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LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.04.2015, 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14
Schlagworte: | Tarifvertrag | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 17.04.2015 | |
Leitsätze: | 1) Die Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15.05.2008 (Bundesanzeiger Nr. 104 vom 15.07.2008) und vom 25.06.2010 (Bundesanzeiger Nr. 97 vom 02.07.2010) der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe sind wirksam. 2) Entscheidend für die im Rahmen des Verfahrens nach §§ 4 ff. DVO-TVG mittelbaren Zahlen für das 50 % - Quorum des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG .a.F. sind die zutreffend vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zugrunde gelegten Zahlen der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes bzw. der von den Tarifparteien auf Arbeitgeberseite abgefragten Zahlen der Mitgliedsunternehmen. 3) Für die Allgemeinverbindlicherklärungen bestand auch ein öffentliches Interesse i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG a.F. |
|
Vorinstanzen: | ||
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Verkündet am
17. April 2015
G….
Gerichtsbeschäftigte
als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Beschluss
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 2. Kammer, auf die mündliche Anhörung vom 17. April 2015 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. F. als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter G. und die ehrenamtliche Richterin W. beschlossen:
I. Unter Zurückweisung der Anträge der Beteiligten zu 1) bis 3) und 9) bis 24) wird festgestellt, dass die vom Beteiligten zu 4) bekannt gemachten Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15.05.2008 (Bundesanzeiger Nr. 104 vom 15.07.2008) und 25.06.2010 (Bundesanzeiger Nr. 97 vom 02.07.2010) der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren vom 20.12.1999 in den Fassungen vom 20.08.2007 und 05.12.2007 einerseits und vom 18.12.2009 andererseits wirksam sind.
II. Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligten zu 1) bis 3) und 9) bis 24) zugelassen.
Dr. F. G. W.
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Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG a.F. Konkret werden von mehreren beteiligten Antragstellern die Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15.05.2008 (Bundesanzeiger Nr. 104 vom 15.07.2008) und vom 25.06.2010 (Bundesanzeiger Nr. 97 vom 02.07.2010) der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20.12.1999 in den Fassungen vom 20.08.2007 und 05.12.2007 einerseits und vom 18.12.2009 andererseits in einem Verfahren nach § 98 ArbGG n.F. als unwirksam angesehen.
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 TVG a.F. konnte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) keinen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich erklären, wenn „1. die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 v. H. der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen und 2. die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint.“
Gemäß § 11 TVG a.F. und n.F. konnte und kann das BMAS unter Mitwirkung der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen Verordnungen erlassen, insbesondere über „…2. das Verfahren bei der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen und der Aufhebung von Tarifordnungen und Anordnungen, die öffentlichen Bekanntmachungen bei der Antragstellung, der Erklärung und Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit und der Aufhebung von Tarifordnungen und Anordnungen sowie die hierdurch entstehenden Kosten; 3. den in § 5 genannten Ausschuss.“
Nach der Verordnung zur Durchführung des Tarifvertragsgesetzes (DVO-TVG) wird ein Tarifausschuss gemäß §§ 1 – 3 DVO-TVG errichtet, gemäß §§ 4 ff DVO-TVG wird das Verfahren über die Allgemeinverbindlicherklärung und die Aufhebung der Allgemeinverbindlicherklärung geregelt.
Auf Antrag der Industriegewerkschaft Bauen – Agrar-Umwelt (IG BAU) als einer Tarifvertragspartei des Baugewerbes zugleich im Namen und in Vollmacht der beiden anderen Tarifvertragsparteien, des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V. und des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes e.V., vom 11.12.2007 (Akte des Bundesarbeitsministeriums zum Az. III a 3 – 31241-U-14b/62, im Folgenden: 14b/62) und auf Antrag der IG BAU zugleich auch im Namen und in Vollmacht der beiden anderen o. g. Tarifvertragsparteien vom 18.12.2009 (Az. III a 3 - 31241-U-14b/64, im Folgenden: 14b/64) führte das BMAS unter Festsetzung und Verhandlung der Termine der öffentlichen Ausschusssitzung die Verfahren nach der DVO-TVG für beide Anträge auf
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Allgemeinverbindlicherklärung unter anderem der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV-Bau) durch und kam nach dem Vermerk vom 29.02.2008 (Bl. 115 ff. d. A. 14b/62 ) zur Auffassung, dass sowohl nach den Zahlen des statistischen Bundesamtes, Fachserie 4, Reihe 5.1 „Beschäftigte und Umsatz der Betriebe im Baugewerbe“ 2007 als auch nach den Zahlen aufgrund der Angaben der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK) selbst bei „ungünstigsten Annahmen“ die „50 %-Relation“ des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG a.F. erfüllt sei. Auf Bl. 116 heißt es: „Die Anzahl der von der ZVK gemeldeten Betriebe liegt über dem Wert der Statistik. Der Unterschied folgt daraus, dass die ZVK die Betriebe streng auf der Grundlage des Geltungsbereichs der Bau-Tarifverträge erfasst. Die ZVK-Zahl ist daher aller Voraussicht nach die genauere“. Auch das öffentliche Interesse für die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV Bau sei gegeben. Gegen eine Allgemeinverbindlicherklärung ab 01.01.2008 für den VTV-Bau i.d.F. vom 20.08.2007 und 05.12.2007 bestünden gemäß § 7 Satz 3 DVO-TVG keine Bedenken. Das BMAS machte die Allgemeinverbindlicherklärungen im Bundesanzeiger (BAnz Nr. 104) vom 15.07.2008 bekannt (Bl. 280 ff. in der Akte 14b/62).
Auch im Verfahren zum Az. 14b/64 auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV Bau) vom 18.12.2009 kam das BMAS zur 50 %-Relation des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG. Allerdings war diese Voraussetzung nach den Zahlen der Statistiken des Statistischen Bundesamtes nicht erfüllt. Nach der Wertung heißt es dort:
„IV. Wertung
Die Statistik der Statistischen Bundesamtes weist alle in Bau-Betrieben tätigen Personen aus, u.a. auch Inhaber, Mitinhaber, selbstständige Handwerker, Familienangehörige und geringfügig Beschäftigte. Vom Geltungsbereich der Bau-Tarifverträge werden jedoch im Wesentlichen gewerbliche Arbeitnehmer, sozialversicherungspflichtige Angestellte und Auszubildende erfasst.
Die Statistik der Statistischen Bundesamtes enthält daher einen bedeutend größeren Personenkreis, als er tatsächlich von den Tarifverträgen des Baugewerbes erfasst wird.
Zu berücksichtigen ist, dass von der Statistik des StaBu im Bereich der Bauinstallation und des sonstigen Baugewerbes nur Betriebe mit mindestens 10 tätigen Personen erfasst werden.
Im Gegensatz zur ZVK werden erfolgt die Zuordnung der Betriebe in der Statistik des StaBu nicht nach dem arbeitszeitlichen Überwiegensprinzip, sondern nach dem wirtschaftlichen Schwerpunkt der Betriebe.
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Die ZVK ist aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifverträge für das Baugewerbe verpflichtet, alle Betriebe dieses Bereichs mit ihren Beschäftigten zu erfassen. Es besteht daher ein besonderes Eigeninteresse der ZVK, die Betriebe möglichst vollständig und umfassend zu erfassen. Zudem ist jeder Arbeitgeber vor der Aufnahme baugewerblicher Tätigkeiten verpflichtet, sich bei der für ihn zuständigen Kasse zu melden (vgl. z.B. § 5 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren i.d.F. vom 18. Dezember 2009).
Die Angaben der ZVK werden auch durch die aktuell vorliegende Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) gestützt. Danach ergibt sich im gesamten Baugewerbe eine Tarifbindung in Westdeutschland von 75 %, in Ostdeutschland von 48 % (vgl. Tabelle 1 der Anlage 2). Die Ergebnisse liegen nur für das gesamte Baugewerbe vor. Da keine Hinweise vorliegen, dass die Tarifbindung im Bauhauptgewerbe (und damit in den zur Allgemeinverbindlicherklärung beantragten Geltungsbereich der Tarifverträge) von der Tarifbindung im Baunebengewerbe abweicht und das Bauhauptgewerbe zudem einen wesentlichen Anteil des gesamten Baugewerbes ausmacht, kann davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse des WSI auch repräsentativ für die Tarifbindung im Bauhauptgewerbe sind.
Die Angaben der ZVK sind daher in der Gesamtbetrachtung und aufgrund ihrer besonderen Sachnähe zum Nachweis der sog 50 %-Klausel geeignet.
