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LAG Hamm, Ur­teil vom 29.01.2001, 19 Sa 257/00

   
Schlagworte: Nachtarbeit, Nachtarbeit: Ausgleich
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 19 Sa 257/00
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 29.01.2001
   
Leitsätze:

1. Bei der Gewährung bezahlter freier Tage oder eines Entgeltzuschlags für geleistete Nachtarbeit nach § 6 Abs 5 ArbZG handelt es sich um eine Wahlschuld im Sinne der §§ 262ff BGB.

2. Sofern sich im Einzelfall nichts anderes ergibt, sind bei der Bemessung des entgeltlichen Nachtarbeitszuschlags nach § 6 Abs 5 ArbZG die Tarifsätze des jeweiligen Branchentarifvertrages zugrunde zu legen.

3. Es hält sich in jedem Fall im Rahmen einer angemessenen Zahl zu gewährleistender bezahlter freier Tage, wenn für jeweils 90 geleistete Nachtarbeitsstunden ein bezahlter freier Tag verlangt wird.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Paderborn, Urteil vom 27.01.2000, 1 Ca 1421/99
   

19 Sa 257/00

1 Ca 1421/99 ArbG Pa­der­born

5 AZR 202/01 Re­vi­si­on zurück­ge­wie­sen 05.09.2002 

 

Verkündet am:
29.01.2001

gez.
Neu­ge­bau­er Re­gie­rungs­an­ge­stell­te als Ur­kunds­be­am­ter der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

hat die 19. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 29.01.2001
durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt Dr. Müller als Vor­sit­zen­den,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Men­ne so­wie die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Krau­se

f ü r R e c h t e r k a n n t:

 

- 2 -

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pa­der­born vom 27.01.2000 - 1 Ca 1421/99 - un­ter Zurück­wei­sung der Be­ru­fung im übri­gen ab­geändert und wie folgt neu ge­fasst:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, nach ih­rer Wahl dem Kläger 51 be­zahl­te freie Ar­beits­ta­ge zu gewähren oder an den Kläger 42.435,00 DM brut­to nebst 41 % Zin­sen auf den sich dar­aus er­ge­ben­den Net­to­be­trag seit dem 09. 11.1999 zu zah­len.

Von den Kos­ten des Rechts­streits hat der Kläger 1/4 und die Be­klag­te 3/4 zu tra­gen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

T a t b e s t a n d :

Die Par­tei­en strei­ten um die Gewährung ge­setz­li­cher Nacht­ar­beits­zu­schläge.

Der am 06.12.1960 ge­bo­re­ne Kläger ist seit dem 01.09.1995 als Ma­schi­nen­be­die­ner bei der Be­klag­ten, ei­nem Be­trieb der obst- und gemüse­ver­ar­bei­ten­den In­dus­trie, beschäftigt. Nach der An­la­ge zu den schrift­li­chen Ar­beits­verträgen vom 04.09.1995 (BI. 88 ff. d.A.) und 01.03.1997 (BI. 10 ff. d.A) ist er für die In­be­trieb­nah­me, Be­die­nung und War­tung von Te­tra-Abfüll­ma­schi­nen, der da­zu gehören­den Pack­au­to­ma­ten, der Er­hit­zungs­an­la­gen so­wie des an­ge­schlos­se­nen Pa­let­tie­rers ver­ant­wort­lich. Er ar­bei­tet aus­sch­ließlich in der Nacht­schicht, und zwar von Mon­tag bis Don­ners­tag je­weils in der Zeit von 22.30 Uhr bis 6.00 Uhr und frei­tags von 22.30 Uhr bis 8.30 Uhr. Bei ei­ner tägli­chen Pau­se von 45 Mi­nu­ten kommt er so auf 36,25 St­un­den pro Wo­che, während in al­len an­de­ren Schich­ten 37,5 Wo­chen­stun­den ge­ar­bei­tet wird. Der Kläger erhält dafür gemäß § 3 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 01.03.1997 ei­ne Brut­to­stun­den­vergütung in Höhe von 18,40 DM. Nach § 1 Satz 4 des Ver­tra­ges fin­den man­gels Ta­rif­ge­bun­den­heit der Be­klag­ten kei­ne Ta­rif­verträge An­wen­dung.

