HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BVerwG, Ur­teil vom 23.03.2016, 10 C 23.14

   
Schlagworte: Handwerksinnung, Tarifbindung, OT-Mitgliedschaft
   
Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Aktenzeichen: 10 C 23.14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 23.03.2016
   
Leitsätze:

1. Die gesetzliche Konzeption der Mitgliedschaft in einer Handwerksinnung schließt es aus, dem Mitglied eine Wahlmöglichkeit darüber zu belassen, ob es durch die von der Innung geschlossenen Tarifverträge gebunden sein will.

2. Die Verantwortung der Innungsversammlung als Hauptorgan umfasst alle wesentlichen Entscheidungen und lässt eine Übertragung der Wahrnehmung einer gesamten Aufgabe der Innung auf einen Ausschuss nach § 67 HwO nicht zu.

3. Die Zuständigkeit der Innungsversammlung für die Feststellung des Haushaltsplans der Innung schließt es nach dem Grundsatz der Vollständigkeit und Einheit des Haushalts aus, Entscheidungen über Rücklagen für tarifpolitische Maßnahmen ausschließlich einem Ausschuss zu überlassen.

Vorinstanzen: Verwaltungsgericht Braunschweig, Urteil vom 19.12.2013, VG 1 A 58/13
Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 25.09.2014, OVG 8 LC 23/14
   

BUN­DES­VER­WAL­TUN­GS­GERICHT

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

BVerwG 10 C 23.14

OVG 8 LC 23/14

Verkündet

am 23. März 2016

...

als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che

 

- 2 -

hat der 10. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 23. März 2016
durch
den Präsi­den­ten des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts Prof. Dr. Dr. h.c. Ren­nert,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Held-Da­ab,
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Häußler,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Ru­black und
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Seegmüller

für Recht er­kannt:

Das am 20. Ok­to­ber 2014 be­rich­tig­te Ur­teil des Nie­dersäch­si­schen Ober­ver­wal­tungs­ge­richts vom 25. Sep­tem­ber 2014 wird geändert. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts Braun­schweig vom 19. De­zem­ber 2013 wird zurück­ge­wie­sen.

Die Kläge­rin trägt die Kos­ten des Be­ru­fungs- und des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens.

 

- 3 -

G r ü n d e :

I

Die Kläge­rin ist ei­ne Hand­werks­in­nung im Be­zirk der be­klag­ten Hand­werks­kam­mer. Sie be­gehrt die Ge­neh­mi­gung der Be­klag­ten für ei­ne Sat­zungsände­rung, mit der ei­ne Mit­glied­schaft oh­ne Ta­rif­bin­dung (so­ge­nann­te OT-Mit­glied­schaft) ein­geführt wer­den soll.

Be­reits 2007 be­an­trag­te die Kläge­rin die Ge­neh­mi­gung ei­ner Neu­fas­sung ih­rer Sat­zung, mit der ei­ne auf den je­wei­li­gen Ta­rif­ver­trag be­zo­ge­ne OT-Mit­glied­schaft ein­geführt wer­den soll­te. Die ge­gen den ab­leh­nen­den Be­scheid der Be­klag­ten ge­rich­te­te Kla­ge wies das Ver­wal­tungs­ge­richt mit rechts­kräfti­gem Ur­teil vom 17. März 2010 ab.

Die In­nungs­ver­samm­lung der Kläge­rin hielt an ih­rer Ab­sicht der Einführung ei­ner OT-Mit­glied­schaft fest. Sie be­schloss zunächst am 6. März 2012 so­wie - nach­dem die­se Sat­zungsände­rung von der Be­klag­ten mit Be­scheid vom 26. Ok­to­ber 2012 auch we­gen an­de­rer, hier nicht streit­ge­genständ­li­cher Be­stim­mun­gen ab­ge­lehnt wor­den war - er­neut am 14. No­vem­ber 2012 je­weils ein­stim­mig ei­ne Neu­fas­sung ih­rer Sat­zung. Sie lau­tet da­zu aus­zugs­wei­se:

§ 6a

(1) Die In­nung führt zwei Grup­pen von Mit­glie­dern, nämlich Mit­glie­der mit der Bin­dung an die von der In­nung ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge ("T-Mit­glie­der") und Mit­glie­der oh­ne Bin­dung an die von der In­nung ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge ("OT-Mit­glie­der").

(2) Die Mit­glie­der, die der In­nung als OT-Mit­glie­der an­gehören wol­len, ha­ben dies ge­genüber dem In­nungs­vor­stand zu­sam­men mit ih­rem Bei­tritts­an­trag zu erklären. In­nungs­mit­glie­der können be­an­tra­gen, ih­re Mit­glied­schaft von ei­ner sol­chen mit Ta­rif­bin­dung in ei­ne sol­che oh­ne Ta­rif­bin­dung oder auch um­ge­kehrt zu wech­seln. Der Wech­sel be­darf der sat­zungs­gemäßen An­nah­me. Die Art der Mit­glied­schaft kann nicht rück­wir­kend be­gründet oder ge­wech­selt wer­den.

