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BAG, Be­schluss vom 10.10.2007, 7 ABR 51/06

   
Schlagworte: Betriebsrat: Beschluss
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 ABR 51/06
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 10.10.2007
   
Leitsätze: Der Betriebsrat kann durch eine nachträgliche Beschlussfassung eine von dem Betriebsratsvorsitzenden zuvor ohne Rechtsgrundlage im Namen des Betriebsrats getroffene Vereinbarung genehmigen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Darmstadt, Beschluß vom 10.08.2005 - 5 BV 26/04
Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluß vom 1.6.2006 - 9 TaBV 164/05
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


7 ABR 51/06
9 TaBV 164/05
Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
10. Ok­to­ber 2007

BESCHLUSS

Klapp, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren

mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­le­rin, Be­schwer­deführe­rin und Rechts­be­schwer­deführe­rin,

2.

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der Be­ra­tung vom 10. Ok­to­ber 2007 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts Dörner, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gräfl, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Koch so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Busch und Zwis­ler für Recht er­kannt:


1. Auf die Rechts­be­schwer­de der An­trag­stel­le­rin wird der Be­schluss des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 1. Ju­ni 2006 - 9 TaBV 164/05 - auf­ge­ho­ben.


2. Die Sa­che wird zur neu­en Anhörung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.


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Von Rechts we­gen!


Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Ver­pflich­tung der Ar­beit­ge­be­rin zur Zah­lung ei­ner Vergütung für die Tätig­keit der An­trag­stel­le­rin als Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­ze­rin.


Die Ar­beit­ge­be­rin ver­treibt bun­des­weit Dro­ge­rie­wa­ren in Ver­kaufs­stel­len. Durch Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Darm­stadt vom 13. Ok­to­ber 2003 wur­de für den Ver­kaufs­be­zirk Darm­stadt we­gen der be­ab­sich­ti­gen Re­du­zie­rung der Per­so­nal­soll-zah­len in den Ver­kaufs­stel­len ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le zur Re­ge­lung ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs und ge­ge­be­nen­falls So­zi­al­plans ein­ge­rich­tet. Die An­zahl der Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­zer wur­de für je­de Sei­te auf zwei fest­ge­setzt.


Der für den Ver­kaufs­be­zirk Darm­stadt ge­bil­de­te, aus sie­ben Mit­glie­dern be­ste­hen­de Be­triebs­rat be­schloss in sei­ner Sit­zung am 9. Fe­bru­ar 2004 über die Be­stel­lung der für ihn in der Ei­ni­gungs­stel­le auf­tre­ten­den Bei­sit­zer. Die Ta­ges­ord­nung der Sit­zung am 9. Fe­bru­ar 2004 ent­hielt zunächst kei­nen Ta­ges­ord­nungs­punkt über ei­ne Be­schluss­fas­sung zur Be­set­zung der Ei­ni­gungs­stel­le. Zu Be­ginn der Be­triebs­rats­sit­zung, an der zunächst vier Be­triebs­rats­mit­glie­der teil­nah­men, wur­de die Ta­ges­ord­nung um den Ta­ges­ord­nungs­punkt „Be­schluss Ei­ni­gungs­stel­le Be­set­zung Bei­sit­zer“ ergänzt. Un­ter die­sem Ta­ges­ord­nungs­punkt wur­de die Be­stel­lung der An­trag­stel­le­rin, ei­ner Ge­werk­schafts­se­kretärin der Ge­werk­schaft ver.di, als ei­ne von zwei ex­ter­nen Bei­sit­zern ein­stim­mig be­schlos­sen. An der Ab­stim­mung nah­men drei Be­triebs­rats­mit­glie­der teil.

Die An­trag­stel­le­rin stell­te nach Be­en­di­gung des Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­rens der Ar­beit­ge­be­rin mit Schrei­ben vom 16. Sep­tem­ber 2004 für ih­re Tätig­keit ei­nen Be­trag von 2.100,00 Eu­ro (7/10 des Ho­no­rars der Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den) in Rech­nung und bat er­folg­los um Aus­gleich bis zum 15. Ok­to­ber 2004.