 

- 3 -

Erst­mals mit Schrei­ben vom 04.10.1999 (BI. 4 d.A.) hat der Kläger ge­genüber der Be­klag­ten die Zah­lung von Nacht­ar­beits­zu­schlägen in Höhe von 50 % sei­nes St­un­den­loh­nes für die Zeit ab 01.01.1997 gel­tend ge­macht.

Nach ei­ner im Lau­fe des Rechts­streits teil­wei­se kor­ri­gier­ten Be­rech­nung ver­langt der Kläger nun­mehr für ins­ge­samt 738 Ta­ge im Zeit­raum ab 01.01.1997 bis zum 31.10.1999 bei täglich 6,25 St­un­den Nacht­ar­beit und ei­nem Zu­schlag von 50 % in ers­ter Li­nie die Zah­lung von 42.435,00 DM brut­to.

Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass bei der Be­stim­mung der An­ge­mes­sen­heit des Nacht­ar­beits­zu­schlags im Rah­men des § 6 Abs. 5 Arb­ZG man­gels Ei­ni­gung mit der Be­klag­ten auf die ent­spre­chen­de Bran­chen­re­ge­lung im Man­tel­ta­rif­ver­trag für die obst- und gemüse­ver­ar­bei­ten­de In­dus­trie (im Fol­gen­den kurz: MTV) zurück­zu­grei­fen sei; in des­sen § 5 Zif­fer 2 b) hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en für Nacht­ar­beit ei­nen 50%igen Zu­schlag fest­ge­legt. Der nach der ge­setz­li­chen Vor­schrift auch mögli­che Frei­zeit­aus­gleich schei­de hier aus, da die­ser nur bei zeit­na­her Gewährung den er­streb­ten Er­ho­lungs­ef­fekt ha­be.

Der Kläger, des­sen Kla­ge der Be­klag­ten am 09. 11.1999 zu­ge­stellt wur­de, hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger 42.435,00 DM brut­to nebst 4 % Zin­sen auf den sich dar­aus er­ge­ben­den Net­to­be­trag seit Kla­ge­er­he­bung zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat die Mei­nung ver­tre­ten, mit der Zah­lung ei­ner St­un­den­vergütung in Höhe von 18,40 DM ha­be man zu­min­dest kon­klu­dent Zu­schläge für Nacht­ar­beit ab­be­dun­gen. Im übri­gen sei der Vor­trag des Klägers un­sub­stan­zi­iert, weil er bei den ins­ge­samt 738 Ta­gen nicht un­ter­schei­de zwi­schen Werk-, Sonn- und Fei­er­ta­gen so­wie Ur­laubs- und Krank­heits­zei­ten. In je­dem Fall sei­en die gel­tend ge­mach­ten 50 % Nacht­ar­beits­zu­schlag un­an­ge­mes­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 27.01.2000 der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, dass der Kläger man­gels Ta­rif­bin­dung von der Be­klag­ten gemäß § 6 Abs. 5 Arb­ZG ei­nen ,,an­ge­mes­se­nen" Zu­schlag für die von ihm ver­rich­te­te Nacht­ar­beit ver­lan­gen könne. Die An­ge­mes­sen­heit er­ge­be sich hier aus § 5 MTV; die dar­in fest­ge­leg­ten 50 % ha­be die Be­klag­te als ge­setz­li­chen Nacht­ar­beits­zu­schlag zu zah­len.

 

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In dem Zu­sam­men­hang könne von den ka­len­dermäßig sich er­ge­ben­den ins­ge­samt 738 Ta­gen aus­ge­gan­gen wer­den, weil die Be­klag­te nicht im ein­zel­nen die Ar­beits­ta­ge an­ge­ge­ben ha­be, für die dem Kläger kei­ne Vergütung zu­ge­stan­den hätte.

