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ArbG Trier, Ur­teil vom 22.07.2015, 5 Ca 1537/14

   
Schlagworte: Anfechtung, Aufhebungsvertrag
   
Gericht: Arbeitsgericht Trier
Aktenzeichen: 5 Ca 1537/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 22.07.2015
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Verkündet am:
22.07.2015.

Ak­ten­zei­chen:
5 Ca 1537/14

Jus­tiz­beschäftig­te

als Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

AR­BEITS­GERICHT

TRIER

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

A., A-Straße, A-Stadt

- Kläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te/r: Rechts­an­walt B., B-Straße, B-Stadt

ge­gen

Fir­ma C., C-Straße, C-Stadt

- Be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te/r: Rechts­anwälte Dr. D., D-Straße, D-Stadt

hat die 5. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Trier auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 22. Ju­li 2015 durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt E als Vor­sit­zen­den und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter F und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter G als Bei­sit­zer für Recht er­kannt:

1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.
2. Die Kos­ten des Rechts­streits trägt der Kläger.
3. Der Streit­wert wird auf 7.800 € fest­ge­setzt.
4. Die Be­ru­fung wird nicht ge­son­dert zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

 

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Die Par­tei­en strei­ten um die Wirk­sam­keit ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges.

Der Kläger war bei der Be­klag­ten seit dem Jah­re 1978 als Ma­schi­nen­be­die­ner und Ein­rich­ter zu ei­nem durch­schnitt­li­chen Brut­to­mo­nats­ge­halt von zu­letzt 2.600 € beschäftigt. Er ist Er­satz­mit­glied des bei der Be­klag­ten ge­bil­de­ten Be­triebs­rats.

Am 17.11.2014 kam es zwi­schen ihm und dem Geschäftsführer der Be­klag­ten, Herrn H, im Bei­sein des Pro­ku­ris­ten Dr. I und des kaufmänni­schen Lei­ters L zu ei­nem Per­so­nal­gespräch. Hier­bei las Dr. I dem Kläger mehr­sei­ti­ge Auf­zeich­nun­gen vor, die wie­der­ge­ben soll­ten, zu wel­chen Zei­ten der Kläger nach Be­ob­ach­tun­gen des Mit­ar­bei­ters M im Zeit­raum vom 13.10. - 14.11.2014 nicht an sei­nem Ar­beits­platz, son­dern teil­wei­se 1 St­un­de und länger ab­we­send und/oder in der Um­klei­de ge­we­sen sei, häufig zu­sam­men mit den Kol­le­gen J und/oder K. Bei sei­ner Rück­kehr aus der Um­klei­de ha­be er am 14.11.2014 nach Al­ko­hol ge­ro­chen. Dies be­gründe den Ver­dacht auf ei­nen fort­ge­setz­ten Ar­beits­zeit­be­trug so­wie ei­nen Ver­s­toß ge­gen das be­trieb­li­che Al­ko­hol­ver­bot, was zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung (nach vor­he­ri­ger Durchführung ei­nes Ver­fah­rens nach § 103 Be­trVG) be­rech­ti­ge, da man die wei­te­re Zu­sam­men­ar­beit mit ihm als un­zu­mut­bar an­se­he. Der Kläger räum­te die Vorwürfe schließlich ein, wor­auf­hin bei­de Par­tei­en ei­nen von der Be­klag­ten vor­be­rei­te­ten Auf­he­bungs­ver­trag un­ter­zeich­ne­ten. Die­ser enthält un­ter an­de­rem fol­gen­de Re­ge­lun­gen:

"1. Das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis en­det durch ein­ver­nehm­li­che Auf­he­bung mit Ab­lauf des 30.11.2014.

4. Die C. er­teilt dem Ar­beit­neh­mer ein wohl­wol­len­des, qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis, das die im Raum ste­hen­den Vorwürfe nicht er­ken­nen lässt..."

Bei Räum­ung des Spinds des Klägers am 17.11. fand sich dort ein Six­pack Bier. Mit Schrei­ben vom 19.11.2014 focht der Kläger den Auf­he­bungs­ver­trag we­gen wi­der­recht­li­cher Dro­hung und Nöti­gung an. Er be­haup­tet, die Be­klag­te ha­be ihn, eben­so wie sei­ne Kol­le­gen J und K, un­ter ei­nem Vor­wand in das Per­so­nal­gespräch ge­lockt, ihm Ar­beits­zeit­be­trug vor­ge­wor-

 

