 10 AGG und § 75 BetrVG dar. Die Kappung führe insbesondere angesichts des Faktors „Lebensjahre“ zu einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Nur besonders lang gediente alte Belegschaftsmitglieder seien von der Kappungsgrenze betroffen. Ein die Ungleichbehandlung rechtfertigender Zusammenhang mit der Altersrente lasse sich insoweit nicht herstellen, da es hierfür im Sozialplan eine Sonderregelung gebe. Es gebe auch sonst keine Rechtfertigung.
- 5 -
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine weitere Abfindung in Höhe von 120.863,26 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 19. März 2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Von der Höchstbegrenzung seien zwar mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen. Alle würden aber gleichbehandelt. Sinn und Zweck der Abfindung sei eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die Kappung diene der Verteilungsgerechtigkeit und der Vermeidung einer überproportionalen Begünstigung der Beschäftigten mit langjährigen Betriebszugehörigkeitszeiten. Der Höchstgrenze habe die Einschätzung der Betriebspartner zugrunde gelegen, dass die wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Belegschaftsmitglieder bei typisierender Betrachtungsweise mit dem Höchstbetrag angemessen ausgeglichen, jedenfalls aber substantiell abgemildert würden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das unter Anwendung der durch das Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze zu Kappungsregelungen in Sozialplänen begründet, wonach die Betriebspartner eine überproportionale Begünstigung von Beschäftigten mit langer Betriebszugehörigkeit und/oder höheren Lebensalters durch eine Höchstbegrenzung zurückführen können, um allen betroffenen Arbeitnehmern eine mit dem Zweck der Sozialplanabfindung in Einklang stehende verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen einer Betriebsänderung zukommen zu lassen. Hier ergäben sich schon angesichts des recht hohen Höchstbetrags keine Bedenken. Die Höchstbetragsklausel benachteilige ältere Arbeitnehmer im Übrigen schon nicht. Sie begrenze vielmehr deren mit der Altersstaffelung verbundene Bevorzugung. Die Betriebspartner hätten ihren Gestaltungsspielraum dabei nicht überschritten. Aus diesem Grund verstoße die Kappungsgrenze auch nicht gegen § 75 Abs. 1 BetrVG.
Der Kläger hat gegen das ihm am 29. Juni 2010 zugestellte Urteil am 28. Juli 2010 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. September 2010 - mit einem am 28. September 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er in Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Die durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fälle hätten sich auf einen Zeitraum vor Ablauf der Umsetzungsfrist der RL 2000/78/EG und vor Inkrafttreten des AGG bezogen. Es habe sich somit nicht um staatliche Maßnahmen zu deren Umsetzung gehandelt.
- 6 -
Die Kappungsregelung verstoße sowohl gegen §§ 7, 3, 10 AGG als auch gegen § 75 Abs. 1 BetrVG. Angesichts der Multiplikation von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit werde das Lebensalter doppelt berücksichtigt. Auch die hoch angesetzte Kappungsgrenze spreche dafür, dass allein ältere und langjährige Beschäftigte durch die Höchstbetragsklausel hätten benachteiligt werden sollen. Den durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen habe die Berechnungsformel „monatlicher Bruttoverdienst x Betriebszugehörigkeit x 1,0“ zugrunde gelegen. In diesen Fällen sei das Kriterium Alter nicht doppelt berücksichtigt worden. Eine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung gebe es hier nicht, weil der Kläger gerade nicht zu der Gruppe der „rentennahen“ Beschäftigten gehöre. Die Sozialplanregelung beinhalte auch keine überproportionale Begünstigung älterer Arbeitnehmer. Die Abfindung stelle keinen Vorteil dar, sondern nur einen Ausgleich des Nachteils, den die Belegschaftsmitglieder dadurch erlitten, dass sie ihren langjährigen Arbeitsplatz verlören. Zur Erreichung des sozialpolitischen Ziels sei die Höchstbetragsklausel nicht erforderlich. Sie sei auch nicht angemessen. Die älteren Beschäftigten seien durch die wirtschaftlichen Nachteile viel stärker betroffen. Insbesondere seien seine eigenen Nachteile durch die Abfindung nicht vollständig ausgeglichen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Juni 2010 – 54 Ca 8758/09 – die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine weitere Abfindung in Höhe von 120.863,26 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 19.03.