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BAG, Ur­teil vom 20.01.2016, 7 AZR 535/13

   
Schlagworte: Leiharbeit, Zeitarbeit
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 AZR 535/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.01.2016
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 30.08.2012 - 17 Ca 10091/11
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.03.2013 - 6 Sa 105/12
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

7 AZR 535/13
6 Sa 105/12
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Ba­den-Würt­tem­berg 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
20. Ja­nu­ar 2016

UR­TEIL

Schie­ge, Ur­kunds­be­am­ter
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 20. Ja­nu­ar 2016 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gräfl, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Kiel und die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Renn­pferdt so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Glock und Au­hu­ber für Recht er­kannt:

 

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Auf die Re­vi­si­on der Kläge­rin wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg vom 9. April 2013 - 6 Sa 105/12 - auf­ge­ho­ben.

Die Sa­che wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen ih­nen durch ei­ne von der Be­klag­ten aus­ge­spro­che­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit Aus­lauf­frist zum 31. De­zem­ber 2011 be­en­det wor­den ist oder ob es bis zum 31. De­zem­ber 2012 fort­be­stan­den hat.

Die Kläge­rin ar­bei­te­te auf der Grund­la­ge ei­nes Ar­beits­ver­trags vom 8. Ju­li 2005 seit dem 16. Ju­li 2005 bei der Be­klag­ten bzw. bei de­ren Rechts­vorgänge­rin, der B M C AG (BMC), als persönli­che Se­kretärin des ehe­ma­li­gen Vor­stands­vor­sit­zen­den H. Sie er­hielt zu­letzt ei­ne Mo­nats­vergütung iHv. 5.705,90 Eu­ro brut­to.

Am 28. Ok­to­ber 2008 schlos­sen die Par­tei­en fol­gen­de Ergänzungs­ver­ein­ba­rung zu dem Ar­beits­ver­trag vom 8. Ju­li 2005:

„Die­ser An­stel­lungs­ver­trag ist bis zum 31. De­zem­ber 2012 fest ge­schlos­sen und verlängert sich je­weils au­to­ma­tisch um ein Jahr, wenn er nicht 3 Mo­na­te vor Ab­lauf des je­wei­li­gen Ka­len­der­jah­res gekündigt wird.“

Herr H war von Ju­li 2004 bis Sep­tem­ber 2006 Auf­sichts­rats­mit­glied der Be­klag­ten so­wie von Ok­to­ber 2006 bis Mai 2009 de­ren Vor­stands­vor­sit­zen­der und zu­gleich Geschäftsführer der M H GmbH. Die M H GmbH schloss mit der Be­klag­ten am 1. Au­gust/7. Sep­tem­ber 2009 ei­nen Dienst­leis­tungs­ver­trag, der ua. fol­gen­de Re­ge­lun­gen enthält:

 

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„Präam­bel

Frau B ist bei der BMC als kaufmänni­sche An­ge­stell­te beschäftigt. Nach­dem der bis­he­ri­ge Ar­beits­be­reich von Frau B ent­fal­len ist und da­mit Ver­wal­tungs­ka­pa­zitäten frei wer­den, er­bringt die BMC zukünf­tig Büro­ser­vice und sons­ti­ge Dienst­leis­tun­gen ge­genüber der MH.

§ 1 Ver­trags­ge­gen­stand/Leis­tun­gen

Die BMC er­bringt ge­genüber der MH Büro­ser­vice-, Se­kre­ta­ri­ats- und sons­ti­ge Dienst­leis­tun­gen. Die Dienst­leis­tun­gen wer­den aus­sch­ließlich durch Frau B er­bracht.
...

§ 4 Ver­trags­lauf­zeit/Kündi­gung

Der Ver­trag be­ginnt am 1. Au­gust 2009 und wird auf un­be­stimm­te Zeit ge­schlos­sen. Er kann von bei­den Sei­ten un­ter Ein­hal­tung ei­ner Frist von 1 Mo­nat zum Mo­nats­en­de gekündigt wer­den, erst­mals zum 31.12.2009. Die Kündi­gung be­darf der Schrift­form.“

Die Be­klag­te be­saß kei­ne Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung. Zwi­schen der Be­klag­ten und der M H GmbH gab es kei­nen Be­herr­schungs­ver­trag.

Ab 1. Au­gust 2009 er­brach­te die Kläge­rin Se­kre­ta­ri­ats­ar­bei­ten auf der Grund­la­ge des Dienst­leis­tungs­ver­trags vom 1. Au­gust/7. Sep­tem­ber 2009 für die M H GmbH. Vom Büro der Be­klag­ten war ein Teil für die M H GmbH ab­ge­trennt. Die Kläge­rin war Herrn H als Geschäftsführer der M H GmbH wei­sungs-un­ter­wor­fen. Die Be­klag­te stell­te der M H GmbH, die kei­ne wei­te­ren Ar­beit­neh­mer beschäftig­te, für die Tätig­keit der Kläge­rin mo­nat­lich 6.646,59 Eu­ro zuzüglich Mehr­wert­steu­er in Rech­nung.

Mit E-Mail vom 23. No­vem­ber 2011 kündig­te die M H GmbH den Dienst­leis­tungs­ver­trag durch ih­ren Geschäftsführer H zum 31. De­zem­ber 2011. Auf die Bit­te der Kläge­rin fand am 1. De­zem­ber 2011 ein Gespräch zwi­schen ihr und den da­ma­li­gen Vor­stands­mit­glie­dern der Be­klag­ten Z und Ho statt. Die Be­klag­te führ­te zum Zeit­punkt die­ses Gesprächs ei­ne ge­richt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit ih­rem vor­ma­li­gen Vor­stands­vor­sit­zen­den H. Ob die Kläge­rin in

 

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dem Gespräch Aus­kunft über Vorgänge be­tref­fend Herrn H aus der Zeit sei­ner Tätig­keit für die Be­klag­te ver­wei­ger­te, ist strei­tig. Auf die­sen Vor­wurf gestützt kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis je­den­falls mit Schrei­ben vom 12. De­zem­ber 2011 außer­or­dent­lich mit ei­ner so­zia­len Aus­lauf­frist zum 31. De­zem­ber 2011. Das Kündi­gungs­schrei­ben ging der Kläge­rin am 13. De­zem­ber 2011 zu.