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fen, ihn mit um­fang­rei­chem Sach­ver­halts­ma­te­ri­al über­rum­pelt und ihm mit dem Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung, Ein­schal­tung der Po­li­zei so­wie Er­stat­tung ei­ner Straf­an­zei­ge ge­droht, falls er den Auf­he­bungs­ver­trag nicht un­ter­schrei­be. Er ha­be nur ei­ne Über­le­gungs­frist von ei­ner Mi­nu­te er­hal­ten. Als er ha­be auf­ste­hen wol­len, um ein Be­triebs­rats­mit­glied hin­zu­zu­zie­hen, ha­be er nicht nur Hohn und Spott ge­ern­tet, son­dern Herr L ha­be sich zu­dem vor die Tür ge­stellt und ge­sagt, er ge­he nir­gend­wo hin. Nach­dem er sich wei­ter ge­wei­gert ha­be, den Ver­trag zu un­ter­schrei­ben, ha­be man ihm in verschärf­tem Ton zu ver­ste­hen ge­ge­ben, dass er mit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung kei­ne Chan­cen mehr auf dem Ar­beits­markt ha­be, er er­hal­te kei­ne zwei­te Chan­ce, son­dern müsse den Ver­trag so­fort un­ter­zeich­nen. Hier­durch sei er so in Angst und Pa­nik ver­setzt wor­den, dass er der Si­tua­ti­on nur noch ha­be ent­flie­hen wol­len und den Ver­trag dann aus Angst um sei­ne be­ruf­li­che Zu­kunft un­ter­zeich­net ha­be. Tatsächlich sei­en die Vorwürfe un­zu­tref­fend, es sei nichts vor­ge­fal­len, die Be­klag­te ha­be kei­nen Scha­den er­lit­ten. Da er die Fülle an Vorwürfen nicht ha­be nach­voll­zie­hen können, ha­be er auch kein rechts­er­heb­li­ches Geständ­nis ab­ge­ge­ben. Die an­ge­ge­be­nen Ab­we­sen­heits­zei­ten re­sul­tier­ten dar­aus, dass er nicht durchgängig an sei­ner voll­au­to­ma­ti­schen Ma­schi­ne ha­be ste­hen müssen, son­dern auch sons­ti­ge Tätig­kei­ten zu ver­rich­ten ge­habt ha­be. So müsse er ein- bis zwei­mal pro St­un­de pro­du­zier­te Tei­le kon­trol­lie­ren und mes­sen, was zu Auf­ent­hal­ten im Mess­raum von durch­schnitt­lich 15-30 Mi­nu­ten, teil­wei­se von bis zu meh­re­ren St­un­den geführt ha­be. In das Werk­zeug­ma­ga­zin müsse er Werk­zeu­ge zurück­brin­gen und ein­sor­tie­ren bzw. für neue Auf­träge dort aus­su­chen und bei­schaf­fen, was bis zu ei­ne St­un­de dau­ern könne. In den Um­klei­de­raum ge­he er al­lein schon des­halb öfter, um von dem in sei­nem dor­ti­gen Spind auf­be­wahr­ten Spru­del­was­ser zu trin­ken, das deut­lich bil­li­ger sei als das aus dem Au­to­ma­ten der Be­klag­ten. Auch sei die dor­ti­ge Toi­let­te sei­nem Ar­beits­platz am nächs­ten. Die Be­ob­ach­tun­gen von Herrn M stamm­ten ein­deu­tig aus Film­auf­nah­men und sei­en nicht ver­wert­bar, da er ein ei­gens von der Be­klag­ten auf ihn an­ge­setz­ter De­tek­tiv sei, den sie un­ter Hin­ter­ge­hung des Be­triebs­rats und un­ter Ver­s­toß ge­gen § 87 Abs. 1 Be­trVG als an­geb­li­chen Mit­ar­bei­ter der CNC-Ab­tei­lung ein­ge­stellt ha­be. Bei der Be­haup­tung der Be­klag­ten, Herr M sei im We-

 

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ge ei­ner Über­g­angs­beschäfti­gung zwi­schen sei­nem vor­he­ri­gen Ar­beits­verhält­nis und dem Be­ginn sei­ner Meis­ter­schu­le vorüber­ge­hend be­fris­tet ein­ge­stellt wor­den, hand­le es sich um ein du­bio­ses Märchen. Viel­mehr sei Herr M von der Be­klag­ten mit sei­nen hier er­folg­ten Fehl­einschätzun­gen und blödsin­ni­gen Ver­mu­tun­gen be­auf­tragt wor­den, da der Pro­ku­rist Herr Dr. I sich ha­be pro­fi­lie­ren wol­len. Das be­haup­te­te ge­mein­schaft­li­che Tun mit den Kol­le­gen J und K ha­be sich die Be­klag­te zu­sam­men­ge­reimt, Herr M ha­be von sei­nem Platz aus gar kei­nen ge­nau­en Über­blick ge­habt, da die­ser et­wa 150m bzw. min­des­tens 200m ent­fernt ge­we­sen sei. Al­len­falls hand­le es sich um ei­ne Ar­beits­bum­me­lei, die an­ge­sichts sei­ner langjähri­gen Be­triebs­zu­gehörig­keit erst hätte ab­ge­mahnt wer­den müssen, zu­mal das Ein­le­gen von Pau­sen nor­mal sei und so­gar die Pro­duk­ti­vität erhöhe.

Der Kläger be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass der Auf­he­bungs­ver­trag vom 17.11.2014 auf­grund sei­ner An­fech­tung vom 19.11.2014 un­wirk­sam ist und das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en fort­be­steht.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie be­haup­tet, zu dem Gespräch vom 17.11.2014 sei es ge­kom­men, weil der Ma­schi­nen­be­die­ner M am 06.11.2014 ih­ren Pro­ku­ris­ten Dr. I auf­ge­sucht und ihm mit­ge­teilt ha­be, ihm ge­fal­le die At­mo­sphäre im Be­reich der Mehr­spin­del­fer­ti­gung nicht. Es sei mit sei­nem Verständ­nis von Ar­beit und Ar­beits­si­cher­heit nicht zu ver­ein­ba­ren, dass drei Ma­schi­nen­ein­rich­ter, na­ment­lich der Kläger und des­sen Kol­le­gen J und K, im­mer wenn sie ge­mein­sam Spätschicht hätten, für ei­nen länge­ren Zeit­raum ver­schwänden und ver­mut­lich ge­mein­sam zu­sam­men Al­ko­hol tränken. Herr M ha­be da­bei für den Zeit­raum vom 13.10. - 05.11.2014 kon­kre­te Da­ten und Ab­we­sen­heits­zei­ten be­nannt. Als der Kläger mit Herrn J am 27.10. ge­gen 20:30

 

