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LAG Niedersachsen, Beschluss vom 09.02.2009, 8 TaBV 70/08
Schlagworte: | Einigungsstelle | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Niedersachsen | |
Aktenzeichen: | 8 TaBV 70/08 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 09.02.2009 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Hameln, Beschluss vom 16.06.2008, 2 BV 8/07 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.09.2010, 1 ABR 30/09 |
|
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
8 TaBV 70/08
2 BV 8/07 ArbG Hameln
In dem Beschlussverfahren
mit den Beteiligten
Antragsteiler, Beschwerdeführer und Beteiligter zu 1)
und
Antragsgegnerin, Beschwerdegegnerin und Beteiligte zu 2)
hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgrund der Anhörung am 19. Januar 2009 durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Stöcke-Muhlack,
den ehrenamtlichen Richter Herr Barth,
den ehrenamtlichen Richter Herr Beelte,
-2-
beschlossen:
1) Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hameln vom 16.06.2008 — 2 BV 8/07 — wird zurückgewiesen.
2) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Spruchs der tariflichen Schlichtungsstelle vom 15. Mai 2007, mit dem Grundsätze zum Einsatz von Zielvereinbarungen und zur Gewährung einer leistungs- und erfolgsorientierten Vergütungskomponente für außertarifliche Arbeitnehmer auf der Grundlage von getroffenen Zielvereinbarungen festgelegt werden.
Der Beteiligte zu 1) ist der im Betrieb der Beteiligten zu 2) gewählte Betriebsrat. Die Beteiligte zu 2) beschäftigt in ihrem Betrieb ca. 900 Arbeitnehmer, davon 32 außertarifliche Führungskräfte.
Auf Veranlassung der Beteiligten zu 2) trat die gemäß § 30 des gemeinsamen Manteltarifvertrages für die Beschäftigten in der niedersächsischen Metallindustrie (im Folgenden GMTV) zwischen den Tarifvertragsparteien eingerichtete tarifliche Schlichtungsstelle zusammen, um entsprechende Grundsätze zu regeln. Sie tagte in vier Sitzungen. Am 15. Mai 2007 legte sie durch Abstimmung mit drei Ja- und zwei Nein-Stimmen Grundsätze zum Einsatz von Zielvereinbarungen und zur Gewährung einer leistungs- und erfolgsorientierten Vergütungskomponente für außertarifliche Arbeitnehmer fest. Wegen des genauen Inhalts der beschlossenen Regelung wird auf BI. 12 bis 26 d. A Bezug genommen. Gemäß ihrem § 1 b gilt die Regelung „für alle außertariflichen Mitarbeiter/innen im Angestelltenbereich mit Ausnahme der leitenden Angestellten". Für die quantitativen und qualitativen Leistungsziele wird ein Zielkatalog festgelegt (BI. 40/41 d. A). § 11 lautet:
„Diese Vereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft. Sie kann mit einer Frist von 12 Monaten zum Jahresende gekündigt werden. Sie wirkt, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird. Einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung können im Einvernehmen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung geändert werden, ohne dass es einer Kündigung bedarf."
-3-
Durch am 29. Mai 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Beteiligte zu 1) den Spruch angefochten.
