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LAG München, Beschluss vom 24.06.2010, 4 TaBV 18/10
Schlagworte: | Betriebliche Lohngestaltung, Betriebsrat, Lohn und Gehalt | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht München | |
Aktenzeichen: | 4 TaBV 18/10 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 24.06.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht München, Beschluss vom 3.02.2010, 38 BV 198/08 | |
4 TaBV 18/10
38 BV 198/08
(ArbG München)
Verkündet am: 24.06.2010
Heger
Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht München
Im Namen des Volkes
BESCHLUSS
In dem Beschlussverfahren
mit den Beteiligten
1. Gesamtbetriebsrat der B. G. GmbH & Co. oHG
- Antragsteller, Beteiligter zu 1 und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigte:
2. Firma B. G. GmbH & Co. oHG
- Beteiligte zu 2. und Beschwerdegegnerin -
Verfahrensbevollmächtigte:
- 2 -
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 24. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger und die ehrenamtlichen Richter von Zezschwitz und Heeb
für Recht erkannt:
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. - Gesamtbetriebsrat - gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 3. Februar 2010 - 38 BV 198/08 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
A.
Der Antragsteller - Gesamtbetriebsrat - macht mit dem vorliegenden Feststellungsantrag eine (deutlichere) Anhebung der Gehälter eines spezifischen Teils der AT-Angestellten aufgrund der Regelungen in einer mit der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2 abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung geltend.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2 mit dem Hauptsitz in M. ist nach dem Vorbringen des Beteiligten zu 1 aus der V. In. GmbH & Co. OHG hervorgegangen und führte vor ihrer Umwandlung in die B. G. GmbH & Co. OHG, der Beteiligten zu 2 des vorliegen¬den Verfahrens, die Firmenbezeichnung „B. Ig. GmbH & Co. KG“. Sie beschäftigt in der Bundesrepublik Deutschland etwa 1.400/1.500 Arbeitnehmer, davon - die Angaben der Beteiligten schwanken - ca. 900 Tarifmitarbeiter und ca. 450 AT-Angestellte. Der Gesamtbetriebsrat dieses Unternehmens und Beteiligte zu 1 des vorliegenden Verfahrens besteht aus neun Mitgliedern.
- 3 -
Nach den bei der Arbeitgeberin geltenden Firmen-Entgelttarifverträgen (vorgelegt: Entgelttarifvertrag mit der IG Bergbau, Chemie, Energie vom 27.04.2007 nebst Anlagen, Anlage ASt 2, Bl. 15 - 27 d. A.) besteht für Mitarbeiter, die dem Bereich Vertrieb/Verkauf zuzuordnen sind, die Entgeltgruppe V 4 als höchste Entgeltgruppe, während bei den sonstigen Arbeitnehmern (non-sales-Bereiche) die höchste Tarifgruppe die Entgeltgruppe E 8 ist. Hiernach betrug das jährliche Grundgehalt jeweils zum Stichtag 01.04.2007 für Mitarbeiter der Entgeltgruppe V 4 46.704.- € brutto und für Mitarbeiter der Entgeltgruppe E 8 59.868.- € brutto.
In einer Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat der, damals, B. Ig. GmbH & Co. vom 04.10.2001 nebst Protokollnotiz so-wie „Erklärung zur Gehaltsüberprüfungsrunde 2001 im AT-Bereich´“ ebenfalls vom 04.10.2001 ist u. a. bestimmt (Anlage ASt 5, Bl. 39 - 42 d. A.):
„§ 1 Geltungsbereich
Diese Vereinbarung gilt für alle unbefristet beschäftigten Mitarbeiter der B. Ig. GmbH & Co, soweit sie nicht Tarifmitarbeiter sind und an ihr Aufgabengebiet höhere Anforderungen gestellt werden als an das der höchsten Tarifgruppe des Entgelttarifvertrages. Leitende Angestellte i. S. d. § 5 BetrVG sind von der Regelung ausgenommen.
§ 2 Gegenstand
Die Höhe des jeweils zur Verfügung stehenden Gesamtbudgets legt die Geschäftsleitung jährlich neu fest. Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Durchführung einer Gehaltsrunde.
...