Durch Be­schluss vom 15. Au­gust 2012 wies das Amts­ge­richt Stutt­gart den In­sol­venz­an­trag der M H GmbH man­gels Mas­se ab.

Mit der am 21. De­zem­ber 2011 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kündi­gungs­schutz­kla­ge hat die Kläge­rin die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die außer­or­dent­li­che Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses sei un­wirk­sam. Sie sei nicht durch ei­nen wich­ti­gen Grund ge­recht­fer­tigt. Im Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gung ha­be mit der Be­klag­ten noch ein Ar­beits­verhält­nis be­stan­den. Das mit ihr be­gründe­te Ar­beits­verhält­nis ha­be nicht mit dem 1. De­zem­ber 2011 we­gen ei­ner feh­len­den Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung ge­en­det. We­der lägen die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner un­er­laub­ten Ar­beit­neh­merüber­las­sung vor noch ha­be sie ei­nem Ar­beit­ge­ber­wech­sel von der Be­klag­ten zu der M H GmbH zu­ge­stimmt.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt 

fest­zu­stel­len, dass die von der Be­klag­ten mit da­tier­tem Schrei­ben vom 12. De­zem­ber 2011 erklärte Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­wirk­sam ist und das Ar­beits­verhält­nis über den 31. De­zem­ber 2011 hin­aus zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen un­verändert fort­be­steht.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat zu­letzt die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass die Kündi­gungs­schutz­kla­ge schon des­halb kei­nen Er­folg ha­ben könne, weil zwi­schen den Par­tei­en zum Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gung kein Ar­beits­verhält­nis mehr be­stan­den ha­be. Der ursprüng­lich mit ihr be­ste­hen­de Ar­beits­ver­trag sei auf­grund der Über­las­sung der Kläge­rin an die M H GmbH nach § 9 Nr. 1 AÜG un­wirk­sam ge­wor­den, weil sie nicht über die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG er­for­der­li­che Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber- 

 

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las­sung verfügt ha­be. Statt­des­sen gel­te nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Ar­beits­verhält­nis mit der M H GmbH als zu­stan­de ge­kom­men. Je­den­falls sei ein mit ihr - der Be­klag­ten - be­ste­hen­des Ar­beits­verhält­nis wirk­sam zum 31. De­zem­ber 2011 gekündigt wor­den. Die Kläge­rin ha­be durch ih­re Ver­wei­ge­rungs­hal­tung im Gespräch am 1. De­zem­ber 2011 ei­nen ir­re­pa­ra­blen Ver­trau­ens­ver­lust ver­ur­sacht, in­dem sie Herrn H als po­ten­ti­el­len Pro­zess­geg­ner geschützt ha­be.

Das Ar­beits­ge­richt hat fest­ge­stellt, dass die außer­or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten un­wirk­sam sei, die­se aber in ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung zum 31. De­zem­ber 2012 um­zu­deu­ten sei, die das Ar­beits­verhält­nis zum 31. De­zem­ber 2012 be­en­det ha­be. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts ab­geändert und die Kla­ge ins­ge­samt ab­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on wen­det sich die Kläge­rin ge­gen die Ab­wei­sung der Kla­ge hin­sicht­lich der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31. De­zem­ber 2011. Die Be­klag­te be­gehrt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist be­gründet. Sie führt zur Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Lan­des­ar­beits­ge­richt. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­ge­be­nen Be­gründung kann die noch anhängi­ge Kla­ge nicht ab­ge­wie­sen wer­den.

A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass der Er­folg der recht­zei­tig nach § 4 Satz 1 KSchG er­ho­be­nen Kündi­gungs­schutz­kla­ge ua. das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen den Par­tei­en zum Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gung am 13. De­zem­ber 2011 vor­aus­setzt.

 

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I. Streit­ge­gen­stand ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge nach § 4 Satz 1 KSchG 15 ist, ob das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en aus An­lass ei­ner be­stimm­ten Kündi­gung zu dem von dem Ar­beit­ge­ber vor­ge­se­he­nen Ter­min auf­gelöst wor­den ist. Die be­gehr­te Fest­stel­lung er­for­dert nach dem Wort­laut der ge­setz­li­chen Be­stim­mung ei­ne Ent­schei­dung über das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses im Zeit­punkt der Kündi­gung. Mit der Rechts­kraft des Ur­teils im Kündi­gungs­schutz­pro­zess steht fest, dass das Ar­beits­verhält­nis bis zu dem vor­ge­se­he­nen Auflösungs­ter­min auch nicht durch mögli­che an­de­re Be­en­di­gungs­tat­bestände auf­gelöst wor­den ist. Die Rechts­kraft schließt gemäß § 322 ZPO im Verhält­nis der Par­tei­en zu­ein­an­der ei­ne hier­von ab­wei­chen­de ge­richt­li­che Fest­stel­lung in ei­nem späte­ren Ver­fah­ren aus (BAG 26. März 2015 - 2 AZR 783/13 - Rn. 18; 18. De­zem­ber 2014 - 2 AZR 163/14 - Rn. 22, BA­GE 150, 234; 27. Ja­nu­ar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13).

II. Da­mit ist Ge­gen­stand der noch anhängi­gen, ge­gen die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf­grund der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung zum 31. De­zem­ber 2011 ge­rich­te­ten Kündi­gungs­schutz­kla­ge auch die Fra­ge, ob im Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gung am 13. De­zem­ber 2011 zwi­schen den Par­tei­en noch ein Ar­beits­verhält­nis be­stand. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin ist das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum 31. De­zem­ber 2012 nicht rechts­kräftig durch das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts fest­ge­stellt. Viel­mehr hat die Be­klag­te ge­gen die­ses Ur­teil Be­ru­fung ein­ge­legt. Das Be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses zum Zeit­punkt der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung ist da­mit wei­ter­hin Vor­fra­ge für de­ren Wirk­sam­keit.

B. Auf­grund der bis­lang ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen kann der Se­nat nicht ab­sch­ließend be­ur­tei­len, ob zwi­schen den Par­tei­en zum Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gung am 13. De­zem­ber 2011 noch ein Ar­beits­verhält­nis be­stand.