Er hat die Auffassung vertreten, der Spruch sei unwirksam. Die tarifliche Schlichtungsstelle sei nicht zuständig gewesen, weil sie keine Spruchkompetenz für außertarifliche Angestellte habe. Die Nachwirkung könne nicht durch Spruch der tariflichen Schlichtungsstelle konstituiert werden, weil danach zu unterscheiden sei, ob der Regelungsgegenstand ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht oder eine freiwillige Betriebsvereinbarung umfasse. Eine Nachwirkung könne nur von den Betriebsparteien, nicht durch Spruch der Schlichtungsstelle vereinbart werden. Die tarifliche Schlichtungsstelle habe in unzulässiger Weise ihr Ermessen überschritten. In der Regelung fehlten tatsächliche Grenzen der Zielvereinbarung. Es sei im Ergebnis vom individuellen Verhandlungsgeschick abhängig, in welcher Höhe der Einzelne am Unternehmenserfolg teilnehme. Die Schlichtungsstelle hätte ein Mindestmaß an Regelungen treffen müssen. In der Verknüpfung der Zielvereinbarung als Bedingung für die Beteiligung am Unternehmenserfolg und der individuell ausgehandelten Entgelterhöhung liege eine Ermessensüberschreitung. Die jeweilige Zielvereinbarung und die daraus resultierende Entgelterhöhung unterlägen hinsichtlich der Verteilungs- und Entgeltgerechtigkeit nicht der Kontrolle des Betriebsrates. Der Spruch enthalte unzulässigerweise keine Regelung zu der Beurteilung, wann ein Ziel erreicht sei. Die formale Freiwilligkeit der Arbeitnehmer beseitige nicht das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1). Es bestehe die Gefahr, dass die Beteiligte zu 2) jedes beliebige Ziel zum Gegenstand einer Zielvereinbarung machen könne, da der im Spruch definierte Zielfindungsprozess nicht beschränkt sei.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
festzustellen, dass der Spruch der tariflichen Schlichtungsstelle vom 15. Mai 2007 zum Regelungsgegenstand Betriebsvereinbarung-Zielvereinbarung mit Entgeltkopplung im AT-Bereich unwirksam ist.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, die Schlichtungsstelle habe ihr Ermessen hinsichtlich der Aufstellung abstrakter Regelungen ausgeübt. Die Beteiligte zu 2) könne die einzelnen Ziele nicht beliebig vorgeben, weil hierzu in § 3.1.1 der Betriebsvereinbarung ein ausführlicher Katalog festgestellt worden sei. Durch die Freiwilligkeitsregelung würden Mitbe-stimmungsrechte nicht umgangen. Nur Verfahrensregeln und eine abstrakte Festlegung der Kriterien und Regelungen zur Gewichtung der Ziele unterlägen dem Mitbestimmungsrecht.
Durch Beschluss vom 16. Juni 2008 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Spruch der tariflichen Schlich-tungsstelle sei nicht unwirksam. Diese sei zuständig auch für Regelungen von Zielverein-barungen im außertariflichen Bereich. Gemäß § 76 Abs. 8 BetrVG könne durch Tarifvertrag bestimmt werden, dass an die Stelle der in § 76 Abs. 1 BetrVG zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu bildenden Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle trete. Von dieser Ermächtigung hätten die Tarifvertragsparteien in § 30 Abs. 1 GMTV Gebrauch gemacht. Durch diese Regelungen seien auch die außertariflichen Angestellten, die dem BetrVG unterfallen, durch die tarifliche Schlichtungsstelle ordnungsgemäß vertreten. Der Schlichtungsstellenspruch könne auch eine pauschale Nachwirkung enthalten. Es bestünden keine Bedenken, dass die Betriebspartner bei einer freiwilligen Betriebsvereinbarung eine Nachwirkung aller oder eines Teiles der Normen vereinbarten. Dies könne auch durch Spruch erfolgen, weil die Schlichtungsstelle durch § 30 GMTV sämtliche Kompetenzen einer betrieblichen Einigungsstelle erhalten habe. Der Spruch der tariflichen Schlichtungsstelle überschreite auch nicht die Grenzen des Ermessens. Zum einen sei ein Mindestmaß an Regelungen getroffen worden, indem im Rahmen des § 30 Abs. 3 der beschlossenen Zielvereinbarung die Leistungs- und die persönlichen Entwicklungsziele differenziert benannt und mit Ziff. 3.1.1 ein Zielkatalog für die quantitativen und qualitativen Ziele festgelegt werde. Durch diese aufgeschlüsselten Regelungen seien innerhalb der Zielvereinbarungen mit einzelnen außertariflichen Mitarbeitern ausreichend Grenzen gesetzt worden. Auch die Verknüpfung der Vereinbarung von Zielen als Bedingung für die Partizipation am Unternehmenserfolg und die individuell ausgehandelte Entgelterhöhung stellten keine unzulässige Ermessensüberschreitung dar. Ein Ausgleich einer grundsätzlichen ,,Ungleichgewichtigkeit" in der individuellen Verhandlungssituation sei durch eine Betriebsvereinbarung nicht regelbar. Aus ihr folge nicht, dass die Verteilungsgerechtigkeit bzw. Entgeltgerechtigkeit innerhalb des Bereichs der außertariflichen Mitarbeiter gefährdet werde, weil gerade beim Eintritt
-5-
dieser Mitarbeiter in das Unternehmen individuelle Gehälter nach Leistungsgesichtspunkten vereinbart worden seien.