Ge­gen die­ses ihr am 07.02.2000 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Be­klag­te am 14.02.2000 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se - nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 14.04.2000 - am 14.04.2000 be­gründet.

Sie ist der Auf­fas­sung, al­lein die Be­haup­tung des Klägers, im streit­be­fan­ge­nen Zeit­raum 738 Ta­ge ge­ar­bei­tet zu ha­ben, rei­che für ein schlüssi­ges Vor­brin­gen nicht aus.
Ab­ge­se­hen da­von kom­me im Rah­men des § 6 Abs. 5 Arb­ZG ei­ne wertmäßige Über­tra­gung ta­rif­li­cher Ein­zel­re­ge­lun­gen, hier zum Nacht­ar­beits­zu­schlag, nicht in Be­tracht; denn bei Ta­rif­ver­trags­ver­hand­lun­gen ste­he re­gelmäßig ein Ge­samt­pa­ket zur Ver­ab­schie­dung an, so dass zum Bei­spiel Zu­geständ­nis­se der Ar­beit­ge­ber­sei­te bei den Nacht­ar­beits­zu­schlägen kom­pen­siert würden durch Vor­tei­le bei an­de­ren Re­ge­lun­gen.
Im übri­gen sei ein an­ge­mes­se­ner Aus­gleich schon da­durch her­bei­geführt wor­den, dass der Kläger nur 36,25 statt der übli­chen 37,5 St­un­den ge­ar­bei­tet ha­be.
Da­von ab­ge­se­hen kom­me al­len­falls (noch) ei­ne Zu­la­ge in Höhe von 25 % in Be­tracht. Letzt­lich könne der Kläger auch nicht die un­be­ding­te Ab­gel­tung durch Zah­lung ei­nes Zu­schla­ges ver­lan­gen; viel­mehr sei nach wie vor auch ein Aus­gleich in Frei­zeit denk­bar.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pa­der­born vom 27.01.2000 - 1 Ca 1421/99 - ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen,

hilfs­wei­se die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen mit der Maßga­be, dass die Be­klag­te ver­ur­teilt wird, nach ih­rer Wahl an den Kläger 42.435,00 DM brut­to nebst 4 % Zin­sen auf den sich dar­aus er­ge­ben­den Net­to­be­trag seit dem 09.11.1999 zu zah­len oder dem Kläger 51 be­zahl­te freie Ar­beits­ta­ge zu gewähren.

Er ist der Mei­nung, dass statt der in § 6 Abs. 5 Arb­ZG auch vor­ge­se­he­nen frei­en Ta­ge vor­lie­gend nur noch die Zah­lung von Zu­schlägen in Be­tracht kom­me, weil der vom Ge­setz­ge­ber er­streb­te Er­ho­lungs­ef­fekt we­gen der feh­len­den zeit­li­chen Nähe zur ge­leis­te­ten Nacht­ar­beit nicht mehr er­zielt wer­den könne. Hilfs­wei­se wer­de aber der Aus­gleich in Form be­zahl­ter

 

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frei­er Ta­ge gel­tend ge­macht. In­so­weit wer­de an­ge­knüpft an den ursprüng­li­chen Re­fe­ren­ten­ent­wurf im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren, der für 90 während der Nacht­ar­beit ge­leis­te­te St­un­den ei­nen Frei­zeit­aus­gleich von ei­nem Tag vor­ge­se­hen ha­be; dar­aus er­rech­ne­ten sich hier ab­ge­run­det 51 Ar­beits­ta­ge.
Im übri­gen könne nur wie­der­holt wer­den, dass ei­ne zwi­schen den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en be­trof­fe­ne Re­ge­lung in al­ler Re­gel auch den Maßstab bil­den könne zur Ausfüllung des un­be­stimm­ten Rechts­be­griffs der An­ge­mes­sen­heit.
Mögli­che un­be­zahl­te freie St­un­den für ihn, den Kläger, der im­mer nur 36,25 statt 37,5 St­un­den ge­ar­bei­tet ha­be, könn­ten kei­nen Aus­gleich im Rah­men des § 6 Abs. 5 Arb­ZG her­beiführen.
Was schließlich die Zahl der Ta­ge an­ge­he, sei­en die­se ka­len­dermäßig be­stimm­bar. Es ha­be in dem ge­sam­ten Zeit­raum kei­ne un­vergütet ge­blie­be­nen Aus­fall­zei­ten ge­ge­ben.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist an sich statt­haft (§ 64 Abs. 1 ArbGG) und nach § 64 Abs. 2 b) ArbGG zulässig. Sie ist in der ge­setz­li­chen Form und Frist ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 ArbGG, §§ 518 Abs. 1, Abs. 2, 519 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO).
In der Sa­che ist die Be­ru­fung aber "nur" in­so­weit er­folg­reich, als sich die Be­klag­te mit ih­rem Rechts­mit­tel ge­gen die un­be­ding­te Ver­ur­tei­lung zur Zah­lung von Nacht­ar­beits­zu­schlägen ge­wandt hat; im übri­gen war die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