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Uhr Rich­tung Um­klei­de ver­schwun­den sei, ha­be ihm der Kol­le­ge N erklärt, bei­de sei­en wie­der Bier trin­ken. Am 05.11.2014 ha­be ihm der Ma­schi­nen­ein­rich­ter 0 ge­sagt, der Kläger ge­he mit Herrn J und Herrn K abends re­gelmäßig sau­fen, dann sei die an­sons­ten of­fen­ste­hen­de Brand­schutztür an der Stem­pel­uhr ge­schlos­sen, Herr J ge­he abends an der Stem­pel­uhr vor­bei und schließe die­se Tür, der Kläger ge­he am Kaf­fee­au­to­ma­ten vor­bei durch die an­de­re Tür und dann von außen zum Um­klei­de­be­reich. Hier­auf­hin ha­be Herr Dr. I Herrn M be­auf­tragt, in der nächs­ten ge­mein­sa­men Spätschicht der drei Ein­rich­ter (10. - 15.11.2014) No­ti­zen über de­ren Ver­bleib an­zu­fer­ti­gen, um zu über­prüfen, ob sich An­halts­punk­te für ein fort­ge­setz­tes ent­spre­chen­des Ver­hal­ten ergäben. Am 15.11.2014 ha­be ihm Herr M dann wei­te­re de­tail­lier­te Be­ob­ach­tun­gen ge­schil­dert. Bei­de hier­auf­hin ge­fer­tig­ten Ver­mer­ke mit den An­ga­ben und Be­rich­ten von Herrn M sei­en dem Kläger eben­so wie den an­de­ren bei­den Ein­rich­tern J und K in dem (je­wei­li­gen Ein­zel-)Gespräch am 17.11.2014 vor­ge­hal­ten wor­den. Das Gespräch mit dem Kläger ha­be da­bei in ei­ner ru­hi­gen und sach­li­chen At­mo­sphäre statt­ge­fun­den, oh­ne dass der Kläger un­ter Druck ge­setzt oder zur Un­ter­zeich­nung des Auf­he­bungs­ver­tra­ges genötigt wor­den sei. Er ha­be we­der die Hin­zu­zie­hung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds ver­langt noch ha­be sich ihm je­mand in den Weg ge­stellt und ihn dar­an ge­hin­dert, den Raum zu ver­las­sen. Er ha­be die Möglich­keit er­hal­ten, Rück­fra­gen zur Si­tua­ti­on und zum Auf­he­bungs­ver­trag zu stel­len. Ei­ne Über­le­gungs­frist ha­be er be­kom­men. Nach­dem er zunächst le­dig­lich zu­ge­ge­ben ha­be, ganz ver­ein­zelt abends ein Bier ge­trun­ken zu ha­ben und man ihm vor­ge­hal­ten ha­be, die de­tail­lier­ten Auf­zeich­nun­gen von Herrn M könn­ten nicht völlig frei er­fun­den sein, ha­be er die pro­to­kol­lier­ten Vorgänge dann umfäng­lich ein­geräumt, ins­be­son­de­re auch den ge­mein­schaft­li­chen Al­ko­hol­kon­sum mit den Kol­le­gen J und K. Sei­ne Erklärun­gen für sei­ne Ab­we­sen­heits­zei­ten sei­en un­glaub­haft. Spru­del­was­ser könne er in der Hal­le be­kom­men bzw. sich sein ei­ge­nes je­der­zeit mit dort­hin neh­men, Toi­let­ten ge­be es dort eben­falls fer­ti­gungs­nah. Im Ma­ga­zin er­hal­te man le­dig­lich Ge­brauchs­ar­ti­kel wie Gehörstöpsel, Hand­schu­he etc., was le­dig­lich kur­ze Auf­ent­halts­zei­ten er­for­de­re. Die eben­falls fer­ti­gungs­na­hen Messräume sei­en ein­seh­bar, wes­halb der Kläger für Herrn M sicht­bar ge­we­sen wäre, wenn er sich dort auf­ge­hal­ten hätte. Mit

 

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ei­ner Straf­an­zei­ge ha­be sie nicht ge­droht. Die Ankündi­gung ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung bzw. ei­nes Ver­fah­rens nach § 103 Be­trVG sei nicht wi­der­recht­lich ge­we­sen, da sie ein sol­ches Vor­ge­hen ernst­haft ha­be in Erwägung zie­hen dürfen. Der Kläger ha­be als für die Si­cher­heit der Ma­schi­ne ver­ant­wort­li­cher Ein­rich­ter nicht nur nach­hal­tig ge­gen das Al­ko­hol­ver­bot ver­s­toßen, son­dern auch in gra­vie­ren­der Wei­se sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­letzt, in­dem er ge­mein­sam mit den an­de­ren bei­den Ein­rich­tern statt zu ar­bei­ten im Um­klei­de­be­reich al­ko­ho­li­sier­te Kalt­ge­tränke kon­su­miert ha­be. Dar­in lie­ge kei­ne bloße Ar­beits­bum­me­lei, dies ge­he viel­mehr in den Be­reich des Ar­beits­zeit­be­trugs, zu­mal sie stets erst dann auf­ge­bro­chen sei­en, wenn die Ver­wal­tung ih­re Ar­beitsplätze be­reits ver­las­sen ge­habt ha­be und da­her mit ei­ner Ent­de­ckung nicht mehr zu rech­nen ge­we­sen sei. Ei­ne vo­ri­ge Ab­mah­nung des Klägers sei vor die­sem Hin­ter­grund ent­behr­lich ge­we­sen, zu­mal die­ser die ihm in dem Gespräch vor­ge­hal­te­nen Ver­dachts­mo­men­te aus­drück­lich ein­geräumt ha­be und es nach höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung im An­fech­tungs­pro­zess nicht er­for­der­lich sei, dass die in Aus­sicht ge­stell­te Kündi­gung in ei­nem Kündi­gungs­schutz­pro­zess letzt­lich Be­stand ge­habt hätte.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den In­halt der Ge­richts­ak­ten ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

A.

Die Kla­ge ist zulässig, aber nicht be­gründet. Der Kläger hat nach dem hier ge­hal­te­nen Sach­vor­trag den Auf­he­bungs­ver­trag nicht wirk­sam an­ge­foch­ten.

1. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (vgl. zum Fol­gen­den stell­ver­tre­tend BAG 15.12.2005 NZA 2006, 841, 843 f.; 28.11.2007 NZA 2008, 348, 353; fer­ner BAG 09.03.1995 NZA 1996, 875, 876; 05.12.2002 AP Nr. 63 zu § 123 BGB; 03.07.2003 — 2 AZR 327/02) ist die Dro­hung mit ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung dann wi­der­recht­lich, wenn ein verständi­ger Ar­beit­ge­ber ei­ne sol-

 

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che Kündi­gung nicht ernst­haft in Erwägung zie­hen durf­te. Die Wi­der­recht­lich­keit der Kündi­gungs­an­dro­hung kann sich da­bei re­gelmäßig nur aus der lnadäquanz von Mit­tel und Zweck er­ge­ben. Hat der Dro­hen­de an der Er­rei­chung des ver­folg­ten Zwecks kein be­rech­tig­tes In­ter­es­se oder ist die Dro­hung nach Treu und Glau­ben nicht mehr als an­ge­mes­se­nes Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Zwecks an­zu­se­hen, ist die Dro­hung wi­der­recht­lich. Da­bei ist es nicht er­for­der­lich, dass die an­ge­droh­te Kündi­gung, wenn sie aus­ge­spro­chen wor­den wäre, sich in ei­nem Kündi­gungs­schutz­pro­zess als rechts­beständig er­wie­sen hätte. Vom Ar­beit­ge­ber kann nicht ver­langt wer­den, dass er bei sei­ner Abwägung ge­ne­rell die Be­ur­tei­lung des Tat­sa­chen­ge­richts "trifft". Nur wenn er un­ter Abwägung al­ler Umstände des Ein­zel­falls da­von aus­ge­hen muss, die an­ge­droh­te Kündi­gung wer­de im Fal­le ih­res Aus­spruchs ei­ner ar­beits­ge­richt­li­chen Über­prüfung mit ho­her Wahr­schein­lich­keit nicht stand­hal­ten, darf er die außer­or­dent­li­che Kündi­gungs­erklärung nicht in Aus­sicht stel­len, um da­mit den Ar­beit­neh­mer zum Ab­schluss ei­ner Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung zu ver­an­las­sen.

2. Aus­ge­hend von die­sen Grundsätzen liegt hier kein Ver­hal­ten der Be­klag­ten vor, das den Kläger zur An­fech­tung des Auf­he­bungs­ver­tra­ges be­rech­ti­gen würde.

a) Die von ihm an­geführ­te Über­rum­pe­lung, bin­nen kur­zer Zeit zu der ihm vor­ge­hal­te­nen Fülle an Vorwürfen Stel­lung be­zie­hen müssen, schei­det als An­fech­tungs­grund aus. Ab­ge­se­hen da­von, dass es in­so­weit ei­nes Irr­tums i.S.v. § 119 BGB bzw. ei­ner wi­der­recht­li­chen Dro­hung, Nöti­gung oder Täuschung i.S.v. § 123 BGB be­darf, war der Kam­mer nicht er­sicht­lich, war­um ihn die Viel­zahl an Vorwürfen über­for­dert ha­ben soll, da die­se nach der Be­haup­tung sei­nes Pro­zess­ver­tre­ters sämt­lich un­ge­recht­fer­tigt wa­ren bzw. vom Kläger selbst un­strei­tig vollständig ein­geräumt wur­den. Zum an­de­ren wa­ren sie ent­spre­chend den Be­rich­ten von Herrn M so ge­nau und kon­kret ge­fasst, dass er sich hier­zu oh­ne wei­te­res hätte ein­las­sen und et­wa erklären können, wo er sich zu den an­ge­ge­be­nen Ab­we­sen­heits­zei­ten in Wahr­heit auf­ge­hal­ten hat, zu­mal die letz­ten Vorfälle im Zeit­punkt des Gesprächs erst we­ni­ge Ta­ge zurück­la­gen. In­so­weit be­durf­te es auch kei­ner

 

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Ankündi­gung des Per­so­nal­gesprächs, da die Anhörung des Ar­beit­neh­mers zu ihm ge­genüber er­ho­be­nen Vorwürfen zwar Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zung ei­ner Ver­dachtskündi­gung ist, es aber kei­ne Re­gel gibt, nach der ei­ne sol­che Anhörung ih­rer­seits vor­her an­gekündigt wer­den müss­te. Hin­zu kommt, dass hier — wor­auf die Be­klag­te zu­tref­fend hin­weist — der Vor­wurf ei­nes kol­lu­si­ven Han­dels vom Kläger und sei­nen Kol­le­gen im Raum stand und ei­ne sol­che Ankündi­gung even­tu­ell zu ei­ner Ab­spra­che der drei Ein­rich­ter geführt hätte, die die Be­klag­te na­tur­gemäß, aus nach­voll­zieh­ba­ren Gründen aber auch um der Wahr­heit wil­len, zu ver­mei­den such­te. Die Vorwürfe be­tra­fen sämt­lich Fälle und Si­tua­tio­nen, die der ei­ge­nen Wahr­neh­mung des Klägers un­mit­tel­bar zugäng­lich wa­ren, da sie sein Ver­hal­ten be­tra­fen. Dass er hier­zu ei­ne Ankündi­gungs­frist benötigt hätte, um sich auf die Fra­ge vor­zu­be­rei­ten, ob und wo er an den ge­nann­ten Aben­den der Vor­ta­ge während sei­ner Ar­beits­zeit ge­we­sen sei, war der Kam­mer nicht nach­voll­zieh­bar.