In dem am 17. No­vem­ber 2004 ein­ge­lei­te­ten Be­schluss­ver­fah­ren hat die Ar­beit­ge­be­rin erst­in­stanz­lich die Ord­nungsmäßig­keit des Be­triebs­rats­be­schlus­ses vom 9. Fe­bru­ar 2004 in Zwei­fel ge­zo­gen. Dar­auf­hin be­schloss der Be­triebs­rat in sei­ner
 


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Sit­zung am 20. Mai 2005 er­neut die Be­stel­lung der An­trag­stel­le­rin als Bei­sit­ze­rin für die Ei­ni­gungs­stel­le zur Re­du­zie­rung der Per­so­nal­soll­zah­len.

Die An­trag­stel­le­rin hat be­an­tragt, 

die Ar­beit­ge­be­rin zu ver­ur­tei­len, an die An­trag­stel­le­rin 2.100,00 Eu­ro zuzüglich Zin­sen iHv. 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 16. Ok­to­ber 2004 zu zah­len.

Die Ar­beit­ge­be­rin hat be­an­tragt, 


den An­trag zurück­zu­wei­sen.

Ar­beits­ge­richt und Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­ben den An­trag ab­ge­wie­sen. Mit der Rechts­be­schwer­de ver­folgt die An­trag­stel­le­rin ih­ren An­trag wei­ter, während die Ar­beit­ge­be­rin die Zurück­wei­sung der Rechts­be­schwer­de be­an­tragt.


B. Die Rechts­be­schwer­de der An­trag­stel­le­rin ist be­gründet und führt un­ter Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung zur Zurück­ver­wei­sung des Ver­fah­rens zur neu­en Anhörung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt. Mit der vom Be­schwer­de­ge­richt ge­ge­be­nen Be­gründung kann der An­trag nicht ab­ge­wie­sen wer­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zwar zu­tref­fend er­kannt, dass der Be­triebs­rat in sei­ner Sit­zung am 9. Fe­bru­ar 2004 kei­nen wirk­sa­men Be­schluss über die Be­stel­lung der An­trag­stel­le­rin als Bei­sit­ze­rin für die Ei­ni­gungs­stel­le zur Re­du­zie­rung der Per­so­nal­soll-zah­len ge­fasst hat. Es hat aber zu Un­recht die Möglich­keit ei­ner Ge­neh­mi­gung der Be­stel­lung durch den in der Be­triebs­rats­sit­zung vom 20. Mai 2005 ge­fass­ten Be­schluss ver­neint. Das führt zur Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung. Die An­trag­stel­le­rin kann das der Höhe nach un­strei­ti­ge Ho­no­rar be­an­spru­chen, wenn der Be­triebs­rat am 20. Mai 2005 durch ei­nen ord­nungs­gemäßen Be­schluss ih­re Be­stel­lung als Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­ze­rin ge­neh­migt hat. Dies ver­mag der Se­nat auf Grund der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen nicht zu be­ur­tei­len.


I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass als An­spruchs­grund­la­ge der strei­ti­gen For­de­rung al­lein § 76a Abs. 3 Be­trVG in Be­tracht kommt. Da­nach hat ein be­triebs­frem­der Bei­sit­zer ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber ei­nen An­spruch auf Vergütung sei­ner Tätig­keit im Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren, des­sen Höhe sich nach den Grundsätzen des § 76a Abs. 4 Satz 3 bis 5 Be­trVG rich­tet. § 76a Abs. 3 Be­trVG be­gründet ei­nen ge­setz­li­chen An­spruch des be­triebs­frem­den Bei­sit­zers auf Vergütung sei­ner Tätig­keit in der Ei­ni­gungs­stel­le.


