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LAG Köln, Urteil vom 20.04.2010, 12 Sa 1448/09
Schlagworte: | Urlaubsabgeltung, Befristung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Köln | |
Aktenzeichen: | 12 Sa 1448/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 20.04.2010 | |
Leitsätze: | 1. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird gleichzeitig unabhängig von bei einer theoretischen Urlaubsgewährung bestehenden Erfüllungshindernissen fällig. 2. Er ist entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht auf das Ende des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums nach § 7 Abs. 3 BUrlG befristet, unterliegt aber als Geldanspruch den (tariflichen) Ausschlussfristen. |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 13.07.2009, 10 Ca 2355/09 | |
Landesarbeitsgericht Köln, 12 Sa 1448/09
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.07.2009 (10 Ca 2355/09) wird dieses teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
„Die Klage wird abgewiesen.“
2. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Abgeltung ihres Jahresurlaubs für die Jahre 2007 und 2008. Die Klägerin war von Oktober 1975 bis zum 31.03.2008 als Krankenschwester bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt arbeitete sie in Teilzeit für ein Gehalt in Höhe von 829,86 € brutto im Monat. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-L Anwendung. § 37 Abs. 1 TV-L lautet:
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"Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällig werdende Leistungen aus."
Seit dem 19.10.2006 ist die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 25.02.2009 verlangte sie von der Beklagten die Abgeltung ihres Jahresurlaubs in Höhe von 35 Tagen für das Jahr 2007 sowie 8,75 Tage für das Jahr 2008.
Sie hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.613,62 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 13.07.2009 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 957,50 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2009 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der sich daran anschließenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs für die Jahre 2007 und 2008 zustehe, da dieser aufgrund der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht nach urlaubsrechtlichen Bestimmungen erloschen sei. Diese Ansprüche seien auch nicht durch die tarifliche Verfallfrist erloschen, da § 13 Abs. 1 BUrlG dem entgegen stehe. Hingegen seien die über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehenden Urlaubsansprüche der Klägerin zwar nicht nach urlaubsrechtlichen Bestimmungen verfallen, da keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Parteien diese Ansprüche anders als den gesetzlichen Urlaubsanspruch behandeln wollten; jedoch seien diese Ansprüche durch Ablauf der tarifvertraglichen Verfallfrist mit Ablauf des 30.09.2008 erloschen.
Gegen dieses ihr am 26.11.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.12.2009 Berufung eingelegt und diese am 21.01.2010 begründet. Die Berufungsbegründung ist der Klägerin am 02.02.2010 zugestellt worden, woraufhin diese am 02.03.2010 Anschlussberufung eingelegt hat.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Urlaubsabgeltungsanspruch müsse, nachdem er nicht mehr nach urlaubsrechtlichen Bestimmungen verfalle, der tariflichen Verfallfrist unterliegen. Dem stehe auch das Gemeinschaftsrecht nicht entgegen.
Sie beantragt,
das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.07.2009 – 10 Ca 2355/09 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.07.2009 – 10 Ca 2355/09 – hinsichtlich der Klageabweisung aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 656,10 € brutto nebst Zinsen in Höh von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2009 zu zahlen.
Sie vertritt die Auffassung, die über den gesetzlichen Urlaub hinausgehenden Urlaubsansprüche könnten ebenfalls nicht den tariflichen Ausschlussfristen unterliegen, da
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für diese Ansprüche das Gleiche gelten müsse, wie für den gesetzlichen Urlaub.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Anschlussberufung ist hingegen unbegründet.
Die Klage ist insgesamt unbegründet.
I. Die Ansprüche der Klägerin auf Abgeltung des Urlaubs für die Jahre 2007 und 2008 sind mit Ablauf des 30.09.2008 nach der tariflichen Verfallfrist des § 37 Abs. 1 TV-L verfallen.
1. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin standen dieser zunächst noch 43,75 Urlaubstage aus den Jahren 2007 und 2008 zu. Dem Anspruch stand nicht entgegen, dass die Klägerin seit dem Jahre 2006 erkrankt war. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erkannt, dass der von Art. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleistete Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen auch entsteht, wenn der Arbeitnehmer im gesamten Bezugszeitraum oder in Teilen davon arbeitsunfähig ist (EuGH, Urteil vom 20.01.2009 – C-350/06 – C-520/06; BAG, Urteil vom 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – zitiert nach juris, Rn. 21). Da dieser Anspruch durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr realisiert werden konnte, war er gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.
2. Der Abgeltungsanspruch ist entstanden mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wurde zugleich fällig. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Klägerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt war.
a. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der nichterfüllte Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Abgeltungsanspruch um, ohne dass es weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers bedarf (BAG, Urteil vom 19.08.2003 – 9 AZR 619/02 – zitiert nach juris). Der bisherigen Rechtsprechung entsprach es, den gesetzlichen Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG nicht als Abfindungsanspruch, sondern als Ersatz für den wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch des Arbeitnehmers auf Befreiung von der Arbeitspflicht anzusehen. Hieraus wurde gefolgert, dass der Abgeltungsanspruch – abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – an die gleichen Voraussetzungen gebunden sei wie der Freistellungsanspruch selbst. Wie dieser erlösche er aufgrund seiner Befristung spätestens mit Ende des Übertragungszeitraums, wenn der Freistellungsanspruch bis dahin bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis – z. B. wegen Arbeitsunfähigkeit – nicht habe erfüllt werden können (BAG, Urteil vom 10.05.2005 – 9 AZR 253/04 – zitiert nach juris, Rn. 25).
b. In seinem Urteil vom 20.01.2009 hat der Europäische Gerichtshof in den Rechtssachen C-350/06 und C-520/06 dann entschieden, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen sei, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten entgegen stehe, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach Ablauf des Bezugsraums und/oder im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlösche, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben gewesen sei und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert habe, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht habe ausüben können. Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie stehe einer nationalen Regelung, die für die Ausübung des mit der Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsehe, nicht entgegen. Diese Modalitäten könnten sogar den Verlust des Anspruchs am Ende des Bezugszeitraums oder
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eines Übertragungszeitraums beinhalten. Das gelte allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit habe, den ihm von der Richtlinie verliehenen Urlaubsanspruch auszuüben. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 sei dahingehend auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen stehe, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt werde, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub gewesen sei und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht habe ausüben können (EuGH, Urteil vom 20.01.2009 – C-350/06 – C-520/06 – Rn. 52, 43, 62).
c. Das Bundesarbeitsgericht hat aufgrund dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs seine bisherige Rechtsprechung mit Urteil vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07) dahingehend geändert, dass § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG so zu verstehen sei, dass gesetzliche Urlaubsabgeltungsansprüche nicht erlöschen, wenn Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deswegen arbeitsunfähig seien. Zur Begründung hat es angeführt, dass es offen bleiben könne, ob dieses Ergebnis durch eine richtlinienkonforme Auslegung zu gewinnen sei, wofür zum Einen sprechen könne, dass das Erfordernis der Erfüllbarkeit der Freistellung, der Verfall des Urlaubsanspruchs und der Surrogationscharakter des Abgeltungsanspruchs nicht ausdrücklich im Gesetzeswortlaut angelegt und dem Gesetzeszusammenhang nicht in einer Weise zu entnehmen seien, die jede andere Auslegung ausschließe; jedenfalls sei aber eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung durch theologische Reduktion der zeitlichen Grenzen der §§ 7 Abs. 3 S. 1, 3 und 4 BUrlG in Fällen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des jeweiligen Übertragungszeitraums geboten und vorzunehmen (BAG, Urteil vom 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – zitiert nach juris, Rn. 59, 62 und 64).