 

- 4 -

(3) OT-Mit­glie­der neh­men an Wil­lens- und Ent­schei­dungs­bil­dun­gen der In­nung über In­nungs­ta­rif­verträge oder Ar­beitskämp­fe, wel­che die In­nung oder de­ren Mit­glie­der be­tref­fen, so­wie an hier­mit im Zu­sam­men­hang ste­hen­den so­zi­al­po­li­ti­schen Maßnah­men nicht teil. Im Übri­gen ha­ben sie die­sel­ben Rech­te und Pflich­ten wie In­nungs­mit­glie­der mit Ta­rif­bin­dung.

§ 37

(...)

(4) Die In­nungs­ver­samm­lung er­rich­tet ei­nen so­zi­al­po­li­ti­schen Aus­schuss. Der Aus­schuss be­steht aus ei­nem Vor­sit­zen­den so­wie aus zwei wei­te­ren Mit­glie­dern. Der Aus­schuss kann zur Erörte­rung und zur Wil­lens­bil­dung wei­te­re von der so­zi­al­po­li­ti­schen Maßnah­me be­trof­fe­ne T-Mit­glie­der her­an­zie­hen. Der Aus­schuss kann sich ei­ne Geschäfts­ord­nung ge­ben. Ihm können nur Mit­glie­der mit Ta­rif­bin­dung (T-Mit­glie­der) an­gehören. Dem so­zi­al­po­li­ti­schen Aus­schuss ob­lie­gen die Wil­lens- und Ent­schei­dungs­bil­dun­gen über In­nungs­ta­rif­verträge oder Ar­beitskämp­fe, wel­che die In­nung oder de­ren Mit­glie­der be­tref­fen, so­wie über hier­mit im Zu­sam­men­hang ste­hen­den so­zi­al­po­li­ti­schen Maßnah­men. Er kann Rück­la­gen für so­zi­al­po­li­ti­sche Maßnah­men or­ga­ni­sie­ren. OT-Mit­glie­der sind aus­ge­schlos­sen von der Verfügungs­ge­walt über et­wai­ge Streik- und/oder Aus­sper­rungs­fonds. Die Geschäfts­ord­nung des so­zi­al­po­li­ti­schen Aus­schus­ses so­wie de­ren Ergänzun­gen, Ände­run­gen oder Auf­he­bung wer­den von den Mit­glie­dern mit Ta­rif­bin­dung (T-Mit­glie­der) be­schlos­sen. Die­se Be­schlüsse sind für den Aus­schuss und für al­le Mit­glie­der mit Ta­rif­bin­dung (T-Mit­glie­der) ver­bind­lich.

Mit Be­scheid vom 18. Ja­nu­ar 2013 lehn­te die Be­klag­te ei­ne Ge­neh­mi­gung der Sat­zungsände­run­gen ab. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Kla­ge hat das Ver­wal­tungs­ge­richt mit Ur­teil vom 19. De­zem­ber 2013 ab­ge­wie­sen. Die Hand­werks­ord­nung se­he als For­men der Mit­glied­schaft aus­sch­ließlich die Voll­mit­glied­schaft und ei­ne Gast­mit­glied­schaft vor. Ei­ne wei­te­re Dif­fe­ren­zie­rung sei nicht zulässig.

Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt mit dem am 20. Ok­to­ber 2014 be­rich­tig­ten Ur­teil vom 25. Sep­tem­ber 2014 das erst­in­stanz­li­che Ur­teil geändert und die Be­klag­te zur Ge­neh­mi­gung der Sat­zungsände­rung ver­pflich­tet. Die Sat­zungs­be­stim­mun­gen hiel­ten sich im Rah­men der ge­setz­li-

 

- 5 -

chen Re­ge­lungs­ermäch­ti­gung zur Aus­ge­stal­tung der Rech­te und Pflich­ten der Mit­glie­der. Die Re­ge­lun­gen über die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Voll­mit­glied­schaft sprächen nicht da­ge­gen, ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen Grup­pen or­dent­li­cher Mit­glie­der mit ver­schie­de­nen Rech­ten und Pflich­ten ein­zuführen. Es sei zulässig, die Wil­lens- und Ent­schei­dungs­bil­dung über Ta­rif­verträge und da­mit zu­sam­menhängen­de Maßnah­men auf ei­nen Aus­schuss zu über­tra­gen. Die In­nung sei auch nicht ver­pflich­tet, für al­le or­dent­li­chen Mit­glie­der Ta­rif­verträge ab­zu­sch­ließen.