Mit einer Tarifbindung von 63,99 % ist die Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG erfüllt.“
(siehe Bl. 120 R bis 121 d. A. 14b/64).
Im Vermerk vom 02.02.2010 wurde auch das öffentliche Interesse im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG bejaht. Der Tarifausschuss befürwortete in seiner Sitzung vom 10.02.2010 die Allgemeinverbindlichkeit (vgl. Bl. 138 ff. d. A. 14b/64). Das BMAS machte die Allgemeinverbindlicherklärung im Bundesanzeiger Nr. 97 vom 02.07.2010, S. 2278 bekannt (Bl. 229 d. A. 14b/64).
In der Folgezeit klagte die ZVK bzw. die Urlaubskasse des Baugewerbes (ULAK) unter Bezugnahme auf die Allgemeinverbindlicherklärungen von 2008 und 2010 gegen unterschiedliche Bauunternehmen. Insbesondere für gewerbliche Arbeitnehmer sind gemäß § 18 VTV Bau sowohl in der älteren als auch in der jüngeren Fassung zur Aufbringung von Mitteln für die tariflich festgelegten Leistungen Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren als Sozialkassenbeitrag bestimmte
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prozentuale Beträge von 16,6 % bis 25,8 % der Bruttolohnsumme an die tariflich bestimmte Einzugsstelle (ZVK bzw. ULAK) durch die Unternehmen zu zahlen.
In einem derartigen Beitragseinzugsverfahren prüfte die 18. Kammer des LAG Hessen zum Az. 18 Sa 619/13 die mögliche Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV Bau vom 25.06.2010 bzw. 15.05.2008. Die Kammer zog die o. g. Akten des BMAS über die Prüfung der Allgemeinverbindlicherklärungen bei und holte hinsichtlich der 50 %-Relation Auskünfte zu der Zahl der Arbeitnehmer in den tarifgebundenen Betrieben (sog. Kleine Zahl) sowie der unter den Geltungsbereich des VTV Bau fallenden Arbeitnehmer gesamt (sog. Große Zahl) von der ZVK und den Tarifvertragsparteien ein. Das Gericht prüfte die Zahlen anhand der im Internet zugänglichen Zahlen des Statistischen Bundesamtes, der Agentur für Arbeit und der Berufsgenossenschaft Bau und kam nach eigener Berechnung dazu, dass die Zahlen der ZVK zur sog. „Großen Zahl“ bezogen auf die jeweiligen Stichtage im September 2007 und 2009 belastbar, insbesondere nicht zu niedrig angesetzt waren. Auch die in den Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärungen 2008 und 2010 herangezogenen sog. „Kleinen Zahl“ der Arbeitnehmer in den tarifgebundenen Betrieben erschien der 18. Kammer des LAG Hessen belastbar, so dass im Ergebnis die 50 %-Relation des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG a.F. bejaht wurde. Auch das öffentliche Interesse im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG a.F. sei gegeben.
Mit Schlussurteil vom 02.07.2014 wies daher die 18. Kammer des LAG Hessen die Berufung eines Unternehmens, welches auch Antragstellerin im hiesigen Verfahren zu 3) ist, gegen ein klageabweisendes Urteil der ersten Instanz auf Beitragszahlung an die ULAK zurück und ließ die Revision gegen dieses Urteil zu (vgl. das Urteil in den beigezogenen Akten des LAG Hessen Bl. 439 ff.). Gegen dieses Urteil legte die beklagte Arbeitgeberin, die Beteiligte zu 3) im hiesigen Verfahren, Revision ein. Diese wird zum Az. 10 AZR 600/14 beim Bundesarbeitsgericht geführt.
Unterdessen begehrten u.a. zwei weitere Antragsteller im hiesigen Verfahren (Beteiligte zu 20) und 21) vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BMAS, im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 43 VGGO u.a. festzustellen, dass die Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE) von 2008 und 2010 unwirksam seien.
Mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 11.08.2014 (Bundesgesetzblatt I, S. 1348) änderte der Gesetzgeber § 5 TVG. Die 50 %-Relation in § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 TVG entfiel. Gemäß § 5 Abs. 1 a TVG kann nunmehr das BMAS einen Tarifvertrag über eine gemeinsame Einrichtung zur Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss auf gemeinsamen Antrag der Vertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn der Tarifvertrag die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch eine gemeinsame Einrichtung mit folgenden Gegenständen regelt:
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1. den Erholungsurlaub, ein Urlaubsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld,
2. eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes,
3. die Vergütung der Auszubildenden oder die Ausbildung in überbetrieblichen Bildungsstätten…
Gleichzeitig ist durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz § 98 ArbGG geändert worden. Ab 16.08.2014 prüft nunmehr gemäß § 98 ArbGG auf Antrag das Landesarbeitsgericht, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat, die den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat, im Beschlussverfahren nach § 2 a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG, ob die Allgemeinverbindlicherklärung wirksam oder unwirksam ist. Der rechtskräftige Beschluss wirkt für und gegen jedermann. Eine Übergangsvorschrift für alte Verfahren nach § 5 TVG a.F. ist im Tarifautonomiestärkungsgesetz nicht enthalten.
Mit Antrag vom 03.09.2014 hat der Beteiligte zu 1), mit Antrag vom 04.09.2014 die Beteiligte zu 2) und mit Antrag vom 11.09.2014 die Beteiligte zu 3) verlangt, festzustellen, dass die angegebenen Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15.05.2008 und 25.06.2010 unwirksam seien. Alle Beteiligten werden von der ZVK bzw. ULAK auf Beitragszahlung aufgrund des allgemeinverbindlichen VTV Bau in Anspruch genommen, hinsichtlich der Beteiligten zu 1) und 2) ist mittlerweile der Beitragsprozess gemäß § 98 Abs. 6 ArbGG rechtskräftig ausgesetzt worden (Verfahren des LAG Hessen zum Az. 10 Sa 505/13 und 10 Sa 675/13).
Mit Antrag vom 22.09.2014 haben die Beteiligten zu 9) und 10) beantragt festzustellen, dass die Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15.05.2008 und 25.06.2010 unwirksam seien, mit Anträgen vom 24.09.2014 der Beteiligte zu 11), dass die AVE vom 15.05.2008 und 25.06.2010 unwirksam seien, mit Anträgen vom 24.09.2014 der Beteiligte zu 12), dass u.a. die AVE vom 15.05.2008 und 25.06.2010 unwirksam seien, mit Antrag vom 08.10.2014 der Beteiligte zu 13) festzustellen, dass u.a. die AVE vom 15.05.2008 und vom 25.06.2010 unwirksam seien und schließlich mit Antrag vom 22.09.2014 der Beteiligte zu 14) mit gleichen Anträgen.
Die Beteiligten zu 9) bis 14) sind ebenfalls Unternehmen, die von der ZVK bzw. der ULAK auf Zahlung von Beiträgen nach dem VTV Bau für den streitgegenständlichen Zeitraum in Anspruch genommen werden. Die Beteiligte zu 10) ist mittlerweile insolvent. Im Insolvenzverfahren zum Az. 11 In 1343/14 ist Rechtsanwalt Dr. D. H. zum Insolvenzverwalter bestellt worden (vgl. Beschluss vom 26.01.2015 Bl. 1026 d. A.).
Mit Antrag vom 29.09.2014 hat die Beteiligte zu 15) u.a. die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE von 2008 und 2010 beantragt. Die Beteiligte zu 15) ist eine Beratungsgesellschaft für das Bauwesen und hat sich nach ihrem Vortrag von 18 Bauunternehmen Ansprüche auf Rückzahlung von nach § 18 VTV Bau gezahlten Beiträgen abtreten lassen.
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Mit Antrag vom 13.10.2014 hat die Beteiligte zu 16) die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE 2008 und 2010 begehrt. Sie behauptet, dass sie von den Sozialpartnern des Baugewerbes mit Schreiben vom 19.09.2010 die Erklärung begehrt hatte, dass sie nicht sozialkassenpflichtig sei. Diese Erklärung hätten die Sozialkassen („SOKA“) nicht abgegeben, daher sei sie aktivlegitimiert. Mit gleichem Vortrag begehrt die Antragstellerin zu 17) die Feststellung der Unwirksamkeit u.a. der AVE 2008 und 2010.
Mit Anträgen vom 11.11.2014 und 28.11.2014 hat die Beteiligte zu 18) u.a. die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE vom 25.06.2010 begehrt und behauptet, dass die von der ULAK auf Zahlung von Beiträgen auch für den streitgegenständlichen Zeitraum in Anspruch genommen werde und die 50 % -Relation des § 5 Abs. 1 Satz Ziff 1 TVG a.F. nicht zutreffend sei.
