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LAG Mün­chen, Ur­teil vom 14.01.2009, 11 Sa 460/08

   
Schlagworte: Personalakte
   
Gericht: Landesarbeitsgericht München
Aktenzeichen: 11 Sa 460/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 14.01.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht München, Urteil vom 11.04.2008, 39 Ca 14853/07
   

Verkündet am: 14.01.2009

11 Sa 460/08

39 Ca 14853/07
(ArbG München) 

Gapp, Reg.Se­kretär z.A.

Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le



Lan­des­ar­beits­ge­richt München


Im Na­men des Vol­kes

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

N.K.


- Kläger und Be­ru­fungskläger -



Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter:
Rechts­an­walt A. M.
 


ge­gen


Fir­ma D.



- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:


Rechts­anwälte L., Z., P., H., K. F. & K.

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hat die 11. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts München auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 17.12.2008 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Oben­aus und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Höfl und Türk


für Recht er­kannt

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 11.4.2008, Az.: 39 Ca 14853/07, wird auf Kos­ten des Klägers zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten über ei­ne Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, dem Kläger Ein­sicht in die über ihn bei ihr geführ­te Per­so­nal­ak­te zu gewähren.

Der Aus­ein­an­der­set­zung liegt im We­sent­li­chen fol­gen­der Sach­ver­halt zu Grun­de:

Der Kläger war in der Zeit vom 1. Ja­nu­ar 2006 bis 30. Ju­ni 2007 bei der Be­klag­ten als Scha­densbüro­lei­ter beschäftigt. Die Be­klag­te führt Per­so­nal­ak­ten über je­den Mit­ar­bei­ter, so auch über den Kläger. Ein Streit der Par­tei­en über den In­halt ei­nes Ar­beits­zeug­nis­ses wur­de in­zwi­schen be­en­det.

Mit sei­ner beim Ar­beits­ge­richt München am 31. Ok­to­ber 2007 ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge vom sel­ben Tag hat der Kläger die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Gewährung der Ein­sicht­nah­me in die über ihn bei der Be­klag­ten geführ­te Per­so­nal­ak­te, hilfs­wei­se zur Her­aus­ga­be der ge­sam­ten Per­so­nal­ak­te an den Kläger zur Ein­sicht­nah­me be­gehrt.

Zur Be­gründung hat er erst­in­stanz­lich vor­ge­tra­gen, er könne auch nach dem En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses Ein­sicht in sei­ne bei der Be­klag­ten sich die be­fin­den­de Per­so­nal­ak­te ver­lan­gen. Die Be­klag­te ha­be ihm, dem Kläger, Il­loya­lität vor­ge­wor­fen. Des­halb müsse er an Hand der Ein­sicht in die Per­so­nal­ak­te er­fah­ren können, wel­che Sach­ver­hal­te ge­meint sei­en, um ge­ge­be­nen­falls recht­li­che Schrit­te ein­lei­ten zu können. Das

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Rechts­schutz­bedürf­nis für sei­ne Kla­ge er­ge­be sich aus dem ver­fas­sungs­recht­lich ver­brief­ten Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung, das auch Dritt­wir­kung im Ar­beits­recht ha­be.

Der Kläger hat erst­in­stanz­lich be­an­tragt:

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem Kläger Ein­sicht in die über den Kläger geführ­te Per­so­nal­ak­te im Zeit­raum 01.01.2006 bis 30.06.2007 ein­sch­ließlich sämt­li­cher Son­der- und Ne­ben­ak­ten zu gewähren;

2. hilfs­wei­se die ge­sam­te Per­so­nal­ak­te des Klägers an die­sen zur Ein­sicht her­aus­zu­ge­ben.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und er­wi­dert, für die er­ho­be­ne Kla­ge sei ein Rechts­schutz­bedürf­nis nicht ge­ge­ben, da der Zeug­nis­rechts­streit der Par­tei­en in­zwi­schen bei­ge­legt sei.

Das Ar­beits­ge­richt München hat die Kla­ge mit En­dur­teil vom 11. April 2008, das dem Kläger am 5. Mai 2008 zu­ge­stellt wur­de, in vol­lem Um­fang ab­ge­wie­sen.