Die Be­klag­te macht zur Be­gründung Re­vi­si­on im We­sent­li­chen gel­tend, die Einführung neu­er Mit­glied­schafts­for­men in In­nun­gen sei dem Ge­setz­ge­ber vor­be­hal­ten. Die ge­setz­li­che Voll­mit­glied­schaft und die der In­nung ver­lie­he­ne Ta­rif­be­fug­nis er­for­der­ten ei­nen ein­heit­li­chen Ab­schluss von Ta­rif­verträgen für al­le In­nungs­mit­glie­der. An­dern­falls wer­de die ta­rif­li­che Schlag­kraft der In­nung ge­schwächt. Ta­rif­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen dürf­ten nicht le­dig­lich ei­nem Teil der In­nungs­mit­glie­der vor­be­hal­ten blei­ben. Die ta­rif­li­che Si­tua­ti­on dro­he in­trans­pa­rent zu wer­den, wenn In­nungs­mit­glie­der an Ta­rif­verträge des In­nungs­ver­ban­des ge­bun­den, gleich­zei­tig aber von der Ta­rif­bin­dung an die In­nungs­ta­rif­verträge frei­ge­stellt sei­en.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das am 20. Ok­to­ber 2014 be­rich­tig­te Ur­teil des Nie­der-säch­si­schen Ober­ver­wal­tungs­ge­richts vom 25. Sep­tem­ber 2014 zu ändern und die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts Braun­schweig vom 19. De­zem­ber 2013 zurück­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das Be­ru­fungs­ur­teil und trägt im We­sent­li­chen vor, mit der OT-Mit­glied­schaft wer­de kei­ne hand­werks­recht­li­che Dif­fe­ren­zie­rung der Mit­glied­schaft, son­dern ei­ne Op­ti­on hin­sicht­lich der Ta­rif­bin­dung der Mit­glie­der ein­geführt. Dies könne der In­nung wei­te­re Mit­glie­der er­sch­ließen und da­mit die Erfül-

 

- 6 -

lung ih­rer fach­li­chen Pflicht­auf­ga­ben stärken. Die In­nung dürfe von ih­rer Ta­rif­be­fug­nis in sach­lich dif­fe­ren­zie­ren­der Wei­se Ge­brauch ma­chen.

Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses be­tei­ligt sich am Ver­fah­ren und un­terstützt die Ar­gu­men­ta­ti­on der be­klag­ten Hand­werks­kam­mer.

II

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist zulässig und be­gründet. Das an­ge­grif­fe­ne Be­ru­fungs­ur­teil be­ruht auf ei­ner Ver­let­zung der Vor­schrif­ten der Hand­werks­ord­nung über Hand­werks­in­nun­gen und der ver­fas­sungs­recht­li­chen Gewähr­leis­tung der Ta­rif­au­to­no­mie (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 Vw­GO).

1. Die Ver­pflich­tungs­kla­ge ist zulässig. Das zwi­schen den Be­tei­lig­ten er­gan­ge­ne und rechts­kräfti­ge Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts vom 17. März 2010 steht der Zulässig­keit der Kla­ge ge­gen den ab­leh­nen­den Be­scheid der Be­klag­ten vom 18. Ja­nu­ar 2013 nicht ent­ge­gen. Es be­trifft ei­ne in ih­rer recht­li­chen Aus­ge­stal­tung we­sent­lich an­de­re Sat­zungs­re­ge­lung zur Einführung ei­ner Mit­glied­schaft oh­ne Ta­rif­bin­dung und da­mit ei­nen an­de­ren Streit­ge­gen­stand. Auch die Be­stands­kraft des Be­schei­des vom 26. Ok­to­ber 2012, durch den die Be­klag­te die Ge­neh­mi­gung ei­ner Sat­zungsände­rung der Kläge­rin ab­ge­lehnt hat­te, die ei­ne Mit­glied­schaft oh­ne Ta­rif­bin­dung wort­gleich mit der er­neut im No­vem­ber 2012 be­schlos­se­nen und vor­lie­gend streit­ge­genständ­li­chen Fas­sung einführen soll­te, steht der Zulässig­keit der Kla­ge nicht ent­ge­gen. Die Be­klag­te hat in­so­weit mit ih­rem Be­scheid vom 18. Ja­nu­ar 2013 ei­ne er­neu­te Sach­ent­schei­dung ge­trof­fen, die der Kläge­rin ei­ne ei­genständi­ge Kla­gemöglich­keit eröff­net.

2. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat an­ge­nom­men, die Kläge­rin ha­be nach § 61 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 8 der Hand­werks­ord­nung i.d.F. der Be­kannt­ma­chung vom 24. Sep­tem­ber 1998 (BGBl. I S. 3074; 2006, S. 2095), zu­letzt geändert durch Art. 283 der Ver­ord­nung vom 31. Au­gust 2015 (BGBl. I S. 1474), - HwO - ei­nen An­spruch auf Ge­neh­mi­gung der von ihr be­schlos­se­nen Sat­zungsände­rung, weil die Einführung ei­ner Mit­glied­schaft oh­ne Ta­rif­bin­dung ma-

 

- 7 -

te­ri­ell in Ein­klang mit den Vor­schrif­ten der Hand­werks­ord­nung über In­nun­gen ste­he. Die­se An­nah­me steht nicht in Ein­klang mit re­vi­si­blem Recht.