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1. Der Ho­no­raran­spruch des von dem Be­triebs­rat be­stell­ten be­triebs­frem­den Bei­sit­zers ist dem Grun­de nach nur von des­sen wirk­sa­mer Be­stel­lung für ei­ne im Be­trieb des Ar­beit­ge­bers ge­bil­de­te Ei­ni­gungs­stel­le und der An­nah­me die­ser Be­stel­lung durch den Bei­sit­zer abhängig (BAG 19. Au­gust 1992 - 7 ABR 58/91 - AP Be­trVG 1972 § 76a Nr. 3 = EzA Be­trVG 1972 § 76a Nr. 7, zu B II 2 a der Gründe). Bei der Aus­wahl der von ihm zu be­nen­nen­den Ei­ni­gungs­stel­len­mit­glie­der muss der Be­triebs­rat nicht prüfen, ob die Be­nen­nung ei­nes oder meh­re­rer be­triebs­frem­der Bei­sit­zer er­for­der­lich ist (BAG 24. April 1996 - 7 ABR 40/95 - AP Be­trVG 1972 § 76 Ei­ni­gungs­stel­le Nr. 5 = EzA Be­trVG 1972 § 76a Nr. 10, zu B 3 der Gründe). Der Be­schluss des Be­triebs­rats über die Be­stel­lung ei­nes ex­ter­nen Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­zers muss den all­ge­mei­nen Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zun­gen genügen. Fehlt es an ei­ner ord­nungs­gemäßen Be­schluss­fas­sung, so entfällt schon des­halb ein Ho­no­raran­spruch aus § 76a Abs. 3 Be­trVG.


2. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend er­kannt, dass der Be­schluss vom 9. Fe­bru­ar 2004 den für die ord­nungs­gemäße Be­schluss­fas­sung des Be­triebs­rats gel­ten­den An­for­de­run­gen (da­zu zu­letzt BAG 24. Mai 2006 - 7 AZR 201/05 - Rn. 17 ff., AP Be­trVG 1972 § 29 Nr. 6 = EzA Be­trVG 2001 § 29 Nr. 1) nicht genügt und da­her un­wirk­sam ist. Der Be­triebs­rat war in sei­ner Sit­zung am 9. Fe­bru­ar 2004 an ei­ner Be­schluss­fas­sung über die von ihm zu be­nen­nen­den Ei­ni­gungs­stel­len­mit­glie­der ge­hin­dert, da die Ein­la­dung zu der Be­triebs­rats­sit­zung kei­nen Ta­ges­ord­nungs­punkt ent­hielt, der dem Be­triebs­rat ei­ne ent­spre­chen­de Be­schluss­fas­sung ermöglich­te. Die Ta­ges­ord­nung konn­te in der Sit­zung am 9. Fe­bru­ar 2004 nicht ergänzt wer­den, weil nicht al­le Be­triebs­rats­mit­glie­der an­we­send wa­ren. Die­se Würdi­gung des Be­schwer­de­ge­richts wird von der An­trag­stel­le­rin in der Rechts­be­schwer­de­instanz nicht mehr in Fra­ge ge­stellt.


Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat aber zu Un­recht an­ge­nom­men, dass der Be­triebs­rat mit ei­nem in der Be­triebs­rats­sit­zung vom 20. Mai 2005 ge­fass­ten Be­schluss die Be­stel­lung der An­trag­stel­le­rin zur Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­ze­rin nicht ge­neh­mi­gen konn­te. Viel­mehr war ei­ne zu­vor zwi­schen der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den/stell-ver­tre­ten­den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den oder ei­nem an­de­ren vom Be­triebs­rat be­vollmäch­tig­ten Be­triebs­rats­mit­glied ei­ner­seits und der An­trag­stel­le­rin an­de­rer­seits ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung über ih­re Be­stel­lung zur Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­ze­rin ge­neh­mi­gungsfähig. Ei­ne der­ar­ti­ge Ver­ein­ba­rung war zwar auf Grund des ver­fah­rens­feh­ler­haf­ten Be­triebs­rats­be­schlus­ses vom 9. Fe­bru­ar 2004 und der des­halb feh­len­den
 