I. Nach Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts war das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en be­reits vor dem 13. De­zem­ber 2011 be­en­det. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, der Dienst­leis­tungs­ver­trag zwi­schen der Be­klag­ten und der M H GmbH vom 1. Au­gust/7. Sep­tem­ber 2009 sei recht­lich als Ar­beit-

 

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neh­merüber­las­sungs­ver­trag zu qua­li­fi­zie­ren und der Be­klag­ten ha­be die Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung ge­fehlt. Da­mit sei­en der zwi­schen der Be­klag­ten und der M H GmbH ge­schlos­se­ne Über­las­sungs­ver­trag so­wie der mit der Kläge­rin ge­schlos­se­ne Ar­beits­ver­trag nach § 9 Nr. 1 AÜG un­wirk­sam ge­wor­den. Kraft ge­setz­li­cher Fik­ti­on gel­te zu­gleich ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen der M H GmbH (Ent­lei­he­rin) und der Kläge­rin (Leih­ar­beit­neh­me­rin) nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG als zu­stan­de ge­kom­men.

II. Die­se Be­gründung des Lan­des­ar­beits­ge­richts hält ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung nur teil­wei­se stand. Der ge­setz­li­che Ar­beit­ge­ber­wech­sel nach § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG tritt ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht al­lein des­halb ein, weil die Be­klag­te nicht über die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG er­for­der­li­che Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung verfügt hat. Die in § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG an­ge­ord­ne­ten Rechts­fol­gen sind nur dann ein­ge­tre­ten, wenn die Kläge­rin ab dem 1. De­zem­ber 2011 tatsächlich an die M H GmbH über­las­sen wor­den ist. Da­zu hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt bis­lang kei­ne Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen.

1. Zu­tref­fend ist das Lan­des­ar­beits­ge­richt da­von aus­ge­gan­gen, dass die Be­klag­te ab In­kraft­tre­ten der Ände­rung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG am 1. De­zem­ber 2011 für die Über­las­sung der Kläge­rin an die M H GmbH ei­ne Er­laub­nis nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG benötig­te. Hierüber verfügte die Be­klag­te nicht. We­der sind Aus­nah­men von der Er­laub­nis­pflicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 2a AÜG ge­ge­ben noch fin­det der Rechts­ge­dan­ke des § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG im vor­lie­gen­den Fall An­wen­dung.

a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG (in der ab 1. De­zem­ber 2011 gel­ten­den Fas­sung) bedürfen Ar­beit­ge­ber, die als Ver­lei­her Drit­ten (Ent­lei­hern) Ar­beit­neh­mer (Leih­ar­beit­neh­mer) im Rah­men ih­rer wirt­schaft­li­chen Tätig­keit zur Ar­beits­leis­tung über­las­sen wol­len, ei­ner Er­laub­nis.

aa) Die­se Vor­schrift fin­det seit ih­rem In­kraft­tre­ten am 1. De­zem­ber 2011 auf die Rechts­be­zie­hun­gen der Kläge­rin, der Be­klag­ten und der M H GmbH An-

 

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wen­dung. Das Ers­te Ge­setz zur Ände­rung des Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ge­set­zes - Ver­hin­de­rung von Miss­brauch der Ar­beit­neh­merüber­las­sung vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 642) enthält bezüglich des neu ge­fass­ten § 1 AÜG kei­ne Über­g­angs­re­ge­lung für Altfälle. Hierfür sah der Ge­setz­ge­ber ua. des­halb kei­ne Ver­an­las­sung, weil durch das In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes am 1. De­zem­ber 2011 und die Verkündung be­reits im Bun­des­ge­setz­blatt vom 29. April 2011 den Ver­lei­hern und Ent­lei­hern aus­rei­chend Zeit zur Verfügung stand, ih­re ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen und sons­ti­ge Re­ge­lun­gen bei Be­darf an die neue Rechts­la­ge an­zu­pas­sen (BT-Drs. 17/4804 S. 11).

bb) Die Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, die Be­klag­te ha­be durch den Dienst­leis­tungs­ver­trag vom 1. Au­gust/7. Sep­tem­ber 2009 als Ver­lei­he­rin die Kläge­rin ei­nem Drit­ten, der M H GmbH als Ent­lei­he­rin, zur Ar­beits­leis­tung über­las­sen, ist re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

(1) Ei­ne Über­las­sung zur Ar­beits­leis­tung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG liegt vor, wenn ei­nem Ent­lei­her Ar­beits­kräfte zur Verfügung ge­stellt wer­den, die in des­sen Be­trieb ein­ge­glie­dert sind und ih­re Ar­beit al­lein nach Wei­sun­gen des Ent­lei­hers und in des­sen In­ter­es­se ausführen (BAG 15. April 2014 - 3 AZR 395/11 - Rn. 20; 18. Ja­nu­ar 2012 - 7 AZR 723/10 - Rn. 26).

(2) Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts er­brach­te die Kläge­rin ab dem 1. Au­gust 2009 ih­re Se­kre­ta­ri­ats­ar­bei­ten für Herrn H als Geschäftsführer der M H GmbH. Sie war ihm ge­genüber wei­sungs­ge­bun­den und nicht ge­genüber der Be­klag­ten. Die M H GmbH un­ter­hielt ei­nen ei­genständi­gen Be­trieb. Ihr Geschäfts­zweck be­stand nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts im Er­werb und der Ver­wal­tung von Be­tei­li­gun­gen an In­dus­trie- und Han­dels­un­ter­neh­men im In- und Aus­land. Wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend an­ge­nom­men hat, steht dem Vor­lie­gen ei­nes Be­triebs nicht ent­ge­gen, dass die M H GmbH nur über ei­ne Büro­aus­stat­tung für ih­ren Geschäftsführer und die Kläge­rin verfügte. An­halts­punk­te dafür, dass es sich bei dem Ver­trag zwi­schen der M H GmbH und der Be­klag­ten um ei­nen Dienst­ver­trag oder ei­nen Werk­ver­trag ge­han­delt ha­ben könn­te, lie­gen nicht vor.

 

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cc) Die Über­las­sung der Kläge­rin er­folg­te im Rah­men der wirt­schaft­li­chen Tätig­keit der Be­klag­ten.