Mit Anträgen vom 13.11.2014 hat die Beteiligte zu 19) u. a. die Feststellung begehrt, dass die AVE von 2008 und 2010 unwirksam seien. Sie werde von ULAK bzw. ZVK für die Beitragszahlungen in Anspruch genommen, die Zahlenermittlung des BMAS sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, so dass sich für die betroffenen Zeiträume der angegebenen AVEs die Unwirksamkeit wegen der falschen 50 %-Relation ergebe. Auch bestehe kein öffentliches Interesse.
Mit Antrag vom 22.10.2014 haben die Beteiligten zu 22) und 23) u.a. die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE 2008 begehrt und betont, dass von der ULAK u.a. für die Zeit von Januar bis Dezember 2009 auf Zahlung von Beiträgen in Anspruch genommen würden und die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 TVG a.F. nicht vorlägen.
Der Beteiligte zu 20) ist der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH). Er begehrt mit seinem Antrag vom 26.02.2015 die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE 2008 und 2010 und macht umfangreiche Ausführungen zur Ermittlung der 50 %-Relation, der Grundrechtecharta der EU und der Unwirksamkeit der AVE wegen fehlender Tarifzuständigkeit und Tariffähigkeit. Er hat Teile der Akte des Verwaltungsverfahrens VG Berlin zum Az. VG 4 A 83.07 und VG 4 253.12 zu den Akten gereicht, in dem auch eine Beweisaufnahme über die 50 %-Relation stattgefunden hat (vgl. die Anlagen ZVEH 6 und 7, Bl. 1162, 1174 d. A.). Das Verfahren vor dem VG Berlin unter Beteiligung der Beteiligten zu 20) und 21) ist erledigt. Er behauptet, in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG betroffen zu sein, da ein Betrieb Mitglied seines Verbandes sein könne, gleichzeitig für ihn aber die Tarifverträge des Baugewerbes, also auch der VTV Bau in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum geltend würde.
Die Beteiligte zu 21) ist Mitglied des Beteiligten zu 20) und macht mit ihrem Antrag vom 26.02.2015 die Unwirksamkeit der AVE 2008 und 2010 geltend, weil sie für den streitgegenständlichen Zeitraum auf Beitragszahlungen in Anspruch genommen werde.
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Die Beteiligte zu 24) wird von der ULAK bzw. der ZVK vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden auf Beitragszahlungen in Anspruch genommen, wobei der vorliegend streitige Zeitraum mitenthalten ist. Auch sie begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE 2008 und 2010 und meint, dass die 50 %- Relation nicht zutreffend ermittelt worden sei.
Die erkennende Kammer hat als weitere Beteiligte das BMAS (Beteiligte zu 4) gemäß § 98 Abs. 3 Satz 3 ArbGG n.F. sowie die Tarifvertragsparteien des VTV Bau (Beteiligte zu 6] – 8] ) sowie die ULAK (Beteiligter zu 5)) gemäß § 98 Abs. 6 Satz 2 ArbGG n.F. beteiligt.
Die Beteiligten, die die Unwirksamkeit der AVE von 2008 und 2010 festgestellt haben wollen, bemängeln u.a. bereits das Verfahren vor den Allgemeinverbindlicherklärungen und halten diese teilweise deshalb für unwirksam, weil entgegen § 24 Abs. 2 VwVfG ein Abwägungsausfall stattgefunden habe, den die Gerichte nicht nachträglich durch eigene Ermittlungen insbesondere zur 50 %-Relation nachbessern dürften. Auch wenn man nicht dieser Auffassung sei, müsse das Gericht aber von sich aus alle greifbaren Erkenntnisquellen ausschöpfen und damit das verwertbare statistische Material des Statistischen Bundesamtes, der Statistischen Landesämter, der Bundesanstalt für Arbeit, der Berufsgenossenschaften, der Krankenkassen, des Handwerks, der Industrie- und Handelskammern, der Innungen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Ferner existierten Gutachten, die insbesondere hinsichtlich der sog. „Großen Zahl“ (also der Arbeitnehmer, die gemäß § 5 Abs. 1 Ziff. 1 TVG unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fielen) auf ein Vielfaches der von dem Beteiligten zu 4) angenommenen „Großen Zahl“ kämen. Damit wäre die 50 %-Relation selbst bei Annahme der von dem Beteiligten zu 4) ermittelten sog. „Kleinen Zahl“ von tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmern bei weitem nicht erreicht.
Selbst wenn das Gericht dem nicht folgte, müsste es selbst ein Sachverständigengutachten zur 50 %-Relation in Auftrag geben. Jedenfalls dürfe es sich nicht auf Ermittlungen beziehen, die das LAG Hessen im Verfahrenen 18 Sa 619/13 bzw. 10 AZR 600/14 vor dem BAG zu den hier streitigen AVE von 2008 und 2010 durchgeführt habe.
Der zugrunde liegende VTV Bau habe nicht für allgemeinverbindlich erklärt werden dürfen, da die Tarifvertragsparteien (die Beteiligten zu 6] bis 8]) teilweise weder tariffähig noch tarifzuständig seien. Sei ein Tarifvertrag deshalb unwirksam, durfte dieser nicht für allgemeinverbindlich erklärt werden. Auch dies habe das Gericht im Verfahren nach § 98 ArbGG zu prüfen.
Die AVE von 2008 und 2009 erschienen auch im öffentlichen Interesse nicht geboten gemäß § 5 Abs. 1 Satz Ziff. 2 TVG, da die AVEs gegen die Grundrechtecharta verstießen, insbesondere gegen Art. 16 EU-Grundrechte-Charta, wonach die unternehmerische Freiheit geschützt werde. Insbesondere in Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 18.07.2013 – C 426/11 – Alemo-
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Herron - ) würde das Grundrecht eines Unternehmens verletzt, wenn es an eine tarifliche Regelung gebunden werde, auf deren Verhandlung es keinen Einfluss ausüben konnte. Die AVE verstoße gegen Art. 11 der EMRK. Im Übrigen bestünde generell kein öffentliches Interesse an der Allgemeinverbindlichkeit der Sozialkassentarifverträge. Eine Fluktuation im Baugewerbe sei nicht höher als etwa in der Landwirtschaft oder im Hotel- und Gaststättengewerbe, in denen es keine derartigen Kassen und damit Abführungspflichten der Unternehmen gebe.
Die Beteiligten zu 1) bis 3), 9), 11) – 24) beantragen,
festzustellen, dass die vom Beteiligten zu 4) bekannt gemachten Allgemeinverbindlicherklärungen vom 15.05.2008 (Bundesanzeiger Nr. 104 vom 15.07.2008) und 25.06.2010 (Bundesanzeiger Nr. 97 vom 02.07.2010) der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren vom 20.12.1999 in den Fassungen vom 20.08.2007 und 05.12.2007 einerseits und vom 18.12.2009 andererseits unwirksam sind.
Die Beteiligte zu 5) beantragt,
festzustellen, dass die nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärungen des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 15.05.2008 und vom 25.06.2010 wirksam sind.
Der Insolvenzverwalter der insolventen ehemaligen Antragstellerin zu 10) ist trotz Ladung nicht erschienen und hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten zu 4), 6), 7) und 8) beantragen,
die Anträge auf Erklärung der Unwirksamkeit der AVE-Erklärungen 2008 und 2010 zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 4) bis 8) verteidigen die AVE von 2008 und 2010. Das erforderliche Verfahren nach § 11 TVG i.V.m. DVO-TVG sei für beide Allgemeinverbindlicherklärungen ordnungsgemäß durchgeführt worden. Nach den danach ermittelten Zahlen sei das 50 %-Quorum erfüllt. Das öffentliche Interesse sei gegeben. Die von den übrigen Beteiligten angeführten Zahlen aufgrund von Statistiken anderer Organisationen wie der Berufsgenossenschaften, der Krankenkassen, des Handwerks etc. sei nicht übertragbar oder umrechenbar auf die hier maßgebenden Zahlen für den Geltungsbereich des Tarifvertrages. Dies sei beispielsweise in einem Beweisverfahren vor dem LAG Hessen zum Az. 12 Sa 1002/12 selbst von der Bundesagentur für Arbeit ausgeführt worden (vgl. dazu die Kopie aus dem Verfahren Bl. 1078 f.d. A.).