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Ver­tre­tungs­macht der für den Be­triebs­rat han­deln­den Per­son schwe­bend un­wirk­sam. Der Be­triebs­rat konn­te die ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung aber durch ei­nen ord­nungs-gemäßen Be­schluss am 20. Mai 2005 ge­neh­mi­gen. Die durch die Ge­neh­mi­gung ein­tre­ten­den Rechts­wir­kun­gen wären in die­sem Fall durch die Fik­ti­on des § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeit­punkt der Be­stel­lung der An­trag­stel­le­rin zurück­be­zo­gen. Da der Se­nat die Wirk­sam­keit des in der Be­triebs­rats­sit­zung vom 20. Mai 2005 ge­fass­ten Be­schlus­ses auf Grund der bis­her vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen nicht be­ur­tei­len kann, muss die Sa­che an das Be­schwer­de­ge­richt zurück-ver­wie­sen wer­den.


a) Ver­ein­ba­run­gen, die der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de, sein Stell­ver­tre­ter (oder ein an­de­res be­auf­trag­tes Be­triebs­rats­mit­glied) oh­ne ei­nen wirk­sa­men Be­triebs­rats­be­schluss ab­ge­schlos­sen ha­ben, sind nach § 177 Abs. 1 BGB schwe­bend un­wirk­sam. Sie können je­doch vom Be­triebs­rat durch ei­ne späte­re ord­nungs­gemäße Be­schluss­fas­sung nach § 184 Abs. 1 BGB ge­neh­migt wer­den.


Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG ver­tritt der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de oder im Fall sei­ner Ver­hin­de­rung sein Stell­ver­tre­ter den Be­triebs­rat im Rah­men der von ihm ge­fass­ten Be­schlüsse. Die Be­schlüsse des Be­triebs­rats die­nen der in­ter­nen Wil­lens­bil­dung des Gre­mi­ums. Nur ein ord­nungs­gemäßer Be­triebs­rats­be­schluss schafft die Le­gi­ti­ma­ti­on für die Hand­lun­gen und Erklärun­gen des Be­triebs­rats und der für ihn täti­gen Per­so­nen, so­weit nicht durch be­son­de­re ge­setz­li­che Re­ge­lun­gen dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den oder sei­nem Stell­ver­tre­ter ei­ne Al­lein­zuständig­keit zu­ge­wie­sen ist. Ein un­ter Miss­ach­tung zwin­gen­der Ver­fah­rens­vor­schrif­ten zu­stan­de ge­kom­me­ner Be­schluss des Be­triebs­rats ist un­wirk­sam und ent­fal­tet kei­ne Rechts­wir­kun­gen. Der Be­triebs­rat kann aber er­neut über die An­ge­le­gen­heit be­sch­ließen. Der im Rah­men ei­ner er­neu­ten Be­fas­sung ge­trof­fe­ne Be­schluss wirkt da­bei grundsätz­lich nicht auf den Zeit­punkt der erst­ma­li­gen und we­gen des Ver­fah­rens­feh­lers un­wirk­sa­men Be­schluss­fas­sung zurück, son­dern schafft erst für die Zu­kunft ei­ne Rechts­grund­la­ge für die Hand­lun­gen und Erklärun­gen des Be­triebs­rats zu die­sem Be­schluss­ge­gen­stand.