Zur Be­gründung hat es aus­geführt, die Kla­ge sei nicht zulässig, weil ein Rechts­schutz­bedürf­nis des Klägers, nach dem En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses Ein­sicht in die über ihn bei der Be­klag­ten geführ­te Per­so­nal­ak­te neh­men zu können, nicht er­sicht­lich sei.

Der Ar­beit­neh­mer ha­be zwar im be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis grundsätz­lich An­spruch auf Ein­sicht­nah­me in die über ihn geführ­te Per­so­nal­ak­te. Dies gel­te aber nicht un­ein­ge­schränkt, wenn das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen­zeit­lich be­en­det wor­den sei. Die Abwägung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen führe nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses für den Re­gel­fall zu dem Er­geb­nis, dass dem Ar­beit­neh­mer ein An­spruch auf Ent­fer­nung ei­ner zu Un­recht er­teil­ten Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te nicht mehr zu­ste­he. Et­was an­de­res könne sich nur dar­aus er­ge­ben, dass ob­jek­ti­ve An­halts­punk­te dafür vorlägen, dass die Ab­mah­nung dem Ar­beit­neh­mer auch noch nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses scha­den könne. Es könne sel­te­ne Fälle ge­ben, in de­nen un­rich­ti­ge

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Dar­stel­lun­gen dem Ar­beit­neh­mer noch scha­den könn­ten, bei­spiels­wei­se falls ein Zeug­nis auf­grund die­ser Dar­stel­lung er­stellt wer­de oder der Ar­beit­ge­ber Drit­ten Auskünf­te er­tei­le. Vor­lie­gend ha­be der Kläger be­reits ein wohl­wol­len­des qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis er­hal­ten, mit des­sen In­halt er ein­ver­stan­den sei. An­halts­punk­te dafür, dass die Be­klag­te Drit­ten ge­genüber Mit­tei­lun­gen von dem In­halt der Per­so­nal­ak­te ma­che oder Drit­ten die Per­so­nal­ak­te über­las­se, sei­en nicht er­sicht­lich. Al­lein die Äußerung der Sach­be­ar­bei­te­rin der Rechts­ab­tei­lung, die dem Kläger Il­loya­lität vor­ge­wor­fen ha­be, be­gründe anläss­lich des in­zwi­schen bei­ge­leg­ten Zeug­nis­rechts­streits nicht den Ver­dacht, dass in der Per­so­nal­ak­te un­rich­ti­ge Dar­stel­lun­gen über den Kläger vor­han­den sei­en. Da die Be­klag­te dem Kläger ein wohl­wol­len­des qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis er­teilt ha­be, in dem der Vor­wurf der Il­loya­lität nicht auf­recht­er­hal­ten wer­de, sei nicht zu befürch­ten, dass die Be­klag­te Drit­ten an­de­re Auskünf­te er­tei­le als die im Zeug­nis er­hal­te­nen An­ga­ben. Sein Rechts­schutz­bedürf­nis für die er­ho­be­ne Kla­ge sei in­so­weit nicht er­sicht­lich, wes­halb sie so­wohl im Haupt- wie auch im Hilfs­an­trag als un­zulässig ab­zu­wei­sen sei.

Ge­gen die Kla­ge­ab­wei­sung wen­det sich der Kläger mit sei­ner am 13. Mai 2008 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt München ein­ge­gan­ge­nen Be­ru­fung vom 12. Mai 2008, den er mit Schrift­satz vom 30. Ju­li 2008, der am sel­ben Tag beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen ist, be­gründet hat.

Un­ter Ver­tie­fung und teil­wei­se Wie­der­ho­lung sei­nes erst­in­stanz­li­chen Vor­trags macht der Kläger gel­tend, im vor­lie­gen­den Fall sei ein Rechts­schutz­bedürf­nis sei­tens sei­ner Per­son nicht dar­zu­le­gen, weil die Par­tei­en durch ver­trag­li­che Ei­ni­gung darüber be­fun­den hätten, wie lan­ge und wann ein Recht aus dem Ar­beits­verhält­nis noch aus­geübt wer­den könne. Das er­ge­be sich aus der ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung von Aus­schluss­fris­ten zwi­schen den Par­tei­en. Er, der Kläger, ha­be auch in­ner­halb der ver­ein­bar­ten Aus­schluss­fris­ten ei­nen An­spruch auf Ein­sicht in die Per­so­nal­ak­te gel­tend ge­macht. Das Ar­beits­ge­richt ha­be im Übri­gen den In­halt der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts falsch wie­der­ge­ge­ben. Nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses sei es kei­nes­falls der Re­gel­fall, dass ein Rechts­schutz­bedürf­nis sei­tens des Ar­beit­neh­mers auf Ein­sicht in die Per­so­nal­ak­te feh­le. Un­ter Berück­sich­ti­gung des ver­fas­sungs­recht­lich ver­brief­ten Rechts auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung ha­be das Bun­des­ar­beits­ge­richt aus­geführt, dass die An­for­de­run­gen an das Rechts­schutz­bedürf­nis sehr ge­ring sei­en. Auf­grund der Äußerung der Sach­be­ar­bei­te­rin be­tref­fend sei­ne an­geb­li­che Il­loya­lität so­wie ih­re Be­haup­tung, sei­ne Be­ur­tei­lun­gen würden ei­ne mehr als