d. Der Entscheidung lässt sich nicht explizit entnehmen, ob der nach Ablauf des Bezugszeitraums bzw. Übertragungszeitraums nach den Grundsätzen des Europäischen Gerichtshofs aufrecht erhaltene Abgeltungsanspruch weiterhin nur bei Arbeitsfähigkeit erfüllbar sein soll, inwieweit also die bisher vertretene Surrogationstheorie noch aufrecht erhalten wird. Die Frage ist nach Auffassung der erkennenden Kammer dahingehend zu beantworten, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch unabhängig davon erfüllbar ist, ob bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses Urlaub gewährt werden könnte. Der Anspruch wird also unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist, mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort fällig und ist auch erfüllbar (so auch Düwell, Münchener Handbuch für Arbeitsrecht, 3. Auflage 2009, § 80 Rn. 67; LAG Hamm, Urteil vom 29.04.2009 – 18 Sa 1594/08; sowohl auch Gaul, DB 2009, 1013, 1016). Nähme man an, dass der nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr verfallende Urlaubsabgeltungsanspruch weiterhin nur erfüllt werden könnte, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit wieder erlangt, trüge man der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.2009 nicht hinreichend Rechnung. Bei einem bis zum Lebensende arbeitsunfähigen Arbeitnehmer wäre damit nämlich eine finanzielle Vergütung für den Urlaub ausgeschlossen, was ausweislich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG aber gerade ausgeschlossen sein soll (vgl. Erfurter Kommentar/Dörner, 10. Auflage 2010, Rn. 59; Subatzus, DB 2009, 510 f.). Hiervon scheint auch das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 24.03.2009 (9 AZR 683/07) auszugehen, da es den Urlaubsabgeltungsanspruch zugesprochen hat, ohne Ausführungen zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin zu machen. In seiner Entscheidung vom 23.03.2010 (9 AZR 128/09) hat das Bundesarbeitsgericht nun ausweislich der vorliegenden Pressenmitteilung offenbar entsprechend der hier vertretenen Ansicht entschieden.
e. Die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruches tritt sofort mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein. Dies bedeutet, dass der ausgeschiedene Arbeitnehmer seinen Abgeltungsanspruch gleich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend machen kann und nicht etwa den Ablauf des Übertragungszeitraums abwarten muss. Dies ergibt sich daraus, dass es sich um einen einheitlichen Abgeltungsanspruch handelt, der nach der
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neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (jedenfalls bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers) lediglich nicht mehr verfällt. Der Ablauf des Bezugs- bzw. Übertragungszeitraums hat somit keine Auswirkungen auf den Anspruch, also auch nicht im Übrigen. Der Anspruch behält seinen Charakter. Es lässt sich nicht begründen, warum es bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums auf die theoretische Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ankommen soll, danach jedoch nicht mehr. Die bisher vom Bundesarbeitsgericht vertretene Theorie, der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliege als Surrogat des Urlaubsanspruchs – abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – den gleichen Regeln wie dieser, verliert damit ihren Hauptanwendungsfall und ist nach Ansicht der Kammer insgesamt aufzugeben. Sie wurde gerade für die Fälle entwickelt, in denen Arbeitnehmer arbeitsunfähig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden (BAG, Urteil vom 23.06.1983 – 6 AZR 180/80). Bedeutung hat sie zwar auch in anderen Fällen der theoretisch nicht möglichen