b) Auch auf Angst und Pa­nik kann sich der Kläger nicht be­ru­fen. Es ist schon nicht er­sicht­lich, aus wel­chem Grun­de er in ei­ne sol­che Aus­nah­me­ver­fas­sung ge­ra­ten sein soll­te, da sein Pro­zess­ver­tre­ter vorträgt, es sei in Wahr­heit "nichts" vor­ge­fal­len (Schrift­satz vom 24.04.2015 S. 4), und er zu­dem über 35 Jah­re im Be­trieb der Be­klag­ten tätig war, da­von je­den­falls meh­re­re Jah­re als Er­satz­mit­glied des Be­triebs­rats. Aus die­sem Grun­de wa­ren ihm ar­beits­recht­li­che Vorgänge wie ins­be­son­de­re auch Per­so­nal­gespräche nicht fremd. Da­her scheint sein Vor­brin­gen, er ha­be sich ge­wei­gert, den Auf­he­bungs­ver­trag zu un­ter­schrei­ben, der Kam­mer we­sent­lich nach­voll­zieh­ba­rer als sei­ne wei­te­re Be­haup­tung, der schar­fe Ton der Be­klag­ten und de­ren Dro­hun­gen hätten ihn so scho­ckiert, dass er den Ver­trag dann doch un­ter­zeich­net ha­be. Im übri­gen hat er auf Vor­halt, die Auf­zeich­nun­gen von Herrn M könn­ten doch nicht völlig frei er­fun­den sein, de­ren Rich­tig­keit schließlich un­strei­tig ein­geräumt. Ob es sich da­bei um ein rechts­er­heb­li­ches Geständ­nis im straf­recht­li­chen Sin­ne han­delt, kann hier da­hin­ste­hen. Auf ein nöti­gungs­be­ding­tes Pa­nik­ver­hal­ten lässt dies je­den­falls nicht schließen.

 

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c) Für ein in be­son­de­rer Wei­se dro­hen­des oder nöti­gen­des Ver­hal­ten der Be­klag­ten hat der Kläger kei­nen sub­stan­ti­ier­ten Sach­vor­trag ge­hal­ten, je­den­falls ist er in­so­weit be­weisfällig ge­blie­ben. Sei­ne Be­haup­tung, die von ihm mehr­fach ver­lang­te Hin­zu­zie­hung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds sei ihm nicht nur ver­wehrt, son­dern er so­gar am Ver­las­sen des Raums zu die­sem Zweck ge­hin­dert wor­den, hat die Be­klag­te, zu­letzt durch ih­ren im Kam­mer­ter­min an­we­sen­den Geschäftsführer, be­strit­ten und der Kläger hierfür kei­nen taug­li­chen Be­weis an­ge­bo­ten. Die al­lein an­ge­bo­te­nen Zeu­gen J und K wa­ren in­so­weit nicht zu ver­neh­men. Nach den all­ge­mei­nen Dar­le­gungs- und Be­weis­last­re­geln hat der Kläger als an­fech­ten­de Par­tei den An­fech­tungs­grund sub­stan­ti­iert vor­zu­tra­gen und not­falls zu be­wei­sen. Zu be­nen­nen­de Zeu­gen, die bei dem Gespräch am 17.11.2014 zu­ge­gen wa­ren, gibt es in Ge­stalt von Dr. I und Herrn L. Wenn der Kläger die­se nicht als Zeu­gen be­nen­nen will, weil er sie der Be­klag­ten­sei­te zu­schreibt und sich von ih­nen kei­ne Bestäti­gung sei­ner Be­haup­tun­gen er­hofft, spie­gelt sich dar­in le­dig­lich das all­ge­mei­ne Ri­si­ko wi­der, dass zur Verfügung ste­hen­de Zeu­gen nicht dem ei­ge­nen Vor­trag gemäß aus­sa­gen (was wi­der bes­se­res Wis­sen der Zeu­gen ge­sche­hen kann, aber nicht muss). Die­se Si­tua­ti­on recht­fer­tigt kei­ne Mo­di­fi­zie­rung der Be­weis­last­re­geln da­hin­ge­hend, dass der Kläger sei­ne bei­den Kol­le­gen, die un­strei­tig bei dem Gespräch mit ihm nicht zu­ge­gen wa­ren, als Zeu­gen für In­halt und Ver­lauf ih­rer Gespräche be­nen­nen und das Ge­richt dar­aus dann spe­ku­la­ti­ve Rück­schlüsse auf ei­nen ver­gleich­ba­ren Ver­lauf sei­nes Gesprächs zie­hen dürf­te.

d) Da­mit ver­bleibt als An­satz­punkt für ei­ne wi­der­recht­li­che Dro­hung le­dig­lich, dass die Be­klag­te in dem Gespräch geäußert hat, wenn der Kläger den Auf­he­bungs­ver­trag nicht un­ter­schrei­be, zie­he sie den Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung bzw. die Ein­lei­tung ei­nes Ver­fah­rens nach § 103 Be­trVG in Be­tracht. Dies genügt je­doch nicht. In­so­weit ist zunächst er­neut dar­auf hin­zu­wei­sen, dass es sich um kei­nen fik­ti­ven Kündi­gungs­schutz­pro­zess han­delt, in des­sen Rah­men der Ar­beit­ge­ber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Kündi­gungs­gründe dar­zu­le­gen und zu be­wei­sen hätte, son­dern um ei­nen An­fech­tungs­pro­zess, in dem es dem Kläger ob­liegt vor­zu­tra­gen, dass und aus wel­chem Grun­de der Ar­beit­ge­ber den Aus-

 

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spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung vernünf­ti­ger­wei­se nicht hätte in Be­tracht zie­hen dürfen, da ei­ne sol­che Kündi­gung mit ho­her Wahr­schein­lich­keit un­wirk­sam ge­we­sen wäre.