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Auch sie wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Es liege keine unmittelbare Benachteiligung vor, im Hinblick auf Sinn und Zweck der Höchstbetragsklausel auch keine mittelbare. Bei den älteren Arbeitnehmern handele es sich gerade um einen Personenkreis, der möglicherweise nach kurzzeitigem Bezug von Arbeitslosengeld die gesetzlichen Rentenleistungen beanspruchen könne. Ausreichend sei es jedenfalls, wenn - wie gerade im vorliegenden Fall - der festgesetzte Höchstbetrag geeignet sei, die wirtschaftlichen Nachteile bis zum Rentenalter substantiell abzumildern. Der Kläger habe bis zum frühestmöglichen Bezug von Altersrente nach Beendigung des Bezugs des Arbeitslosengeldes nur noch drei Jahre zu überbrücken. Der Abfindungsbetrag führe zu einem monatlichen Ausgleich in Höhe von 5.000 Euro, was über seinem bisherigen Einkommen liege.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien vom 28. September und vom 2. November 2010.
- 7 -
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da die Klage unbegründet ist. Das Arbeitsgericht ist mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger eine höhere als die gezahlte Abfindung nicht zusteht. Die Klageforderung ist nicht deshalb berechtigt, weil die Bestimmungen in Nr. III 3 des Sozialplans gegen höherrangiges Recht verstießen. Die Begrenzung der Abfindung verletzt weder Diskriminierungsverbote noch den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Auf die Frage, ob die Gruppenbildung beanstandungsfrei erfolgte und Bemessungsregelungen unter Nr. III 2 des Sozialplans und IV. wirksam vereinbart sind, kommt es nicht an, da der Kläger zu den Meistbegünstigten gehört und auch im Falle der Unwirksamkeit der Regelungen keinen höheren als den an ihn gezahlten Betrag beanspruchen könnte.
1. Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Diese sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht wie insbesondere den in § 75 BetrVG ausdrücklich genannten Diskriminierungsverboten und ggf. dem allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sind. Das verpflichtet die Gerichte, rechtswidrige Sozialplangestaltungen zu verhindern, nicht hingegen, bessere Lösungen als die Betriebsparteien zu finden. Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig. Sind diese erfüllt, ist auch der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt.
Nach Auffassung des EuGH ist das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nunmehr in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt ist und den die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisiert (EuGH 19. Januar 2010 – C-555/07 - [Kücükdeveci] AP Nr. 14 zu Richtlinie 2000/78/EG = NZA 2010, 85 = EzA Richtlinie 2000/78 EG-Vertrag 1999 Nr. 14, zu Rn. 21 f. der Gründe). Die unionsrechtliche Frage, welcher Rechtscharakter dem Verbot der Altersdiskriminierung
- 8 -
zukommt, ist damit vom EuGH endgültig beantwortet. Dieses Verbot ist vom EuGH in den Rang eines Primärrechts erhoben worden, das unabhängig von einer nationalen Umsetzung auch im Verhältnis zwischen Privaten von den Gerichten unmittelbar anzuwenden ist. Ob dieses Verbot verletzt worden ist, ließ sich angesichts seiner Unbestimmtheit bis zum Inkrafttreten des AGG nur am Maßstab der es konkretisierenden Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG ABl. EG Nr. L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) feststellen. Seit dem 18. August 2006 ist eine Verletzung des Verbots der Altersdiskriminierung anhand des diese Richtlinie in nationales Recht umsetzenden AGG zu prüfen (vgl. BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - NZA 2010, 561 = EzA § 10 AGG Nr. 3, zu Rn. 17 der Gründe).
Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn einer Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung zukommt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung kann aber nach § 10 AGG unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sein. § 10 Satz 1 und 2 AGG gestatten die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (vgl. BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - AP Nr. 55 zu § 75 BetrVG 1972 = NZA 2010, 774 = EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 35, zu Rn. 12 – 15 der Gründe).
2) Die Begrenzung der nach Nr. III 2 berechneten Sozialplanansprüche durch den Höchstbetrag in Nr. III 3 des Sozialplans stellt als solche keine Benachteiligung in diesem Sinne dar, weder eine unmittelbare noch eine mittelbare.
Durch eine Höchstbetragsklausel, die nicht nach dem Alter differenziert, werden Arbeitnehmer wegen ihres Lebensalters unmittelbar weder bevorzugt noch benachteiligt. Es liegt auch keine mittelbare Altersdiskriminierung vor. Das gilt auch dann, wenn von der Höchstbegrenzung typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen sind. Die
- 9 -
älteren Arbeitnehmer werden durch eine Höchstbegrenzungsklausel nicht anders, sondern genauso behandelt wie die jüngeren (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 1 AZR 566/08 - AP Nr. 202 zu § 112 BetrVG 1972 = EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 33 = NZA 2009, 1107, zu Rn. 22 der Gründe; BAG 2. Oktober 2007 - 1 AZN 793/07 - AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 52 = EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 6, zu Rn. 8 der Gründe). Die Wirksamkeit einer solchen Klausel hat das BAG auch für einen bereits unter die Geltung des AGG fallenden Sozialplan nicht angezweifelt (vgl. BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - AP Nr. 200 zu § 112 BetrVG 1972 = NZA 2009, 849 = EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 31, zu Rn. 54 der Gründe). Der Kläger hatte zwar auch nur den Höchstbetrag geltend gemacht. Das BAG ist aber zu dem Ergebnis gelangt, dass der Sozialplan insgesamt nicht nach § 7 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung unwirksam ist (vgl. BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - AP Nr. 200 zu § 112 BetrVG 1972 = NZA 2009, 849 = EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 31, zu Rn. 46 der Gründe).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die darin vorgesehenen Leistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die künftigen Nachteile ausgleichen, die Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Bei der Ausgestaltung solcher Leistungen stehen den Betriebsparteien Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume zu, die Typisierungen und Pauschalierungen einschließen (vgl. BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - AP Nr. 200 zu § 112 BetrVG 1972 = NZA 2009, 849 = EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 31, zu Rn. 23 der Gründe). Geldleistungen eines Sozialplans in Form einer Abfindung sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlustes ausgleichen oder zumindest abmildern. Berechnet sich die Abfindung nach der Dauer der Beschäftigungszeit und dem Verdienst, können die Betriebsparteien eine daraus resultierende überproportionale Begünstigung von Beschäftigten mit langjähriger Betriebszugehörigkeit durch eine Höchstbegrenzung zurückführen, um allen betroffenen Arbeitnehmern eine mit dem Zweck einer Sozialplanabfindung in Einklang stehende verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen einer Betriebsänderung zukommen zu lassen (BAG 19. Oktober 1999 - 1 AZR 838/98 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 135 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 104, zu I 1 b der Gründe). Einer solchen Kappungsgrenze liegt die Einschätzung der Betriebsparteien zugrunde, dass die wirtschaftlichen Nachteile der davon betroffenen Arbeitnehmer bei typisierender Betrachtungsweise mit dem entsprechenden Höchstbetrag angemessen ausgeglichen, jedenfalls aber substantiell abgemildert sind (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 1 AZR 566/08 - AP Nr. 202 zu § 112 BetrVG 1972 = EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 33 = NZA 2009, 1107, zu Rn. 14 der Gründe).