§ 3 Zeitpunkt der Gehaltsüberprüfung
Die jährliche Gehaltsüberprüfung wird so rechtzeitig vorgenommen, dass die Gehaltsveränderung spätestens zum Stichtag der jährlichen tariflichen Gehaltsanhebungen erfolgen kann.
...
§ 4 Teilnahmevoraussetzungen
Grundsätzlich nehmen alle in § 1 dieser Vereinbarung genannten Mitarbeiter, die sich zu dem Stichtag der jährlichen tariflichen Gehaltsanhebungen in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, an der Gehaltsrunde teil, es sei denn, mit ihnen ist ein Entwicklungsplan vereinbart, der Regelungen zur Gehaltsentwicklung beinhaltet.
- 4 -
§ 6 Entscheidungsrahmen
Bis zu einem Jahreszielgehalt von weniger als 40 % über dem höchsten Zielgehalt der obersten Entgeltgruppe des Entgelttarifvertrages (E 8 bzw. V 4) muss der Erhöhungsbetrag pro Mitarbeiter mindestens so hoch sein, wie der Betrag, um den die oberste Entgeltgruppe des Entgelttarifvertrages (E 8 bzw. V 4) im laufenden Kalenderjahr angehoben wurde.
...“
Diese Gesamtbetriebsvereinbarung vom 04.10.2001 ist nach dem Vorbringen der Beteiligten im Anhörungstermin zuletzt von der Arbeitgeberin etwa im Sommer 2009 gekündigt worden.
Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens machte der Gesamtbetriebsrat - aus eigenem und ebenso aus übertragenem Recht der Einzelbetriebsräte - zunächst geltend, dass die Arbeitgeberin zur Auskunftserteilung verpflichtet darüber sei, in welcher Höhe sie während des Geschäftsjahrs 2007/2008 (01.04.1007 bis 31.03.2008) ihren Arbeitnehmern i. S. d. § 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 04.10.2001 - also solchen AT-Angestellten mit einem Jahreszielgehalt von weniger als 40 % über dem höchsten tariflichen Zielgehalt, an deren Aufgabengebiet höhere Anforderungen als nach der höchsten Tarifgruppe des Entgelttarifvertrages gestellt würden - Entgelterhöhungen oder Sonderzahlungen gezahlt habe, gleichzeitig die Unterlassung solcher Zahlungen ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Gesamtbetriebsrats.
Das Arbeitsgericht hatte durch Teilbeschluss vom 15.10.2008 den Anträgen des Gesamtbetriebsrats hinsichtlich der verlangten Auskunftserteilung, der Feststellung eines Mitbestimmungsrechts hierzu und dem entsprechenden Unterlassungsantrag stattgegeben. Die von der Arbeitgeberin hiergegen eingelegte Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Beschluss der Beschwerdekammer vom 30.04.2009 als unzulässig verworfen.
Im Rahmen der Fortsetzung des Verfahrens macht der Gesamtbetriebsrat nunmehr durch Feststellungsantrag geltend, dass die Arbeitgeberin den betreffenden Mitarbeitern im „AT-Bereich“ für das Geschäftsjahr 2007/2008 die tarifliche Entgelterhöhung weiterzureichen habe. Er begründet dies damit, dass die Arbeitgeberin die Gehälter sämtlicher Mitarbeiter der obersten Entgeltgruppen des Tarifbereichs zum 01.04.2007 jeweils um 1,9 % erhöht habe. Eine Erhöhung in nahezu gleicher Höhe - von insgesamt 1,86 % -
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hätten im selben Geschäftsjahr 2007/2008 (01.04.2007 bis 31.03.2008) allein einzelne (insgesamt 98) Mitarbeiter des außertariflich vergüteten Bereichs insgesamt in der Summe erhalten. Nach der aufgrund des rechtskräftigen Teilbeschlusses vom 15.10.2008 von der Arbeitgeberin erteilten Auskunft hätten zahlreiche Mitarbeiter des „AT-Bereichs“ in diesem Zeitraum zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlicher Höhe auf, so die Arbeitgeberin, jeweils individueller Basis und aus unterschiedlichen Gründen Gehaltserhöhungen erhalten, die