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Wenn man aber schon eine Überprüfung der Zahlen des Beteiligten zu 4) vornehme, dann wäre dem LAG Hessen im angesprochenen Verfahren 18 Sa 619/13 zu folgen, auch wenn die dortigen Zahlen teilweise unrichtig zu Lasten der Beteiligten zu 5) ausfielen.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 27.02.2015 (Bl. 1095 – 1100 d. A.) sowie 17.04.2015 (Bl. 1385 – 1386 d. A.) verwiesen.
Das Gericht hat sowohl die Verwaltungsakten des Beteiligten zu 4) beigezogen als auch die Akten des LAG Hessen bzw. des BAG zum dem Az. 18 Sa 619/13 und 10 AZR 600/14.
II.
Die Anträge der Beteiligten zu 1) bis 3) und 9) bis 24) sind zum größten Teil zulässig, aber nicht begründet und daher zurückzuweisen. Der Antrag der Beteiligten zu 5) ist zulässig und begründet. Es war gemäß § 98 Abs. 4 Abs. 3 ArbGG festzustellen, dass die Allgemeinverbindlicherklärungen 2008 und 2010 wirksam sind.
1. Das LAG Berlin-Brandenburg ist für das hiesige erstinstanzliche Verfahren örtlich und sachlich zuständig gemäß § 98 Abs 2 ArbGG n.F. Beide Allgemeinverbindlicherklärungen sind durch die Beteiligten zu 4) erklärt worden. Diese hat ihren ersten Sitz in Berlin (vgl. zutreffend GK-ArbGG-Ahrendt; § 98 Rdz.19; Forst, RdA 2015, 25, 34 Fn. 84; Maul-Sartori, NZA 2014, 1305, 1308 in Fn. 36).
2. Die 2. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg ist nach dem Beschluss des Präsidiums des LAG Berlin-Brandenburg vom 10.09.2014 (PB 14/14) sowohl für die AVE 2008 und 2010 zuständig. Beide Anträge wurden in einem Verfahren angegriffen (zunächst durch die Beteiligte zu 1] ) und nicht getrennt.
3. Dem Landesarbeitsgericht ist auch die erstinstanzliche Wirksamkeitsprüfung der AVE 2008 und 2010 auf Grundlage des § 5 TVG a.F. vom Gesetzgeber gemäß § 98 ArbGG n.F. zugeschrieben worden, obwohl zum Zeitpunkt der Wirksamkeitserklärung keine Zuständigkeit des LAG bestand, mit dem neuen § 98 ArbGG zeitgleich mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 11.08.2014 auch § 5 TVG geändert wurde und nunmehr eine 50 %-Relation nicht mehr tatbestandliche Voraussetzung des § 5 TVG n.F. ist und der Gesetzgeber eine Übergangsvorschrift nicht vorgesehen hat.
Zwar könnte man daraus folgern, dass die Landesarbeitsgerichte ab dem 16.08.2014 in neuen Verfahren nach § 98 ArbGG erstinstanzlich nur für die Überprüfung der AVE nach neuem Recht, also auf der Grundlage des § 5 TVG n.F. zuständig sind. Dagegen sprechen
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zunächst auch nicht die Entscheidungen des BAG vom 07.01.2015 – 10 AZB 109/14 – ( NZA 2015, 237 ) und 10.09.2014 – 10 AZR 939/13 - ( NZA 2014, 1282 ), wonach der neue § 98 Abs. 6 ArbGG eine Anwendung dieser Vorschrift nach der Gesetzesbegründung auch auf anhängige Verfahren verlangt. Denn diese Entscheidungen betreffen nur anhängige Verfahren auf der Grundlage des § 5 TVG a.F., vorliegend geht es jedoch um ein neues Verfahren nach § 98 ArbGG, für welches zeitgleich durch dasselbe Artikelgesetz (Tarifautonomiestärkungsgesetz) der maßgebliche § 5 TVG ebenfalls geändert wurde.
Dennoch ist auch hier die Gesetzesbegründung und der Sinn und Zweck der Norm im Gesamtzusammenhang der Regelung zu beachten. Denn nach der Gesetzesbegründung sollte sich die Neuregelung des § 98 Abs. 6 ArbGG aufgrund der allgemeinen Grundsätze des Prozessrechts auch auf bereits anhängige Verfahren erstrecken und lediglich § 17 GVG unberührt bleiben (BT-Drucks. 18/1558, S. 46). Dadurch sollte sichergestellt werden, dass fortan nur noch die aufgrund ihrer Befassung mit Fragen des Arbeits- und Tarifrechts besonders sachnahen Gerichte für Arbeitssachen über die Wirksamkeit der AVE eines Tarifvertrages oder einer Rechtsverordnung in einem Beschlussverfahren mit inter-omnes-Wirkung zu entscheiden hätten (BT-Drucks. 18/1558, S. 44). Die effektive Durchsetzung dieses gesetzgeberischen Ziels wird nur erreicht, wenn auch bereits anhängige Verfahren von der Neuregelung erfasst werden (vgl. BAG 07.01.2015 a.a.O., Rdz. 12; BAG 10.09.2014 – 10 AZR 959/13 – NZA 2014, 1282, 1285). Wenn aber bereits anhängige Verfahren im Hinblick auf die Prüfung der Wirksamkeit der AVE gemäß § 98 Abs. 6 ArbGG ausgesetzt werden können, muss sich die Wirksamkeitsprüfung auch auf die AVE erstrecken, die nach altem Recht erklärt worden sind.
4. Dies gilt jedenfalls, soweit der Streitgegenstand nicht mit dem Gegenstand des Verfahrens nach § 98 ArbGG identisch ist (BAG Beschluss vom 20.08.2014 – 10 AZN 573/14 – BeckRS 2014, 72610 Rn. 2; BAG 10.09.2014 – 10 AZR 959/13 – a.a.O., 1285). Dies ist hier der Fall: Auch wenn die Beteiligten zu 20) und 21) im Verwaltungsverfahren vor dem VG Berlin zu den Aktenzeichen VG 4 A 83.07 und VG 4 253.12 auch die Wirksamkeit der AVE 2008 und 2010 in Frage gestellt haben, handelte es sich bei diesen Verfahren um eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. BVerwG 28.01.2010 – 8 C 38/09 – zitiert nach juris; BVerwG 18.09.2014 – 8 W 35.14, zitiert nach juris), die in ihrer Entscheidung nicht inter-omnes, sondern nur inter-partes gilt (BVerwG 18.09.2014, a. a. O., Rn. 7).
5. Das LAG prüft die Wirksamkeit der aufgrund der alten Fassung des § 5 TVG ergangenen AVE 2008 und 2010, obwohl die Beteiligten nicht analog § 47 Abs. 2 VwGO binnen Jahresfrist gegen die Wirksamkeit der AVE den Rechtsweg bestritten haben. Zwar hat der Gesetzgeber ausdrücklich in der Gesetzesbegründung § 47 Abs. 2 VwGO als
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Vorbild für den neuen § 98 ArbGG genannt (BT-Drucks. 18/1558, S. 45; vgl. auch Maul-Sartori, a. a. O., S. 1310, ErfK/Koch, 15. Aufl., § 98 Rz. 1), eine Regelung wie in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach „den Antrag jede natürliche oder juristische Person … innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen“ kann, fehlt dem neuen § 98 ArbGG, ohne dass dies - anders als bei der Frage der sachlichen Zuständigkeit für alte anhängige Verfahren - in der Gesetzesbegründung auch nur ansatzweise angesprochen bzw. problematisiert worden ist, so dass die erkennende Kammer an den Wortlaut des § 98 ArbGG gebunden ist.