a) Nach der Sat­zung sol­len sich die ein­zel­nen In­nungs­mit­glie­der bei ih­rem Ein­tritt oder während ih­rer Mit­glied­schaft für ei­ne ge­genüber der sonst be­ste­hen-den Voll­mit­glied­schaft ge­son­der­te Mit­glied­schafts­form oh­ne Bin­dung an Ta­rif­verträge der In­nung ent­schei­den können. Ei­ne sol­che Wahlmöglich­keit ist mit der ge­setz­li­chen Kon­zep­ti­on der Voll­mit­glied­schaft in ei­ner In­nung nach § 58 HwO nicht in Ein­klang zu brin­gen. In ei­ner Hand­werks­in­nung wer­den In­ha­ber ei­nes Hand­werks­be­trie­bes oder ei­nes hand­werksähn­li­chen Ge­wer­be­be­trie­bes zur Förde­rung ih­rer ge­mein­sa­men ge­werb­li­chen In­ter­es­sen nach ih­rem frei­en Bei­tritts­ent­schluss zu ei­ner Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts zu­sam­men­ge­schlos­sen (§§ 52, 53 HwO). Der Ge­setz­ge­ber hat zwar ins­be­son­de­re zur Wah­rung der Ta­rif­au­to­no­mie da­von ab­ge­se­hen, ei­ne Pflicht­mit­glied­schaft in der In­nung ein­zuführen oder zu ermögli­chen (vgl. Fröhler, Das Recht der Hand­werks­in­nung, 1959, S. 19). Die frei­wil­lig er­wor­be­ne Voll­mit­glied­schaft nach § 58 HwO zieht je­doch al­le Rech­te und Pflich­ten nach sich, die sich aus der ge­mein­sa­men Wahr­neh­mung der zur Förde­rung der ge­mein­sa­men ge­werb­li­chen In­ter­es­sen in § 54 HwO fest­ge­leg­ten öffent­li­chen Auf­ga­ben der In­nung er­ge­ben. Die In­nungs­mit­glied­schaft ist auf glei­che Mit­wir­kung an al­len we­sent­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten der öffent­lich-recht­li­chen Per­so­nalkörper­schaft an­ge­legt. Der his­to­ri­sche Ge­setz­ge­ber hat mit der Zu­gehörig­keit zu ei­ner In­nung die ge­mein­sa­me, im Grund­satz un­teil­ba­re Ver­ant­wor­tung für die Erfüllung der den In­nun­gen ge­setz­lich an­ver­trau­ten Auf­ga­ben ver­knüpft. Da­bei ist un­er­heb­lich, ob es sich nach § 54 HwO um Pflicht­auf­ga­ben, Soll-Auf­ga­ben oder Kann-Auf­ga­ben han­delt. Der mit der Voll­mit­glied­schaft her­ge­stell­te Zu­sam­men­hang zwi­schen Vor­tei­len und Bin­dun­gen aus der In­nungs­mit­glied­schaft kann nicht durch ei­ne Wil­lens­erklärung des ein­zel­nen Mit­glieds auf­gelöst wer­den, mit der es als nach­tei­lig emp­fun­de­ne Fol­gen aus der Wahr­neh­mung ein­zel­ner Auf­ga­ben der In­nung für sich aus­sch­ließen, an den übri­gen Er­geb­nis­sen der In­nungstätig­keit hin­ge­gen teil­ha­ben möch­te (vgl. § 58 Abs. 4 HwO).

b) Die In­nung kann ih­re frei­wil­li­ge Auf­ga­be, Ta­rif­verträge ab­zu­sch­ließen, so­weit und so­lan­ge sol­che Verträge nicht durch den In­nungs­ver­band für den Be­reich

 