Der Ge­setz­ge­ber woll­te mit der Ände­rung von § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG die Vor­ga­ben der Richt­li­nie 2008/104/EG vom 19. No­vem­ber 2008 über Leih­ar­beit erfüllen (BT-Drs. 17/4804 S. 8). Dem­ent­spre­chend ist der in § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG ver­wen­de­te Be­griff der wirt­schaft­li­chen Tätig­keit uni­ons­rechts­kon­form aus­zu­le­gen. Dar­un­ter ver­steht der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on je­de Tätig­keit, die dar­in be­steht, Güter und Dienst­leis­tun­gen auf ei­nem be­stimm­ten Markt an­zu­bie­ten (zB EuGH 1. Ju­li 2008 - C-49/07 - [MO­TOE] Rn. 22, Slg. 2008, I-4863). Auch wenn die Aus­le­gung des Be­griffs der „wirt­schaft­li­chen Tätig­keit“ un­ter Be­ach­tung des Art. 1 Abs. 2 RL 2008/104/EG im Ein­zel­nen nicht ab­sch­ließend geklärt ist, be­steht an des­sen Vor­lie­gen hier je­den­falls kein Zwei­fel, da es sich bei der Be­klag­ten nicht um ei­nen ge­meinnützi­gen Rechts-träger han­delt (vgl. da­zu BAG 17. März 2015 - 1 ABR 62/12 (A) -). Un­er­heb­lich ist, dass die Be­klag­te Ar­beit­neh­merüber­las­sung ne­ben an­de­ren Tätig­kei­ten be­treibt. Die Er­laub­nis­pflicht nach dem AÜG ent­steht - bei Vor­lie­gen der sons­ti­gen Vor­aus­set­zun­gen - auch dann, wenn es sich bei der Ar­beit­neh­merüber­las­sung um ei­ne von meh­re­ren Ak­ti­vitäten des Ar­beit­ge­bers han­delt. An­dern­falls wäre der Schutz­zweck des Ge­set­zes nicht er­reicht (BAG 8. No­vem­ber 1978 - 5 AZR 261/77 - zu II 2 a der Gründe, BA­GE 31, 135; ErfK/Wank 16. Aufl. § 1 AÜG Rn. 26; Ha­mann Eu­ZA 2009, 287, 297 ff.; ders. ZESAR 2012, 103, 104 f.).

dd) So­weit das Lan­des­ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men hat, es lie­ge auch ei­ne vorüber­ge­hen­de Ar­beit­neh­merüber­las­sung vor, weil der Dienst­leis­tungs­ver­trag be­reits zum Jah­res­en­de 2009 erst­mals künd­bar war, kommt es dar­auf nicht an. Denn die Un­wirk­sam­keit des Ar­beits­ver­trags nach § 9 Nr. 1 AÜG tritt un­ge­ach­tet des Vor­lie­gens bzw. Nicht­vor­lie­gens des Merk­mals „vorüber­ge­hend“ ein. Zwar ver­bie­tet § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG die mehr als nur vorüber­ge­hen­de Über­las­sung von Ar­beit­neh­mern an Ent­lei­her (BAG 10. Ju­li 2013 - 7 ABR 91/11 - Rn. 32, BA­GE 145, 355). Die nur vorüber­ge­hen­de Über­las­sung ist da­her ei­ne Zulässig­keits­vor­aus­set­zung für die Ar­beit­neh­merüber­las­sung. Die Rechts­fol­ge

 

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der Un­wirk­sam­keit des Ar­beits­ver­trags kann aber nicht da­durch um­gan­gen wer­den, dass die Ar­beit­neh­merüber­las­sung ge­set­zes­wid­rig dau­er­haft er­folgt. Dies wäre mit dem Schutz­zweck des AÜG nicht in Ein­klang zu brin­gen. Viel-mehr fin­det § 9 Nr. 1 AÜG auch auf die ge­setz­wid­rig nicht vorüber­ge­hen­de und oh­ne Er­laub­nis be­trie­be­ne Ar­beit­neh­merüber­las­sung An­wen­dung.

b) Der Aus­nah­me­tat­be­stand des § 1 Abs. 3 AÜG von der Er­laub­nis­pflicht ist vor­lie­gend nicht ge­ge­ben.

Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG ist das AÜG nicht an­zu­wen­den auf die Ar­beit­neh­merüber­las­sung zwi­schen Ar­beit­ge­bern des­sel­ben Wirt­schafts­zweigs zur Ver­mei­dung von Kurz­ar­beit oder Ent­las­sun­gen, wenn ein für den Ent­lei­her und Ver­lei­her gel­ten­der Ta­rif­ver­trag dies vor­sieht. Ob die Über­las­sung der Kläge­rin an die M H GmbH ei­ner mögli­chen be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung der Kläge­rin ent­ge­gen­ge­wirkt hat - wofür die Präam­bel in dem Dienst­leis­tungs­ver­trag vom 1. Au­gust/7. Sep­tem­ber 2009 spre­chen könn­te -, kann da­hin­ste­hen. § 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG setzt ne­ben der Ver­mei­dung von Kurz­ar­beit oder Ent­las­sun­gen das Vor­han­den­sein ei­nes Ta­rif­ver­trags vor­aus, der für den Ver­lei­her und den Ent­lei­her des­sel­ben Wirt­schafts­zweigs gilt. Hier­an fehlt es vor­lie­gend.

c) Auch entfällt die Er­laub­nis­pflicht nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG. 

Nach die­ser Vor­schrift be­darf die Ar­beit­neh­merüber­las­sung kei­ner Er­laub­nis, wenn sie zwi­schen Kon­zern­un­ter­neh­men iSd. § 18 AktG er­folgt und wenn der Ar­beit­neh­mer nicht zum Zweck der Über­las­sung ein­ge­stellt oder beschäftigt wird. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen hier nicht vor. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG bil­den ein herr­schen­des und ein oder meh­re­re abhängi­ge Un­ter­neh­men ei­nen sog. Un­ter­ord­nungs­kon­zern, wenn sie un­ter der ein­heit­li­chen Lei­tung des herr­schen­den Un­ter­neh­mens zu­sam­men­ge­fasst sind. Von ei­nem abhängi­gen Un­ter­neh­men wird nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG ver­mu­tet, dass es mit dem herr­schen­den Un­ter­neh­men ei­nen Kon­zern bil­det (BAG 11. Fe­bru­ar 2015 - 7 ABR 98/12 - Rn. 23). Nach § 18 Abs. 2 AktG können auch selbständi­ge Un­ter­neh­men ei­nen Kon­zern bil­den, oh­ne dass das ei­ne Un­ter­neh­men von dem an­de­ren abhängig ist. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat das Vor­lie­gen ei­nes

 

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Kon­zerns hier ua. ver­neint, weil die Be­klag­te und die M H GmbH kei­ner ein­heit­li­chen Lei­tung un­ter­stan­den. Dies ist re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den. Bei In­kraft­tre­ten des geänder­ten § 1 Abs. 1 AÜG am 1. De­zem­ber 2011 war Herr H nicht mehr Vor­stands­vor­sit­zen­der der Be­klag­ten, so­dass je­den­falls zu die­sem Zeit­punkt kei­ne ein­heit­li­che Lei­tung mehr be­stand.

d) Der Aus­nah­me­tat­be­stand des § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG liegt eben­falls nicht vor. Da­nach fin­det das Ge­setz kei­ne An­wen­dung, wenn die Über­las­sung nur ge­le­gent­lich er­folgt und der Ar­beit­neh­mer nicht zum Zweck der Über­las­sung ein­ge­stellt und beschäftigt wird. Vor dem Hin­ter­grund des Aus­nah­me­cha­rak­ters, aber auch im Hin­blick auf den Schutz­zweck der Norm sind an das Er­for­der­nis ei­ner nur ge­le­gent­li­chen Über­las­sung stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len. Mit der Aus­nah­me­vor­schrift sol­len in Be­zug so­wohl auf den Ar­beit­neh­mer als auch auf das über­las­sen­de Un­ter­neh­men ge­le­gent­lich auf­tre­ten­de Über­las­sungsfälle aus­ge­klam­mert wer­den, wie zum Bei­spiel die Ab­de­ckung ei­nes kurz­fris­ti­gen Spit­zen­be­darfs ei­nes an­de­ren Un­ter­neh­mens (BT-Drs. 17/4804 S. 8).

Von ei­ner nur ge­le­gent­li­chen Über­las­sung der Kläge­rin an die M H GmbH kann schon an­ge­sichts der Über­las­sungs­dau­er von Au­gust 2009 bis De­zem­ber 2011 nicht aus­ge­gan­gen wer­den. Nach dem Dienst­leis­tungs­ver­trag vom 1. Au­gust/7. Sep­tem­ber 2009 soll­te die Kläge­rin auch nicht le­dig­lich Be­darfs­spit­zen ab­de­cken, son­dern auf un­be­stimm­te Zeit im Um­fang ih­rer vol­len Ar­beits­kraft bei der M H GmbH ein­ge­setzt wer­den. Tatsächlich war sie ab dem 1. Au­gust 2009 nur noch für die M H GmbH tätig und wur­de so­mit ab die­sem Zeit­punkt „zum Zwe­cke der Über­las­sung“ beschäftigt.

e) Die Ar­beit­neh­merüber­las­sung gilt auch nicht ent­spre­chend § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG als er­laubt.

aa) Nach § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG gilt die Er­laub­nis für die Ab­wick­lung der nach § 1 Abs. 1 AÜG er­laubt ab­ge­schlos­se­nen Verträge für längs­tens zwölf Mo­na­te als fort­be­ste­hend, wenn die Behörde die be­an­trag­te Verlänge­rung der Er­laub­nis ab­lehnt. Da­durch soll die Tätig­keit auf­grund fin­gier­ter Er­laub­nis zu

 

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Ab­wick­lungs­zwe­cken für längs­tens zwölf Mo­na­te fort­geführt wer­den können, wenn sie vor­her er­laubt war und sich der Ver­lei­her ver­geb­lich um ei­ne wei­te­re Er­laub­nis bemüht hat. Das Feh­len ei­ner Er­laub­nis soll der Ab­wick­lung be­ste­hen­der rechtmäßig im Rah­men er­laub­ter Ar­beit­neh­merüber­las­sung ge­schlos­se­ner Verträge dann nicht ent­ge­gen­ste­hen (BAG 23. Ju­li 2014 - 7 AZR 853/12 - Rn. 32). Zur Ver­mei­dung von Wer­tungs­wi­dersprüchen hat der Se­nat den die­ser Vor­schrift zu­grun­de lie­gen­den Rechts­ge­dan­ken auch auf die Si­tua­ti­on über­tra­gen, in der erst­mals durch die ge­setz­li­che Neu­re­ge­lung des AÜG ei­ne Er­laub­nis­pflicht ent­stan­den ist. Das gilt je­den­falls dann, wenn der Ver­lei­her ei­ne Er­laub­nis be­an­tragt hat (BAG 23. Ju­li 2014 - 7 AZR 853/12 - Rn. 33). Auf den Rechts­ge­dan­ken des § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG kann sich ein Ver­lei­her auch dann be­ru­fen, wenn er vor der Ge­set­zesände­rung kei­ne Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung benötig­te und ei­ne sol­che nicht be­an­tragt hat, weil ei­ne der­ar­ti­ge Er­laub­nis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG nicht hätte er­teilt wer­den können (BAG 23. Ju­li 2014 - 7 AZR 853/12 - Rn. 35).

bb) Im vor­lie­gen­den Fall fin­det § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG da­nach we­der un­mit­tel­ba­re noch ent­spre­chen­de An­wen­dung.

(1) Für die Zeit vor dem 1. De­zem­ber 2011 be­durf­te die Über­las­sung der Kläge­rin an die M H GmbH zwar nicht der Er­laub­nis nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Nach der bis zu die­sem Zeit­punkt gel­ten­den Ge­set­zes­fas­sung (Be­kannt­ma­chung vom 3. Fe­bru­ar 1995, BGBl. I S. 158) benötig­ten le­dig­lich Ar­beit­ge­ber, die „ge­werbsmäßig“ Ar­beit­neh­merüber­las­sung be­trie­ben, da­zu ei­ne Er­laub­nis. Ge­werbsmäßig iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG war nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Se­nats je­de nicht nur ge­le­gent­li­che, son­dern auf ei­ne ge­wis­se Dau­er an­ge­leg­te und auf die Er­zie­lung un­mit­tel­ba­rer oder mit­tel­ba­rer wirt­schaft­li­cher Vor­tei­le ge­rich­te­te selbständi­ge Tätig­keit. Ent­schei­den­des Kri­te­ri­um war die Ge­winn­erzie­lungs­ab­sicht. Da­bei kam es nicht dar­auf an, ob tat-sächlich ein Ge­winn er­zielt wur­de. An ei­ner Ge­winn­erzie­lungs­ab­sicht fehl­te es aber, wenn die Über­las­sung le­dig­lich ge­gen Er­stat­tung der Per­so­nal­kos­ten er-fol­gen soll­te und dem Ver­lei­her da­durch auch mit­tel­bar kei­ne wirt­schaft­li­chen