jedoch als solche Teil eines entsprechenden „Budgets“ seien - wie dies im Rahmen früherer Gehaltsrunden zwischen den Beteiligten jeweils so betrachtet worden sei -, weshalb auch die anderen, bisher nicht dotierten, Mitarbeiter dieses „AT-Bereichs“ Anspruch auf entsprechende Entgelterhöhung für diesen Zeitraum haben müssten. Dagegen führt die Arbeitgeberin aus, dass sämtliche Gehaltserhöhungen während des Geschäftsjahres 2007/2008 jeweils auf individuellen Entscheidungen der jeweiligen Vorgesetzten beruht hätten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgt seien, weshalb es keine „Budgetentscheidung“ der Arbeitgeberin für den „AT-Bereich“ und insbesondere nicht für den hier verfahrensgegenständlichen Personenkreis gegeben habe. Die vom Gesamtbetriebsrat ermittelte Summenähnlichkeit der kumulierten individuellen Anhebungsbeträge mit der Tariferhöhung beruhe auf einem Zufall. Es sei auch in der Vergangenheit nicht so gewesen, dass sich die Beteiligten stets darüber einig gewesen seien, dass individuell erfolgte Gehaltserhöhungen jeweils als Teil eines entsprechenden „Budgets“ angesehen hätten werden sollen.
Das Arbeitsgericht hat mit weiterem Beschluss vom 03.02.2010, der den Verfahrensbevollmächtigten des Gesamtbetriebsrats am 08.02.2010 zugestellt wurde, den noch rechtshängigen Feststellungsantrag mit der Begründung abgewiesen, dass die Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 04.10.2001 nach den hierbei maßgeblichen Grundsätzen ergebe, dass diese nur für den Fall gelten solle, dass tatsächlich eine allgemeine Gehaltsüberprüfung im außertariflichen Bereich durchgeführt werde - welche Voraussetzung für das verfahrensgegenständliche Geschäftsjahr 2007/2008 nicht vorgelegen habe. Eine solche für alle in der Gesamtbetriebsvereinbarung genannten AT-Mitarbeiter habe weder zu einem bestimmten Zeitpunkt stattgefunden noch habe gem. § 2 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung ein Anspruch auf Durchführung einer Gehaltsrunde bestanden. Die Arbeitgeberin habe lediglich für einen Teil der AT-Mitarbeiter die Gehälter zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten erhöht. Damit lägen die Voraussetzungen für eine
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Anwendbarkeit dieser Gesamtbetriebsvereinbarung und damit für einen Anspruch aus § 6 hieraus nicht vor. Die vom Antragsteller begehrte Feststellung ergebe sich auch nicht dar-aus, dass die Arbeitgeberin möglicherweise ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dadurch verletzt habe, dass sie im Geschäftsjahr 2007/2008 an 98 AT-Mitarbeiter Gehaltserhöhungen ohne seine Beteiligung erbracht habe oder sich hieraus ein bestimmter Auszahlungsbetrag ergebe, der ggf. als Budget interpretiert werden könne. Der begehrte Anspruch könne sich allein aus § 6 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung ergeben und scheide deshalb bei deren Nichtanwendbarkeit aus.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 05.03.2010, am selben Tag zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung er mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz vom 07.04.2010 ausgeführt hat, dass sich aus der Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 04.10.2001 nach den hierbei geltenden Grundsätzen ergebe, dass sich die Arbeitgeberin hiermit verpflichtet habe, jährlich einmal ein Gesamtbudget für alle potenziellen Gehaltserhöhungen im „AT-Bereich“ festzusetzen. Setze sie kein solches jährliches Gesamtbudget fest, habe sie es dann auch zu