- 8 -

der Hand­werks­in­nung ge­schlos­sen sind (§ 54 Abs. 3 Nr. 1 HwO), nur für al­le Voll­mit­glie­der der In­nung ge­mein­sam wahr­neh­men. Der Ge­setz­ge­ber hat bei der Schaf­fung der Hand­werks­ord­nung an die his­to­risch über­kom­me­ne Ta­riffähig­keit von In­nun­gen an­ge­knüpft. Die Ver­lei­hung der Ta­riffähig­keit an In­nun­gen begüns­tigt in dem von klei­nen Be­trie­ben ge­prägten Be­reich des Hand­werks den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen. Das Zu­stan­de­kom­men ei­ner um­fas­sen­den ta­rif­li­chen Ord­nung wird ge­ra­de da­durch befördert, dass Ta­rif­verträge nach § 54 Abs. 3 Nr. 1 HwO durch ei­ne mit den Vor­tei­len der be­ruf­li­chen Förde­rung ver­bun­de­ne und des­halb auch für In­ha­ber klei­ne­rer Hand­werks­be­trie­be at­trak­ti­ve öffent­lich-recht­li­che Körper­schaft ab­ge­schlos­sen wer­den können (BVerfG, Be­schluss vom 19. Ok­to­ber 1966 - 1 BvL 24/65 - BVerfGE 20, 312 <318 f.>). Der ge­setz­ge­be­ri­sche Zweck, ei­nen hin­rei­chen­den Schutz der Beschäftig­ten in den zu­meist ver­gleichs­wei­se klei­nen Hand­werks­be­trie­ben zu er­rei­chen, kann nur gewähr­leis­tet wer­den, wenn nicht je­des ein­zel­ne Mit­glied sei­ne Ta­rif­ge­bun­den­heit durch Erklärung aus­sch­ließen und gleich­zei­tig die fach­lich-be­rufsständi­schen Vor­tei­le der Mit­glied­schaft in der In­nung ge­nießen kann. Ei­ne in­di­vi­du­el­le Aus­schlussmöglich­keit würde schon we­gen des ho­hen Kon­kur­renz­drucks im Hand­werk und des da­durch aus­gelösten An­rei­zes, ei­ne Bin­dung an Ta­riflöhne möglichst zu ver­mei­den, da­zu führen, dass Ta­rif­ab­schlüsse der In­nun­gen nur ei­nen be­grenz­ten Wir­kungs­be­reich hätten. Dies würde die vom Ge­setz­ge­ber be­zweck­te Stel­lung der In­nung als Ta­rif­part­ner, der an der Her­stel­lung ei­ner um­fas­sen­den ta­rif­li­chen Ord­nung im Hand­werk mit­wirkt, schwächen und die in der Auf­ga­ben­zu­wei­sung an In­nun­gen an­ge­leg­te Ver­knüpfung ih­rer Tätig­keits­be­rei­che durch­bre­chen. Die In­nung kann die ge­setz­lich vor­ge­ge­be­ne Ver­knüpfung fach­li­cher Auf­ga­ben mit der Be­fug­nis zu ta­rif­li­cher Tätig­keit in ei­ner öffent­lich-recht­li­chen Körper­schaft nicht durch Sat­zung auflösen. Ob an­ge­sichts ge­wan­del­ter Verhält­nis­se im Ar­beits­le­ben und der zu­neh­men­den Ver­brei­tung ta­ri­fun­ge­bun­de­ner Mit­glied­schaf­ten in Ar­beit­ge­ber­verbänden ei­ne Lo­cke­rung des his­to­risch ge­woll­ten Zu­sam­men­hangs zwi­schen be­rufsständi­scher Auf­ga­ben­wahr­neh­mung und ta­rif­li­cher Tätig­keit der In­nun­gen ermöglicht wer­den soll, bleibt der Ent­schei­dung des par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­bers vor­be­hal­ten.

Auch aus der Sub­si­dia­rität der Ta­rif­be­fug­nis der In­nung ge­genüber der Ta­rif­be-

 

- 9 -

ständig­keit Ta­rif­verträge nur für sämt­li­che Voll­mit­glie­der ab­sch­ließen darf. Die in der Rechts­wirk­lich­keit vor­ran­gig als Ta­rif­part­ner im Hand­werks­be­reich auf­tre­ten­den Lan­des­in­nungs­verbände können nach § 82 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 3 HwO zum Zweck der Förde­rung der den Hand­werks­in­nun­gen an­gehören­den Mit­glie­der Ta­rif­verträge ab­sch­ließen. Die­se Be­fug­nis ist ih­nen im In­ter­es­se sämt­li­cher und nicht nur ei­nes Teils der Mit­glie­der der In­nun­gen in ih­rem Be­zirk an­ver­traut. Wenn der Ge­setz­ge­ber In­nun­gen nach § 54 Abs. 3 Nr. 1 HwO die Ta­rif­be­fug­nis le­dig­lich ver­lie­hen hat, so­weit und so­lan­ge der In­nungs­ver­band für ih­ren Be­reich sol­che Verträge nicht ge­schlos­sen hat, stellt dies ei­nen in­halt­li­chen Be­zug zur Ta­rif­be­fug­nis der In­nungs­verbände her und be­dingt, dass auch Ta­rif­verträge der In­nun­gen für sämt­li­che In­nungs­mit­glie­der zur Förde­rung ih­rer ge­werb­li­chen In­ter­es­sen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 HwO) ab­ge­schlos­sen wer­den müssen.

c) Die von der Kläge­rin be­schlos­se­ne Sat­zungs­re­ge­lung, wo­nach ta­rif­po­li­ti­sche und mit ih­nen in Zu­sam­men­hang ste­hen­de so­zi­al­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen von ei­nem so­zi­al­po­li­ti­schen Aus­schuss ge­trof­fen wer­den, ver­letzt zu­dem die in § 61 HwO nie­der­ge­leg­ten Rech­te der In­nungs­ver­samm­lung als zen­tra­lem Be­schluss­or­gan der In­nung, in dem sämt­li­che In­nungs­mit­glie­der an Ent­schei­dun­gen mit­wir­ken.