- 10 -
Auch die Möglichkeit der zusätzlichen Berücksichtigung des Lebensalters bei der Berechnung des Sozialplananspruchs ist allgemein anerkannt (vgl. zB. BAG 2. Oktober 2007 – 1 AZN 793/07 – AP Nr. 52 zu § 75 BetrVG 2001 Nr. 6 = EzA § 75 BetrVG 2001 Nr. 626, zu Rn. 8 der Gründe). Das führt einerseits dazu, dass ältere Belegschaftsmitglieder zusätzlich gegenüber jüngeren bevorzugt werden. Andererseits erreichen sie aber auch schneller die Kappungsgrenze. In dieser Konstellation ist der Anteil der älteren Belegschaftsmitglieder, die unter die Kappungsgrenze fallen, höher. Der Höchstbetrag trägt allerdings der vorherigen überproportionalen Steigerung der Abfindung Rechnung und begrenzt so die unterschiedliche Behandlung jüngerer und älterer Belegschaftsmitglieder wieder. Die Spreizung verringert sich mit der Anzahl der Arbeitnehmer, die die Kappungsgrenze erreichen bzw. ihr nahe kommen.
Aus den dargelegten Gründen steht diese Auslegung auch mit der RL 2000/78 EG in Einklang. Die Frage der Zulässigkeit solcher Höchstbeträge ist mit Blick auf einen möglichen Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG nicht anders zu beurteilen als vor Erlass der Richtlinie. Das hat auch das BAG bereits mehrfach entschieden (vgl. nur BAG 2. Oktober 2007 – 1 AZN 793/07 – AP Nr. 52 zu § 75 BetrVG 2001 Nr. 6 = EzA § 75 BetrVG 2001 Nr. 626, zu Rn. 7 der Gründe, mwN.). Die älteren Arbeitnehmer werden durch eine Höchstbetragsklausel nicht anders behandelt als die jüngeren. Sie werden vielmehr trotz ihres höheren Alters gleichbehandelt. Das Merkmal Alter hat keine Ungleichbehandlung zur Folge. Durch die Anwendung der Höchstbetragsklausel findet gerade keine Differenzierung nach dem Alter statt. Vielmehr wird umgekehrt die Differenzierung begrenzt. Es stellt sich bei einer Höchstbetragsklausel daher allenfalls die Frage, ob die Betriebsparteien in einem Sozialplan die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer unabhängig von Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Verdienst von einem bestimmten Abfindungsbetrag an gleichbehandeln dürfen. Dies ist jedoch keine Frage der unmittelbaren oder mittelbaren Altersdiskriminierung (vgl. BAG 2. Oktober 2007 – 1 AZN 793/07 – AP Nr. 52 zu § 75 BetrVG 2001 Nr. 6 = EzA § 75 BetrVG 2001 Nr. 626, zu Rn. 8 der Gründe).
3) Die mit der Höchstbetragsregelung eingeführte Kappungsgrenze von 180.000 Euro verstößt auch nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
a) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist regelmäßig der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck. Daher müssen sich Gruppenbildungen in Sozialplänen an deren Funktion orientieren (siehe dazu oben unter 2).
- 11 -
b) Die Gruppenbildung erfolgt hier danach, dass die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ab einem bestimmten Höchstbetrag der Abfindung unabhängig von Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Verdienst gleich behandelt werden. Zweck einer solchen Begrenzung ist es, eine Bevorzugung derjenigen Mitarbeiter zu vermeiden, die ansonsten allein wegen ihrer langjährigen Beschäftigungsdauer einen Vorteil erhalten, der keine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe bis zu einem ungewissen neuen Arbeitsverhältnis oder dem Bezug einer Altersrente ist. Das zu beurteilen liegt in der Einschätzungsbefugnis der Betriebsparteien, die nicht gehalten sind, die jeweiligen Nachteile individuell zu prognostizieren und auszugleichen. Hier haben die Betriebsparteien den Höchstbetrag der Abfindung auf 180.000,00 Euro beschränkt. Bei dieser Summe konnten sie davon ausgehen, dass die wirtschaftlichen Folgen, die Beschäftigte etwa bei einer Arbeitslosigkeit bis zum Erreichen des Rentenalters für eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 237 SGB VI) zu tragen haben, noch substantiell abgemildert werden. So führte zB. beim Kläger eine Umlegung der Abfindung auf diesen Zeitraum zu einer Leistung, die über der Vergütung des Klägers bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zu dem genannten Zeitpunkt lag. Die Betriebsparteien waren zu einem vollständigen Ausgleich aller möglichen Nachteile nicht verpflichtet. Dem steht nicht entgegen, dass unter den von der Kappungsgrenze Betroffenen lebensältere Arbeitnehmer bei gleicher Beschäftigungszeit einen kürzeren Zeitraum bis zum nächstmöglichen Rentenbezug zu überbrücken haben. Das hat zwar zur Folge, dass die jüngeren Mitarbeiter bis zum frühestmöglichen Rentenbezug schlechter als jene gestellt sind. Hierbei handelt es sich aber um eine der Härten, die mit jeder Gruppenbildung einhergehen und die bei typisierender Abschätzung wirtschaftlicher Nachteile und deren pauschalisierendem Ausgleich nicht vermeidbar sind. Im Übrigen sind die Chancen lebensjüngerer Arbeitnehmer, noch einen Arbeitsplatz zu finden, typisierend günstiger (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 1 AZR 566/08 - AP Nr. 202 zu § 112 BetrVG 1972 = EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 33 = NZA 2009, 1107, zu Rn. 17 der Gründe).