unterlassen, mit dem Gesamtbetriebsrat nicht abgestimmte sog. „individuelle“ Gehaltserhöhungen vorzunehmen. § 2 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung setze nicht etwa ein, wie auch immer geartetes, Gesamtbudget voraus und ordne dann dessen Verteilung an, sondern vielmehr umgekehrt, dass die Arbeitgeberin nur ein Budget pro Jahr für die Gehaltserhöhungen festsetzen dürfe. Nach den erteilten Auskünften der Arbeitgeberin habe diese im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in 98 Fällen und damit bei mehr als einem Fünftel der 439 AT-Beschäftigten individuelle Gehaltserhöhungen jeweils wegen behaupteter „hervorragender Leistungen“, wegen „ausgesprochen guter Leistungen“, wegen „außergewöhnlichen Einsatzes“, wegen „besonderer Leistungen“ usw. vorgenommen. Bereits in der zeitgleich mit dem Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 04.10.2001 unterzeichneten Erklärung zur Gehaltsüberprüfungsrunde 2001 im „AT-Bereich“ habe die Arbeitgeberin erklärt gehabt, dass die vor Abschluss dieser Gesamtbetriebsvereinbarung vorgenommenen individuellen Gehaltserhöhungen Bestandteil des dortigen Gesamtbudgets seien - worüber die Beteiligten sich ebenso jeweils in folgenden Gehaltsrunden einig gewesen seien. Auch aus Sinn und Zweck dieser Gesamtbetriebsvereinbarung folge,
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dass diese nicht einmal gelten und einmal nicht gelten könne, abhängig davon, ob die Arbeitgeberin jeweils ein allgemeines Budget für allgemeine Gehaltserhöhungen zur Verfügung stelle oder nicht, in letzterem Fall lediglich individuelle Gehaltserhöhungen im Einzelfall gewähren wolle. Von ihrer Systematik her schließe diese Gesamtbetriebsvereinbarung sonstige Individualausnahmen aus. Daher ergebe sich für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum, dass sich nach der Tarifrunde 2007 das Entgeltdelta zwischen dem alten und dem neuen Zielgehalt gemäß Entgelttarifvertrag auf 1.300,20 € brutto belaufen habe, weshalb unter die 40 %-Grenze i. S. der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 04.10.2001 die Gehälter von insgesamt 310 AT-Mitarbeitern gefallen seien, woraus sich für diese Personengruppe ein Erhöhungsbetrag - Gesamtbudget - von insgesamt 403.062.- € (brutto) ergebe, welcher um rund die Hälfte unter dem von der Arbeitgeberin verwendeten Budget für das nämliche Geschäftsjahr 2007/2008 liege. Auch liege ein kollektiver Tatbestand i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vor. Damit hätten auch die anderen AT-Angestellten mit einem Jahreszielgehalt von weniger als 40 % über dem höchsten Jahreszielgehalt der obersten Tarifentgeltgruppen Anspruch auf eine entsprechende Gehaltserhöhung.
Der Gesamtbetriebsrat und Beteiligte zu 1 beantragt:
Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 03.02.2010 - Az.: 3 BV 198/08 - wird abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2) für das Geschäftsjahr 2007/2008 (01.04.2007 bis 31.03.2008) den Mitarbeitern der Beteiligten zu 2), an deren Aufgabengebiet höhere Anforderungen gestellt werden als an das der höchsten Tarifgruppe des Entgelttarifvertrages vom 27.04.2007 und die ein Jahreszielgehalt von weniger als 40 % über dem höchsten Zielgehalt der obersten Entgeltgruppe des Entgelttarifvertrages (E 8 bzw. V 4) beziehen, für diesen Zeitraum eine Gehaltserhöhung zu zahlen hat, die mindestens den Erhöhungsbetrag erreicht, um den die oberste Entgeltgruppe des Entgelttarifvertrages (E 8 bzw. V 4) im Geschäftsjahr 2007/2008 angehoben wurde.
