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BAG, Ur­teil vom 27.03.1987, 7 AZR 527/85

   
Schlagworte: Betriebsübung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 AZR 527/85
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 27.03.1987
   
Leitsätze:

1. Ein - gesetzliches oder gewillkürtes - konstitutives Schriftformerfordernis für Vertragsänderungen oder -ergänzungen verhindert auch das Entstehen einer betrieblichen Übung.


2. Ein gewillkürtes Schriftformerfordernis kann zwar auch durch eine betriebliche Übung formlos abbedungen werden. Ein dahingehender objektiver Erklärungswert der Betriebsübung ist jedoch nicht anzunehmen, wenn es gerade Sinn des Schriftformerfordernisses war, auch das Entstehen abweichender betrieblicher Übungen zu verhindern. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der einschlägige Tarifvertrag ein konstitutives Schriftformerfordernis vorsieht und das einzelvertraglich vereinbarte Schriftformerfordernis auch den Sinn hatte, eine unterschiedliche Rechtsstellung der tarifgebundenen und der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer zu verhindern.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 9.2.1984 - 12 Ca 20/83
Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 16.4.1985 - 6 Sa 76/84
   

7 AZR 527/85

6 Sa 76/811 Ham­burg

Im Na­men des Vol­kes!

Ur­teil



Verkündet am

27. März 1987

Sie­gel,
Re­gie­rungs­se­kretärin

als Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le 

In Sa­chen

 

pp.


hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 27. März 1987 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter Dr. Sei­den­sti­cker, die Rich­ter Dr. Be­cker und Dr. Steck­han so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Wag­ner und Schmalz für Recht er­kannt:
 


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Auf die Re­vi­si­on des Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 16. April 1985 - 6 Sa 76/84 - in­so­weit auf­ge­ho­ben, als es die Be­ru­fung des Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 9. Fe­bru­ar 1984 - 12 Ca 20/83 - zurück­ge­wie­sen und über die Kos­ten des Rechts­streits ent­schie­den hat.


Auf die Be­ru­fung des Be­klag­ten wird das be­zeich­ne­te Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg ab­geändert:

Die Kla­ge wird ins­ge­samt ab­ge­wie­sen.

Der Kläger trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten über den Um­fang der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit des Klägers und über die Rechts­wirk­sam­keit ei­ner ge­genüber dem Kläger in die­sem Zu­sam­men­hang vor­sorg­lich aus­ge­spro­che­nen Ände­rungskündi­gung.


Der Be­klag­te ist ei­ne ge­meinnützi­ge An­stalt des öffent­li­chen Rechts zur Ver­an­stal­tung von Rund­funk­sen­dun­gen in den Ländern Freie und Han­se­stadt Ham­burg, Nie­der­sach­sen und Schles­wig-Hol­stein; er hat das Recht der Selbst­ver­wal­tung (5 1 des Staats­ver­trags über den Nord­deut­schen Rund­funk, dem gemäß Art. 2 des Ham­bur­gi­schen Ge­set­zes zum Staats­ver­trag über den Nord­deut­schen Rund­funk vom 1. De­zem­ber 1980 - GVB1. 1 1980, 349 - Ge­set­zes­kraft zu­kommt). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 des ge­nann­ten Staats­ver­trags hat der Be­klag­te bei sei­ner Wirt­schaftsführung die Grundsätze der Wirt­schaft­lich­keit und Spar­sam­keit zu be­ach­ten. Die Rech­nungshöfe der Länder prüfen sei­ne Wirt­schaftsführung ge­mein­sam. Die Vor­schrif­ten der Lan­des­haus­halts­ord­nun­gen der Länder über Un­ter­neh­men in der Rechts­form ei­ner lan­des­un­mit­tel­ba­ren
 


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ju­ris­ti­schen Per­son des öffent­li­chen Rechts sind in der bei In-kraft­tre­ten des Staats­ver­tra­ges gel­ten­den Fas­sung an­zu­wen­den (5 33 Abs. 1 und 4, aa0). Da­nach fin­den u.a. die 3,S 111, 89 bis 99, 102 und 103 der Ham­bur­gi­schen Lan­des­haus­halts­ord­nung vom 23. De­zem­ber 1971 (GVB1. I 1971, 261 und 1972, 10) über die Über­wa­chung der Haus­halts- und Wirt­schafsführung lan­des­un­mit­tel­ba­rer ju­ris­ti­scher Per­so­nen des öffent­li­chen Rechts durch den Rech­nungs­hof An­wen­dung.

Der Kläger ist bei dem Be­klag­ten seit dem 1. No­vem­ber 1972 als Re­dak­teur in der Nach­rich­ten­re­dak­ti­on beschäftigt. Er ar­bei­tet im Schicht­be­trieb und be­zieht ein Mo­nats­ge­halt von et­wa 6.100,-- DM brut­to. Die Ar­beits­zei­ten des Klägers und der an­de­ren bei dem Be­klag­ten beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter der Nach­rich­ten­re­dak­ti­on wer­den durch Dienst­pläne be­stimmt. Die­se sind seit Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses der Par­tei­en so ge­stal­tet, daß re­gelmäßig nur wöchent­lich 32 St­un­den zu ar­bei­ten sind.

Der schrift­li­che for­mu­larmäßige Ar­beits­ver­trag des Klägers vom 16. Ok­to­ber 1973 enthält kei­ne be­son­de­re Re­ge­lung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit. Sein § 9 lau­tet:

"Münd­li­che Ab­re­den sind nicht ge­trof­fen; Ände­run­gen oder Ergänzun­gen die­ses Ver­tra­ges bedürfen in je­dem Fal­le der schrift­li­chen Bestäti­gung des NDR."

In § 11 heißt es un­ter "Be­son­de­re Ver­ein­ba­run­gen":
 

".....

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Im übri­gen gel­ten die Be­stim­mun­gen des je­weils vom NDR an­ge­wand­ten Ta­rif­ver­tra­ges und die beim NDR gel­ten­den Ord­nun­gen und Richt­li­ni­en in ih­rer je­wei­li­gen Fas­sung."

Nach dem Man­tel­ta­rif­ver­trag für die beim Nord­deut­schen Rund­funk beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer vom 18. No­vem­ber 1976 (MTV) beträgt die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit aus­sch­ließlich der Pau­sen 40 St­un­den (Ziff. 311). Für be­stimm­te Ar­beitsplätze kann Schicht­dienst an­ge­ord­net wer­den. Der Schicht­dienst wird durch Dienst­plan min­des­tens 14 Ta­ge im vor­aus fest­ge­legt und be­kannt ge­ge­ben. Der Dienst­plan ist so auf­zu­stel­len, daß die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit nach Ziff. 311 während des Durch­laufs ei­nes Dienst­plans ein­ge­hal­ten wird (Ziff. 314.1 bis 314.3 MTV). Zu Ziff. 311 be­stimmt ei­ne ta­rif­li­che Pro­to­koll­no­tiz:

"Die Ta­rif­part­ner stim­men dar­in übe­rein, daß für Ar­beit­neh­mer, die un­ter be­son­ders er­schwer­ten Ar­beits­be­din­gun­gen tätig sind, ei­ne von der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit ab­wei­chen­de Verkürzung der tatsächli­chen Ar­beits­zeit durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung fest­ge­legt wer­den kann. Aus ei­ner so verkürz­ten Ar­beits­zeit kann der Ar­beit­neh­mer bei ei­nem Ar­beits­platz­wech­sel kei­ne Ansprüche ab­lei­ten."

Fer­ner ist in Ziff. 211.3 MTV be­stimmt:

"Ergänzun­gen und Ände­run­gen des Ar­beits­ver­tra­ges bedürfen zu ih­rer Gültig­keit der Schrift­form."

Zu der zi­tier­ten Pro­to­koll­no­tiz ha­ben der Ge­samt­be­triebs­rat des NDR und der be­klag­te NDR am 8. No­vem­ber 1976 fol­gen­de Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen:

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1. Die Fra­ge, ob die re­gelmäßige Ar­beits­zeit we­gen zur Zeit nicht abänder­ba­rer be­son­ders er­schwer­ter Ar­beits­be­din­gun­gen in ei­nem Be­reich verkürzt wer­den muß, un­ter­sucht ein Aus­schuß, dem an­gehören

ein Ver­tre­ter des Ge­samt­be­triebs­ra­tes

ein Ver­tre­ter des ört­lich zuständi­gen Be­triebs­ra­tes

ein Ver­tre­ter der Haupt­ab­tei­lung Per­so­nal, Ho­no­ra­re und Li­zen­zen

ein Ver­tre­ter des Or­ga­ni­sa­ti­ons­re­fe­ra­tes/ Re­vi­si­on.

2. Der Aus­schuß trifft sei­ne Ent­schei­dung nach ei­ner Über­prüfung der Ar­beitsplätze und der Or­ga­ni­sa­ti­on des be­trof­fe­nen Be­rei­ches.

3. Ei­ne Verkürzung der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit wird nur be­fris­tet aus­ge­spro­chen, da­mit durch wie­der­hol­te Ober­prüfung des Be­rei­ches ständig ver­sucht wird, durch an­de­re Maßnah­men den be­son­ders er­schwer­ten Ar­beits­be­din­gun­gen zu be­geg­nen.

Kri­te­ri­en für Ar­beits­zeit­verkürzun­gen können zum Bei­spiel ge­ge­ben sein:

a) In Be­rei­chen des Schicht­diens­tes oder mit un­re­gelmäßigem Dienst.

b) In Be­rei­chen mit er­heb­li­cher Be­las­tung durch ge­sund­heitsschädi­gen­de Ein­flüsse am Ar­beits­platz, wie Lärm, Dun­kel­heit, Kli­ma­be­din­gun­gen in ge­schlos­se­nen Räum­en.

c) An Ar­beitsplätzen mit ständi­ger Auf­merk­sam­keits­be­las­tung, an de­nen ei­ne re­gelmäßige Pau­se bzw. Ablösung mit gleich­zei­ti­gem Ver­las­sen des Ar­beits­plat­zes/Rau­mes nicht möglich ist.

4. Ei­ne Verkürzung der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit soll zunächst er­fol­gen, bis al­le ver­tret­ba­ren und mögli­chen or­ga­ni­sa­to­ri­schen und tech­ni­schen Ände­run­gen ei­ne spürba­re und aus­rei­chen­de Er­leich­te­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen er­bracht ha­ben.

Spe­zi­el­le Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen sind für den Be­reich, in dem der Kläger ar­bei­tet, bis zum 13. Ja­nu­ar 1984 nicht zu­stan­de ge­kom­men. Nach dem Vor­trag des Be­klag­ten hat die Ei­ni­gungs­stel­le am

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13. Ja­nu­ar 1984 be­schlos­sen, der Einführung der vom NDR vor­ge­leg­ten Dienst­plan­sche­ma­ta für Nach­rich­ten­se­kretärin­nen und Re­dak­teu­re in der Nach­rich­ten­re­dak­ti­on "Hörfunk" je­weils auf der Ba­sis ei­ner wöchent­li­chen Net­to­ar­beits­zeit von 36 St­un­den zu­zu­stim­men.


Mit Schrei­ben vom 23. De­zem­ber 1982 kündig­te der Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis des Klägers zum 31. De­zem­ber 1983. Gleich­zei­tig bot er dem Kläger die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­ter Auf­recht­er­hal­tung der Ar­beits­be­din­gun­gen im übri­gen an, je­doch bei ei­ner re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 36 St­un­den. Der Be­klag­te erklärte im Kündi­gungs­schrei­ben fer­ner, daß er die Ände­rungskündi­gung nur vor­sorg­lich aus­spre­che für den Fall, "daß un­se­re Rechts­auf­fas­sung, Ih­re Ar­beits­zeit auch oh­ne Aus­spruch ei­ner Kündi­gung abändern zu können, in ei­nem even­tu­el­len Rechts­streit vor den Ar­beits­ge­rich­ten nicht ge­teilt wer­den soll­te". Ent­spre­chen­de Ände­rungskündi­gun­gen er­hiel­ten auch 29 an­de­re Mit­ar­bei­ter der Nach­rich­ten­re­dak­ti­on. Der Per­so­nal­rat hat der be­ab­sich­tig­ten Ände­rungskündi­gung mit Schrei­ben vom 22. De­zem­ber 1982 wi­der­spro­chen.

Der Kläger hat das Ände­rungs­an­ge­bot mit Schrei­ben vom 10. Ja­nu­ar 1983 un­ter dem Vor­be­halt an­ge­nom­men, daß die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen nicht so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist. Mit sei­ner am 12. Ja­nu­ar 1983 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat er gel­tend ge­macht, die Ände­rungskündi­gung sei un­wirk­sam. Sie sei man­gels drin­gen­der be­trieb­li­cher Er­for­der­nis­se oder ei­nes sons­ti­gen recht­fer­ti­gen­den Grun­des so­zi­al nicht ge­recht-
 


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fer­tigt. Auch sei der Per­so­nal­rat nicht ord­nungs­gemäß be­tei­ligt wor­den. Der Be­klag­te könne die maßge­ben­de Ar­beits­zeit von 32 Wo­chen­stun­den nicht kraft Di­rek­ti­ons­rechts verlängern. Auf­grund der langjähri­gen Hand­ha­bung sei die Ar­beits­zeit von 32 St­un­den je Wo­che durch be­trieb­li­che Übung zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bart wor­den. Die Schrift­form­klau­sel im Ar­beits­ver­trag und im Man­tel­ta­rif­ver­trag ste­he der Wirk­sam­keit die­ser Ver­ein­ba­rung nicht ent­ge­gen. Ein nor­ma­ti­ves Schrift­for­mer­for­der­nis be­ste­he nicht. Der Ar­beits­ver­trag se­he nur die schrift­li­che Bestäti­gung durch den Be­klag­ten vor. Die­se könne be­reits in der Aushändi­gung der durch den Be­klag­ten ge­fer­tig­ten Dienst­pläne ge­se­hen wer­den. Es sei zu­min­dest rechts­mißbräuch­lich, nun­mehr auf das Feh­len ei­ner schrift­li­chen Bestäti­gung zu ver­wei­sen; denn der Be­klag­te ha­be durch jah­re­lan­ge Übung ein ent­spre­chen­des An­ge­bot un­ter­brei­tet, das der Kläger durch kon­klu­den­tes Han­deln an­ge­nom­men ha­be. Der Be­klag­te ha­be im übri­gen durch sein langjähri­ges Ver­hal­ten dar­auf ver­zich­tet, die zwi­schen den Par­tei­en kon­klu­dent ge­trof­fe­ne Ände­rung der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung hin­sicht­lich der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit des Klägers schrift­lich zu bestäti­gen. Auch sei der Kläger auf­grund sei­ner über zehnjähri­gen Be­triebs­zu­gehörig­keit nur noch aus wich­ti­gem Grund künd­bar.

Der Kläger hat be­an­tragt:

1. Es wird fest­ge­stellt, daß die von dem Be­klag­ten aus­ge­spro­che­ne Ände­rungskündi­gung vom 23. De­zem­ber 1982 und sei­ne An­ord­nung vom sel­ben Ta­ge be­tref­fend die Her­auf­set­zung der Dienst­zeit des Klägers auf 36 St­un­den un­wirk­sam und der Be­klag­te nicht be­rech­tigt ist, für den Kläger ei­ne über 32 St­un­den hin­aus­ge­hen­de wöchent­li­che

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Dienst­zeit fest­zu­set­zen.

2. Der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen über den 31. De­zem­ber 1983 hin­aus wei­ter zu beschäfti­gen.
Hilfs­wei­se:

Es wird fest­ge­stellt, daß der Kläger nicht ver­pflich­tet ist, in der Nach­rich­ten­re­dak­ti­on mehr als 32 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten, so­lan­ge das Mit­be­stim­mungs­ver­fah­ren be­tref­fend die Ver­ab­schie­dung neu­er Schicht­pläne nicht ab­ge­schlos­sen ist.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Er meint, die Ände­rungskündi­gung sei so­zi­al ge­recht­fer­tigt. Der nie­dersäch­si­sche Lan­des­rech­nungs­hof ha­be die Ar­beits­zei­ten der Mit­ar­bei­ter der Nach­rich­ten­re­dak­ti­on be­an­stan­det. In der Öffent­lich­keit sei­en die­se Ar­beits­zei­ten ver­schie­dent­lich kri­ti­siert wor­den. Ihm sei es, auch un­ter Berück­sich­ti­gung ver­gleich­ba­rer Re­ge­lun­gen zu­guns­ten Schicht­dienst­leis­ten­der im öffent­li­chen Dienst und bei an­de­ren Rund­funk­an­stal­ten, we­gen des ge­setz­li­chen Spar­sam­keits­ge­bots nicht zu­zu­mu­ten, die übermäßig pri­vi­le­gier­te Ar­beits­zeit wei­ter hin­zu­neh­men. Der Per­so­nal­rat sei vor der Ände­rungskündi­gung ord­nungs­gemäß be­tei­ligt wor­den. Im übri­gen ha­be es ei­ner Ände­rungskündi­gung nicht be­durft, da es im Rah­men des Di­rek­ti­ons­rechts lie­ge, von der bis­he­ri­gen Hand­ha­bung ab­zu­ge­hen und in Zu­kunft die Dienst­pläne so zu ge­stal­ten, daß der Kläger 36 St­un­den pro Wo­che ar­bei­ten müsse. Ein An­spruch des Klägers auf ei­ne wöchent­li­che Ar­beits­zeit von 32 St­un­den be­ste­he im Hin­blick auf den schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag so­wie das ver­trag­li­che oder ta­rif­li­che Schrift­for­mer­for­der­nis nicht.