Der Be­triebs­rat kann al­ler­dings durch die nachträgli­che Be­schluss­fas­sung ei­ne vom dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den zu­vor oh­ne Rechts­grund­la­ge ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung ge­neh­mi­gen. Denn der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de han­delt im Rah­men der für den Be­triebs­rat ab­ge­ge­be­nen Erklärun­gen als ge­setz­li­cher Ver­tre­ter des Be­triebs­rats. Fehlt es an ei­nem Be­triebs­rats­be­schluss oder ist der Be­schluss un­wirk­sam, han­delt der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de oh­ne Ver­tre­tungs­macht. Ei­ne von dem Be­triebs-


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rats­vor­sit­zen­den ab­ge­schlos­se­ne Ver­ein­ba­rung, die nicht auf ei­nem zu­vor ge­fass­ten wirk­sa­men Be­triebs­rats­be­schluss be­ruht, ist schwe­bend un­wirk­sam. Ih­re Wirk­sam­keit hängt nach § 177 Abs. 1 BGB von der nachträgli­chen Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zu der Ver­ein­ba­rung ab (BAG 15. De­zem­ber 1961 - 1 AZR 207/59 - AP BGB § 615 Kurz­ar­beit Nr. 1, zu 4 c der Gründe). § 177 BGB gilt für al­le Rechts­geschäfte, die von ei­nem Ver­tre­ter oh­ne Ver­tre­tungs­macht vor­ge­nom­men wer­den (Münch­Komm BGB/Schramm 5. Aufl. § 177 Rn. 3 f.). Die Vor­schrift fin­det da­her nicht nur auf die ge­willkürte Ver­tre­tung, son­dern auch dann An­wen­dung, wenn ein ge­setz­li­cher Ver­tre­ter außer­halb der ihm ein­geräum­ten Ver­tre­tungs­macht han­delt (BGH 19. Ja­nu­ar 1973 - V ZR 115/70 - WM 1973, 460, zu B 1 der Gründe).


b) Ge­neh­migt der Be­triebs­rat das zunächst oh­ne Ver­tre­tungs­macht ab­ge­schlos­se­ne Rechts­geschäft, wirkt die Ge­neh­mi­gung nach § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeit­punkt der Vor­nah­me des Rechts­geschäfts zurück, so­weit nichts an­de­res be­stimmt ist. Das von dem Ver­tre­ter ab­ge­schlos­se­ne Rechts­geschäft wird auf Grund der Ge­neh­mi­gung so be­han­delt, als sei es bei sei­ner Vor­nah­me so­gleich wirk­sam ge­wor­den (Münch­KommBGB/Schramm § 177 Rn. 44).


aa) Das Recht des Ver­tre­te­nen, ei­nem in sei­nem Na­men ab­ge­schlos­se­nen Rechts­geschäft nachträglich zu­zu­stim­men, ist von Ge­set­zes we­gen nicht be­fris­tet. Die Ge­neh­mi­gung kann da­her grundsätz­lich zeit­lich un­be­grenzt aus­ge­spro­chen wer­den. Der an­de­re Teil kann den Schwe­be­zu­stand be­en­den, in­dem er ent­we­der das Ver­tre­ter­geschäft wi­der­ruft oder den Ver­tre­te­nen auf­for­dert, sich zur Ge­neh­mi­gung zu erklären (§ 178 BGB). Die zeit­li­che Rücker­stre­ckung der Ge­neh­mi­gung auf den Zeit­punkt der Vor­nah­me des Rechts­geschäfts kann al­ler­dings durch des­sen Rechts­na­tur aus­ge­schlos­sen sein. Dies ist ins­be­son­de­re bei frist­ge­bun­de­nen Rechts­geschäften der Fall, zB wenn für die die Vor­nah­me des Rechts­geschäfts oder ei­ner Wil­lens­erklärung ei­ne ge­setz­li­che oder rechts­geschäft­li­che Frist ge­setzt ist (BGH 13. Ju­li 1973 - V ZR 16/73 - NJW 1973, 1789, zu 4. der Gründe; 15. Ju­ni 1960 - V ZR 191/58 - BGHZ 32, 375, 383) oder wenn die Rück­be­zie­hung zu sach­wid­ri­gen und mit den Wer­tun­gen an­de­rer Nor­men nicht zu ver­ein­ba­ren­den Er­geb­nis­sen führt (Stau­din­ger/Gurs­ky BGB 2004 § 184 Rn. 38).


bb) Die er­neu­te Be­schluss­fas­sung des Be­triebs­rats führt da­nach nicht stets zu ei­ner zeit­li­chen Rücker­stre­ckung auf den Zeit­punkt der ers­ten (un­wirk­sa­men) Be­schluss­fas­sung.