Gegen diesen ihm am 26. Juni 2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 8. Juli 2008 Beschwerde eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Frist am 26. September 2008 begründet.
Er ist weiterhin der Auffassung, der Spruch der tariflichen Schlichtungsstelle sei unwirksam. Die Schlichtungsstelle sei für das vorliegende Verfahren nicht zuständig gewesen, weil die außertariflichen Angestellten, für die eine Regelung getroffen werden sollten, von dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages nicht umfasst seien. Darüber hinaus habe die tarifliche Schlichtungsstelle nicht durch Spruch eine Nachwirkung festlegen können. Dies sei eine Rechtsfrage, die sich daraus ergebe, ob Regelungsgegenstand ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht sei oder ob der Regelungsgegenstand sich auf freiwillige Betriebsvereinbarungen beziehe. Die durch Beschluss festgelegte Regelung enthalte freiwillige Leistungen der Antragsgegnerin, mit der Folge, dass die in der Schlichtungsstelle getroffene Regelung mindestens in dieser Komponente nicht erzwingbaren Mitbestimmungen unterliege und folglich auch nicht nachwirken könne — es sei denn, beide Betriebsparteien wollten eine solche Nachwirkung und vereinbarten diese explizit. Dies sei nur freiwillig zwischen den Betriebsparteien und nicht durch Spruch der tariflichen Schlichtungsstelle oder den Spruch einer Einigungsstelle möglich. Darüber hinaus stelle der Spruch eine Ermessensüberschreitung dar. Die in den Verfahren angegriffenen Regelungen in § 3 „Definition von Zielvereinbarungen" seien so allgemein und abstrakt, dass sie der Antragsgegnerin eine Gestaltungsfreiheit einräume, die dem mitbestimmungsfreien Zustand nahekomme. Es gebe gerade keine Vorgaben für die Beteiligten bei der Konkretisierung der Zielvereinbarung. Dass pro Jahr maximal vier Ziele festgelegt werden könnten, ändere hieran nichts, weil für alle außertariflichen Angestellten nicht transparent und nachvollziehbar sei, welches die Ziele seien, die üblicherweise vereinbart würden. Die Regelung gebe es der Antragsgegnerin an die Hand, von einzelnen außertariflichen Angestellten beliebige und unterschiedliche Ziele zu verlangen. Die aus der Regelung sich ergebenden Verhandlungsungleichgewichte begründeten ebenfalls die Überschreitung des Ermessensrahmens. Sinn und Zweck der Ausübung des Mitbestimmungsrechts sei nämlich, Ungleichgewichte einzuschränken. Der angegriffene Spruch der tariflichen Schlichtungsstelle enthalte jedoch keine in dieser Richtung einschränkenden Begrenzungen.
-6-
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Hameln vorn 16. Juni 2008 abzuändern und festzustellen, dass der Spruch der tariflichen Schlichtungsstelle vom 15. Mai 2007 zum Regelungsgegenstand der Betriebsvereinbarung „Zielvereinbarung mit Entgeltkopplung im AT Bereich" unwirksam ist.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den arbeitsgerichtlichen Beschluss nach Maßgabe ihrer Beschwerdeerwiderung vom 3. Dezember 2008, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (BI. 156 bis 163 der Akte).