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Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2 trägt zur Begründung ihres Antrags auf Zurückweisung der Beschwerde vor, dass sich das Begehren des Gesamtbetriebsrats nur auf die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 04.10.2001 stützen könne, wo jedoch ausdrücklich geregelt sei, dass kein Rechtsanspruch auf die Durchführung einer Gehaltsrunde bestehe und die Geschäftsleitung für den Fall der Durchführung einer Gehaltsrunde ein zur Verfügung stehendes Gesamtbudget jährlich neu festlege - erst wenn dies der Fall und das Gesamtbudget vorgegeben seien, begännen mögliche Verteilungskriterien zu wirken. Im hier verfahrensgegenständlichen Geschäftsjahr 2007/2008 habe die Geschäftsleitung kein zur Verfügung stehendes Gesamtbudget festgelegt, weshalb für außertarifliche Mitarbeiter kein Rechtsanspruch auf Gehaltserhöhungen und damit logischerweise auch keine Verpflichtung zur Gehaltsanhebung für den Teil der außertariflichen Mitarbeiter gem. § 6 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung bestehe. Aus erfolgten Individualgehaltserhöhungen in diesem Zeitraum könne keine „Budgetentscheidung“ der Arbeitgeberin i. S. dieser Gesamtbetriebsvereinbarung abgeleitet werden. Im Übrigen sei eine mögliche „Budgetentscheidung“ logischerweise nur dann zu treffen, wenn das Budget den sich aus § 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 04.10.2001 ergebenden Mindestbetrag überschreite.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im weiteren Beschwerdeverfahren im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 07.04.2010, vom 18.05.2010 und vom 07.06.2010 Bezug genommen.
B.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats und Beteiligten zu 1 ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 1 und Abs. 2, 89 Abs. 1 und Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO) und damit zulässig.
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II.
Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats und Beteiligten zu 1 ist unbegründet.
Dies folgt ungeachtet der Erwägungen des Arbeitsgerichts bereits daraus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Beschwerdekammer anschließt, der (Gesamt-)Betriebsrat solche Ansprüche wie hier mit seinem (Feststellungs-)Antrag auch in dessen letzter Fassung mit dem damit gewollten Ergebnis nicht geltend machen kann.
1. a) Im kollektivrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen, Sinn ist der Arbeitgeber dem Betriebsrat - hier ggf. dem Gesamtbetriebsrat als Partei der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 04.10.2001 - gegenüber verpflichtet, eine (Gesamt-)Betriebsvereinbarung so durchzuführen, wie sie abgeschlossen wurde. Dies folgt aus der Gesamtbetriebsvereinbarung selbst - deren Rechtswirksamkeit unterstellt (dazu unten 2.) - bzw. aus § 77 Abs. 1 Satz 1 (i. V. m. § 51 Abs. 5) BetrVG.
Der betriebsverfassungsrechtliche Anspruch auf Durchführung der (Gesamt-)Betriebsvereinbarung ist jedoch von den durch sie begründeten individualrechtlichen, materiellrechtlichen, Ansprüchen der einzelnen Arbeitnehmer zu unterscheiden. Diese Ansprüche kann der Betriebsrat nicht im eigenen Namen geltend machen. Das Betriebsverfassungsrecht hat dem Betriebsrat nicht die Rolle eines gesetzlichen Prozessstandschafters zugewiesen. Der Individualrechtsschutz darf nicht auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat verlagert werden - die Arbeitnehmer können nicht die Kosten für die Geltendmachung ihrer Individualrechte durch Einschaltung des Betriebsrats auf den Arbeitgeber abwälzen. Für die Abgrenzung sind auch nicht die Formulierungskünste des Antragstellers ausschlaggebend: Entscheidend ist, was der Betriebsrat mit seinem Antrag letztlich begehrt (vgl. BAG, B. v. 18.01.2005, 3 ABR 21/04, AP Nr. 24 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung - III. 2. der Gründe -: hier war der gestellte, vom BAG als solcher als unzulässig angesehene, Leistungsantrag in einen, insoweit zulässigen, Feststellungsantrag - wie im vorliegenden Verfahren gestellt - umgedeutet, dieser aber eben auch insoweit als unzulässig, weil keine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstreitigkeit begründend, angesehen worden; BAG, B. v. 17.10.1989, 1 ABR 31/87, AP Nr. 53 zu § 112 BetrVG 1972; s. ebenso LAG Köln, B. v. 05.10.2009, 5 TaBV 51/09; LAG Schleswig-
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Holstein, B. v. 15.09.2009, 5 TaBV 9/09; LAG Köln, B. v. 01.12.2003, 4 TaBV 35/03 - sämtliche in Juris dokumentiert -).
b) Deshalb ist der Gesamtbetriebsrat aus diesen Gründen nicht befugt, die mit seinem (auch Feststellungs-)Antrag letzter Fassung angestrebte Weitergabe der tariflichen Entgelterhöhung für die höchsteingruppierten Tarifangestellten (von, so seine - nicht grundsätzlich bestrittene - Berechnung, 1,9 % zum hier maßgeblichen Stichtag 01.04.2007) an die dem Anwendungsbereich des § 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 04.10.2001 unterfallenden AT-Angestellten (also solche mit einem Jahreszielgehalt von weniger als 40 % über dem höchsten Zielgehalt der obersten tariflichen Entgeltgruppen) im Geschäftsjahr 2007/2008 aus eigenem Recht, für diese, im Ergebnis prozessstandschaftlich, geltend zu machen. Dies könnte allein durch die hiervon erfassten AT-Angestellten selbst, aus deren eigenem Recht, individuell geschehen - die Rechtswirksamkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung als einziger Rechtsgrundlage hierfür unterstellt.
2. Damit kann offen bleiben, ob die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 04.10.2001 überhaupt - jedenfalls insoweit - als rechtswirksam anzusehen wäre und ob sich, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts, dann hieraus ein (individueller) Rechtsanspruch ableiten ließe. Lediglich ergänzend und in der hiernach gebotenen Kürze wird, im Anschluss an die Erörterungen im Anhörungstermin im Beschwerdeverfahren, darauf hingewiesen:
a) Wie die Arbeitgeberin andeutungsweise zu Recht ausführt, ist die Regelung der Gesamtbetriebsvereinbarung - die formale Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zu deren Abschluss insbesondere aus eigenem Recht (§ 50 Abs. 1 BetrVG) unterstellt - ansatzweise nahezu perplex und damit möglicherweise rechtsunwirksam - teil- oder, da wohl unteilbar, insgesamt rechtsunwirksam -:
Nach § 2 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung legt die Arbeitgeberin - wenngleich ohne „Rechtsanspruch auf die Durchführung einer Gehaltsrunde“ (gegenüber dem (Gesamt-)Betriebsrat bzw. den einzelnen AT-Angestellten) - jährlich freiwillig ein etwaiges Gesamtbudget für eine Entgeltanhebung bei den Angestellten des gesamten „AT-Bereichs“ (unter und ab 40 % oberhalb der höchsten Tarifzielgehälter) fest (was damit
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auch unterbleiben - Null betragen - kann). Findet aufgrund fakultativer Arbeitgeberentscheidung, unter Zurverfügungstellung eines Gesamtbudgets für eine Gehaltserhöhung sämtlicher AT-Angestelltenbereiche, hiernach eine „Gehaltsrunde“ statt, haben sämtliche zum Entscheidungszeitpunkt unbefristet und ungekündigt beschäftigten AT-Mitarbeiter (außerhalb eines etwaigen individuellen Entwicklungsplans, § 2 aE) Anspruch auf Teilnahme hieran (§§ 4 und 1 der Gesamtbetriebsvereinbarung). Jedoch haben in diesem Fall einer stattfindenden Gehaltsrunde diejenigen AT-Angestellten, deren Jahreszielgehalt bis knapp 40 % über dem höchsten tariflichen Zielgehalt (nach Entgeltgruppen E 8 bzw. V 4 des jeweiligen Entgelttarifvertrages) liegt, dann gleichzeitig Anspruch auf mindestens die bei den höchsten Tarifentgeltgruppen erfolgte Tariferhöhung (§ 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung - wobei der Wortlaut dieser Bestimmung mit ihrem Abstellen auf den „Betrag“ der erfolgten Tariferhöhung ebenfalls nicht spontan eindeutig erkennen lässt, ob damit der absolute Entgeltbetrag einer weiterzugebenden Erhöhung in diesem „AT-Bereich“ (in Summe) oder, wie dies hier wohl ohne weiteres der Gesamtbetriebsrat annehmen will, der prozentuale Betrag, i. S. einer Synchronität der Gehaltsentwicklung beider Arbeitnehmergruppen, gemeint sein soll ...).