6. Die Beteiligten zu 1 bis 3, 5, 9 bis 14, 18 bis 24 sind antragsberechtigt, die übrigen Beteiligten nicht.
a)
Die Beteiligten zu 2, 3 und 5 sind gemäß § 98 Abs. 6 Satz 2 ArbGG antragsbefugt, da insoweit rechtskräftige Aussetzungsbeschlüsse der Kammer 10 des LAG Hessen vorliegen (vgl. die Verfahren 10 Sa 505/13 und 10 Sa 675/13).
b)
Antragsbefugt sind aber auch die Beteiligten zu 1, 9 bis 14, 18 bis 19, 21 bis 24. Gemäß § 98 Abs. 1 ArbGG kann das Verfahren auf Antrag jeder natürlichen oder juristischen Person eingeleitet werden, die nach Bekanntmachung der AVE geltend macht, durch die AVE in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Fassung an die Antragsfassung des § 47 Abs. 2 VwGO angelehnt (vgl. ErfK/Koch, a. a. O., Rz. 1; BeckOK – ArbGG –Poeche, § 98 Rz. 3). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 47 Abs. 2 VWGO ist es ausreichend aber auch erforderlich, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzung etwa in einer Satzung in seinen subjektiven Rechten verletzt wird. Übertragen auf das Verfahren nach § 98 ArbGG bedeutet dies, dass es ausreicht, dass die Beteiligte zu 5 als Einzugsstelle für den VTV-Bau im Rahmen eines Verfahrens von einer juristischen oder natürlichen Person Beiträge nach § 18 VTV-Bau fordert. Dies ist bei den Antragstellern zu 1), 9) bis 14), 18) bis 19) und 21) bis 24) der Fall. Es kommt dabei entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 5) nicht darauf an, ob die Unternehmen in diesen Verfahren oder auch vorliegend argumentieren, dass sie nicht dem Geltungsbereich des Tarifvertrages aufgrund ihrer konkreten Tätigkeit unterfallen. Es wäre widersprüchlich und würde unter Verletzung von Artikel 19 Abs. 4 GG eine Beschränkung des Prozessrechts bedeuten, wenn die in Anspruch genommenen Unternehmen nur auf das Individualverfahren verwiesen wären, aber nicht selbst grundsätzlich nach § 98 Abs. 1 ArbGG klagen dürften, ob die AVE als Grundlage ihrer Inanspruchnahme wirksam oder unwirksam ist.
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c)
Der Beteiligte zu 20) ist ebenfalls antragsbefugt nach § 98 Abs. 1 ArbGG. Denn der zu 20) beteiligte Arbeitgeberverband kann eine Verletzung seiner durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten Rechtsposition geltend machen, wenn die AVE wie vorliegend seine Rechtsposition als Verband tangiert, der zumindest teilweise im Geltungsbereich der AVE jedenfalls nach der Behauptung des Beteiligten zu 5 (siehe auch oben zu II. 6 b d. Gr.) tätig wird.
d)
Die Antragsbefugnis fehlt dagegen der Beteiligten zu 15). Unabhängig davon, dass diese Beratungsgesellschaft nicht einmal die Abtretungserklärungen der Zedenten für (welche?) Streitzeiträume eingereicht hat, die von den hier streitigen AVE 2008 und 2010 umfasst sind, sind derartige Beratungsunternehmen vom Sinn und Zweck des § 98 Abs. 1 ArbGG nicht umfasst. Die Beteiligte zu 15) ist nicht (passiv) durch die AVE verletzt oder wird in ihren Rechten verletzt werden, sie hat sich selbst aktiv – jedenfalls nach ihrer Behauptung – diese Position geschaffen, um gegen die AVE vorgehen zu können.
e)
Ähnliches gilt für die Beteiligten zu 16) und 17), die nicht von dem Beteiligten zu 5) in Anspruch genommen werden, sondern aktiv von dem Beteiligten zu 5) fordern, dass er nicht gegen sie vorgehen wird.
7. Das Verfahren gegen die Beteiligte zu 10) bzw. gegen den Insolvenzverwalter über das Vermögen der Beteiligten zu 10) ist nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Beschlussverfahren betreffen die Insolvenzmasse, sofern in ihnen nicht vermögensrechtliche Ansprüche etwa gemäß § 40 BetrVG verlangt werden, nicht (unmittelbar) im Sinne von § 240 ZPO (BAG, Beschluss vom 03.04.2012 – 7 ABN 7/12 – zu I. d. Gr.; LAG Hamm, Beschluss vom 12.04.2013 – 13 TaBV 64/12 – zitiert nach juris, zu B I d. Gr., Rz. 48 mit weiteren Nachweisen). Der Insolvenzverwalter tritt daher in die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtsposition der Insolvenzschuldnerin ein.
8. a) Die AVE 2008 und 2010 sind formell wirksam gemäß § 11 TVG in Verbindung mit §§ 4 ff. der DVO-TVG vom 16.01.1989, BGBl. I, 76, zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 11.03.2014, BGBl. I, 263. Entgegen der Auffassung insbesondere der Beteiligten zu 20) und 21) ist nicht das VwVfG und insbesondere sind nicht die §§ 22 ff. VwVfG heranzuziehen. Es verbleibt auch für die neue Prüfung im Rahmen des § 98 ArbGG bei den durch die oben genannten Normen vorgegebenen und ausgestalteten Verfahren (zutreffend BAG, Beschluss vom 07.01.2015, a. a. O., Rz. 20, NZA 2015, 237, 239). Denn
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die AVE ist nach ständiger Rechtsprechung kein Verwaltungsakt oder eine Rechtsverordnung, sondern ein Rechtssetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der seine verfassungsrechtliche Grundlage in Artikel 9 Abs. 3 GG findet und durch die Normen des § 5 TVG bzw. der §§ 4 ff. DVO-TVG ausgestaltet wird (vgl. nur BVerwG 28.01.2010 – 8 C 38/09 -, zitiert nach juris; BVerfG 24.05.1977 – 2 BvL 11/74 – BverfGE 44, 322 ff.).
b)
Diese Verfahrensnormen sind eingehalten worden: Nach den von der erkennenden Kammer beigezogenen Verfahrensakten, die auch Bestandteile der von der Kammer beigezogenen Akten des LAG Hessen im Verfahren 18 Sa 619/13 sind und außerdem Bestandteile des Schriftsatzes der Beteiligten zu 19) sind, hat der Beteiligte zu 4) den Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit, der von IG Bau für beide AVE 2008 und 2010 auch im Namen und in Vollmacht der anderen Tarifvertragsparteien gestellt wurde, gemäß § 4 DVO-TVG im Bundesanzeiger bekannt gemacht (Bundesanzeiger Nr. 239 vom 20.12.2007, S. 8315 bzw. Bundesanzeiger Nr. 197 vom 30.12.2009, S. 4495) und gemäß § 6 DVO-TVG den Tarifausschuss zur Verhandlung eingeladen. Diese Verhandlung fand am 03.03.2008 (AVE 2008) bzw. 10.02.2010 (AVE 2010) unter dem Vorsitz von Herrn Ministerialrat W. bzw. von Frau Ministerialdirigentin L. (AVE 2010) des Beteiligten zu 4) statt (vgl. die Teilnehmerliste Bl. 136 d. A. 14 b/62 bzw. die Teilnehmerliste Bl. 139 ff. d. A. 14 b/64 über die Sitzung des Tarifausschusses). In diesem Rahmen wurden auch Bedenken gegen die Allgemeinverbindlicherklärung von Beteiligten erörtert (vgl. Bl. 155 d. A. 14 b/62 bzw. Bl. 139 ff. d. A. 14 b/64). Sodann wurde im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss die Allgemeinverbindlichkeit vom 15.05.2008 erklärt und der Zeitpunkt des Beginns festgesetzt, hier der 01.01.2008. Dieser Termin lag gemäß § 7 DVO-TVG nicht vor dem Tag der Bekanntmachung des Antrages (siehe oben). Ähnliches gilt für die AVE 2010: Der Beschluss des Tarifausschusses zur Begründung der Allgemeinverbindlicherklärung stammt vom 10.02.2010 (Bl. 138 d. A. 14 b/64), die Allgemeinverbindlicherklärung wurde am 25.06.2010 (Bl. 168 ff. d. A. 14 b/64) erklärt.
Die AVE 2010 ist auch nicht deswegen unwirksam, weil das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr mit Schreiben vom 19.01.2010 gebeten hatte, „im Zweifel auf die geplante Allgemeinverbindlicherklärung zu verzichten“. Zwar kann die oberste Arbeitsbehörde eines Landes Einspruch gegen die beantragte Allgemeinverbindlichkeit erheben gemäß § 5 Abs. 3 TVG. In diesem Fall kann das BMAS dem Antrag nur mit Zustimmung der Bundesregierung stattgeben. Um einen solchen „Einspruch“ im Sinne von § 5 Abs. 3 TVG handelt es sich jedoch nicht. Wie der Vermerk vom 02.02.2010 auf Seite 3 Bl. 136 d. A. 14 b/64 richtig ausführt, ist das Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr nur eine Anregung, jedoch kein
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Einspruch im Sinne von § 5 Abs. 3 TVG. Die Allgemeinverbindlicherklärungen erfolgten auch schriftlich. Sowohl im Verfahren für die AVE 2008 als auch für die AVE 2010 erfolgte die Unterschrift von Herrn Ministerialrat W. (Bl. 188 d. A. AVE 2008 bzw. Bl. 237 R. d. A. AVE 2010), im Bundesanzeiger heißt es dann jeweils „im Auftrag W.“.