Urlaubsgewährung, aber auch auf diese Fälle ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs übertragbar, sofern die Gründe, die der Urlaubsgewährung entgegen stehen, nur vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig sind (vgl. Fieberg, NZA 2009, 929, 933). Der Gesetzeswortlaut spricht ebenfalls nicht zwingend gegen eine Aufgabe der bislang vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Theorie. § 7 Abs. 4 BUrlG sieht lediglich vor, dass Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, abzugelten ist. Hieraus kann nicht zwingend abgeleitet werden, dass Voraussetzung für die Abgeltung ist, dass die Urlaubsgewährung alleine wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfolgen kann. Der Abgeltungsanspruch ist ein Zahlungsanspruch, dessen Erfüllbarkeit anderen Regeln folgen kann als der Urlaubsanspruch selbst (vgl. Rummel, AUR 2009, 160 f., 164). Aus diesem Grunde ist auch schwer nachvollziehbar, warum die Erfüllbarkeit eines einmal entstandenen Zahlungsanspruchs von der hypothetischen Erfüllbarkeit eines Anspruchs auf Freizeitgewährung abhängen soll. Auch die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war davon ausgegangen, dass auch bei dauernder
Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Abgeltung des zuvor nicht gewährten Urlaubs bestehe (BAG, Urteil vom 06.06.1968 – 5 AZR 410/67). Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist mithin als ein Geldanspruch anzusehen, der nicht mehr an die urlaubsrechtlichen Vorgaben gebunden ist (so auch Arbeitsgericht Regensburg, Urteil vom 04.02.2010 – 8 Ca 1022/09; Düwell, Münchener Handbuch für Arbeitsrecht, 3. Auflage 2009, § 80 Rn. 66; Schlachter, RdA-Beilage 2009, 31 f.; a. A. Dornbusch/Ahner, NZA 2009, 180, 182).3. Der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin unterfällt auch tariflichen Ausschlussfristen. Ob ein Urlaubsabgeltungsanspruch Ausschlussfristen unterfallen kann, hat das Bundesarbeitsgericht zuletzt in seiner Entscheidung vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07, zitiert nach juris, Rn. 77) ausdrücklich offen gelassen. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht dies jedoch aus zwei Gründen abgelehnt. Es begründete dies zum Einen damit, dass eine tarifliche Ausschlussfrist den gesetzlichen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht erfassen könne, da dieser unabdingbar sei (vgl. BAG, Urteil vom 20.05.2008 – 9 AZR 219/07 – zitiert nach juris, Rn. 48; BAG, Urteil vom
24.03.1988 – 2 AZR 630/87 – unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 05.04.1984 – 6 AZR 443/81). Zum Anderen ergebe sich die Nichtanwendbarkeit der Ausschlussfristen daraus, dass das Gesetz in § 7 Abs. 3 BUrlG eigenständige Verfallfristen vorsehe (BAG, Urteil vom 20.01.2009 – 9 AZR 650/07 – zitiert nach juris, Rn. 27; BAG, Urteil vom 24.11.1992 – 9 AZR
549/91).a. Das erstgenannte dieser Argumente vermag nicht zu überzeugen. Zwar ist der Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs unabdingbar
(BAG, Urteil vom 09.06.1998 - 9 AZR 43/97), aber auch gesetzlich unabdingbare Ansprüche können einer Ausschlussfrist unterliegen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht etwa für den ebenfalls gemäß § 12 EFZG unabdingbaren Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall angenommen. Das hierfür angeführte Argument, die tarifliche Ausschlussfrist betreffe nicht den Inhalt des Anspruchs sondern dessen Geltendmachung und zeitliche Begrenzung (BAG, Urteil vom 16.01.2002 – 5 AZR
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230/00 – zitiert nach juris, Rn. 20; generell zu Ausschlussfristen: BAG, Urteil vom 26.09.2007 - 5 AZR 881/06) trifft auch beim Urlaubsabgeltungsanspruch zu.