Dies bedeutet (in beiden denkbaren Auslegungsalternativen) aber, dass ein etwaiges Anhebungs-Gesamtbudget der Arbeitgeberin gleichzeitig summenmäßig nach unten fixiert wäre: mindestens in Höhe des prozentualen Anhebungsbetrages für die höchsteingruppierten Tarifangestellten oder des Betrags der Summen der dortigen Tariferhöhungsbeträge x Kopfzahl der hier erfassten Gruppe der AT-Angestellten. Hiernach hat der Arbeitgeber also nur die Wahl zwischen gänzlich unterlassener Anhebung überhaupt (kein Gesamtbudget/keine „Gehaltsrunde“) oder einer Erhöhung dann um mindestens den Betrag bzw. den Prozentsatz der Tariferhöhung im obersten Tarifbereich an die von § 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung erfasste Gruppe der AT-Angestellten. Die Arbeitgeberin kann sonach, für die unter § 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung fallenden (zweifellos zahlenmäßig überwiegenden) AT-Angestellten, kein Gesamtbudget unterhalb dieser Summe bzw. dieses Prozentsatzes zur Verfügung stellen ... Dies restringiert die, grundsätzlich erforderliche, Entscheidungsoption der Arbeitgeberin und ist zumindest wenig nachvollziehbar bzw. widersprüchlich (wenn nicht ansatzweise unsinnig) - mit welchen möglichen Folgen auch immer.
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b) Weiter scheint es hiernach an einer ausreichenden Koordination der Regelungen
unter § 4 und § 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung zu fehlen, als im Falle der Zurverfügungstellung eines Gesamtbudgets/der Durchführung einer Gehaltsrunde dann grundsätzlich alle AT-Angestellten i. S. d. § 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung - also auch diejenigen des höherbezahlten Bereiches, die nicht unter die Untergruppe des § 6 fallen, weil sie ein Jahreszielgehalt von 40 % und mehr des obersten Tarifbereichs erhalten - grundsätzlich einen Anspruch auf Gehaltserhöhung erwerben, wobei jedoch die im prozentualen Verhältnis oder summenmäßig fixierten Anhebungsansprüche der quantitativ überwiegenden Gruppe der („unteren“) AT-Angestellten nach § 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung immer zumindest einen signifikanten Teil des Erhöhungsbudgets ausschöpfen werden.
c) Schließlich muss damit nicht entschieden werden, ob - wie das Arbeitsgericht bereits kritisch angedeutet hat - eine für einen Erhöhungsanspruch der von § 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung (ungeachtet der Frage deren Wirksamkeit überhaupt) erfassten unteren AT-Angestelltengruppe maßgebliche grundsätzliche Entscheidung über die Zurverfügungstellung eines Gesamtbudgets für eine AT-Gehalts-Erhöhung jedenfalls im objektiven Ergebnis schlicht dadurch unterlaufen werden kann, wie die Arbeitgeberin hier offensichtlich ohne weiteres annehmen will, dass einfach individuelle Gehaltserhöhungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten vermeintlich ohne System, im Ergebnis qua „Nasenprämie“ - wenngleich aus jeweils für sich betrachtet sicherlich nicht unnachvollziehbaren individuellen (Leistungs-)Gesichtspunkten -, vorgenommen werden - oder ob, wie der Gesamtbetriebsrat hierzu nicht ohne Überzeugungskraft argumentiert, dies jedenfalls im Ergebnis dann als ein Gesamtbudget angesehen werden müsste, zumindest als kollektiver Tatbestand im mitbestimmungsrechtlichen Sinn (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Für Ersteres könnten im Rahmen der maßgeblichen Grundsätze der Auslegung einer Betriebsvereinbarung systematisch und historisch allerdings der Inhalt der „Erklärung zur Gehaltsüberprüfungs-runde 2001 im AT-Bereich´“ vom 04.10.2001 sowie die Überlegung sprechen, dass, wohl entgegen der Intention der Gesamtbetriebsvereinbarung vom selben Tag, andernfalls das dort verfahrenstechnisch geregelte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG im Ergebnis leerlaufen würde, unschwer umgangen werden könnte
- 13 -
III.
Da dem Verfahren über die Klärung der konkreten Problemstellung hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. §§ 92 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
Gegen diesen Beschluss ist deshalb die Rechtsbeschwerde nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gem. § 92 a ArbGG der Gesamtbetriebsrat und Beteiligte zu 1 hingewiesen wird, zulassen sollte.
Burger
von Zezschwitz
Heeb
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