4) Ob die Sozialplanregelung hinsichtlich der Berechnung unter Nr. III 2 des Sozialplans wirksam vereinbart ist, ist hier unerheblich. Die Frage ist für die Höhe des Anspruchs des Klägers ohne Bedeutung. Er erhält bereits den – wenn auch (dies allerdings wirksam) begrenzten - Maximalbetrag. Es gibt keine Personengruppe, die mehr erhält und der er zu seinen Gunsten gleichgestellt werden könnte.
Im Falle einer Unwirksamkeit der Regelung zur Sozialplanberechnung unter Nr. III 2 könnten allenfalls die Belegschaftsmitglieder eine Anpassung nach oben verlangen, die dadurch gegenüber dem Kläger und den anderen älteren Belegschaftsmitgliedern schlechter gestellt sind.
- 12 -
Die in die Gruppe der über 57-jährigen (plus sechs Monate) fallenden Belegschaftsmitglieder erhalten keine nach Nr. III 2 des Sozialplans bemessene Abfindung. Die Leistungen für diese Gruppe werden im Hinblick auf die Rentennähe nach Nr. IV. des Sozialplans anders berechnet. Dass sich nach der für diesen Personenkreis maßgeblichen Berechnung höhere Ansprüche für den Kläger hätten ergeben können, er also diesen gegenüber benachteiligt sein könnte, behauptet der Kläger selbst nicht.
5) Im Ergebnis ohne Bedeutung ist es auch, ob die Regelung für die Gruppe der über 57-jährigen (plus sechs Monate) wirksam ist. Gruppenbildungen und Stichtagsregelungen unter Berücksichtigung des nahen Rentenalters halten sowohl das Bundesarbeitsgericht als auch der EuGH grundsätzlich für zulässig, allerdings nur bei Beachtung der insbesondere auch in der Entscheidung des EuGH vom 12. Oktober 2010 (C-499/08 – [Andersen] NZA 2010, 1341) aufgezeigten Grenzen. Ob diese ausreichend beachtet sind, kann dahinstehen. Denn es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass bei einer andern Regelung das Sozialplanvolumen der Belegschaftsmitglieder aus der Gruppe der bis 57-jährigen (plus sechs Monate) höher gewesen wäre. Die geringeren Beträge für die Gruppe der über 57-jährigen (plus sechs Monate) erhöhen im Ergebnis im Gegenteil das für die Gruppe des Klägers zur Verfügung stehende Volumen, begünstigen diese also sogar.
III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision lagen nicht vor. Zu den relevanten Rechtsfragen gibt es eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
Die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens ist ebenfalls nicht veranlasst. Die insoweit heranzuziehenden Grundsätze zum Verständnis und zur Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG sind offenkundig, jedenfalls aber durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, sodass ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht geboten ist.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel.
K.
V.
Z.
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |