UPDATE
ARBEITSRECHT
Ausgabe
ENTSCHEIDUNGSREPORT FÜR DIE BETRIEBLICHE PRAXIS 16|2023

Update Arbeitsrecht 16|2023 vom 09.08.2023

Leitsatzreport

Arbeitsgericht Mannheim: Verringerung der Vergütung eines Betriebsrats wegen Verletzung des Begünstigungsverbots

Arbeitsgericht Mannheim, Urteil vom 07.03.2023, 7 Ca 139/22

§ 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Leitsätze des Gerichts:

1. Einzelfallentscheidung zur Frage der angemessenen Vergütung eines Betriebsratsvorsitzenden

2.Soweit ein Betriebsratsmitglied Vergütungsansprüche mit dem Argument geltend macht, diese hätte er auf einer ihm angebotenen, aber von ihm ausgeschlagenen Stelle erzielt, setzt dies jedenfalls voraus, dass sämtliche Voraussetzungen zum Abschluss eines entsprechenden Arbeitsvertrages vorliegen, die Bekleidung der Stelle also ausschließlich noch vom Willen des Betriebsratsmitglieds abhängt. Dies ist nicht der Fall, wenn zum Zeitpunkt der Ausschlagung der Stelle die für den Abschluss des Arbeitsvertrages erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrats fehlt.

3. Auf Stellenangebote des Arbeitgebers, die dem Betriebsratsmitglied allein aufgrund seines Betriebsratsamtes in Aussicht gestellt wurden, kann sich das Betriebsratsmitglied zur Begründung von Vergütungsansprüchen nach § 78 Satz 2 BetrVG nicht berufen.

4. Auch eine jahrelange Zahlungspraxis kann keinen Vertrauenstatbestand für Zahlungen für die Zukunft begründen, wenn diese Zahlungen gegen § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen.

5. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes nach § 61 Abs. 1 ArbGG ist hinsichtlich bezifferter Zahlungsanträge im Regelfall nicht erforderlich.

Hintergrund:

Ein Arbeitnehmer hatte seit 1986 eine erfolgreiche Berufslaufbahn in einem metallverarbeitenden Unternehmen absolviert. Nachdem er zunächst eine Ausbildung als Dreher gemacht hatte und ab 1992 als Kesselwärter und kurz danach als Schlosser tätig war, wurde er 1994 erstmals in den Betriebsrat gewählt und war dort seit 2002 als freigestellter Vorsitzender tätig. Während er zunächst tariflich bezahlt wurde, führte der Arbeitgeber ihn seit April 2006 als außertariflichen Angestellten und gewährte ihm in der Folgezeit immer wieder beträchtliche Gehaltserhöhungen, so dass er zuletzt auf eine Jahresvergütung von 165.583,31 EUR brutto kam. Diese Vergütung kürzte der Arbeitgeber aufgrund rechtlicher Bedenken wegen einer möglichen, gegen § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verstoßenden Betriebsrats-Begünstigung ab Mai 2022 auf 96.734,44 EUR brutto p.a. Auch die Dienstwagenberechtigung wurde widerrufen. Der Betriebsratsvorsitzende klagte auf Zahlung der aus seiner Sicht zu Unrecht einbehaltenen Vergütungsbestandteile und auf die Feststellung, dass ihm eine Vergütung von 10.888,06 EUR monatlich und von 165.682,61 EUR brutto jährlich zustehe. Außerdem klagte er auf Gewährung eines Dienstwagens. Das Arbeitsgericht Mannheim wies die Klage ab. Der Betriebsratsvorsitzende hatte sich vergeblich u.a. darauf berufen, dass ihm 2009 eine Stabsstelle im Personalbereich mit einem deutlich über 100.000,00 EUR liegenden Jahresgehalt angeboten worden wurde, die er aber nicht angenommen hatte.

Arbeitsgericht Mannheim, Urteil vom 07.03.2023, 7 Ca 139/22

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

IMPRESSUM