b. Das zweite Argument kann hingegen nur durchgreifen, wenn man – nach Ansicht der Kammer unzutreffenderweise - weiterhin annimmt, der Urlaubsabgeltungsanspruch verfalle wie der Urlaubsanspruch mit Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums, sofern der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist. Das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Urlaubsanspruch auf das Kalenderjahr befristet ist und gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG bei Vorliegen der dort genannten Gründe auf das erste Vierteljahr des Folgejahres übertragen wird, ansonsten jedoch verfällt (so schon BAG, Urteil vom 26.06.1969 – 5 AZR 393/68). Die Befristung des Urlaubsanspruchs hat das Gericht daraus abgeleitet, dass gemäß §§ 1, 7 Abs. 3 BUrlG jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub habe. Nach § 7 Abs. 3 BUrlG müsse der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Der Urlaubsanspruch bestehe im Urlaubsjahr, nicht jedoch für das Urlaubsjahr (BAG, Urteil vom 13.05.1982 – 6 AZR 360/80 – zitiert nach juris, Rn. 13). Ursprünglich war das Bundesarbeitsgericht noch davon ausgegangen, dass bei Unmöglichkeit der Urlaubsverwirklichung im Kalenderjahr infolge langdauernder Arbeitsunfähigkeit der Urlaub ohne Beschränkung auf die Dreimonatsfrist des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG übergehe (BAG, Urteil vom 13.11.1969 – 5 AZR 82/69). Erst später entschied es, dass der Urlaub auch im Falle der Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der ersten drei Monate des Folgejahres erlösche (BAG, Urteil vom 13.05.1982 – 6 AZR 360/80 – zitiert nach juris, Rn. 15). Demgegenüber nimmt die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in ständiger Rechtsprechung an, dass der Urlaubsanspruch überhaupt nicht befristet ist (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2009 – 12 Sa 486/06 – zitiert nach juris Rn. 20 f. m. w. N.). Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07, zitiert nach juris, Rn. 62) konzediert, dass der Verfall des Urlaubsanspruchs im Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich angelegt und dem Gesetzeszusammenhang nicht in einer Weise zu entnehmen sind, die jede andere Auslegung ausschließt. Erst Recht gilt dies aber für den Urlaubsabgeltungsanspruch. § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG, aus dem die Befristung des Urlaubs maßgeblich abgeleitet wird, sieht nämlich nur vor, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Auf einen Geldanspruch passt diese Formulierung nicht. Ebenso wenig macht die Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr, die in § 7 Abs.3 S. 2 BUrlG für den Fall vorgesehen ist, dass dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen, bei einem Zahlungsanspruch Sinn, dessen Erfüllbarkeit unabhängig von der Möglichkeit ist, im fortbestehenden Arbeitsverhältnis Urlaub zu gewähren. Auch die Erwägungen, die dafür sprechen können, den Urlaubsanspruch selbst zu befristen, sind beim Abgeltungsanspruch nicht einschlägig. Beim Urlaubsanspruch macht eine Befristung insoweit Sinn, als der Arbeitnehmer durch sie angehalten wird, seinen Urlaub im jeweiligen Urlaubsjahr zu nehmen. Damit wird sichergestellt, dass der Anspruch nicht über Jahre angehäuft und somit der Zweck, dem Arbeitnehmer regelmäßige Erholungsphasen zu gewähren, gefährdet wird. Beim Urlaubsabgeltungsanspruch kann jedoch nur der Urlaub abgegolten werden, der noch nicht genommen bzw. verfallen ist. Weitere Urlaubsansprüche können nicht mehr hinzutreten. Der Arbeitnehmer muss auch nicht angehalten werden, den Abgeltungsanspruch innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu verwirklichen, da er das auszuzahlende Geld zwar nutzen kann, um seine Freizeit damit zu bestreiten, dies jedoch nicht muss. Selbst wenn er sich dafür entscheidet, das Geld zur Freizeitgestaltung zu verwenden, ist der Zeitpunkt der Verwendung unabhängig vom Zeitpunkt der Auszahlung durch den ehemaligen Arbeitgeber. Die erkennende Kammer ist daher der Auffassung, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG befristet ist und abgesehen von den aus § 13 Abs. 1 BUrlG sich ergebenden Einschränkungen zu behandeln ist, wie jeder andere Zahlungsanspruch auch. Zu Recht wird daher von einem Teil der Literatur angenommen, dass (jedenfalls tarifvertragliche) Ausschlussfristen den
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Abgeltungsanspruch zum Erlöschen bringen können (Grobys, NJW 2009, 2177, 2179; Gaul/Bonanni/Ludwig, DB 2009, 1013, 1016; Schlachter, RdA-Beilage 2009, 31, 36; Bauer/Arnold, NJW 2009, 631, 635; Gaul/ Josten/Strauf, DB 2009, 497, 500; im Ergebnis wie hier auch Arbeitsgericht Regensburg, Urteil vom 04.02.2010 – 8 Ca 1022/09; a. A.: Zöller, Personalbuch 2009, Urlaubsabgeltung, Rn. 7; Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 22.04.2009 – 56 Ca 21280/08; für einen Fall nur der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Anspruch: Dreier/Dassau/Kiefer /Thivessen, TV-L, Stand Aktualisierung 6/2009, Anhang 1 zu § 26 TV-L, S. 119).