aa) Die von Herrn M do­ku­men­tier­ten und von der Be­klag­ten vor­ge­tra­ge­nen Ab­we­sen­heits­zei­ten des Klägers von sei­nem Ar­beits­platz/sei­ner Ma­schi­ne sind un­strei­tig, eben­falls sei­ne An­we­sen­heits­zei­ten im Um­klei­de­raum mit Herrn K und/oder Herrn J (13.10., 14.10., 27.10., 13.11. und 14.11.2014). Die­se be­tref­fen im hier do­ku­men­tier­ten Zeit­raum ei­ne Viel­zahl an Ta­gen (13.10., 14.10., 27.10., 10.11., 11.11., 13.11. und 14.11.2014 — wo­bei die da­zwi­schen­lie­gen­den länge­ren "ein­tra­gungs­frei­en" Zeiträume wohl über­wie­gend nicht dar­auf zurück­zuführen sind, dass die drei Ein­rich­ter in die­ser Zeit durch­ge­ar­bei­tet hätten, son­dern viel­mehr dar­auf, dass sie in die­sen Wo­chen kei­ne ge­mein­sa­me Spätschicht hat­ten) und nicht sel­ten Zei­ten von (durch­ge­hend) über 45 Mi­nu­ten (13.10. 16:00 bis 17:30 Uhr und zwi­schen 20.00 und 21:30 Uhr, 14.10. 19:25 bis 21:30 Uhr, 27.10. 20:30 bis 21:30 Uhr, 13.11. 19:35 bis 19:55 Uhr, 20:00 bis 20:30 Uhr und 20:33 bis 21:30 Uhr, 14.11. 20:46 bis 21:00 Uhr und 21:30 Uhr bis Fei­er­abend). Was der Kläger in die­sen Zeiträum­en ge­tan ha­ben will, hat er nicht sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­gen, son­dern le­dig­lich all­ge­mein aus­geführt, er sei teil­wei­se im Ma­ga­zin, Mess­raum oder auf der Toi­let­te ge­we­sen. Auch ha­be er öfter sei­nen Spind in der Um­klei­de auf­ge­sucht, um Spru­del­was­ser zu trin­ken. Dies genügt nicht.

bb) Zum ei­nen erklärt dies nicht sein (be­ob­ach­te­tes und nicht be­strit­te­nes) Zu­sam­men­sein mit Herrn J und/oder Herrn K. Zum an­de­ren erklärt es nicht, war­um sämt­li­che no­tier­ten Ab­we­sen­heits­zei­ten, die als sol­che un­strei­tig sind, aus­sch­ließlich nach dem Ar­beits­en­de der Ver­wal­tung der Be­klag­ten um 18:00 Uhr auf­tra­ten und sich nicht über die ge­sam­te Dau­er der Spätschicht ver­teil­ten. Es han­delt sich stets um die Abend­stun­den der Spätschicht ab 19:00 Uhr / 20:00 Uhr bis zum Fei­er­abend um 22:00 Uhr / 22:30 Uhr. Die Spätschicht be­ginnt aber be­reits um 14:00 Uhr. Wes­halb der Kläger al­so in den do­ku­men­tier­ten Wo­chen an­schei­nend nur in den Abend­stun­den Tei­le ver­maß, Werk­zeu­ge hol­te oder zurück­brach­te, die Toi­let-

 

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te auf­such­te oder Spru­del trank, er­schloss sich der Kam­mer nicht. Zum drit­ten erklärt sei­ne Be­haup­tung auch nicht die durch­ge­hend länge­ren Ab­we­sen­heits­zei­ten von ei­ner hal­ben St­un­de bis hin zu zwei St­un­den. In­so­weit kann sich der Kläger nicht dar­auf be­ru­fen, er ha­be die Toi­let­te auf­ge­sucht oder sei an sei­nen Spind ge­gan­gen, um Spru­del zu trin­ken (da­bei han­delt es sich übri­gens un­strei­tig um den­sel­ben Spind wie den, in dem man noch am 17.11. zwar kein Spru­del­was­ser, dafür aber ein Six­pack Bier fand). Dies sind Vorgänge, die — je­den­falls oh­ne wei­te­ren erläutern­den Sach­vor­trag — in deut­lich kürze­rer Zeit als ei­ner hal­ben St­un­de oder mehr zu er­le­di­gen sind, zu­mal der Kläger nach dem un­be­strit­te­nen Be­klag­ten­vor­trag sei­ne Spru­del­fla­sche mit an sei­nen Ar­beits­platz neh­men durf­te. Auch hin­sicht­lich der Zei­ten im Ma­ga­zin hat der Kläger auf den Ein­wand der Be­klag­ten, dort ho­le man le­dig­lich Ge­brauchs­ge­genstände wie Gehörstöpsel oder Hand­schu­he, nicht mehr er­wi­dert und die Not­wen­dig­keit länge­rer Auf­ent­hal­te nicht sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­gen. Glei­ches gilt für die — le­dig­lich all­ge­mein und oh­ne jed­we­de kon­kre­te zeit­li­che Zu­ord­nung zu den hier er­ho­be­nen Vorwürfen — be­haup­te­ten Zei­ten im Mess­raum, die 15-30 Mi­nu­ten, teil­wei­se auch meh­re­re St­un­den dau­ern sol­len. Dem Ein­wand der Be­klag­ten, Herr M hätte dies sehr wohl se­hen können, da der Mess­raum von der Hal­le aus ein­seh­bar sei, ist der Kläger nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten. Sch­ließlich erklärt dies auch nicht den von Herrn M bei ihm wahr­ge­nom­me­nen Al­ko­hol­ge­ruch am 14.11.2014. Die­sen hat der Pro­zess­ver­tre­ter des Klägers zwar be­strit­ten. Der Kläger selbst hat je­doch in dem Gespräch am 17.11. un­strei­tig den mehr­fa­chen ge­mein­sa­men Al­ko­hol­kon­sum mit den Kol­le­gen J und K ein­geräumt.