Zu den weiteren Ausführungen der Beteiligten zur Sach- und Rechtslage wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist unbegründet. Der Spruch der tariflichen Schlichtungsstelle vom 15. Mai 2007, mit dem Grundsätze zum Einsatz von Zielvereinbarungen und zur Gewährung einer leistungs- und erfolgsorientierten Vergütungskomponente für außertarifliche Arbeitnehmer auf der Grundlage von getroffenen Zielvereinbarungen festgelegt werden, ist nicht unwirksam. Die tarifliche Schlichtungsstelle ist zuständig (1.). Die Vereinbarung einer Nachwirkung ist nicht unzulässig; sie hat nur deklaratorischen Charakter (2.). Der Spruch hat Ermessensgrenzen nicht überschritten (3.).
1.
Die tarifliche Schlichtungsstelle war zur Entscheidung der Streitigkeit mit dem Regelungsgegenstand einer Zielvereinbarung mit Entgeltkopplung für außertarifliche Angestellte befugt. Ihre Spruchkompetenz ergibt sich aus § 30 GMTV i.V.m. § 76 Abs. 8 BetrVG, auch wenn der Tarifvertrag gemäß § 1 Ziff. 1 GMTV auf die Arbeitnehmergruppe der außertariflichen Angestellten keine Anwendung findet. § 30 GMTV ist eine Rechtsnorm eines Tarifvertrages über betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Sie findet daher gemäß §§
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1, 3 TVG auf den Betrieb der Beklagten unabhängig von. der Frage Anwendung, welche Arbeitnehmergruppen die Beklagte beschäftigt. Die tarifvertragliche Norm differenziert nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht danach, ob und inwieweit tarifgebundene Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt werden, oder danach, ob die Regelung sie erfasst.
a)
Das Betriebsverfassungsgesetz räumt den Tarifvertragsparteien ausdrücklich die Möglichkeit ein, die Einigungsstelle durch eine tarifliche Schlichtungsstelle zu ersetzen (§ 76 Abs. 8 BetrVG). In verschiedenen Wirtschaftszweigen ist hiervon Gebrauch gemacht worden, wie in § 30 GMTV für Bereich der Metallindustrie. Voraussetzung für die Anwendung eines derartigen Tarifvertrages ist ausschließlich die Tarifbindung des Arbeitgebers (vgl. Pünnel/lsenhardt, Die Einigungsstelle des BetrVG, 3. Aufl. Rn. 134,135). Ein derartiger Tarifvertrag enthält nämlich Regelungen betriebsverfassungsrechtlicher Art. Es kommt nicht darauf an, dass alle Arbeitnehmer des Betriebes tarifgebunden sind (Fitting, BetrVG, 23. Aufl. 2006, § 76 Rn. 113; Richardi, BetrVG, 11. Aufl. 2008, § 76 Rn. 146-148; ErfK-Kania, § 76 BetrVG, 8. Aufl. 2008, Rn. 33; a.A. Rieble, RdA 1993, 140, 143), also der Gewerkschaft angehören, die den einschlägigen Tarifvertrag abgeschlossen hat (Pünnel, aaO).
aa)
Gemäß § 1 TVG regelt der Tarifvertrag die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können. Die Rechtsnormen des Tarifvertrages über betriebliche und betriebsverfassungs-rechtliche Fragen gelten gemäß § 3 Abs. 2 TVG für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarif-gebunden sind. § 3 Abs. 2 TVG ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Rechts-normen des Tarifvertrages nur zwischen beiderseits Tarifgebundenen Anwendung finden (Wiedemann, TVG, 7. Aufl. 2007, § 3 Rn. 163).
bb)
§ 30 GMTV ist eine Rechtsnorm des Tarifvertrages über betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Die Antragsgegnerin ist unstreitig tarifgebunden.
b)
§ 30 GMTV kann auch nicht einschränkend ausgelegt werden, denn hierfür finden sich keine Anhaltspunkte, die sich am Tarifwortlaut festmachen ließen. § 30 GMTV enthält
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eine Globalverweisung für alle gemäß § 76 BetrVG von der Einigungsstelle zu verhandelnden Fälle. § 30 Abs. 1 Satz 1 GMTV lautet „Ist bei Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung im Fall der Nichteinigung die Einigungsstelle gemäß § 76 BetrVG zuständig, tritt an ihre Stelle gemäß § 76 Abs. 8 BetrVG die tarifliche Schlichtungsstelle".