 

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Vor­tei­le er­wuch­sen (BAG 2. Ju­ni 2010 - 7 AZR 946/08 - Rn. 19; 25. Ja­nu­ar 2005 - 1 ABR 61/03 - zu B II 4 b bb (2) der Gründe, BA­GE 113, 218; zu mit­tel­ba­ren wirt­schaft­li­chen Vor­tei­len bei kon­zern­in­ter­ner Ar­beit­neh­merüber­las­sung BAG 18. Ju­li 2012 - 7 AZR 451/11 - Rn. 23). Nach dem Vor­brin­gen der Kläge­rin wur­den der M H GmbH je­weils nur die Per­so­nal­kos­ten in Rech­nung ge­stellt und von die­ser be­zahlt, so­dass für ei­ne Ge­winn­erzie­lungs­ab­sicht kein An­halts­punkt be­steht.

(2) Den­noch kommt ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung von § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG im vor­lie­gen­den Fall nicht in Be­tracht. Die Be­klag­te hat sich trotz Verkündung des Ers­ten Ge­set­zes zur Ände­rung des Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ge­set­zes - Ver­hin­de­rung von Miss­brauch der Ar­beit­neh­merüber­las­sung am 29. April 2011 nicht um die Er­tei­lung ei­ner Er­laub­nis nach § 1 AÜG bemüht. Es sind kei­ne Gründe er­sicht­lich, war­um der Be­klag­ten die Er­laub­nis nach § 3 AÜG hätte ver­sagt wer­den sol­len.

Ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung von § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG ist auch nicht des­halb in Erwägung zu zie­hen, weil ei­ne Über­las­sung der Kläge­rin nur noch bis zum 31. De­zem­ber 2011 er­fol­gen soll­te. Denn nicht die Be­klag­te, son­dern die M H GmbH hat­te den Dienst­leis­tungs­ver­trag vom 1. Au­gust/ 7. Sep­tem­ber 2009 vor dem In­kraft­tre­ten der Ge­set­zesände­rung mit Schrei­ben vom 23. No­vem­ber 2011 zum 31. De­zem­ber 2011 gekündigt. Die Kündi­gung ist da­mit nicht auf Ver­an­las­sung der Be­klag­ten er­folgt, um ei­ne ord­nungs­gemäße Ab­wick­lung be­ste­hen­der Verträge zu ermögli­chen.

2. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat je­doch zu Un­recht an­ge­nom­men, al­lein das Feh­len der er­for­der­li­chen Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung ha­be zur Un­wirk­sam­keit des Ar­beits­ver­trags der Par­tei­en nach § 9 Nr. 1 AÜG und da­mit zur Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses geführt. Der Ar­beits­ver­trag zwi­schen der Be­klag­ten und der Kläge­rin wäre nur dann nach § 9 Nr. 1 AÜG un­wirk­sam ge­wor­den, wenn die Kläge­rin ab dem Zeit­punkt der Er­laub­nis­pflicht der Ar­beit­neh­merüber­las­sung am 1. De­zem­ber 2011 tatsächlich an die M H GmbH über­las­sen wor­den wäre. Da­zu müss­te sie auch in der Zeit ab dem 1. De­zem­ber

 

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2011 in den Be­trieb der M H GmbH ein­ge­glie­dert ge­we­sen sein und für die­se Ar­beits­leis­tun­gen er­bracht ha­ben. Hier­zu hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt bis­lang kei­ne Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen. Al­lein der Fort­be­stand des Dienst­leis­tungs­ver­trags zwi­schen der Be­klag­ten und der M H GmbH bis zum 31. De­zem­ber 2011 reicht für den Ein­tritt der Rechts­fol­ge des § 9 Nr. 1 AÜG nicht aus. Dies hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht berück­sich­tigt.

a) § 9 Nr. 1 AÜG setzt vor­aus, dass der Ar­beit­neh­mer ei­nem Drit­ten zur Ar­beits­leis­tung tatsächlich über­las­sen wird. Dies er­gibt die Aus­le­gung der Vor­schrift.

aa) Dem Wort­laut des § 9 Nr. 1 AÜG, der für ei­ne Ar­beit­neh­merüber­las­sung oh­ne die er­for­der­li­che Er­laub­nis die Un­wirk­sam­keit des Ar­beits­ver­trags mit dem Ver­lei­her an­ord­net, kann zwar nicht un­mit­tel­bar ent­nom­men wer­den, ob der Ver­trag zwi­schen dem Ver­lei­her und dem Ar­beit­neh­mer von vorn­her­ein un­wirk­sam ist oder zum Zeit­punkt der zwi­schen dem Ver­lei­her und dem Ent­lei­her ver­ein­bar­ten Ar­beits­auf­nah­me un­wirk­sam wird oder ob der Ar­beits­ver­trag erst dann un­wirk­sam wird, wenn der Ar­beit­neh­mer dem Ent­lei­her tatsächlich über­las­sen wird, der Ar­beit­neh­mer al­so Ar­beits­leis­tun­gen für den Ent­lei­her er-bringt. § 9 Nr. 1 AÜG be­stimmt le­dig­lich die Un­wirk­sam­keit des Ver­trags, wenn der Ver­lei­her nicht die nach § 1 AÜG er­for­der­li­che Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung hat, oh­ne den Zeit­punkt fest­zu­le­gen, zu dem die Un­wirk­sam­keit des Ver­trags ein­tritt.

bb) Aus dem sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang zwi­schen § 9 Nr. 1 AÜG und § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG er­gibt sich al­ler­dings, dass die Un­wirk­sam­keit des Ver­trags zwi­schen dem Ver­lei­her und dem Ar­beit­neh­mer und die Ent­ste­hung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Ent­lei­her zu dem­sel­ben Zeit­punkt ein­tre­ten.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt im Fal­le der Un­wirk­sam­keit des Ar­beits­ver­trags zwi­schen dem Ver­lei­her und dem Ar­beit­neh­mer nach § 9 Nr. 1 AÜG ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Ar­beit­neh­mer als zu­stan­de ge­kom­men. Die Fik­ti­on des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG setzt die Un­wirk-