Nach § 37 Abs. 4 der geänder­ten Sat­zung der Kläge­rin hätte ih­re In­nungs­ver­samm­lung ei­nen nur aus so­ge­nann­ten T-Mit­glie­dern be­ste­hen­den Aus­schuss zu schaf­fen, dem sämt­li­che ta­rif­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen über­tra­gen würden. Ei­ne sol­che um­fas­sen­de Ver­la­ge­rung ei­ner ge­sam­ten in § 54 HwO ge­nann­ten Auf­ga­be von der In­nungs­ver­samm­lung auf ei­nen Aus­schuss käme ei­ner Um­ge­hung des für die In­nung we­sensprägen­den Grund­sat­zes glei­cher Mit­wir­kung al­ler Mit­glie­der in der In­nungs­ver­samm­lung als Haupt­or­gan gleich. Die In­nungs­ver­samm­lung steht an ers­ter Stel­le in der Aufzählung der Or­ga­ne der In­nung (§ 60 HwO) und be­sch­ließt bei glei­chem Stimm­recht al­ler Mit­glie­der (§ 63 Satz 1 HwO) über al­le An­ge­le­gen­hei­ten der Hand­werks­in­nung, so­weit die­se nicht vom Vor­stand oder in den Ausschüssen wahr­zu­neh­men sind (§ 61 Abs. 1 Satz 1 HwO). Die nicht ab­sch­ließen­de ("im be­son­de­ren") Aufzählung der ihr vor­be­hal­te­nen Ent­schei­dun­gen in § 61 Abs. 2 HwO ver­deut­licht, dass die In-

 

- 10 -

nungs­ver­samm­lung für al­le we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen Ver­ant­wor­tung tra­gen und sich bei der Wil­lens­bil­dung und Be­schluss­fas­sung auf die in §§ 62 und 63 HwO vor­ge­se­he­ne Mit­wir­kung sämt­li­cher Mit­glie­der stützen soll.

Zwar darf die In­nungs­ver­samm­lung be­son­de­re Ausschüsse zur Vor­be­rei­tung ein­zel­ner An­ge­le­gen­hei­ten ein­set­zen (§ 61 Abs. 2 Nr. 5 HwO) und darüber hin­aus fa­kul­ta­ti­ve Ausschüsse zur Wahr­neh­mung, d.h. vollständi­gen Er­le­di­gung ein­zel­ner An­ge­le­gen­hei­ten bil­den (§ 67 Abs. 1 HwO). Ei­ne Über­tra­gung ei­ner ge­setz­li­chen Auf­ga­be von nicht le­dig­lich un­ter­ge­ord­ne­ter Be­deu­tung auf ei­nen sol­chen Aus­schuss über­schrei­tet je­doch den in § 67 Abs. 1 HwO ge­zo­ge­nen Rah­men ei­ner "ein­zel­nen An­ge­le­gen­heit". Durch die Be­fug­nis, zur Er­le­di­gung ein­zel­ner An­ge­le­gen­hei­ten ei­nen Aus­schuss ein­zu­set­zen, soll die In­nungs­ver­samm­lung von Ein­zel­fall­ent­schei­dun­gen ent­las­tet wer­den können, wel­che die Grund­li­ni­en der Auf­ga­ben­erfüllung der In­nung nicht berühren und des­halb nicht die Mit­wir­kung al­ler Mit­glie­der er­for­dern. Die In­nungs­ver­samm­lung trägt als Haupt­or­gan die we­sent­li­che Ver­ant­wor­tung für die Wahr­neh­mung der Pflicht-, Soll- und Kann-Auf­ga­ben der In­nung. Die Zuständig­keit ei­nes fa­kul­ta­tiv ein­ge­rich­te­ten Aus­schus­ses muss sich da­her auf Ein­zel­ent­schei­dun­gen von un­ter­ge­ord­ne­ter Be­deu­tung ge­genüber den Grund­li­ni­en der In­nungstätig­keit be­schränken.

Da­nach ist ei­ne Ver­la­ge­rung ta­rif­po­li­ti­scher Ent­schei­dun­gen im Gan­zen auf ei­nen Aus­schuss, dem zu­dem nur be­stimm­te (nämlich ta­rif­ge­bun­de­ne) Mit­glie­der an­gehören dürfen, nicht zulässig. Auch wenn die In­nung nach § 54 Abs. 3 Nr. 1 HwO über den Ge­brauch ih­rer Ta­rif­be­fug­nis dis­po­nie­ren darf, hat der Ab­schluss von Ta­rif­verträgen nicht le­dig­lich un­ter­ge­ord­ne­te Be­deu­tung für die In­nungs­mit­glie­der. Das folgt schon dar­aus, dass er die In­nung im Außen­verhält­nis zum je­wei­li­gen Ta­rif­part­ner recht­lich bin­det. Die in der Hand­werks­ord­nung vor­ge­se­he­ne Or­ga­ni­sa­ti­on der Wil­lens­bil­dung in ei­ner In­nung schließt es so­mit aus, ta­rif­po­li­ti­sche An­ge­le­gen­hei­ten ins­ge­samt der Mit­wir­kung der In­nungs­mit­glie­der in der In­nungs­ver­samm­lung zu ent­zie­hen und le­dig­lich ei­ner be­stimm­ten Grup­pe von Voll­mit­glie­dern vor­zu­be­hal­ten.