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durch­schnitt­li­che Zeug­nis­be­wer­tung nicht recht­fer­ti­gen, be­gründe­ten den Ver­dacht, dass die Per­so­nal­ak­te Un­rich­ti­ges ent­hal­te. Dies recht­fer­ti­ge sein In­ter­es­se, die In­for­ma­ti­on zu er­hal­ten, wel­che Un­wahr­hei­ten von wel­cher Per­son in die Welt ge­setzt würden bzw. wor­den sei­en. Wenn der Ar­beit­ge­ber schon Da­ten im Rah­men ei­ner Per­so­nal­ak­te spei­che­re, so müsse er dem Ar­beit­neh­mer auch die Ge­le­gen­heit ge­ben, sich ge­gen un­be­rech­tig­te Be­haup­tun­gen oder Vorwürfe zur Wehr zu set­zen, die sich in die­ser Per­so­nal­ak­te befänden. Es könne nicht dem Zu­fall über­las­sen blei­ben, dass der Ar­beit­neh­mer erst nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zufällig An­halts­punk­te er­fah­re, die auf ei­ne Spei­che­rung un­wah­rer Tat­sa­chen schließen ließen.

Der Kläger be­an­tragt,

1. abändernd die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem Kläger Ein­sicht in die über den Kläger bei der Be­klag­ten geführ­te Per­so­nal­ak­te im Zeit­raum 01.01.2006 bis 30.06.2007 ein­sch­ließlich sämt­li­cher Son­der- und Ne­ben­ak­ten zu gewähren;

2. abändernd hilfs­wei­se die ge­sam­te Per­so­nal­ak­te des Klägers an die­sen zur Ein­sicht her­aus­zu­ge­ben;

3. Die Be­klag­te trägt die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Zur Be­gründung führt sie aus, der Kläger ha­be kein Recht­schutz­bedürf­nis, weil er kei­ner­lei ob­jek­ti­ve An­halts­punk­te für ei­ne fort­wir­ken­de Be­nach­tei­li­gung dar­ge­tan ha­be. Ei­ne nicht ab­ge­lau­fe­ne Aus­schluss­frist be­gründe für sich noch kei­nen An­spruch auf Ein­sicht in die Per­so­nal­ak­te. Zu­tref­fend ha­be das Ar­beits­ge­richt aus­geführt, dass sich der all­ge­mei­ne An­spruch auf Ein­sicht in die Per­so­nal­ak­te aus § 83 Ab­satz 1 des Be­trVG er­ge­be. We­der die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en noch die Be­triebs­part­ner hätten ein wei­ter­ge­hen­des Ein­sichts­recht über die Zeit nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses hin­aus ver­ein­bart. Der Kläger ha­be auch kei­ner­lei An­halts­punk­te dafür vor­ge­tra­gen, dass

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die Be­klag­te Drit­ten ge­genüber an­de­re An­ga­ben ma­che als sie im Zeug­nis ent­hal­ten sei­en.

Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze ergänzend Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

I.

Die Be­ru­fung ist zulässig. Sie ist statt­haft nach § 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG und auch im Übri­gen zulässig, ins­be­son­de­re in der ge­setz­li­chen Form und der vor­ge­schrie­be­nen Frist ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 11 Abs. 2 ArbGG, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1,2,5 ArbGG i.V.m. § 222 ZPO).