I.

Der Kläger hat ge­genüber der Be­klag­ten für ins­ge­samt 738 Ta­ge im Zeit­raum ab 01.01.1997 bis ein­sch­ließlich 31.10.1999 kei­nen aus­sch­ließlich auf die Vergütung von Nacht­ar­beits­zu­schlägen in Höhe von 42.135,00 DM ge­rich­te­ten An­spruch; viel­mehr kann er gemäß § 6 Abs. 5 Arb­ZG die Zah­lung nur wahl­wei­se ne­ben der Gewährung der be­an­trag­ten 51 be­zahl­ten frei­en Ta­ge ver­lan­gen.
Denn zu­tref­fend wird in der Recht­spre­chung (BAG, Urt. v. 26.08.1997 - 1 ABR 16/97 - AP Nr. 74 zu § 87 Be­trVG 1972 Ar­beits­zeit, BI. 4 R; Urt. v. 24.02.1999 - 4 AZR 62/98 - AP Nr.

 

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17 zu § 3 TVG Ver­bands­zu­gehörig­keit, BI. 4 f.; LAG Schles­wig-Hol­stein, Urt. v. 21.01.1997 - 1 Sa 467/96 - LA­GE Nr. 1 zu § 6 Arb­ZG, S. 5) und Li­te­ra­tur (z.B. Busch­mann/Ul­ber, Arb­ZG, 3. Aufl., § 6 Rn. 27; Rog­gen­dorff, Arb­ZG, § 6 Rn. 41; Schlie­mann, Arb­ZG, § 6 Rn. 86; ders. in: Schlie­mann/Förs­ter/Mey­er, Ar­beits­zeit­recht, Rn. 476; Zmarz­lik/Anz­in­ger, Kom­men­tar zum Arb­ZG, § 6 Rn. 58) da­von aus­ge­gan­gen, dass es sich bei dem in § 6 Abs. 5 Arb­ZG vor­ge­schrie­be­nen Aus­gleich für ge­leis­te­te Nacht­ar­beit um ei­ne Wahl­schuld im Sin­ne der §§ 262 ff. BGB han­delt. Folg­lich kann der Ar­beit­ge­ber als Schuld­ner nach § 262 BGB im Zwei­fel wählen, ob er sei­ne Ver­pflich­tung durch Gewährung be­zahl­ter frei­er Ta­ge, durch ei­nen Ent­gelt­zu­schlag oder durch ei­ne Kom­bi­na­ti­on aus bei­dem erfüllt; bei des­sen Ausübung hat er dann al­ler­dings die Mit­be­stim­mungs­rech­te des Be­triebs­ra­tes gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 und 10 Be­trVG zu be­ach­ten (BAG, Urt. v. 26.08.1997 - 1 ABR 16/97 - AP Nr. 74 zu § 87 Be­trVG 1972 Ar­beits­zeit, BI. 4 R ff.).
Die­ses Wahl­recht bleibt auch dann be­ste­hen, wenn, wie vor­lie­gend, die aus­zu­glei­chen­de Nacht­ar­beit bis zu mehr als vier Jah­re zurück­liegt. Denn die in § 1 Nr. 1 Arb­ZG aus­drück­lich nie­der­ge­leg­te vor­ran­gi­ge In­ten­ti­on des Ge­setz­ge­bers war und ist es, bei der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer möglichst weit­ge­hend zu gewähr­leis­ten. Was in dem Zu­sam­men­hang spe­zi­ell die Nacht­ar­beit an­geht, ist sie grundsätz­lich für je­den Men­schen ge­sund­heit­lich schädlich, weil sie zur Schlaf- und