Der Wortlaut ist eindeutig. Die Norm differenziert — im Gegensatz zu früher und im Gegensatz zu ihrem Satz 2, welcher die Kostenübernahme regelt — nicht nach Regelungs-tatbeständen. Sie enthält weder eine Einschränkung nach Arbeitnehmergruppen noch nach Regelungstatbeständen. Die tarifliche Schlichtungsstelle tritt — entsprechend der eindeutigen Formulierung des § 76 Abs. 8 — an die Stelle der in § 76 Abs. 1 bezeichneten Einigungsstelle. Daraus folgt, dass ihre Zuständigkeit auch im Zweifel derjenigen der Eini-gungsstelle entspricht. Sie kann nicht eingeengt werden (in diesem Sinne auch Pünnel, aaO Rn. 135).
c)
Hielte man mit dem Beteiligten zu 1) die Tarifnorm ungeachtet ihres eindeutigen Wortlautes dennoch für auslegungsfähig, sc, ergäbe sich gleichwohl nichts anderes. Dem Wortlaut der Tarifnorm ist zu entnehmen, dass an die Stelle der zuständigen Einigungsstelle die tarifliche Schlichtungsstelle tritt. Hierfür sprechen auch Sinn und Zweck ebenso wie der systematische Zusammenhang. Schließlich handelt es sich auch um eine sachgerechte, zweckorientierte und praktisch brauchbare Lösung.
aa)
Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Wortlaut zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. für viele BAG vom 4. Juni 2003 — 10 AZR 579/02 — BAGE 106, 225; 31. Juli 2002 — 10 AZR 578/01 — AP TVG § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft Nr. 3 = EzA BGB § 611 Gratifika-
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tion, Prämie Nr. 167 mwN; vom 30. September 1999 — 6 AZR 130/98; vom 20. April 1994 — 10 AZR 276/ 93 — AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11; vom 12. September 1984 — 4 AZR 336/82 — BAGE 46, 308).
bb)
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich die obige Auslegung. Der Wortlaut spricht bereits für die Annahme, die tarifliche Schlichtungsstelle trete in allen Streitigkeiten, in denen die Einigungsstelle zuständig ist, an deren Stelle. Sinn und Zweck der Regelung ist, die Zuständigkeit der Einigungsstelle vollständig durch die tarifliche Schlichtungsstelle zu ersetzen. Das zeigt sein allgemeiner Verweis. Hinsichtlich der Kostenübernahme differenziert § 30 Abs. 2 GMTV nach einzelnen Regelungstatbeständen. Daher unterstreicht auch der systematische Zusammenhang die getroffene Auslegung. Hätten die Tarifparei-en unterscheiden wollen nach Tarifzugehörigkeit der Arbeitnehmer, hätten sie dies ebenso ausdrücklich in ihre Regelung aufgenommen.
cc)
Die Tarifauslegung führt darüber hinaus zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung. Ein anderes Verständnis führte dazu, Regelungsstreitigkeiten, die sowohl Arbeitnehmergruppen umfassen, die dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages unterfallen (Tarifgebundene) als auch solche, die von diesem nicht umfasst sind (Außertarifliche) getrennt zu behandeln und getrennt regeln zu müssen. Für Außertarifliche wäre die Einigungsstelle, für Tarifgebundene die tarifliche Schlichtungsstelle zuständig. Nicht zuletzt Kostengründe sprechen gegen diese und für die vorgenommene Auslegung.
2.
Der Spruch der Schlichtungsstelle ist auch nicht deswegen ganz oder teilweise unwirksam, weil er in § 11 eine Nachwirkungsregelung enthält. Diese Regelung hat nur deklara-torischen Charakter.
a)
Zwar weist der Beteiligte zu 1) zu Recht darauf hin, es sei zweifelhaft, ob durch Spruch der tariflichen Schlichtungsstelle eine Nachwirkung erzwungen werden könne. Der Spruch der tariflichen Schlichtungsstelle, der die Qualität einer Betriebsvereinbarung hat, wirkt vorliegend aber bereits per Gesetz (§ 77 Abs. 6 BetrVG) nach, so dass die ausdrücklich im Spruch vereinbarte Nachwirkung unschädlich ist.