Das Ar­beits­ge­richt hat fest­ge­stellt, daß die von dem Be-
 


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klag­ten aus­ge­spro­che­ne Ände­rungskündi­gung vom 23® De­zem­ber 1982 und die An­ord­nung vom sel­ben Tag, die Her­auf­set­zung der Dienst¬zeit des Klägers auf 36 St­un­den be­tref­fend, un­wirk­sam sei. Im übri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Ge­gen die­ses Ur­teil ha­ben bei­de Par­tei­en Be­ru­fung ein­ge­legt. Der Kläger hat mit sei­ner Be­ru­fung sei­nen Haupt­an­trag zu 2. wei­ter­ver­folgt; der Be­klag­te hat be­gehrt, die Kla­ge ins­ge­samt ab­zu­wei­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fun­gen bei­der Par­tei­en zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Be­klag­te sei­nen An­trag auf voll-ständi­ge Kla­ge­ab­wei­sung wei­ter. Der Kläger be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten ist be­gründet. Sie führt zur Ab­wei­sung der Kla­ge auch in­so­weit, als die Vor­in­stan­zen ihr statt­ge­ge­ben hat­ten.

Der er­ken­nen­de Se­nat hat be­reits in sei­nem nicht veröffent­lich­ten Ur­teil vom 29. Ja­nu­ar 1986 - 7 AZR 295/84 -, dem ein gleich­ge­la­ger­ter Sach­ver­halt zu­grun­de lag, ent­schie­den, daß der Be­klag­te be­rech­tigt war, die Ar­beits­zeit in sei­ner Nach­rich­ten­re­dak­ti­on ein­sei­tig auf 36 Wo­chen­stun­den zu erhöhen und daß des­halb die vor­sorg­lich mit dem­sel­ben Ziel aus­ge­spro­che­nen Ände­rungskündi­gun­gen vom 23. De­zem­ber 1982 ge­gen­stands­los ge­wor­den und mit­hin nicht mehr im Kla­ge­we­ge an­greif­bar sind. An die­ser recht­li­chen Be­ur­tei­lung hält der Se­nat fest, zu­mal auch im vor-
 


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lie­gen­den Re­vi­si­ons­ver­fah­ren kei­ne Ge­sichts­punk­te auf­ge­tre­ten sind, die ei­ne ab­wei­chen­de Ent­schei­dung recht­fer­ti­gen könn­ten.

I. Der Be­klag­te hat die streit­be­fan­ge­ne Ände­rungskündi­gung aus­drück­lich nur vor­sorg­lich für den Fall aus­ge­spro­chen, daß sei­ne Rechts­auf­fas­sung, er könne die Ar­beits­zeit des Klägers auch oh­ne Kündi­gung ändern, in ei­nem even­tu­el­len Rechts­streit von den Ar­beits­ge­rich­ten nicht ge­teilt wer­den soll­te. Das be­deu­tet, daß nach dem erklärten Wil­len des Be­klag­ten die Kündi­gung nur gel­ten soll, wenn der Be­klag­te nicht schon ein­sei­tig zu der von ihm be­ab­sich­tig­ten Verlänge­rung der Wo­chen­ar­beits­zeit des Klägers be­rech­tigt ist, son­dern es da­zu ei­ner ent­spre­chen­den Ver­tragsände­rung be­darf. Da­mit hat der Be­klag­te kei­ne be­ding­te Kündi­gung erklärt, die un­zulässig wäre, weil die Kündi­gungs­erklärung be­din­gungs­feind­lich ist. Ei­ne Be­din­gung im Rechts­sin­ne ist ein künf­ti­ges un­ge­wis­ses Er­eig­nis, von des­sen Ein­tritt oder Nicht­ein­tritt ein Rechts­geschäft abhängig sein soll. Die Kündi­gung als ein­sei­ti­ge rechts­ge­stal­ten­de Wil­lens­erklärung verträgt aus Gründen der Rechts­klar­heit ei­nen durch die Beifügung ei­ner sol­chen Be­din­gung her­vor­ge­ru­fe­nen Schwe­be­zu­stand nicht. Ei­ne der­ar­ti­ge Un­ge­wißheit wäre für den Kündi­gungs­geg­ner un­zu­mut­bar. Im vor­lie­gen­den Fal­le soll die Kündi­gung aber nicht von ei­nem künf­ti­gen un­ge­wis­sen Er­eig­nis abhängen, son­dern von der be­reits beim Zu­gang der Kündi­gungs­erklärung ob­jek­tiv be­ste­hen­den Rechts­la­ge. Es han­delt sich mit­hin nicht um ei­ne ech­te Be­din­gung im Rechts­sin­ne, son­dern um ei­ne so­ge­nann­te Rechts­be­din­gung, an die die Kündi­gung ge­knüpft ist. Das ist recht­lich zulässig.
 


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Der Kläger hat nur An­laß, die Kündi­gung im Kla­ge­we­ge zu bekämp­fen, wenn er die ihr bei­gefügte Rechts­be­din­gung für ge­ge­ben hält, wenn er al­so der Auf­fas­sung ist, daß der Be­klag­te sei­ne Ar­beits­zeit nicht ein­sei­tig, son­dern nur mit sei­ner Ein­wil­li­gung her­auf­set­zen kann. Oh­ne die­se Vor­aus­set­zung liegt ei­ne Kündi­gungs­erklärung nicht vor. Ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge gin­ge dann ins Lee­re. Der Kläger kann des­halb mit sei­ner Kla­ge auf Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der Ände­rungskündi­gung nur durch­drin­gen, wenn die Rechts­be­din­gung, von der die Kündi­gungs­erklärung abhängig ge­macht wor­den ist, zu­trifft, der Be­klag­te al­so die be­ab­sich­tig­te Her­auf­set­zung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit des Klägers nicht oh­ne des­sen Ein­verständ­nis ver­wirk­li­chen könn­te. Das ist je­doch nicht der Fall.