 

- 11 -

d) Darüber hin­aus verstößt die in § 37 Abs. 4 der Sat­zung der Kläge­rin vor­ge­se­he­ne Be­fug­nis des so­zi­al­po­li­ti­schen Aus­schus­ses, Rück­la­gen für so­zi­al­po­li­ti­sche Maßnah­men zu or­ga­ni­sie­ren und über et­wai­ge Streik- und/oder Aus­sper­rungs­fonds zu verfügen, ge­gen die in § 61 Abs. 2 Nr. 1 HwO fest­ge­leg­te Haus­halts­be­fug­nis der In­nungs­ver­samm­lung.

Mit der Zuständig­keit der In­nungs­ver­samm­lung für die Fest­stel­lung des Haus­halts­plans und die Be­wil­li­gung von Aus­ga­ben, die im Haus­halts­plan nicht vor-ge­se­hen sind, kommt ihr ei­ne um­fas­sen­de Ver­ant­wor­tung für die Ein­nah­men-und Aus­ga­ben­be­wil­li­gung in der In­nung zu. Die In­nung un­ter­liegt als Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts den Grundsätzen ei­ner ge­ord­ne­ten Haus­haltsführung (vgl. zu­letzt BVerwG, Ur­teil vom 9. De­zem­ber 2015 - 10 C 6.15 - ju­ris Rn. 16 zur Haus­haltsführung von In­dus­trie- und Han­dels­kam­mern) und da­mit ins­be­son­de­re dem Grund­satz der Vollständig­keit und Ein­heit des Haus­halts des je­wei­li­gen Auf­ga­ben­trägers (vgl. § 11 BHO und die ent­spre­chen­den Re­ge­lun­gen in den Lan­des­haus­halts­ord­nun­gen, z.B. § 11 Nie­dersäch­si­sche LHO i.d.F. vom 30. April 2001 <Nds. GVBl. 2001 S. 276>). Die­ser Grund­satz schließt die Führung von Ne­ben­haus­hal­ten aus, die nicht vom zen­tra­len Be­schluss­or­gan für die Ein­nah­men und Aus­ga­ben des be­tref­fen­den Recht­strägers an­ge­nom­men wor­den sind und der für die­sen Träger ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen recht­li­chen und wirt­schaft­li­chen Prüfung un­ter­lie­gen (vgl. hier­zu BVerwG, Ur­teil vom 30. Sep­tem­ber 2009 - 8 C 5.09 - BVerw­GE 135, 100 Rn. 16). Des­halb fällt auch die Ver­an­schla­gung und Verfügung über die für ta­rif­po­li­ti­sche Maßnah­men vor­ge­se­he­nen fi­nan­zi­el­len Mit­tel der In­nung in die Zuständig­keit der In­nungs­ver­samm­lung, in der al­le Voll­mit­glie­der mit­wir­ken. Die in §§ 61 und 63 HwO vor­ge­ge­be­ne Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur der In­nung schließt es aus, sol­che Ent­schei­dun­gen ei­ner be­stimm­ten Grup­pe von Mit­glie­dern vor­zu­be­hal­ten.

3. Ei­nem Ge­neh­mi­gungs­an­spruch der Kläge­rin steht zu­dem ent­ge­gen, dass ih­re Sat­zung kei­nen aus­rei­chen­den Schutz der in Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­ten Ta­rif­au­to­no­mie gewähr­leis­tet, weil sie ei­ne un­mit­tel­ba­re Ein­fluss­nah­me ta­ri­fun­ge­bun­de­ner Mit­glie­der auf ta­rif­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen der In­nung nicht vollständig aus­sch­ließt. Zu den von der Be­klag­ten bei der Ge­neh­mi­gung der Sat­zungsände­rung der In­nung nach § 61 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 8 und § 56 Abs. 2

 

- 12 -

Nr. 1 HwO zu be­ach­ten­den ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten gehören über die in der Hand­werks­ord­nung ent­hal­te­nen Re­ge­lun­gen hin­aus al­le recht­li­chen An­for­de­run­gen an die Auf­ga­ben­wahr­neh­mung der In­nung. Da­zu zählen auch die ver­fas­sungs- und ar­beits­recht­li­chen An­for­de­run­gen an die in der In­nungs­sat­zung vor­ge­se­he­nen Erklärun­gen von In­nungs­mit­glie­dern hin­sicht­lich ih­rer Ta­rif­ge­bun­den­heit.

Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 der Sat­zung der Kläge­rin wird der un­ter an­de­rem mit der Führung von Ta­rif­ver­hand­lun­gen be­trau­te so­zi­al­po­li­ti­sche Aus­schuss von der In­nungs­ver­samm­lung er­rich­tet. Da­mit sind auch die ta­ri­fun­ge­bun­de­nen In­nungs­mit­glie­der in der In­nungs­ver­samm­lung an der Aus­wahl der drei Mit­glie­der be­tei­ligt, aus de­nen der so­zi­al­po­li­ti­sche Aus­schuss nach Satz 2 die­ser Re­ge­lung be­steht. Im Hin­blick auf die ver­fas­sungs­recht­lich geschütz­te Ta­rif­au­to­no­mie müssen je­doch die Be­fug­nis­se von Mit­glie­dern mit und sol­chen oh­ne Ta­rif­ge­bun­den­heit klar und ein­deu­tig von­ein­an­der ge­trennt wer­den. Jeg­li­che nach der Sat­zung auch nur mögli­chen un­mit­tel­ba­ren Ein­fluss­nah­men von OT-Mit-glie­dern auf ta­rif­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen des Ver­ban­des müssen aus­ge­schlos­sen wer­den, um ei­nen Gleich­lauf von Ver­ant­wort­lich­keit und Be­trof­fen­heit hin­sicht­lich ta­rif­po­li­ti­scher Ent­schei­dun­gen zu gewähr­leis­ten (vgl. BAG, Ur­tei­le vom 4. Ju­ni 2008 - 4 AZR 419/07 - BA­GE 127, 27 Rn. 37 ff., vom 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - BA­GE 130, 264 Rn. 28 f., vom 21. No­vem­ber 2012 - 4 AZR 27/11 - NZA-RR 2014, 545 Rn. 14 und vom 21. Ja­nu­ar 2015 - 4 AZR 797/13 - BA­GE 150, 304 Rn. 18 ff.). Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat für Ar­beit­ge­ber­verbände ent­schie­den, dass die nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Mit­glie­der des­halb auf die Aus­wah­l­ent­schei­dung für die kon­kre­te Be­set­zung ei­nes ta­rif­po­li­ti­schen Gre­mi­ums durch ein an­de­res Or­gan des je­wei­li­gen Ver­ban­des kei­nen Ein­fluss ha­ben dürfen und nicht nur das pas­si­ve, son­dern auch das ak­ti­ve Wahl­recht in­so­weit den ta­rif­ge­bun­de­nen Mit­glie­dern vor­zu­be­hal­ten ist, weil nur sie von den Ta­rif­verträgen ih­res Ver­ban­des be­trof­fen sind (vgl. BAG, Ur­teil vom 21. Ja­nu­ar 2015 - 4 AZR 797/13 - BA­GE 150, 304 Rn. 20).

Die­ser An­for­de­rung wird die von der Kläge­rin be­schlos­se­ne Sat­zungsände­rung nicht ge­recht. Ei­ne Be­schränkung des ak­ti­ven Wahl­rechts ta­ri­fun­ge­bun­de­ner Mit­glie­der bei der Kon­sti­tu­ie­rung des Aus­schus­ses lässt sich na­ment­lich nicht

 

- 13 -

aus § 6a Abs. 3 der Sat­zung ab­lei­ten. Hier­nach ist le­dig­lich die Teil­nah­me von OT-Mit­glie­dern an Wil­lens- und Ent­schei­dungs­bil­dun­gen der In­nung über Maßnah­men im Zuständig­keits­be­reich des so­zi­al­po­li­ti­schen Aus­schus­ses aus­ge­schlos­sen, nicht aber ih­re Mit­wir­kung an der Er­rich­tung des Aus­schus­ses. Im Übri­gen ließe es die in § 63 Satz 1 HwO nie­der­ge­leg­te glei­che Stimm­be­rech­ti­gung al­ler In­nungs­mit­glie­der in der In­nungs­ver­samm­lung auch nicht zu, nur ta­rif­ge­bun­de­ne Mit­glie­der an der Aus­wahl der Aus­schuss­mit­glie­der zu be­tei­li­gen. Dafür ist un­er­heb­lich, ob die In­nungs­ver­samm­lung selbst ei­ne Aus­wahl der Mit­glie­der des ta­rif­po­li­ti­schen Gre­mi­ums träfe oder ob zunächst sämt­li­che ta­rif­ge­bun­de­nen Mit­glie­der der In­nung zu Mit­glie­dern ei­nes sol­chen Gre­mi­ums be­stimmt würden und die­sen in ei­nem zwei­ten Schritt die Aus­wahl ei­nes klei­ne­ren, ver­hand­lungsführen­den Gre­mi­ums obläge. Denn in ei­ner sol­chen Aus­ge­stal­tung läge ei­ne un­zulässi­ge Um­ge­hung der Be­fug­nis­se der In­nungs­ver­samm­lung und der für die In­nung we­sent­li­chen Gleich­heit der Mit­wir­kungs­be­fug­nis al­ler Mit­glie­der.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 154 Abs. 1 Vw­GO.

Prof. Dr. Dr. h.c. Ren­nert

Dr. Held-Da­ab

Dr. Häußler

Dr. Ru­black

Dr. Seegmüller

B e s c h l u s s

Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren auf 15 000 € fest­ge­setzt.

Prof. Dr. Dr. h.c. Ren­nert

Dr. Held-Da­ab

Dr. Häußler

Dr. Ru­black

Dr. Seegmüller

 

Quel­le: http://www.bverwg.de/ent­schei­dun­gen/ent­schei­dun­gen.php


 

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 10 C 23.14