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Die Wir­kun­gen der er­neu­ten Be­schluss­fas­sung rich­ten sich re­gelmäßig nicht nach § 184 Abs. 1 BGB, wenn sie nicht die nachträgli­che Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zu ei­nem von dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den, sei­nem Stell­ver­tre­ter oder ei­nem sonst im Na­men des Be­triebs­rats han­deln­den Mit­glied ab­ge­schlos­se­nen Ver­trag zum Ge­gen-stand hat, da es in­so­weit an den tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 177 Abs. 1 BGB fehlt. Hier bleibt es bei dem Grund­satz, dass erst die erst­mals wirk­sa­me Be­schluss­fas­sung die Le­gi­ti­ma­ti­on für das Han­deln des Be­triebs­rats schafft.

Da­ne­ben ist die zeit­li­che Rücker­stre­ckung der Ge­neh­mi­gung aus­ge­schlos­sen, wenn die Be­schluss­fas­sung des Be­triebs­rats erst nach dem für die Be­ur­tei­lung ei­nes Sach­ver­halts maßgeb­li­chen Zeit­punkt er­folgt. Die­se Ein­schränkung be­trifft ins-be­son­de­re rechts­geschäft­li­che Ver­ein­ba­run­gen, durch die dem Ar­beit­ge­ber ei­ne Kos­ten­tra­gungs­pflicht auf­er­legt wird. In­so­weit wird die Rück­wir­kung der Ge­neh­mi­gung durch die nach § 40 Be­trVG ge­bo­te­ne Er­for­der­lich­keitsprüfung be­grenzt. Da­nach muss der Be­triebs­rat vor der Ver­ur­sa­chung von Kos­ten nach pflicht­gemäßer Würdi­gung al­ler Umstände über die Er­for­der­lich­keit ent­schei­den. Die Fra­ge der Er­for­der­lich­keit ist von dem Zeit­punkt des Be­schlus­ses aus zu be­ur­tei­len, der die Kos­ten aus­gelöst hat (BAG 15. No­vem­ber 2000 - 7 ABR 24/00 - EzA Be­trVG 1972 § 40 Nr. 92, zu B I 3 der Gründe; 19. April 1989 - 7 ABR 6/88 - BA­GE 61, 340 = AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 29 = EzA Be­trVG 1972 § 40 Nr. 62, zu B I 1 der Gründe). So hat der Se­nat ent­schie­den, dass ein nach dem Be­such ei­ner Schu­lungs­ver­an­stal­tung ge­fass­ter Be­triebs­rats­be­schluss, in dem die Teil­nah­me des Be­triebs­rats­mit­glieds ge­bil­ligt wird, kei­nen An­spruch des Be­triebs­rats nach § 40 Abs. 1 Be­trVG auf Kos­ten­tra­gung durch den Ar­beit­ge­ber be­gründet (8. März 2000 - 7 ABR 11/98 - BA­GE 94, 42 = AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 68 = EzA Be­trVG 1972 § 40 Nr. 90, zu B 3 der Gründe). Des wei­te­ren können wie bei der Ände­rung oder Auf­he­bung von Be­triebs­rats­be­schlüssen Ge­sichts­punk­te des Ver­trau­ens­schut­zes ei­ner zeit­li­chen Rücker­stre­ckung der Ge­neh­mi­gung ent­ge­gen­ste­hen (vgl. da­zu Fit­ting 23. Aufl. § 26 Rn. 29 f.; Raab/GK-Be­trVG 8. Aufl. § 26 Rn. 48 ff.).

c) Da­nach konn­te der Be­triebs­rat im Streit­fall mit ei­nem in der Be­triebs­rats­sit­zung vom 20. Mai 2005 ge­fass­ten Be­schluss die zu die­sem Zeit­punkt schwe­bend un­wirk­sa­me Be­stel­lung der An­trag­stel­le­rin als Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­ze­rin ge­neh­mi­gen.