II. Die seit lan­gem prak­ti­zier­te 32-stündi­ge Ar­beits­wo­che ist ent­ge­gen der An­sicht des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht auf­grund be­trieb­li­cher Übung zum In­halt des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en ge­wor­den. Viel­mehr gilt für die Par­tei­en die ta­rif­li­che re­gelmäßige Wo­chen­ar­beits­zeit von 40 St­un­den, so daß der Be­klag­te be­rech­tigt ist, vom Kläger die Ein­hal­tung ei­ner re­gelmäßigen Wo­chen­ar­beits­zeit von 36 St­un­den zu ver­lan­gen.

1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, durch die vie­le Jah­re hin­durch in der Nach­rich­ten­re­dak­ti­on des Be­klag­ten we­gen der dort be­son­ders er­schwer­ten Ar­beits­be­din­gun­gen geübte Pra­xis ei­ner nur 32-stündi­gen Wo­chen­ar­beits­zeit ha­be der Be­klag­te ei­nen Ver­trau­en­stat­be­stand ge­schaf­fen, auf­grund des­sen der Kläger da­mit hätte rech­nen können, daß die ein­mal be­gon­ne­ne Übung auch in Zu-

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kunft fort­ge­setzt und nicht ein­sei­tig geändert wer­de, zu­mal die­se re­du­zier­te Wo­chen­ar­beits­zeit durch die Schicht­dienst­pläne des Be­klag­ten fest­ge­legt wor­den sei. Da­mit ha­be der Be­klag­te den ob­jek­ti­ven Tat­be­stand ei­ner be­trieb­li­chen Übung wis­sent­lich ge­setzt. Un­er­heb­lich sei, daß die Dienst­pläne nicht vom Lei­ter der Per­so­nal­ab­tei­lung er­stellt wor­den sei­en. Das im Ein­zel­ar­beits­ver­trag der Par­tei­en und im Man­tel­ta­rif­ver­trag ver­ein­bar­te Schrift­for­mer­for­der­nis ste­he der An­nah­me ei­ner rechts­be­gründen­den be­trieb­li­chen Übung nicht ent­ge­gen. Der Ver­trau­ens­schutz­ge­dan­ke, auf dem die Bin­dungs­wir­kung ei­ner be­trieb­li­chen Übung be­ru­he, dürfe nicht durch ein Schrift­for­mer­for­der­nis ver­drängt wer­den, das im we­sent­li­chen aus­drück­li­che münd­li­che Ver­ein­ba­run­gen zum Ge­gen­stand ha­be. Dies könne je­doch da­hin­ge­stellt blei­ben; denn je­den­falls ver­s­toße die Be­ru­fung des Be­klag­ten auf die feh­len­de Schrift­form ge­gen Treu und Glau­ben. Der Be­klag­te ha­be über Jah­re hin­weg nicht nur hin­ge­nom­men und ge­dul­det, daß sei­ne Mit­ar­bei­ter in der Nach­rich­ten­re­dak­ti­on trotz der im Man­tel­ta­rif­ver­trag ver­ein­bar­ten 40-stündi­gen Wo­chen­ar­beits­zeit le­dig­lich 32 Wo­chen­stun­den ge­ar­bei­tet hätten; er ha­be die­se Ar­beits­zeit so­gar seit vie­len Jah­ren den Dienst­plänen zu­grun­de ge­legt und sie so­mit über Jahr­zehn­te hin­aus fest­ge­schrie­ben. Der Kläger ha­be da­von aus­ge­hen müssen, daß die prak­ti­zier­te Ar­beits­zeit rech­tens sei und nicht et­wa an ei­nem Form­feh­ler lei­de und daß der Be­klag­te an­ge­sichts sei­nes bis­he­ri­gen Ver­hal­tens sich auf die von ihm selbst nicht ein­ge­hal­te­ne Schrift­form nicht be­ru­fe. Der Be­klag­te set­ze sich mit sei­nem bis­he­ri­gen Ver­hal­ten in Wi­der­spruch, wenn er nun­mehr das Feh­len der Schrift­form gel­tend ma­che. Das sei treu­wid­rig.
 


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2. Der Se­nat geht oh­ne ab­sch­ließen­de Prüfung mit dem Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­guns­ten des Klägers da­von aus, daß der Be­klag­te durch sein langjähri­ges Ver­hal­ten den ob­jek­ti­ven Tat­be­stand ei­ner ent­spre­chen­den be­trieb­li­chen Übung ge­setzt hat. Die­se Übung konn­te je­doch nicht zum In­halt des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en wer­den, weil es da­zu der Schrift­form be­durft hätte, die nicht ein­ge­hal­ten wor­den ist.

Ent­ge­gen der Rechts­an­sicht des Re­vi­si­ons­be­klag­ten ver­hin­dert die Nicht­be­ach­tung ei­nes kon­sti­tu­ti­ven Schrift­for­mer­for­der­nis­ses auch das Ent­ste­hen von Ansprüchen aus be­trieb­li­cher Übung, so­fern nicht - was nur bei ei­ner ge­willkürten Schrift­form möglich ist in der be­trieb­li­chen Übung auch ei­ne ver­trag­li­che Ab­din­gung des Schrift­for­mer­for­der­nis­ses liegt (s. da­zu un­ten II 4) oder die Be­ru­fung auf das Schrift­for­mer­for­der­nis im Ein­zel­fall ge­gen Treu und Glau­ben verstößt (s. da­zu un­ten II 6). An die­sem der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ent­spre­chen­den Grund­satz (vgl. z.B. BAG Ur­teil vom 7. Sep­tem­ber 1982 - 3 AZR 5/80 - BA­GE 40, 126, 136 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bun­des­post, zu III 1 c der Gründe) ist fest­zu­hal­ten. Der er­ken­nen­de Se­nat hat in sei­nem auch zur Veröffent­li­chung in der Amt­li­chen Samm­lung des Ge­richts be­stimm­ten Ur­teil vom 4. Sep­tem­ber 1985 (- 7 An 262/83 - AP Nr. 22 zu § 242 BGB Be­trieb­li­che Übung) klar­ge­stellt, daß hin­sicht­lich des Ein­tritts der Bin­dungs­wir­kung ei­ner be­trieb­li­che Übung kei­ne Un­ter­schie­de zur all­ge­mei­nen Rechts­geschäfts­leh­re be­ste­hen. Aus dem in der be­trieb­li­chen Übung lie­gen­den schlüssi­gen Erklärungs­ver­hal­ten können kei­ne wei­ter­ge­hen­den Rech­te als aus ei­ner aus­drück­li­chen Ver­pflich­tungs­erklärung