- 10 -
b)
Ob der Spruch einer Einigungs-/tariflichen Schlichtungsstelle oder eine Betriebsvereinbarung nachwirkt, hängt davon ab, ob der Regelungsgegenstand sich auf erzwingbares Mitbestimmungsrecht oder auf eine freiwillige Betriebsvereinbarung bezieht.
Nur im ersten Fall ersetzt der Spruch die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und wirkt bereits aufgrund gesetzlicher Bestimmung nach (§ 77 Abs. 6 BetrVG). Der Spruch hat dann die gleiche Bedeutung wie die Einigung, die er ersetzen soll, d.h. soweit es sich um normative Bestimmungen handelt, hat er die Rechtswirkungen einer Betriebsvereinbarung (Richardi, aaO, § 76 Rn. 109, 8ff; Fitting, aa0, § 76 Rn. 178).
c)
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Zwar ergibt sich die Nachwirkung nicht aus § 76 Abs. 6 BetrVG. Weder haben sich beide Seiten dem Spruch im Voraus unterworfen noch haben sie ihn nachträglich angenommen. Der Spruch der tariflichen Schlichtungsstelle regelt aber nur Gegenstände, die der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegen. Zumindest wirkt er als teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung in seiner Gesamtheit nach, weil er sich nicht sinnvoll in einen nachwirkenden und einen nachwirkungslosen Teil aufspalten lässt.
aa)
Soweit sich der Beteiligte zu 1) darauf beruft, die Regelung enthalte mit der Festlegung des Unternehmensanteils eine freiwillige Komponente, so dass die in der Schlichtungsstelle getroffene Regelung mindestens insoweit nicht der erzwingbaren Mitbestimmung unterliege und folglich auch nicht nachwirken könne, kann dem nicht gefolgt werden.
bb)
Nach § 77 Abs. 6 BetrVG gelten die Regelungen einer Betriebsvereinbarung in Angele-genheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Dies betrifft die Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung. Betriebsvereinbarungen über Gegenstände, die nicht der zwingenden Mitbestimmung unterliegen, entfalten kraft Gesetzes keine Nachwirkung. Betriebsvereinbarungen mit teils erzwingbaren, teils freiwilligen Regelungen wirken grundsätzlich nur hinsichtlich der Gegenstände nach, die der zwingenden Mitbestimmung unterfallen (BAG vom 23. Juni 1992 - 1 ABR 9/92 - BAGE 70, 356, zu B II 5 der Gründe). Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Betriebsvereinbarung sinnvoll in einen nachwirkenden und einen nachwirkungslosen Teil aufspal-
-11-
ten lässt. Andernfalls entfaltet zur Sicherung der Mitbestimmung die gesamte Betriebs-vereinbarung Nachwirkung (BAG vom 26. August 2008 — 1 AZR 354/07 — DB 2008, 2709 = NZA 2009, 88). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können auch teilmitbestimmte Betriebsvereinbarungen über freiwillige Leistungen ohne ausdrückliche Vereinbarung nachwirken (BAG v. 26. Oktober 1993 - 1 AZR 46/93 - AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 6; BAG v. 18. November 2003 — 1 AZR 604/02 - AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 15). Betriebsvereinbarungen über finanzielle Leistungen des Arbeitgebers sind regelmäßig teilmitbestimmt. Während der Arbeitgeber den Dotierungs-rahmen mitbestimmungsfrei vorgeben kann, bedarf er für die Ausgestaltung, also für den Verteilungs- und Leistungsplan nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, der Zustimmung des Betriebsrats. Die Nachwirkung bei teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen erfasst die gesamte Regelung, weil nur die gesamte Betriebsvereinbarung nachwirken kann und auch in diesen Fällen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt (vgl. BAG v. 18. November 2003 - 1 AZR 604/02 - a. a. 0.).
cc)
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die streitbefangene Regelung zur Sicherung der Mitbestimmung insgesamt nachwirkt.