9. Die AVE 2008 und 2010 sind aber auch materiell wirksam.
a)
Fraglich ist dabei allenfalls der Prüfungsmaßstab bzw. die Prüfungsintensität durch das Landesarbeitsgericht im neuen Verfahren nach § 98 ArbGG. Nach den Entscheidungen des BAG in den Aussetzungsverfahren nach § 98 Abs. 6 ArbGG gilt Folgendes:
aa)
Bereits nach bisheriger Rechtslage war die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags durch die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen, soweit es entscheidungserheblich auf diese ankam. § 98 ArbGG hat an dieser grundsätzlichen Prüfung nichts geändert. Mit Einführung dieser Norm ist lediglich ein Verfahren geschaffen worden, in dem in Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes im Beschlussverfahren mit inter-omnes-Wirkung die Wirksamkeit einer AVE oder entsprechenden Rechtsverordnung einer abschließenden gerichtlichen Überprüfung unterzogen wird. Führt die Prüfung im Ausgangsverfahren daher zu dem Ergebnis, dass ernsthafte Zweifel, d. h. solche von erheblichem Gewicht, an der Wirksamkeit einer AVE oder einer entsprechenden Rechtsverordnung bestehen, kann das Gericht diese Frage lediglich nicht mehr selbst abschließend entscheiden, sondern hat das Verfahren nach § 98 Abs. 6 ArbGG auszusetzen, wenn es auf diese Frage entscheidungserheblich ankommt. Eine Überprüfung von Amts wegen bedeutet aber nicht, dass die Gerichte verpflichtet sind, von sich aus das Vorliegen aller Voraussetzungen der AVE zu überprüfen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die obersten Arbeitsbehörden der Länder die AVE eines Tarifvertrages nur unter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen vornehmen. Hieran hat sich durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz nichts geändert. Der erste Anschein spricht deshalb auch weiterhin für die Rechtmäßigkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung. Es genügt daher nicht, wenn die Prozessparteien die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der AVE pauschal bestreiten. Erforderlich ist vielmehr entweder ein substanzieller Parteivortrag, der geeignet ist, ernsthafte Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 TVG aufkommen zu lassen, oder das Vorliegen entsprechender gerichtsbekannter Tatsachen. Nur dann kommt die Prüfung einer Aussetzung in Betracht. Besteht hingegen zwischen den Parteien über die Wirksamkeit der AVE kein Streit und sind auch von Amts wegen keine solchen Zweifel gerechtfertigt, besteht keine Veranlassung zu deren Überprüfung (vgl. nur
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BAG 07.01.2015 – 10 AZB 109/14 – NZA 2015, 237 Rz. 18 bis 19 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
bb)
Folgt man diesen Ausführungen auch für das vorliegende Verfahren nach § 98 Abs. 1 ArbGG, spricht auch im Amtsermittlungsverfahren zunächst der erste Anschein für die Rechtmäßigkeit der beiden Allgemeinverbindlicherklärungen von 2008 und 2010.
cc)
Im Gegensatz zum LAG Hessen in der Entscheidung vom 02.07.2014 zum Aktenzeichen 18 Sa 619/13 hat die erkennende Kammer auch keine ernsthaften Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 TVG. Wie das LAG Hessen auf Seite 15 unter II 1 a und b der Gründe zutreffend ausgeführt hat, setzt eine AVE nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG voraus, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 % der unter den räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigt. Zur Überprüfung des mittelbaren Organisationsgrades sind danach mindestens folgende Daten erforderlich:
• Die Zahl der Arbeitnehmer, für die der VTV nach § 1 räumlich, betrieblich und persönlich anwendbar ist („Große Zahl“)
und
• die Gesamtzahl derjenigen Arbeitnehmer, welche von tarifgebundenen Arbeitgebern („Kleine Zahl“) beschäftigt werden.
Nach Meinung des LAG Hessen sei die „große Zahl“ in beiden Verfahren durch die ZVK ermittelt und von den Antragstellern dem BMAS mitgeteilt worden. Die „Kleine Zahl“ habe auf Erhebungen beruht, welche die beiden Arbeitgeberverbände in ihren Mitgliedsverbänden veranlasst hätten. Das BMAS habe die „Kleine Zahl“ überprüft, indem es die Angaben der einzelnen Mitgliedsverbände anhand deren Antwortschreiben auf Übertragungs- und Additionsfehler kontrolliert habe. In Bezug auf die „Große Zahl“ habe das BMAS nicht festgestellt, ob die ZVK diesen Wert zutreffend ermittelt habe. Die Überprüfung habe sich darauf beschränkt, ob der von der ZVK angegebene Wert in Relation zu der von dieser mitgeteilten Zahl von Baubetrieben und der Zahl der Mitgliedsbetriebe von den beiden Arbeitgeberverbänden einen mittelbaren Organisationsgrad von mehr als 50 % bestätigt habe. Außerdem habe das BMAS die „Große Zahl“ nach Angaben der ZVK mit der Zahl der Beschäftigten nach den Daten des Statistischen Bundesamts verglichen, welches dieses jährlich für das Baugewerbe veröffentlicht. Dabei sei das BMAS bei dem Verfahren der AVE 2008 zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Quorum von 52,25 % nach der „Großen Zahl“ des Statistischen Bundesamtes erfüllt werde, obwohl dieser Wert (660.861 Arbeitnehmer) über dem Wert der
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ZVK gelegen habe (516.733 Arbeitnehmer). In dem Verfahren der AVE 2010 habe das BMAS auf der Grundlage der Arbeitnehmerzahl nach den Daten des Statistischen Bundesamts (678.324 Arbeitnehmer) nur ein Quorum von 48,54 % ermittelt und deshalb die von der ZVK mitgeteilten Zahl der Arbeitnehmer (514.526) herangezogen, was zu der Feststellung eines mittelbaren Organisationsgrads von 63,99 % geführt habe.
Dennoch hat die erkennende Kammer im Gegensatz zur 18. Kammer des LAG Hessen keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der „Großen Zahl“. Denn der Beteiligte zu 4) hat auch im Verfahren 14 b/62 zur AVE 2008 im Vermerk klargestellt, dass nicht etwa die Zahlen des Statistischen Bundesamtes die genaueren sind, sondern „voraussichtlich die der ZVK“. Dies läge daran, dass die ZVK die Betriebe streng auf der Grundlage des Geltungsbereichs der Bautarifverträge erfasse. Der Beteiligte zu 4 hat nicht etwa für die AVE 2008 die Zahlen des Statistischen Bundesamts als genauere angezogen und für die AVE 2010 die der ZVK, sondern hat für die AVE selbst bei „Zugrundelegung der jeweils ungünstigsten Werte“ (Bl. 117 d. A. 14 b/62) die 50 %-Relation berechnet.
Die Kammer folgt dem Beteiligten zu 4) darin, dass die Zahlen der ZVK die voraussichtlich genauesten sind aus folgenden Erwägungen:
§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG a. F. ist dann erfüllt, wenn … der „unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer …“ beschäftigt würden. Nur die ZVK bzw. die ULAK als tariflich vorgesehene Einzugsstelle hat nicht nur ein hohes Eigeninteresse daran, alle Betriebe möglichst genau und umfassend zu ermitteln, sie wertet auch alle geführten Verfahren in arbeitsgerichtlichen Prozessen danach aus, ob Betriebe unter den Geltungsbereich des VTV-Bau fallen oder nicht. Dies führt regelmäßig dazu, dass die Durchschnittszahlen für das entsprechende Jahr der unter den Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer („Große Zahl“) nach dem Geschäftsbericht der Sozialkassen stets geringer sind als die im September, einem Monat von hoher Beschäftigungszahl im Baubereich, von der ZVK ermittelten Zahlen (vgl. dazu die im Verfahren 18 Sa 619/13 ermittelten Geschäftsberichte für die Jahre 2006 bis 2009 Bl. 406 R – 425 d.A. 18 Sa 619/13 LAG Hessen). Würde man entgegen der Praxis des Bet. zu 4) die Jahresdurchschnittswerte der ZVK bzw. der ULAK verwenden, wäre die 50%-Relation bei weitem überschritten für beide AVE.