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er­wach­sen. Die Hin­wei­se des Re­vi­si­ons­be­klag­ten auf ei­ne herr­schen­de Mei­nung, die die Ablösung auch ei­ner be­trieb­li­chen Übung durch ei­ne ver­schlech­tern­de Be­triebs­ver­ein­ba­rung zu­ließ, be­tref­fen ei­nen an­de­ren Fra­gen­kreis und sind über­dies durch den zur Veröffent­li­chung be­stimm­ten Be­schluß des Großen Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 16. Sep­tem­ber 1986 - GS 1/82 - über­holt.

3. Im Ent­schei­dungs­fall galt ei­ne kon­sti­tu­ti­ve Schrift­form­klau­sel, und zwar ent­we­der die ta­rif­ver­trag­li­che oder die ein­zel­ver­trag­li­che. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat kei­ne Fest­stel­lun­gen da­zu ge­trof­fen, ob der Kläger ta­rif­ge­bun­den ist.

a) Bei Ta­rif­bin­dung gilt die Form­vor­schrift der Zif­fer 211.3 MTV für die beim Nord­deut­schen Rund­funk beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer zwi­schen den Par­tei­en un­mit­tel­bar und zwin­gend. Nach die­ser Ta­rif­norm bedürfen Ergänzun­gen und Ände­run­gen des Ar­beits­ver­tra­ges zu ih­rer Gültig­keit der Schrift­form. Wie sich aus dem Wort­laut der Vor­schrift ein­deu­tig er­gibt, han­delt es sich hier­bei um ei­ne kon­sti­tu­ti­ve Schrift­form­klau­sel.

b) Fehlt es da­ge­gen an der Ta­rif­bin­dung des Klägers, so folgt die Un­wirk­sam­keit form­lo­ser Ver­tragsände­run­gen oder -ergänzun­gen aus der Schrift­form­klau­sel in § 9 des Ar­beits­ver­tra­ges. Der Wort­laut die­ser ein­zel­ver­trag­li­chen Be­stim­mung, nach der Ände­run­gen oder Ergänzun­gen "in je­dem Fal­le" der schrift­li­chen Bestäti­gung "bedürfen", spricht für die kon­sti­tu­ti­ve Be­deu­tung der Schrift­form. Da der Ver­trag for­mu­larmäßig ge­schlos­sen und im übri­gen auf den MTV ver­wie­sen wor­den ist, be­steht kein hin­rei-

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chen­der An­halts­punkt für die An­nah­me, die Par­tei­en hätten von dem kon­sti­tu­ti­ven Cha­rak­ter der ta­rif­li­chen Schrift­form­klau­sel ab­wei­chen wol­len. Mit der ein­zel­ver­trag­li­chen Ver­wei­sung auf den MTV und sei­ne Form­vor­schrift soll­te viel­mehr ei­ne ein­heit­li­che Re­ge­lung für ta­rif­ge­bun­de­ne und nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­neh­mer - wie im öffent­li­chen Dienst üblich - er­reicht wer­den.

Die­sem für die Aus­le­gung der ver­trag­li­chen Schrift­form­klau­sel aus­schlag­ge­ben­den Ge­sichts­punkt ste­hen auch die Ein­wen­dun­gen des Re­vi­si­ons­be­klag­ten, ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung von ta­rif­ge­bun­de­nen und nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern sei recht­lich zulässig, nicht ent­ge­gen. Im vor­lie­gen­den Zu­sam­men­hang geht es nicht um die Fra­ge, ob die Ver­trags­par­tei­en aus Rechts­gründen ei­ne Gleich­stel­lung des nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mers her­beiführen mußten, son­dern ob sie dies er­kenn­bar ge­wollt ha­ben. Dies aber ist aus der gewähl­ten For­mu­lie­rung mit hin­rei­chen­der Deut­lich­keit er­kenn­bar.

4. Die Par­tei­en ha­ben die Schrift­form­klau­sel in § 9 ih­res Ar­beits­ver­tra­ges auch nicht später form­los auf­ge­ho­ben. Zwar können die Ver­trags­part­ner ei­ne für Ände­run­gen oder Ergänzun­gen ih­res Ver­tra­ges ver­ein­bar­te Schrift­form später grundsätz­lich form­los wie­der ab­be­din­gen und den Ver­trag durch münd­li­che Ab­re­den ändern 9 auch wenn sie da­bei nicht an die Schrift­form den­ken (BAG Ur­teil vom 4. Ju­ni 1963 - 5 AZR 16/63 - AP Nr. 1 zu § 127 BGB; BGHZ 66, 378, 380 f.; BGH Ur­teil vom 26. No­vem­ber 1964 - VII ZR 111/63 - AP Nr. 2 zu § 127 BGB, zu II 1 der Gründe). Auch durch ei­ne form­lo­se be­trieb­li­che Übung kann zu­gleich ei­ne ver­trag­lich