cc) Die Be­rich­te von Herrn M sind auch pro­zes­su­al ver­wert­bar. Zum ei­nen ist der Kam­mer nicht er­sicht­lich, in­wie­weit die vom Kläger be­haup­te­te Ver­let­zung des Mit­be­stim­mungs­rechts des Be­triebs­rats nach § 99 bzw. § 87 Be­trVG ei­ner sol­chen Ver­wer­tung ent­ge­gen­ste­hen soll­te. Es han­delt sich um do­ku­men­tier­te Be­ob­ach­tun­gen ei­nes Mit­ar­bei­ters, der den Kläger und des­sen Ab­we­sen­heits­zei­ten von der Ma­schi­ne bzw. An­we­sen­heits­zei­ten in der Um­klei­de nach sei­ner ei­ge­nen Wahr­neh­mung no­tiert und an die Be­klag­te wei­ter­ge­lei­tet hat. War­um sich der Kläger ge­gen die­se Be­ob­ach­tun­gen, die schließlich sei­ne Ar­beits­zeit be­tref­fen, schützen

 

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können soll, ist un­er­find­lich. Selbst wenn es in die­sem Zu­sam­men­hang aus ir­gend­wel­chen Gründen ein Be­weis­ver­wer­tungs­ver­bot gäbe, konn­te die Kam­mer den vor­ste­hen­den un­strei­ti­gen Sach­vor­trag berück­sich­ti­gen, da das deut­sche Zi­vil­pro­zess­recht ein "Sach­ver­halts­ver­wer­tungs­ver­bot" nicht kennt (vgl. hier­zu BAG 13.12.2007 NZA 2008, 1008, 1010 f.; 16.12.2010 NZA 2011, 571, 573; KR/Fi­scher­mei­er, 10. Aufl. 2013, § 626 BGB Rn. 384a; die Aus­nah­me­kon­stel­la­ti­on, dass der Schutz­zweck ei­ner bei der In­for­ma­ti­ons­ge­win­nung ver­letz­ten Norm ei­ner ge­richt­li­chen Ver­wer­tung zwecks Ver­mei­dung ei­nes Ein­griffs in höher­ran­gi­ge Rechts­po­si­tio­nen des Ar­beit­neh­mers zwin­gend ent­ge­gen­steht, ist vor­lie­gend nicht er­sicht­lich). Da­her spielt es auch kei­ne Rol­le, ob die Ma­schi­nen von Herrn M und dem Kläger "et­wa 150m" (so der Kläger­ver­tre­ter in sei­nem Schrift­satz vom 16.01.2015 S. 4 oben) oder "min­des­tens 200m" (so der Kläger­ver­tre­ter in sei­nem Schrift­satz vom 24.04.2015 S. 2 Mit­te) aus­ein­an­der­la­gen. Wie der Kläger­ver­tre­ter zu sei­ner — be­strit­te­nen — Be­haup­tung ge­langt, Herrn Ms "In­for­ma­tio­nen stamm­ten ein­deu­tig aus Film­auf­nah­men" (Kla­ge­schrift S. 2 Mit­te), blieb un­geklärt.

Eben­so un­geklärt blieb die Be­haup­tung des Kläger­ver­tre­ters, Herr M sei von der Be­klag­ten ei­gens als De­tek­tiv auf den Kläger an­ge­setzt wor­den (Schrift­satz vom 24.04.2015 S. 2 Mit­te), die der Kläger­ver­tre­ter im Par­al­lel­ver­fah­ren bezüglich des Kol­le­gen K (5 Ca 1538/14) übri­gens in glei­cher Wei­se er­hebt (dor­ti­ger iden­ti­scher Schrift­satz vom sel­ben Ta­ge). Darüber hin­aus blieb of­fen, aus wel­chem Grun­de der Kläger­ver­tre­ter der Be­klag­ten vor­wirft, Herrn M mit des­sen be­haup­te­ten "blödsin­ni­gen Ver­mu­tun­gen" und Fehl­einschätzun­gen "be­auf­tragt" zu ha­ben (Schrift­satz vom 24.04.2015 S. 2 und 3, je­weils un­te­res Drit­tel, S. 4), zu­mal auch auf Nach­fra­ge im Kam­mer­ter­min nicht fest­zu­stel­len war, wel­che ei­genständi­gen Wer­tun­gen, Einschätzun­gen oder Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen Herr M über sei­ne rei­nen Be­ob­ach­tun­gen hin­aus über­haupt ab­ge­ge­ben (ge­schwei­ge denn mit wel­chen Wer­tun­gen die Be­klag­te ihn be­auf­tragt) ha­ben soll­te.

dd) Da­her durf­te die Be­klag­te da­von aus­ge­hen, dass sich der Kläger mit den Kol­le­gen J und K während der Spätschicht fort­ge­setzt und in die­sem Sin­ne "re­gelmä-

 