Die Be­schluss­fas­sung des Be­triebs­rats über die Be­stel­lung ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­zers ist nicht frist­ge­bun­den. Ei­ne ge­setz­li­che Frist, in­ner­halb de­rer die Be­stel­lung zu er­fol­gen hat, be­steht nicht. Der Be­triebs­rat muss die Ent­schei­dung über

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die Be­stel­lung sei­ner Bei­sit­zer nicht auf der Grund­la­ge der zu Be­ginn des Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­rens maßgeb­li­chen Umstände tref­fen, da sei­ne Ent­schei­dung durch den Grund­satz der Er­for­der­lich­keit an­ders bei der Be­schluss­fas­sung über die Ent­sen­dung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds zu ei­ner Schu­lungs­ver­an­stal­tung nicht ein­ge­schränkt wird. Der Be­triebs­rat war an der Be­schluss­fas­sung am 20. Mai 2005 auch nicht des­halb ge­hin­dert, weil die Tätig­keit der Ei­ni­gungs­stel­le zu die­sem Zeit­punkt be­reits be­en­det war. Der Be­triebs­rat bleibt bis zur vollständi­gen Ab­wick­lung der noch nicht erfüll­ten Vergütungs­ansprüche der von ihm in die Ei­ni­gungs­stel­le ent­sand­ten Bei­sit­zer zu ei­ner Be­schluss­fas­sung wei­ter zuständig.

Die sich aus der Ge­neh­mi­gung er­ge­ben­den Rechts­fol­gen wer­den nicht durch ei­nen zu Guns­ten der Ar­beit­ge­be­rin be­ste­hen­den Ver­trau­ens­schutz be­grenzt. Die Ge­neh­mi­gung ei­ner zu­vor schwe­bend un­wirk­sa­men Be­stel­lung der An­trag­stel­le­rin als Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­ze­rin greift nicht in wohl­er­wor­be­ne Rechts­po­si­tio­nen der Ar­beit­ge­be­rin ein. Es be­darf kei­ner Ent­schei­dung, in­wie­weit Grundsätze des Ver­trau­ens­schut­zes all­ge­mein die zeit­li­che Rücker­stre­ckung ei­ner Ge­neh­mi­gung für ein für den Be­triebs­rat ab­ge­schlos­se­nes Rechts­geschäft be­gren­zen können. Im Streit­fall be­stand bis zur Be­schluss­fas­sung des Be­triebs­rats am 20. Mai 2005 kei­ne ge­si­cher­te Rechts­po­si­ti­on der Ar­beit­ge­be­rin, auf Grund de­rer sie dar­auf ver­trau­en konn­te, von der An­trag­stel­le­rin auf die Zah­lung der sich aus § 76a Abs. 3 Be­trVG er­ge­ben­den Vergütung nicht mehr in An­spruch ge­nom­men zu wer­den. Die Ar­beit­ge­be­rin hat­te von den Ver­fah­rens­feh­lern bei der Be­schluss­fas­sung am 9. Fe­bru­ar 2004 bis zur Ein­lei­tung des vor­lie­gen­den Be­schluss­ver­fah­rens kei­ne Kennt­nis. Sie muss­te da­her mit ei­nem Ho­no­raran­spruch der An­trag­stel­le­rin rech­nen. Da­ne­ben hat­te der Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te der An­trag­stel­le­rin be­reits während des erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens im Schrift­satz vom 26. April 2005 die „Bestäti­gung“ der Be­stel­lung der An­trag­stel­le­rin an­gekündigt.