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ver­ein­bar­te Schrift­form ab­be­dun­gen wor­den sein. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat die­se Fol­ge aber dann nicht an­ge­nom­men, wenn die Schrift­form­klau­sel Be­stand­teil ei­ner ta­rif­li­chen Re­ge­lung ist, die für ei­nen nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer ein­zel­ver­trag­lich über­nom­men wor­den ist (BA­GE 37, 228, 234 ff. = AP Nr. 8 zu 5 4 BAT; BA­GE 39, 271, 274 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Be­trieb­li­che Übung, zu 1 2 b der Gründe). Die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en wol­len durch die Be­zug­nah­me auf den Ta­rif­ver­trag ei­ne Gleich­be­hand­lung der nicht ta­rif­ge­bun­de­nen mit den ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern er­rei­chen. Die­sem Zweck der ein­zel­ver­trag­li­chen Ver­wei­sung auf den Ta­rif­ver­trag, glei­che Ar­beits­be­din­gun­gen für Ta­rif­ge­bun­de­ne und Nicht­ta­rif­ge­bun­de­ne zu schaf­fen, würde die Ab­din­gung ei­ner ein­zel­ver­trag­lich über­nom­me­nen ta­rif­li­chen Schrift­form­klau­sel zu­wi­der­lau­fen. Denn die be­trieb­li­che Übung könn­te sich dann nur ge­genüber den nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern durch­set­zen, während sie für die ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer an dem zwin­gen­den und des­halb ein­zel­ver­trag­lich nicht ab­ding­ba­ren ta­rif­li­chen Schrift­for­mer­for­der­nis schei­tern würde. Die da­durch her­bei­geführ­te un­ter­schied­li­che Rechts­stel­lung der ta­rif­ge­bun­de­nen und der nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer soll­te aber ge­ra­de durch die ein­zel­ver­trag­li­che Ver­wei­sung auf den Ta­rif­ver­trag ver­mie­den wer­den. Des­halb kann nicht an­ge­nom­men wer­den, durch die form­los prak­ti­zier­te be­trieb­li­che Übung ha­be zu­gleich für die nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer das ein­zel­ver­trag­lich über­nom­me­ne ta­rif­li­che Schrift­for­mer­for­der­nis ab­be­dun­gen wer­den sol­len. Auch wenn der Kläger nicht ta­rif­ge­bun­den sein soll­te, könn­te sei­ne Rechts­stel­lung hin­sicht­lich des Schrift­for­mer­for­der­nis­ses al­so kei­ne an­de­re sein als die der ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer des

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Be­klag­ten. Auch in­so­weit gilt zu den Ein­wen­dun­gen des Re­vi­si­ons-be­klag­ten das oben zu II 3 b Aus­geführ­te. Es geht nicht dar­um, ob ei­ne Ab­din­gung der Schrift­form­klau­sel für die nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer recht­lich zulässig ge­we­sen wäre, son­dern ob sie ge­wollt war.

5. Die mit­hin nicht ab­be­dun­ge­ne und da­her ein­zu­hal­ten­de Schrift­form zur Her­ab­set­zung der ta­rif­li­chen re­gelmäßigen Wo­chen­ar­beits­zeit von 40 auf 32 St­un­den ist nicht ge­wahrt. Die Schicht­pläne genügen dem Schrift­for­mer­for­der­nis nicht, weil sie ent­ge­gen § 126 BGB kei­ne Na­mens­un­ter­schrif­ten tra­gen. Nach § 125 BGB führt die­ser Form­m­an­gel zur Nich­tig­keit des Rechts­geschäfts, da das oben (II 3 b) be­gründe­te Aus­le­gungs­er­geb­nis - und zwar auch oh­ne An­wen­dung der vom Kläger hier nicht für an­wend­bar ge­hal­te­nen Aus­le­gungs­re­gel des § 125 Satz 2 BGB - zur An­nah­me ei­nes kon­sti­tu­ti­ven Schrift­for­mer­for­der­nis­ses führen mußte. Die form­los prak­ti­zier­te be­trieb­li­che Übung konn­te da­her kei­ne Ver­pflich­tung des Be­klag­ten für die Zu­kunft be­gründen, so daß der Be­klag­te je­der­zeit wie­der die Ein­hal­tung der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit von 40 Wo­chen­stun­den ver­lan­gen durf­te. Selbst wenn man der An­sicht des Re­vi­si­ons­be­klag­ten fol­gen woll­te, die Her­ab­set­zung die­ser Ar­beits­zeit auf 36 Wo­chen­stun­den ha­be der Mit­be­stim­mung der Per­so­nal­ver­tre­tung be­durft, so hätte dies al­len­falls zur Fol­ge, daß der Be­klag­te vom Kläger wei­ter­hin die Ein­hal­tung ei­ner Ar­beits­zeit von 40 Wo­chen­stun­den for­dern dürf­te. Auch bei Zu­grun­de­le­gung die­ser Rechts­la­ge kann der Kläger dar­aus, daß der Be­klag­te tatsächlich nur die Leis­tung von 36 Wo­chen­stun­den for­dert, kei­ne Rech­te her­lei­ten.
 


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6. Die Be­ru­fung des Be­klag­ten auf den Man­gel der Schrift­form verstößt ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht ge­gen Treu und Glau­ben.

Die Be­ru­fung der Par­tei auf die Form­nich­tig­keit ei­nes Ver­tra­ges verstößt für sich al­lein auch dann nicht ge­gen Treu und Glau­ben, wenn auf­grund der form­nich­ti­gen Ver­ein­ba­rung über ei­nen lan­gen Zeit­raum hin­weg Leis­tun­gen er­bracht wor­den sind. Sieht ei­ne ge­setz­li­che oder ta­rif­li­che Vor­schrift vor, daß die Wirk­sam­keit ei­nes Ver­tra­ges von der Ein­hal­tung ei­ner be­stimm­ten Form abhängig sein soll, so ge­bie­tet die Rechts­si­cher­heit, daß die Vor­schrift nicht oh­ne zwin­gen­den Grund un­be­ach­tet bleibt. Der Ein­wand, ei­ne Par­tei han­de­le treu­wid­rig, wenn sie sich auf die Nicht­be­ach­tung der Form be­ru­fe, kann da­her nur in Aus­nah­mefällen er­folg­reich sein. Form­vor­schrif­ten können über den Ein­wand der un­zulässi­gen Rechts­ausübung re­gelmäßig nicht ge­gen­stands­los ge­macht wer­den. Im all­ge­mei­nen hat je­de Par­tei die Rechts­nach­tei­le zu tra­gen, die sich aus der Form­nich­tig­keit ei­nes Rechts­geschäftes er­ge­ben (BA­GE 40, 126, 136 f. = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bun­des­post, zu III 2 b der Gründe; vgl. auch BAG Ur­teil vom 9. Fe­bru­ar 1972 - 4 AZR 149/71 AP Nr. 1 zu § 4 BAT; BAG Ur­teil vom 6. Sep­tem­ber 1972 - 4 AZR 422/71 - AP Nr. 2 zu § 4 BAT).