Einerseits handelt es sich um Regelungen, die der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegen, denn die Grundlage für den als Aufstockungsbetrag zu zahlenden Unternehmensanteil steht bereits fest. Sie errechnet sich aus der Steigerung des zwischen dem Arbeit¬nehmer und dem Vorgesetzten vereinbarten Betrages. Die Höhe wird also außerhalb der Regelung bestimmt. Sie wird in der von der Schlichtungsstelle beschlossenen Regelung nur noch mit dem Prozentsatz (150 v.H.) vorgegeben, berührt also nur die Verteilungsgrundsätze. Der Aufstockungsbetrag orientiert sich immer an der zuvor verhandelten Gehaltserhöhung. Das lässt sich der Beispielrechnung zu Ziff. 2.1.1 b) entnehmen. Eine Regelung über freiwillige Leistungen, die nicht der Mitbestimmung unterliegen, kann daher nicht erkannt werden.
Andererseits kann die Regelung nicht sinnvoll in einen nachwirkenden und einen nicht nachwirkenden Teil aufgespalten werden, denn der Unternehmensanteil bietet einen Anreiz für die Annahme der Regelung, so dass bereits aus diesem Grunde zur Sicherung der Mitbestimmung die gesamte Regelung nachwirken muss.
Die Festlegung der Nachwirkung in § 11 hat somit lediglich deklaratorischen Charakter.
-12-
3.
Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass die Schlichtungsstelle die Grenzen des Ermessens gemäß § 76 Abs. 5 S. 3 BetrVG nicht überschritten hat.
a)
Soweit der Beteiligte zu 1) rügt, der Beschluss der Schlichtungsstelle enthalte kein Min-destmaß an Regelungen, wie die Leistungs- und persönlichen Entwicklungsziele ebenso wie die Kriterien zur Zielverfolgung festzulegen seien, steht dem entgegen, dass in einer Betriebsvereinbarung über Zielvereinbarungen Ziele nicht benannt werden müssen. Der Mitbestimmung unterliegen nur Verfahrensregeln und die abstrakte Festlegung der Kriterien sowie Regelungen zu ihrer Gewichtung. Die Festlegung der konkreten Ziele eines einzelnen Arbeitnehmers ist als Einzelfallentscheidung nicht mitbestimmungspflichtig (BAG v. 20. August 1991 - 1 AZR 325/90 - DB 1992, 687). Da der angegriffene Schlichtungsstellenspruch sogar detaillierte Regelungen zu den in Betracht kommenden Zielen aufweist, geht er über die Forderungen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sogar hinaus. Eine Ermessensüberschreitung scheidet daher aus.
b)
Darüberhinaus enthalten die §§ 3 und 4 der Regelung erhebliche Einschränkungen der möglichen Ziele. Das hat das Arbeitsgericht bereits begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts hierzu und auch im Übrigen Bezug genommen (BI. 120 bis 122 d. A.).
c)
Auch ein — unterstellt — strukturelles Verhandlungsungleichgewicht zwischen der Beteiligten zu 2) und den außertariflichen Arbeitnehmern führt nicht zu einer Ermessensüberschreitung. Es wird durch die zahlreichen Einschränkungen des Schlichtungsstellenspruchs in § 3 Nr. 3, Nr. 4 und § 4 ausgeglichen. Hinzukommt, dass § 5 genaue Regelungen für den Zielvereinbarungsprozess enthält und nicht nur in § 5 Ziff. 5 Satz 1 dem Arbeitnehmer ein Widerrufsrecht einräumt, sondern in § 6 auch einen Konfliktlösungsprozess festlegt, der ausdrücklich in Satz 2 die Beteiligung des Betriebsrates vorsieht.
III.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeit der tariflichen Schlichtungsstelle für die Regelung war die Revision zuzulassen (§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG).
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