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ßig" un­ent­schul­digt vom Ar­beits­platz ent­fern­te. Dass ein sol­ches, durch die Wahl des Zeit­punkts und Sch­ließung der an­sons­ten stets of­fen ste­hen­den Brand­schutztür am Um­klei­de­raum er­sicht­lich auf Heim­lich­keit an­ge­leg­te Ver­hal­ten von der Be­klag­ten nicht ge­dul­det würde, muss­te dem Kläger klar sein. Ob es an­ge­sichts sei­ner langjähri­gen Be­triebs­zu­gehörig­keit vor Aus­spruch ei­ner Kündi­gung gleich­wohl ei­ner Ab­mah­nung be­durft hätte, wäre in ei­nem Kündi­gungs­schutz­pro­zess zu klären ge­we­sen, führt aber nicht da­zu, dass ei­ne sol­che Kündi­gung "mit ho­her Wahr­schein­lich­keit" un­wirk­sam ge­we­sen wäre, wie das BAG es ver­langt, und die Be­klag­te den Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung bzw. die Ein­lei­tung ei­nes Ver­fah­rens nach § 103 Be­trVG nicht ernst­haft hätte in Be­tracht zie­hen dürfen. Ihr Ver­dacht durf­te sich in­so­weit auch auf ei­nen fort­ge­setz­ten Ar­beits­zeit­be­trug des Klägers rich­ten und nicht nur auf ei­ne bloße Bum­me­lei. Die be­kannt ge­wor­de­nen Be­ob­ach­tun­gen be­gründe­ten nicht le­dig­lich den Ver­dacht, dass der Kläger sei­ne Ar­beits­leis­tung lust­los oder zu lang­sam er­bracht hätte, son­dern viel­mehr den, dass er sich re­gelmäßig in der Spätschicht mit ei­nem oder meh­re­ren Kol­le­gen über er­heb­li­che Zeiträume un­ent­schul­digt von sei­nem Ar­beits­platz ent­fern­te und ggf. da­bei trotz des be­trieb­li­chen Al­ko­hol­ver­bots Al­ko­hol kon­su­mier­te. Vor die­sem Hin­ter­grund ging der Ein­wand des Kläger­ver­tre­ters, die Ein­le­gung von Pau­sen sei völlig nor­mal und förde­re so­gar die Pro­duk­ti­vität, für die Kam­mer denk­bar fehl. Die Be­klag­te hat ent­ge­gen der An­sicht des Klägers auch ei­nen Scha­den er­lit­ten, nämlich ei­nen Ar­beits­zeit­scha­den, der an­ge­sichts sei­nes Um­fangs und des fort­ge­setz­ten Ein­tritts genügt, um die Wirk­sam­keit ei­ner (fik­ti­ven) Kündi­gung als durch­aus möglich er­schei­nen zu las­sen, da der Kläger die hier im Raum ste­hen­den un­ent­schul­dig­ten Ab­we­sen­heits­zei­ten ein­geräumt und un­strei­tig als Ar­beits­zeit an­ge­ge­ben und vergütet be­kom­men hat. Stand so­mit der Ver­dacht auf ei­nen fort­ge­setz­ten Ar­beits­zeit­be­trug im Raum, hätte die Be­klag­te selbst die Er­stat­tung ei­ner Straf­an­zei­ge in Be­tracht zie­hen dürfen, wie es der Kläger be­haup­tet.

3. Da­hin­ste­hen kann, ob die Be­klag­te dem Kläger im Sin­ne ei­ner kom­pen­sa­to­ri­schen Ge­gen­leis­tung ent­ge­gen­kom­men ist, in­dem sie in den Auf­he­bungs­ver­trag

 

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ein run­des Be­en­di­gungs­da­tum so­wie die Er­tei­lung ei­nes Zeug­nis­ses, wel­ches die streit­ge­genständ­li­chen Vorwürfe nicht er­ken­nen lässt, auf­nahm. Ei­ne In­halts­kon­trol­le nach §§ 305 ff. BGB fin­det hier, an­ders als im Rah­men von Aus­gleichs­quit­tun­gen oder Kla­ge­ver­zichts­erklärun­gen, nicht statt. Die Auf­he­bung als sol­che — um die es vor­lie­gend al­lein geht — ist gern. § 307 Abs. 3 BGB kon­troll­frei (BAG 27.11.2003 NZA 2004, 597, 603 f.; 03.06.2004 — 2 AZR 427/03; 21.06.2011 NZA 2011, 1338, 1341; ErfK/Preis, 15. Aufl. 2015, §§ 305-310 BGB Rn. 38; KR/Spil­ger, Auf­he­bungsV Rn. 34; DLW/Hoß, Hand­buch des Fach­an­walts Ar­beits­recht, 12. Aufl. 2015, Kap. 6 Rn. 312 ff.).

4. Da­her war die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

B.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 91 ZPO.

C.

Der Streit­wert wur­de in An­leh­nung an § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG mit drei Brut­to­mo­nats­gehältern ver­an­schlagt.

D.

Die Be­ru­fung war vor­lie­gend nicht ge­son­dert zu­zu­las­sen, da es hierfür an den Vor­aus­set­zun­gen des § 64 Abs. 3 ArbGG fehlt.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von dem Kläger

 

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Be­ru­fung

ein­ge­legt wer­den.

Für die Be­klag­te ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Wird das Ur­teil nicht in dem Um­fang an­ge­foch­ten, in dem die Par­tei­en un­ter­le­gen sind, ist die Be­ru­fung nur zulässig,

a) wenn sie in dem Ur­teil des Ar­beits­ge­richts zu­ge­las­sen wor­den ist oder
b) wenn der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des 600,00 EUR über­steigt oder
c) in Rechts­strei­tig­kei­ten über das Be­ste­hen, das Nicht­be­ste­hen oder die Kündi­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses.

Die Be­ru­fung muss

in­ner­halb ei­ner Frist von ei­nem Mo­nat

schrift­lich beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Post­fach 30 30, 55020 Mainz, Ernst-Lud­wig-Platz 1, 55116 Mainz, ein­ge­legt wer­den.

Sie ist

in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

schrift­lich zu be­gründen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung die­ses Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach des­sen Verkündung.

Die Be­ru­fungs­schrift und die Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein. Sie können auch in Ver­fah­ren für de­ren Mit­glie­der von ei­nem Or­gan oder ei­nem mit der Pro­zess­ver­tre­tung be­auf­trag­ten Ver­tre­ter ei­ner Ge­werk­schaft, ei­ner Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung, ei­nes Zu­sam­men­schlus­ses oder ei­ner Rechts­schutz­or­ga­ni­sa­ti­on sol­cher Verbände nach nähe­rer Maßga­be des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 Ar-bGG un­ter­zeich­net wer­den. Rechts­anwälte oder ei­ne der vor­her be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen können sich selbst ver­tre­ten.

E

Hin­weis:Von der Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift wer­den zwei zusätz­li­che Ab­schrif­ten zur Un­ter­rich­tung der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter er­be­ten.

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