c. Gegen den Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs, auch soweit er den gesetzlichen Mindesturlaub betrifft, sprechen auch keine europarechtlichen Bedenken. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG steht nämlich nationalen Regelungen nicht entgegen, die den Arbeitnehmer verpflichten, seinen Mindesturlaub innerhalb einer bestimmten Zeitspanne geltend zu machen. Dabei spielt es europarechtlich keine Rolle, ob die nationalen Regelungen durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag getroffen werden. Wenn diese Gestaltungsfreiheit bereits für den Urlaubsanspruch eingeräumt wird, gilt sie entsprechend auch für den Abgeltungsanspruch. Voraussetzung ist nur, dass der Arbeitnehmer als Folge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Abgeltungsanspruch geltend machen kann (wie hier: Gaul/Bonanni/Ludwig, DB 2009, 1013, 1016; EuGH, Urteil vom 20.01.2009, a. a. O., Rn. 43).4. Da die Klägerin ihren mit Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2008 fällig gewordenen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht binnen sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht hat, ist der Anspruch gemäß § 37 Abs. 1 TV-L, der alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst, verfallen.
5. Hiergegen sprechen auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte. In seinem Urteil vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07, a. a. O., Rn. 69 f.) hat das Bundesarbeitsgericht erwogen, Arbeitgebern im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung, nach der Urlaubsansprüche nach Ablauf des Übertragungszeitraums verfielen, Vertrauensschutz zu gewähren, diesen Schutz jedoch für bei Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.08.2006 in der Sache S (12 Sa 486/06, LAGE Bundesurlaubsgesetz § 7 Nr. 43) noch nicht verfallene Urlaubsansprüche abgelehnt. Bestand ab diesem Zeitpunkt kein Grund mehr, auf den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung zu vertrauen, gilt das Gleiche für das Eingreifen von einzelvertraglichen oder tariflichen Ausschlussfristen (vgl. Grobys, NJW 2009, 2177, 2179). Gegen eine Gewährung von Vertrauensschutz zugunsten der Klägerin spricht zudem, dass ihr durch die Änderung der Rechtsprechung nichts genommen wird, was ihr bei Fortbestehen der bisherigen Rechtsprechung zugestanden hätte. Auch dann wären nämlich die Urlaubsansprüche für 2007 und 2008 aufgrund ihrer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit, wenn auch nicht nach § 37 Abs. 1 TV-L, sondern nach § 26 TV-L mit Ablauf des 31.05.2008 bzw. 31.05.2009 verfallen.
6. Auf die Berufung der Beklagten war daher das Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen, während die Anschlussberufung der Klägerin unbegründet ist.II. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 91 ZPO.
III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Ziffern 1 und 2 zuzulassen, da die Sache zum Einen grundsätzliche Bedeutung hat und zum Anderen die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abweicht.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
REVISION
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eingelegt werden.
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Fax: 0361 2636 2000 eingelegt werden.
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
Dr. Rech
Reintgen
Reuber
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