Alle anderen von den Beteiligten genannten Zahlen und Statistiken anderer Organisationen sind nicht auf den Geltungsbereich des VTV-Bau abgestimmt. Sie sind auch nach einer Beweisaufnahme sowohl im Verwaltungsgerichtsprozess des VG Berlin der Beteiligten zu 20) und 21) (vgl. die Anlagen ZVEH zum Schriftsatz der Beteiligten zu 20 und 21, Anlage 7)
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als auch im Verfahren 12 Sa 1002/12 des LAG Hessen (vgl. Bl. 1078 f. d. A.) nicht übertragbar. Danach führt die Bundesagentur für Arbeit aus:
„…
Die in der veröffentlichten Beschäftigten-Statistik vorgenommene Addition berücksichtigt dabei eben so wenig wie die vorgenommene Untergliederung die tarifrechtlichen Abgrenzungsaspekte der jeweiligen Geltungsbereiche der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge (wie z. B. Bauhauptgewerbe, Dachdecker, Landschaftsgärtner und Gerüstbauer).
In der Beschäftigten-Statistik der Bundesagentur wird daher die Anzahl der Beschäftigten durch die nichtdeckungsgleiche Zuordnung Wirtschaftsbereich – Tarifgeltungsbereich vermengt, so dass eine tarifspezifische, trennscharfe Abbildung, z. B. der Beschäftigtenzahlen im Geltungsbereich BRTV Bau nicht möglich ist. In welchem Umfang es ggf. eine gemeinsame Schnittmenge gibt oder welche konkreten Abweichungen vorliegen, kann die Bundesagentur nicht beurteilen.
…“
Dies entspricht der Stellungnahme des Statistischen Bundesamtes im Verfahren VG 4 A 83.07. Dort erklärt Herr Dr. H. H. für das Statistische Bundesamt auf die Frage 4
„…
Wenn die Fragen 2 oder 3 zu verneinen sind: Sind Sie in der Lage, die von Ihnen erhobenen Daten auf den betrieblichen und persönlichen Anwendungsbereich der Tarifverträge umzurechnen? Ermöglichen Ihre Daten es, die hier benötigte Zahl zu schätzen? Können Sie angeben, wie viele Arbeitnehmer zu den jeweils genannten Tagen (15. Mai 2008/25. Juni 2010 bzw. 1. Oktober 2007/1. Januar 2010) zwar unter den Geltungsbereich der Tarifverträge fielen, aber infolge der Einschränkungsklauseln der Allgemeinverbindlicherklärungen nicht von Ihnen erfasst wurden?“
Folgendes:
„Dem zuständigen Fachbereich liegen keine Angaben dazu vor, wie viele Arbeitnehmer nach bestimmten Tarifverträgen vergütet werden. Vielmehr wird nachgewiesen, wie viele Arbeitnehmer im jeweiligen Baubetrieb tätig sind. Ob überhaupt nach Tarif entlohnt wird, geht somit aus unseren Daten ebenfalls nicht hervor. Deshalb ist eine Umrechnung auf den betrieblichen und persönlichen Anwendungsbereich der Tarifverträge nicht möglich.“
10. Selbst wenn man dem nicht folgte, sondern wie das LAG Hessen meint, dass erhebliche Zweifel an dem Zahlenmaterial des Beteiligten zu 4) zu beiden AVE 2008 und 2010 bestünden, muss die erkennende Kammer nicht eine eigene neuerliche Ermittlung der Zahlen vornehmen. Dies hat das LAG Hessen in dem genannten Verfahren für die hier streitigen AVE 2008 und 2010 bereits im Wege der Amtsermittlung getan. Es hat nicht nur die Zahlen des Beteiligten zu 4) einer kritischen Würdigung unterzogen, sondern auch die Zahlen des Statistischen Bundesamts herangezogen. Dabei ist es wie der Beteiligte zu 4) und die erkennende Kammer oben zu II.9 der Gründe zu der Erkenntnis gelangt, dass die
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ZVK die jeweils für den 30.09.2007 und den 30.09.2009 ermittelte „Große Zahl“ sorgfältig ermittelt habe und die von der Rechtsprechung geforderte Ausschöpfung aller greifbaren Erkenntnisquellen und des Datenmaterials z. B. der Krankenkassen, der Kammern, der Innungen, der Agentur für Arbeit und der Berufsgenossenschaften selbst vorgenommen habe (vgl. Seite 26 des Urteils). Das LAG Hessen hat wie die erkennende Kammer befunden, dass die Zahlen der ZVK nicht „im Eigeninteresse“ ersichtlich zu niedrig angesetzt wurden. Vielmehr hat es nach Auswertung der Zahlen der Winterbauförderung und der Zahl der in den Geschäftsberichten der SoKa Bau gemeldeten Arbeitnehmern erkannt, dass die von der ZVK zum Stichtag 30. September ermittelten Zahlen eher höher ausfallen als im Jahresdurchschnitt. Dem folgt die erkennende Kammer unter Hinweis auf die in beiden Terminen mit den Beteiligten erörterte Akte und das Urteil des LAG Hessen vom 2.07.2014.
11. Gleiches gilt für die von dem Beteiligten zu 4 ermittelten sogenannten „Kleinen Zahl“. Beide Arbeitgeberverbände (die Beteiligten zu 6) und 7)) haben zum selben Stichtag (30.09.2007 und 30.09.2009) durch standardisierte Anfragen bei den Mitgliedsbetrieben ermittelt, wie viele Arbeitnehmer in den tarifgebundenen Mitgliedsbetrieben beschäftigt wurden. Diese Fragebögen lagen dem Tarifausschuss sowohl für die AVE 2008 und für die AVE 2010 vor. Zutreffenderweise hat das LAG Hessen auf Seite 39 des Urteils vom 02.07.2014 ausgeführt, dass die im Verfahren der AVE 2008 und der AVE 2010 jeweils verwendete „Kleine Zahl“ nach Prüfung zulässig ermittelt und belastbar erscheine. Die Richtigkeit der Übertragung und der Addition seien jeweils kontrolliert worden. Insoweit sei nur anzumerken, dass der Antrag stellenden IG Bau in ihrem Schreiben vom 18.12.2009 im Verfahren für die AVE 2010 bei der „Kleinen Zahl“ ein Zahlendreher unterlaufen sei. Der HDB habe 91.732 gewerbliche Arbeitnehmer mitgeteilt, der ZDB 237.551, die Summe daraus seien 329.283 gewerbliche Arbeitnehmer, nicht 329.238, wie fälschlich mitgeteilt worden sei. Dieser Schreibfehler sei im Verfahren jedoch fortgeführt und nicht korrigiert worden.
Eine Verfälschung der „Kleinen Zahl“ durch Doppelmitgliedschaften, wie von den Unternehmen befürchtet, könne weitestgehend ausgeschlossen werden. Soweit gemeinsame baugewerbliche und bauindustrielle Landesverbände (Doppelverband) existierten, erfolge die Zuordnung der Arbeitnehmer durch den Verband selbst, Doppelzählungen seien ausgeschlossen. Soweit im Übrigen davon auszugehen sei, dass größere Unternehmen mit ihren Betrieben oder Betriebsteilen sowohl Mitglied im ZDB als auch im HDB seien, dürfe angenommen werden, dass durch die Unternehmen selbst eine Aufteilung der Arbeitnehmer erfolge, da sonst doppelte Verbandsbeiträge zu zahlen wären.
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Dies sei von beiden Verbänden so geschildert worden. Schließlich lasse sich aus den erteilten Auskünften und den in den Verfahrensakten vorliegenden Rücklaufbögen der Mitgliedsverbände folgern, dass den Zahlenangaben überwiegend keine echte Zählung der gewerblichen Arbeitnehmer zugrunde läge, sondern eine Berechnung der Anzahl der gewerblichen Arbeitnehmer aus den Beiträgen, welche die tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen zu entrichten hätten. Da die Mitgliedsbeiträge aus den Bruttolöhnen errechnet würden, sei die Folgerung zulässig, dass auch die „Kleine Zahl“ tendenziell zu niedrig sei, da über die mitgeteilten Bruttolöhne auch die Veranlagung gesteuert werden könne. Eine Berücksichtigung von Arbeitnehmern aus möglichen OT-Mitgliedsbetrieben könne wegen der notwendig anderen Beitragsstruktur bei einer OT-Mitgliedschaft ausgeschlossen werden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Zahl der bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer an einer anderen Stelle und mit höherer Genauigkeit abgefragt werden könnte als bei den Dachorganisationen der Verbände des Baugewerbes und der Bauindustrie.