Die Be­ru­fung auf die Nich­tig­keit ei­ner Zu­sa­ge we­gen Nicht­ein­hal­tung der vor­ge­schrie­be­nen Schrift­form kann aber rechts­mißbräuch­lich sein, wenn sich der ei­ne Ver­trags­teil da­durch zu Las­ten des an­de­ren Vor­tei­le ver­schafft, die die Rechts­ord­nung

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we­gen des an­ge­streb­ten Zwecks oder der an­ge­wand­ten Mit­tel mißbil­li­gen muß. Ob das an­zu­neh­men ist, hängt vor al­lem da­von ab, wel­chen Zweck die Form­vor­schrift ver­folgt, Dient sie dem öffent­li­chen In­ter­es­se oder be­zweckt sie gar die staat­li­che Über­wa­chung rechts­geschäft­li­cher Vorgänge, so kommt ih­rer strik­ten Be­ach­tung größeres Ge­wicht zu, als wenn es nur um die bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen der Par­tei­en ei­nes Ver­tra­ges geht (BA­GE 40, 126, 137, aa0).

Im vor­lie­gen­den Fall kommt der strik­ten Be­ach­tung der Form­vor­schrift er­heb­li­che Be­deu­tung zu. Denn mit ih­rer Hil­fe sol­len auch Be­triebsübun­gen, die sich mögli­cher­wei­se in ein­zel­nen Ab­tei­lun­gen des Be­klag­ten an der ta­rif­li­chen Re­ge­lung vor­bei ent­wi­ckeln, für die Zu­kunft kei­ne bin­den­de Wir­kung ent­fal­ten.

Im übri­gen könn­te über den Form­m­an­gel un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­nes Ver­s­toßes ge­gen Treu und Glau­ben (5 242 BGB) auch nur dann hin­weg­ge­se­hen wer­den, wenn das Er­geb­nis für die be­trof­fe­ne Par­tei nicht nur hart, son­dern schlecht­hin un­trag­bar wäre (BGHZ 29, 7, 10; 48, 396, 398; BGH NJW 1984, 606, 607). Daß die Her­auf­set­zung der Wo­chen­ar­beits­zeit von 32 St­un­den auf das ta­rif­lich vor­ge­se­he­ne Maß für den Kläger und sei­ne durch die bis­her geübte Pra­xis begüns­tig­ten Ar­beits­kol­le­gen in der Nach­rich­ten­re­dak­ti­on des Be­klag­ten schlecht­hin un­trag­bar wäre, ist nicht er­sicht­lich, zu­mal auf­grund der Pro­to­koll­no­tiz zu Ziff. 311 MTV je­der­zeit die Möglich­keit ei­ner sach­ge­rech­ten Verkürzung der ta­rif­li­chen Wo­chen­ar­beits­zeit durch ei­ne ent­spre­chen­de Be­triebs­ver­ein­ba­rung be­steht, so­fern der Kläger und sei­ne Kol­le­gen in der

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Nach­rich­ten­re­dak­ti­on un­ter be­son­ders er­schwer­ten Ar­beits­be­din­gun­gen tätig sein müssen. Ent­ge­gen den Ausführun­gen des Klägers können des­halb et­wai­ge für ei­ne Her­ab­set­zung der Ar­beits­zeit spre­chen­de Sach­gründe nicht von den Ge­rich­ten im Rah­men des § 242 BGB oder des § 315 BGB, son­dern nur von den Be­triebs­part­nern im We­ge ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung auf der Grund­la­ge der Pro­to­koll­no­tiz zu Zif­fer 311 MTV berück­sich­tigt wer­den.


III. War mit­hin der Be­klag­te be­rech­tigt, oh­ne Ver­tragsände­rung ein­sei­tig die wöchent­li­che Ar­beits­zeit des Klägers auf 36 St­un­den her­auf­zu­set­zen, so geht die Kündi­gungs­schutz­kla­ge des Klägers ins Lee­re, weil die Ände­rungskündi­gung für den Fall die­ser Rechts­la­ge nicht aus­ge­spro­chen wur­de und da­her recht­lich nicht vor­han­den ist.

Un­be­gründet ist da­mit zu­gleich auch der An­trag des Klägers auf Fest­stel­lung, daß ei­ne am 23. De­zem­ber 1982 er­gan­ge­ne An­ord­nung des Be­klag­ten, in der Nach­rich­ten­re­dak­ti­on durch­schnitt­lich länger als 32 St­un­den je Wo­che Dienst zu leis­ten, un­wirk­sam sei. Es kommt des­halb nicht mehr dar­auf an, daß der Kläger nicht näher dar­ge­legt hat, daß und ggf. durch wel­che Erklärun­gen der Be­klag­te am 23. De­zem­ber 1982 tatsächlich ei­ne sol­che An­ord­nung er­las­sen hätte. Fer­ner ist da­mit auch der Hilfs­an­trag des Klägers un­be­gründet, mit dem er die Fest­stel­lung be­gehrt hat, daß er nicht ver­pflich­tet sei, in der Nach­rich­ten­re­dak­ti­on mehr als 32

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Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten, so­lan­ge das Mit­be­stim­mungs­ver­fah­ren be­tref­fend die Ver­ab­schie­dung neu­er Schicht­pläne nicht ab­ge­schlos­sen ist.

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