 

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sam­keit des Ver­trags zwi­schen dem Ver­lei­her und dem Ar­beit­neh­mer nach § 9 Nr. 1 AÜG vor­aus und ist für den Ar­beit­neh­mer ein Aus­gleich dafür, dass der mit dem Ver­lei­her ge­schlos­se­ne Ar­beits­ver­trag auf­grund der Über­las­sung oh­ne die er­for­der­li­che Er­laub­nis un­wirk­sam ist. Dar­aus ist zu schließen, dass bei­de Rechts­fol­gen zu dem­sel­ben Zeit­punkt ein­tre­ten.

cc) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Ar­beit­neh­mer zu dem Zeit­punkt als zu­stan­de ge­kom­men, der zwi­schen dem Ver­lei­her und dem Ent­lei­her für den Be­ginn der Tätig­keit vor­ge­se­hen ist. Tritt die Un­wirk­sam­keit des Ver­trags zwi­schen dem Ver­lei­her und dem Ar­beit­neh­mer nach § 9 Nr. 1 AÜG erst nach der Auf­nah­me der Tätig­keit beim Ent­lei­her ein, gilt das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Ar­beit­neh­mer mit dem Ein­tritt der Un­wirk­sam­keit als zu­stan­de ge­kom­men.

Der Wort­laut des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG könn­te zwar dafür spre­chen, dass die Fik­ti­on des Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Ar­beit­neh­mer - und da­mit auch die Un­wirk­sam­keit des Ver­trags zwi­schen dem Ver­lei­her und dem Ar­beit­neh­mer - im Zeit­punkt der zwi­schen dem Ver­lei­her und dem Ent­lei­her ver­ein­bar­ten Ar­beits­auf­nah­me bei dem Ent­lei­her - im Fal­le der erst späte­ren Un­wirk­sam­keit des Ver­trags zwi­schen dem Ver­lei­her und dem Ar­beit­neh­mer mit der Un­wirk­sam­keit - ein­tre­ten, un­abhängig da­von, ob der Ar­beit­neh­mer ab die­sem Zeit­punkt tatsächlich Leis­tun­gen für den Ent­lei­her er-bringt (so für die Fik­ti­on des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG et­wa Sand­mann/Mar­schall/Schnei­der AÜG Stand De­zem­ber 2015 AÜG Art. 1 § 10 Anm. 4; ErfK/Wank 16. Aufl. § 10 AÜG Rn. 3). Ein der­ar­tig en­ges Verständ­nis des Ge­set­zes­wort­lauts würde aber dem sys­te­ma­ti­schen Verhält­nis der § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zu § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG nicht ge­recht. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG kommt es für die Er­laub­nis­pflicht dar­auf an, dass ei­nem Ent­lei­her Ar­beits­kräfte zur Verfügung ge­stellt wer­den, die in des­sen Be­trieb ein­ge­glie­dert sind und ih­re Ar­beit al­lein nach Wei­sun­gen des Ent­lei­hers und in des­sen In­ter­es­se ausführen (BAG 15. April 2014 - 3 AZR 395/11 - Rn. 20; 18. Ja­nu­ar 2012 - 7 AZR 723/10 - Rn. 26). Es wäre nicht kon-

 

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se­quent, für die Er­laub­nis­pflicht der Ar­beit­neh­merüber­las­sung die tatsächli­che Ein­glie­de­rung in den Ent­lei­her­be­trieb vor­aus­zu­set­zen, für die Rechts­fol­gen bei feh­len­der Er­laub­nis aber aus­sch­ließlich auf die Ver­ein­ba­run­gen der Be­tei­lig­ten ab­zu­stel­len. Nur ein Verständ­nis, bei dem auch für den Ein­tritt der Rechts­fol­gen die tatsächli­che Beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers bei dem Ent­lei­her maßgeb­lich ist, ver­mei­det zu­dem prak­tisch nicht hand­hab­ba­re, vom Schutz­zweck der Nor­men nicht ge­bo­te­ne Er­geb­nis­se. Kann bei­spiels­wei­se ein nach dem Ar­beit-neh­merüber­las­sungs­ver­trag vor­ge­se­he­ner Ar­beit­neh­mer sei­ne Ar­beit im Ent­lei­her­be­trieb nicht auf­neh­men und ent­sen­det der Ver­lei­her für die­sen ei­ne Er­satz­kraft, würden - woll­te man al­lein auf die Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Ver­lei­her ab­stel­len - zwei Ar­beits­verhält­nis­se mit dem Ent­lei­her fin­giert, nämlich zum ei­nen mit dem Ar­beit­neh­mer, der ver­ein­ba­rungs­gemäß die Ar­beits­leis­tung beim Ent­lei­her hätte an­tre­ten sol­len und zum an­de­ren mit dem Leih­ar­beit­neh­mer, der an sei­ner Stel­le die Ar­beit auf­ge­nom­men hat. Die­ses Er­geb­nis ent­spricht er­sicht­lich nicht dem ge­setz­ge­be­ri­schen Re­ge­lungs­kon­zept (vgl. auch Schüren in Schüren/Ha­mann AÜG 4. Aufl. § 10 Rn. 47; Lembke in Bo­em­ke/Lembke AÜG 3. Aufl. § 10 Rn. 26 ff.). Dar­aus er­gibt sich, dass die Rechts­fol­gen des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG - und da­mit auch des § 9 Nr. 1 AÜG - an die tatsächli­che Über­las­sung des Ar­beit­neh­mers an den Ent­lei­her und da­mit an die Er­brin­gung von Ar­beits­leis­tun­gen für den Ent­lei­her an­knüpfen (so für § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG auch Schüren in Schüren/Ha­mann AÜG 4. Aufl. § 10 Rn. 35).