Die Be­ru­fung ist nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts in Ab­wei­chung von der Sicht des Ar­beits­ge­richts nicht man­gels Vor­lie­gens ei­nes Rechts­schutz­bedürf­nis­ses un­zulässig.

Rich­tig ist, dass für je­de Kla­ge ein Rechts­schutz­bedürf­nis ge­ge­ben sein muss. Das Rechts­schutz­bedürf­nis für ei­ne Leis­tungs­kla­ge er­gibt sich je­doch re­gelmäßig schon aus der Nich­terfüllung des be­haup­te­ten ma­te­ri­el­len An­spruchs. Des­halb wird es in der ZPO auch nicht aus­drück­lich als Pro­zess- oder Sa­chur­teils­vor­aus­set­zung ei­ner Leis­tungs­kla­ge ge­nannt.

Die­ser Grund­satz gilt al­ler­dings nicht aus­nahms­los. Be­son­de­re Umstände können das Rechts­schutz­bedürf­nis ent­fal­len las­sen. Das Er­for­der­nis ei­nes Rechts­schutz­bedürf­nis­ses soll ver­hin­dern, dass Rechts­strei­tig­kei­ten in das Sta­di­um der Be­gründet­heits­prüfung ge­lan­gen, die er­sicht­lich des Rechts­schut­zes durch ei­ne sol­che Prüfung nicht bedürfen (vgl. BAG, Urt. vom 14.9.1994, Az. 5 AZR 632/92, NZA 1995,1236 m.w.N.). Der Bun­des­ge­richts­hof hat – wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt in dem zi­tier­ten Ur­teil fest­ge­stellt hat - das Rechts­schutz­bedürf­nis z. B. ver­neint, wenn der Kläger den Leis­tungs­ge­gen­stand be­reits vor Kla­ge­er­he­bung er­hal­ten hat­te (BGH Ur­teil vom 1. Ju­li 1987, Az. VIII ZR 194/86 - LM Nr. 11 Vor­bem. zu § 253 ZPO (Rechts­schutz­bedürf­nis))

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oder be­stimm­te Ansprüche wie Un­ter­las­sungs- und Wi­der­rufs­ansprüche ge­gen Sach­vor­trag des Geg­ners in ei­nem ge­richt­li­chem Ver­fah­ren von vorn­her­ein, al­so un­abhängig von ei­ner In­ter­es­sen­abwägung und sons­ti­gen Sach­prüfun­gen im Ein­zel­fall, aus­ge­schlos­sen sind (BGH Ur­teil vom 9. April 1987, I ZR 44/85 - NJW 1987, 3138).

Ei­ne die­sen Fällen ver­gleich­ba­re Fall­ge­stal­tung liegt hier nicht vor. We­der hat der Be­klag­te den gel­tend ge­mach­ten An­spruch erfüllt noch ist ein An­spruch auf Ein­sicht­nah­me in die Per­so­nal­ak­te nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses von vorn­her­ein aus­zu­sch­ließen. Viel­mehr ist all­ge­mein an­er­kannt, dass auch nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf Grund der Nach­wir­kung des Ar­beits­ver­trags noch ein Ein­sichts­recht be­ste­hen kann, wenn die Ak­ten noch vor­han­den sind und der Ar­beit­neh­mer ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­legt (Münch­ner Hand­buch zum Ar­beits­recht/Blo­mey­er, 2. Auf­la­ge, § 98 Rz. 20 m.w.N.).

Dem Kläger kann im Hin­blick dar­auf das Rechts­schutz­bedürf­nis für sei­ne Kla­ge nicht ab­ge­spro­chen wer­den.

II.

Die Be­ru­fung ist je­doch un­be­gründet, weil ein An­spruch nicht schlüssig dar­ge­legt ist.

Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts gilt im Grund­satz, dass die Fürsor­ge­pflicht des Ar­beit­ge­bers auch noch nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses Rech­te und Pflich­ten be­gründen kann. Aus nach­wir­ken­der Fürsor­ge­pflicht – nicht aus § 83 Be­trVG - kann sich auch ein Recht des Ar­beit­neh­mers auf Ein­sicht in sei­ne Per­so­nal­ak­ten nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses er­ge­ben. Vor­aus­set­zung ist, dass der Ar­beit­neh­mer ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­legt. Er­for­der­lich ist dann ei­ne In­ter­es­sen­abwägung. An­ge­sichts der An­er­ken­nung des in­for­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mungs­rechts durch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt dürfen da­bei an die Dar­le­gung des be­rech­tig­ten In­ter­es­ses al­ler­dings kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen ge­stellt wer­den (vgl. BAG, Ur­teil vom 11.5.1994, Az.: 5 AZR 660/93, zit. n. Ju­ris, m.w.N.).
 