II. Der Se­nat kann die Sa­che nicht ab­sch­ließend ent­schei­den, so dass sie an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen ist. Der Se­nat kann nicht be­ur­tei­len, ob der An­trag­stel­le­rin der gel­tend ge­mach­te Zah­lungs­an­spruch zu­steht. Die Be­gründet­heit des An­trags ist vom Vor­lie­gen ei­nes ge­neh­mi­gungsfähi­gen Rechts­geschäfts über die Be­stel­lung der An­trag­stel­le­rin als Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­ze­rin und der ord­nungs­gemäßen Ein­la­dung zu der Be­triebs­rats­sit­zung vom 20. Mai 2005 abhängig.


1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird zunächst auf­zuklären ha­ben, ob der An­trag­stel­le­rin von der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den oder ei­nem vom Be­triebs­rat ent­spre­chend
 


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be­vollmäch­tig­tem Mit­glied das Amt der Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­ze­rin an­ge­bo­ten wor­den ist und sie ih­re Be­reit­schaft zur Über­nah­me erklärt hat. Über die tatsächli­chen Vorgänge, die zu der Be­stel­lung der An­trag­stel­le­rin geführt ha­ben, ha­ben die Be­tei­lig­ten bis­her kei­nen Vor­trag ge­hal­ten. Ist die An­trag­stel­le­rin durch ei­ne mit dem Be­triebs­rat ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung zur Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­ze­rin be­stellt wor­den, konn­te der Be­triebs­rat durch den Be­schluss vom 20. Mai 2005 die zu die­sem Zeit­punkt schwe­bend un­wirk­sa­me Ver­ein­ba­rung ge­neh­mi­gen.

2. Da­ne­ben wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt auf­zuklären ha­ben, ob die Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de sämt­li­che Be­triebs­rats­mit­glie­der zu der Sit­zung am 20. Mai 2005 un­ter Mit­tei­lung der Ta­ges­ord­nung ge­la­den hat. Die Ar­beit­ge­be­rin hat in den Vor­in­stan­zen die Ord­nungsmäßig­keit des Be­triebs­rats­be­schlus­ses vom 20. Mai 2005 in Fra­ge ge­stellt. Be­gründe­te Zwei­fel ge­genüber der Recht­zei­tig­keit der La­dung und dem In­halt des Ein­la­dungs­schrei­bens so­wie hin­sicht­lich der Be­schlussfähig­keit des Gre­mi­ums (§ 33 Abs. 2 Be­trVG) be­ste­hen nicht. Nach der Ein­la­dung soll­te un­ter dem Ta­ge­ord­nungs­punkt 4 die Be­schluss­fas­sung über die Bei­sit­zer in der Ei­ni­gungs­stel­le „In­ter­es­sen­aus­gleich/So­zi­al­plan“ wie­der­holt wer­den. Nach der vom Be­triebs­rat vor-ge­leg­ten An­we­sen­heits­lis­te wa­ren in der Sit­zung vom 20. Mai 2005 fünf der sie­ben Mit­glie­der an­we­send, die ein­stim­mig für die Bestäti­gung der Be­schluss­fas­sung vom 9. Fe­bru­ar 2004 ge­stimmt ha­ben. Da die Ar­beit­ge­be­rin je­doch be­strit­ten hat, dass die Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de die La­dun­gen den Be­triebs­rats­mit­glie­dern persönlich über­ge­ben bzw. nach Hau­se ge­schickt hat und nur fünf der sie­ben Be­triebs­rats­mit­glie­der an der Sit­zung teil­ge­nom­men ha­ben, ist fest­zu­stel­len, ob al­le Be­triebs­rats­mit­glie­der die La­dung er­hal­ten ha­ben oder nicht.

Dörner 

Gräfl 

Koch

Busch 

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