dd) Die­ses Verständ­nis ent­spricht auch dem Zweck der Re­ge­lun­gen in § 9 Nr. 1 AÜG und § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG. § 9 Nr. 1 AÜG ergänzt die Vor­schrift des § 1 AÜG. Die in § 1 AÜG nor­mier­te Er­laub­nis­pflicht für die Ar­beit­neh­merüber­las­sung dient da­zu, si­cher­zu­stel­len, dass Ar­beit­neh­merüber­las­sung nur von zu­verlässi­gen Ver­lei­hern be­trie­ben wird, die auch den so­zia­len Schutz der Leih­ar­beit­neh­mer gewähr­leis­ten (BT-Drs. VI/2303 S. 9). Die Sank­ti­on der Un­wirk­sam­keit des Ver­trags zwi­schen dem Ver­lei­her und dem Ar­beit­neh­mer soll die Ver­lei­her zu ei­nem ge­setzmäßigen Ver­hal­ten ver­an­las­sen (BT-Drs. VI/2303 S. 13). Die Fik­ti­on ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zum Ent­lei­her nach § 10 Abs. 1

 

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Satz 1 AÜG dient dem Schutz des Ar­beit­neh­mers, des­sen Ar­beits­ver­trag mit dem Ver­lei­her nach § 9 Nr. 1 AÜG un­wirk­sam ist (BT-Drs. VI/2303 S. 13 f.). Mit die­sem Re­ge­lungs­gefüge soll ein ge­rech­ter In­ter­es­sen­aus­gleich zwi­schen den Be­tei­lig­ten ge­schaf­fen wer­den. Da­bei ist nach der Ge­set­zes­be­gründung auch berück­sich­tigt, dass so­wohl der Ar­beit­neh­mer als auch der Ent­lei­her die­se Rechts­fol­gen ver­mei­den können, in­dem sie sich ver­ge­wis­sern, ob der Ver­lei­her die Er­laub­nis nach § 1 AÜG be­sitzt, was durch die schrift­li­chen Erklärun­gen des Ver­lei­hers nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG und § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG so­wie die Mit­tei­lungs­pflicht nach § 12 Abs. 2 AÜG er­leich­tert wird (BT-Drs. VI/2303 S. 14). Zu ver­mei­den sind die Rechts­fol­gen al­ler­dings nur dann, wenn tatsächlich kei­ne Über­las­sung statt­fin­det, dh. wenn der Ar­beit­neh­mer die Ar­beit bei dem Ent­lei­her nicht auf­nimmt bzw. - im Fal­le der später ein­tre­ten­den Un­wirk­sam­keit des Ver­trags mit dem Ver­lei­her - für den Ent­lei­her kei­ne Ar­beits­leis­tun­gen mehr er­bringt.

b) Nach die­sen Grundsätzen sind die Rechts­fol­gen der § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG im vor­lie­gen­den Fall nur ein­ge­tre­ten, wenn die Kläge­rin ab dem Zeit­punkt des Feh­lens der er­for­der­li­chen Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung, dh. ab dem 1. De­zem­ber 2011, noch Ar­beits­leis­tun­gen für die M H GmbH er­bracht hat. Dies hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt bei sei­ner Ent­schei­dung nicht berück­sich­tigt.

C. Da das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu ei­ner tatsächli­chen Beschäfti­gung der Kläge­rin bei der M H GmbH ab dem 1. De­zem­ber 2011 kei­ne Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen hat, ist das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts auf­zu­he­ben und die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Im Rah­men der neu­en Ver­hand­lung wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt zunächst zu prüfen ha­ben, ob die Kläge­rin ab dem 1. De­zem­ber 2011 noch für die M H GmbH ge­ar­bei­tet hat.

 

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I. Soll­te die Kläge­rin ab dem 1. De­zem­ber 2011 kei­ne Ar­beits­leis­tun­gen mehr für die M H GmbH er­bracht ha­ben, wäre der Ar­beits­ver­trag mit der Be­klag­ten nicht nach § 9 Nr. 1 AÜG un­wirk­sam ge­wor­den, so­dass zum Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gung der Be­klag­ten am 13. De­zem­ber 2011 noch ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en be­stan­den hätte. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird in die­sem Fall das Vor­lie­gen ei­nes wich­ti­gen Grun­des nach § 626 Abs. 1 BGB für die Kündi­gung zu prüfen ha­ben.

II. Soll­te die neue Ver­hand­lung er­ge­ben, dass die Kläge­rin ab dem 1. De­zem­ber 2011 noch Ar­beits­leis­tun­gen für die M H GmbH er­bracht hat, wäre der Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en nach § 9 Nr. 1 AÜG zu die­sem Zeit­punkt un­wirk­sam ge­wor­den. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG wäre gleich­zei­tig ein Ar­beits­verhält­nis mit der M H GmbH zu­stan­de ge­kom­men. Die Be­klag­te wäre da­her nicht mehr be­fugt ge­we­sen, das Ar­beits­verhält­nis am 13. De­zem­ber 2011 zu kündi­gen. Es hätte be­reits zu­vor am 1. De­zem­ber 2011 ge­en­det. Al­ler­dings konn­ten die Rechts­fol­gen der § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG nur ein­tre­ten, wenn die­se Re­ge­lun­gen ver­fas­sungs­kon­form sind, was von der Kläge­rin in Zwei­fel ge­zo­gen wird. Es wird da­her ggf. zu prüfen sein, ob die in § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG an­ge­ord­ne­ten Rechts­fol­gen mit Art. 12 Abs. 1 GG ver­ein­bar sind, ob­wohl dem Ar­beit­neh­mer nicht die Möglich­keit ein­geräumt ist, dem Ar­beit­ge­ber­wech­sel zu wi­der­spre­chen (vgl. zu ei­nem ge­setz­lich an­ge­ord­ne­ten Ar­beit­ge­ber­wech­sel im Zu­sam­men­hang mit der Pri­va­ti­sie­rung öffent­li­cher Ein­rich­tun­gen BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - BVerfGE 128, 157). In die­sem Zu­sam­men­hang wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt ggf. sämt­li­che Möglich­kei­ten ei­ner ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung in Be­tracht zu zie­hen ha­ben. Da­bei könn­te zu erwägen sein, ob den An­for­de­run­gen des Art. 12 Abs. 1 GG da­durch Rech­nung ge­tra­gen wer­den kann, dass der Ar­beit­neh­mer die in § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG an­ge­ord­ne­ten Rechts­fol­gen durch Ausübung ei­nes Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­rechts bis zur Erfüllung der In­for­ma­ti­ons- und

 

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Nach­weis­pflich­ten des Ver­lei­hers nach § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AÜG ver­hin­dern kann.

Gräfl 

M. Renn­pferdt 

Kiel

Au­hu­ber 

Glock

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