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Der Vor­trag des Klägers genügt auch den be­zeich­ne­ten re­du­zier­ten An­for­de­run­gen nicht. Sein all­ge­mei­nes In­ter­es­se zu wis­sen, wel­chen Hin­ter­grund die von ihm zi­tier­te Äußerung der Sach­be­ar­bei­te­rin der Per­so­nal­ab­tei­lung hat­te, kann ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se an der Ein­sicht­nah­me nicht be­gründen, nach­dem er sich mit der Be­klag­ten auf ein Zeug­nis ge­ei­nigt hat und kei­ne An­halts­punk­te er­sicht­lich sind, die dar­auf schließen las­sen, dass die Be­klag­te ge­genüber Drit­ten vom Zeug­nis­in­halt ab­wei­chen­de Auskünf­te er­teilt. Darüber hin­aus ist zu berück­sich­ti­gen, dass die Be­klag­te recht­lich ge­hin­dert ist, oh­ne Zu­stim­mung des Klägers die Per­so­nal­ak­te Drit­ten zugäng­lich zu ma­chen. Der Kläger kann sich auch ge­gen die Er­tei­lung von Auskünf­ten und die die Wei­ter­ga­be der Per­so­nal­ak­te mit ei­ner Un­ter­las­sungs­kla­ge weh­ren (vgl. BAG, Urt. vom 14.9.94, a.a.O. bezüglich ei­nes Fal­les, in dem es um die Ent­fer­nung ei­ner un­rich­ti­gen Ab­mah­nung ging). Be­son­der­hei­ten gibt es zwar in ei­ni­gen Be­rei­chen des öffent­li­chen Diens­tes, was im vor­lie­gen­den Fall je­doch nicht ein­schlägig ist. Dort wird dem Ar­beit­neh­mer bei Stel­len­be­wer­bun­gen häufig na­he­ge­legt, sich mit der Vor­la­ge der beim bis­he­ri­gen öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber geführ­ten Per­so­nal­ak­te ein­ver­stan­den zu erklären. Aus der Ab­leh­nung können dem Be­wer­ber Nach­tei­le ent­ste­hen.

Für den vor­lie­gen­den Fall er­gibt sich, dass ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se bei ei­ner Be­trach­tung al­ler Umstände nicht be­jaht wer­den kann. Das In­ter­es­se des Klägers, ins­ge­samt nicht falsch be­ur­teilt zu wer­den, wur­de in dem zwi­schen den Par­tei­en bei­ge­leg­ten Zeug­nis­rechts­streit ge­wahrt. An­halts­punk­te dafür, dass die Be­klag­te Drit­ten ge­genüber Mit­tei­lung von den der Äußerung der Sach­be­ar­bei­te­rin der Be­klag­ten mögli­cher­wei­se zu Grun­de lie­gen­den Sach­ver­hal­ten macht oder die Per­so­nal­ak­te Drit­ten überlässt, sind we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich. Der Kläger hat auch nicht vor­ge­tra­gen, dass er sich um Stel­len im öffent­li­chen Dienst be­wirbt und ihm dort na­he­ge­legt wird, sich mit der Vor­la­ge der Per­so­nal­ak­te sei­nes bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­bers ein­ver­stan­den zu erklären.

III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 ZPO.

IV.


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Da dem Rechts­streit über die Klärung der streit­ge­genständ­li­chen Fra­gen hin­aus kei­ne grundsätz­li­che Be­deu­tung zu­kommt, be­steht für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kei­ne Ver­an­las­sung. Ge­gen die­ses Ur­teil ist des­halb die Re­vi­si­on nur ge­ge­ben, wenn sie das Bun­des­ar­beits­ge­richt auf Grund ei­ner Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de, auf de­ren Möglich­keit und Vor­aus­set­zun­gen gemäß § 72 a ArbGG hin­ge­wie­sen wird, zu­las­sen soll­te.

Dr. Oben­aus 

Höfl 

Türk

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