12. Damit konnten auch nach den Ermittlungen des LAG Hessen zu Zahlendrehern folgende Zahlen zur Überprüfung des Quorums von 50 % mittelbarer Tarifbindung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG verwendet werden:
"Kleine Zahl" | Sept. 07: 345.302 |
Sept. 09: 329.283 |
"Große Zahl" | ||
ZVK-Bau | Sept. 07: 516.773 |
Sept. 09: 514.626 |
Nachberechnung |
Juni 07: 578.524 |
Juni 09: 574.120 |
Wenn man diese vom LAG Hessen ermittelten Zahlen, die höher ausfallen als die von der ZVK ermittelten, mit einem Zuschlag von 10 % bedenkt, liegt das Quorum noch über 50 % (siehe die Tabelle im Urteil des LAG Hessen, Seite 42 bis 43).
Selbst wenn man die – nach Auffassung der Kammer zutreffend zugrunde gelegten – Zahlen der ZVK um 20 % erhöhen würde, ergäbe sich noch ein Quorum von mehr als 55 % für die AVE 2008 und ein Quorum von mehr als 53 % für die AVE 2010. Das würde bedeuten, dass die ZVK, die ein hohes Eigeninteresse an den ermittelten Bauarbeitsverhältnissen hat, jedes fünfte Arbeitsverhältnis nicht erfasst hätte. Dies ist angesichts auch der Erfahrung der erkennenden Kammer zum Vortrag der ZVK in den Individualverfahren und den dabei mitgeteilten und benutzten Erkenntnisquellen realitätsfern.
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Die Kammer brauchte daher auch kein Sachverständigengutachten über die 50%-Relation für die AVE 2008 und 2010 einzuholen. Unabhängig davon, dass insbesondere der Vortrag der Bet. zu 19) nicht erkennen lässt, dass der von dieser beauftragte Privatgutachter für die hier streitrelevanten AVE 2008 und 2010 „Kleine Zahl“ und „Große Zahl“ richtig gesehen und bewertet hat ( vgl. die Aussagen des Gutachters Herrn B. Bl. 612 ff d.A., insbesondere Bl. 613 unten : „Es werden …ausschließlich die Zahlen der ZVK für die „kleine Zahl“ verwendet.“ ; darauf wird für die AVE 2008 und 2010 verwiesen und dies nochmals wiederholt, Bl. 614 f. d.A. ; dies ist schlicht falsch, da die Zahlen der ZVK nur und stets für die Ermittlung der sog. „Großen Zahl“ verwendet werden und wurden ) , ist sowohl der Vortrag der Bet. zu 19) als auch der der Bet. zu 20) und 21) nicht geeignet, substantiell der von den Bet. zu 20) und 21) selbst vorgelegten Beweisaufnahmen im Verfahren vor dem VG Berlin zu widersprechen, dass die Zahlen anderer Organisationen, Ämter, Kassen und Verbände zur „Großen Zahl“ auf den Geltungsbereich des VTV-Bau umgerechnet werden können.
13. Ein öffentliches Interesse gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG für die Erklärung der AVE 2008 und AVE 2010 kann nicht verneint werden.
a)
Das öffentliche Interesse an einer AVE ist stets gegeben, wenn damit ein anerkanntes Interesse des Gesetzgebers nachvollzogen wird. Der dem Ministerium eingeräumte Beurteilungsspielraum ist weit. Eine gerichtliche Überprüfung kommt nur insoweit in Betracht, als der Behörde wesentliche Fehler vorzuwerfen sind (vgl. nur LAG Hessen, a. a. O., S. 43 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BAG sowie des Schrifttums).
b)
Wesentliche Fehler sind nach diesem Maßstab nicht feststellbar. Die Entscheidung des Ministeriums, einen Verfahrenstarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären, der Zwangsbeiträge für das Ausbildungswesen und eine Zusatzrente anordnet, liegt innerhalb dieses Ermessens. Auch die Fortführung des besonderen tariflichen Urlaubsregimes nach § 8 BRTV Bau in Verbindung mit den VTV wird vom weiten Beurteilungsermessen gedeckt. Es kann offenbleiben, welchen Umfang unterjährige Beschäftigungsverhältnisse in der Baubranche noch haben (zutreffend: LAG Hessen, a. a. O., S. 43 f.).
c)
Es sind auch keine Verstöße gegen sonstiges höherrangiges Recht, insbesondere Europarecht ersichtlich. Wie das LAG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom
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13.11.2014 – 14 Sa 1543/13 – zutreffend entschieden hat, ist weder § 5 TVG a. F. verfassungswidrig (vgl. nur die Nachweise aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BAG auf Seite 15 des Urteils, unter B II 2 a d. Gr.) noch sind es die Allgemeinverbindlicherklärungen (siehe die weiteren Ausführungen des LAG unter B II 2 a aa bis ee d. Gr., S. 16 – 18 des Urteils). Wie das LAG weiterhin zutreffend ausführt (auf Seite 19 bis 20 des Urteils) verstoßen auch weder § 5 Abs. 4 TVG, der VTV noch die Allgemeinverbindlicherklärungen gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
d)
Entgegen insbesondere der Auffassung der Beteiligten zu 20) und 21) liegt auch keine Abweichung zur Entscheidung des EuGH vom 18.07.2013 – C–426/11 – Alemo-Herron – NZA 2013, 835 ff., vor, wonach das Unternehmensgrundrecht verletzt sein kann, wenn das Unternehmen an eine tarifliche Regelung gebunden würde, auf deren Zustandekommen es keinen Einfluss ausüben konnte.
Es kann dabei dahinstehen, ob die Aussagen des EuGH zur Wirksamkeit von Kollektivverträgen aufgrund einer dynamischen Bezugnahmeklausel anlässlich eines Betriebsübergangs von einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen auf ein privat-rechtliches im britischen Recht auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar sind. Selbst wenn man dies unterstellte, liegt kein Verstoß gegen die Grundsätze der Entscheidung des EuGH vom 18.07.2013 vor. Der EuGH hat in Rz. 34 f. ausgeführt, dass es im Sinne der Wertung des Grundrechts aus Artikel 16 EU-Charta möglich sein muss, an den Tarifvertragsverhandlungen der Norm, an die der Erwerber eines Betriebes dynamisch gebunden sein soll, mitzuwirken. Gerade dies ist den beteiligten Unternehmen und Verbänden im Vorfeld einer AVE durch die §§ 4 ff. DVO-TVG eingeräumt und im vorliegenden Fall durch ein – hier nicht beteiligtes – Anwaltsbüro hinsichtlich der AVE 2008 auch wahrgenommen worden. § 6 Abs. 3 DVO-TVG regelt in Verbindung mit § 5 Abs. 2 TVG, dass vor der Entscheidung über den Antrag Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen werden würden, den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben ist. Dies ist hier erfolgt, wie oben unter II.8 der Gründe ausgeführt.
14. Soweit die Bet. insbesondere zu 20) und 21) geltend machen, dass durch den VTV-Bau die Tarifzuständigkeit der verbände überschritten wurde, rechtfertigt dies weder eine Aussetzung des Verfahrens nach § 97 Abs. 5 ArbGG noch ist eine Inzidentprüfung
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vorzunehmen ( vgl. auch LAG Hessen, a.a.O., S. 44 des Urteils unter II 3 b der Gründe ). Vielmehr sind die Beteiligten auf das Verfahren nach § 97 ArbGG zu verweisen.
III.
Da das vorliegende Verfahren ein Beschlussverfahren ist gemäß § 2 a Abs. 1 Ziff. 5 ArbGG, ist es kostenfrei, weil Gebühren und Auslagen gemäß § 2 Abs. 2 GKG nicht erhoben werden (vgl. nur die Nachweise bei GMP/Matthes/Spinner, ArbGG, 8. Aufl., § 84 Rz. 31 ff. mit weiteren Nachweisen). Dies begünstigt im Verfahren nach § 98 ArbGG trotz der hier mittelbar betroffenen Individualverfahren der ULAK auf Beitragszahlungen gegen einzelne Unternehmen in mehrfacher Millionenhöhe pro betroffener AVE entgegen der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Kostenpraxis in einer Feststellungsklage nach § 43 bzw. § 47 VwGO Private zu Lasten des Staates, wenn Erstere wie vorliegend nicht obsiegen. Anders als in den Beschlussverfahren im Betriebsverfassungsrecht besteht dafür kein Anlass. Die Kammer sieht jedoch angesichts des klaren Gesetzeswortlauts des § 2 a Abs. 1 Ziff. 5 ArbGG und der fehlenden abweichenden Kostenregelung trotz des in der Gesetzesbegründung genannten Vorbilds des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 VwGO keine Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs. 3 VwGO.
IV.
Die Rechtsbeschwerde war für die unterlegenen Beteiligten gemäß § 92 in Verbindung mit § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zuzulassen.
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