Ap­pe­tit­lo­sig­keit, zu Störun­gen des Ma­gen-Darm­trak­tes, erhöhter Ner­vo­sität so­wie zu ei­ner Her­ab­set­zung der Leis­tungsfähig­keit führen kann (BVerfG, Urt. v. 28.01.1992 - 1 BVR 1025/82, 1 BVL 16/83 und 10/91 - BVerfGE 85, 191, 208 m.w.N.). Dem trägt die Kom­pen­sa­ti­on in Form der Gewährung von Frei­zeit weit mehr Rech­nung als die Zah­lung von Zu­schlägen (BAG, Urt. v. 26.08.1997 - 1 ABR 16/97 - AP Nr. 74 zu § 87 Be­trVG 1972 Ar­beit­zeit, BI. 4 R; Anz­in­ger, RdA 1994, 11, 17; Schlie­mann, Arb­ZG, § 6 Rn. 86; Zmarz­lik/Anz­in­ger, a.a.O).
Dies hat im Schrift­tum (Busch­mann/Ul­ber, a.a.O., § 6 Rn. 28; Ul­mer, AuR 1998, 339, 340) im An­schluss an ei­ne ent­spre­chen­de Äußerung der Bun­des­re­gie­rung im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren (BT-Druck­sa­che 12/5888, S. 52) da­zu geführt, so­gar ei­nen Vor­rang des Frei­zeit­aus­gleichs an­zu­neh­men.
Selbst wenn man dem nicht folgt und bei­de Ar­ten des Aus­gleichs als gleich­ran­gig an­sieht (BAG, a.a.O.), wi­der­spricht es aber in je­dem Fall dem auf­ge­zeig­ten Ge­set­zes­zweck, wenn man mit dem Kläger da­von aus­ge­hen würde, dass sich nach ei­nem von ihm nicht näher spe­zi­fi­zier­ten Zeit­ab­lauf der Aus­gleichs­an­spruch auf ei­ne Zah­lung re­du­zie­ren würde. Denn auch noch nach Jah­ren kann ein be­zahl­ter Frei­zeit­aus­gleich der Er­ho­lung des Klägers die­nen und - an­ders als der bloße Aus­gleich in Geld - we­nigs­tens in ge­wis­sem Um­fang noch die mit der ge­leis­te­ten Nacht­ar­beit ver­bun­de­nen ge­sund­heit­li­chen Be­las­tun­gen kom­pen­sie­ren.

 

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Nach al­le­dem war die Be­klag­te nur zur Erfüllung ei­ner Wahl­schuld zu ver­ur­tei­len.

II.

Ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten hat der Kläger schlüssig dar­ge­legt, dass ihm für den Zeit­raum ab 01.01.1997 bis zum 31.10.1999 Aus­gleichs­ansprüche für ins­ge­samt 738 Ta­ge zu­ste­hen. So ist oh­ne wei­te­res ka­len­dermäßig er­mit­tel­bar, dass in den Jah­ren 1997 und 1998 je­weils 261 und im Jahr 1999 bis zum En­de des Mo­nats Ok­to­ber 216, ins­ge­samt al­so 738 po­ten­ti­el­le Ar­beits­ta­ge an­ge­fal­len sind. Berück­sich­tigt man wei­ter­hin den un­wi­der­spro­chen ge­blie­be­nen Vor­trag des Klägers, es ha­be bei ihm kei­ne Aus­fall­ta­ge oh­ne Vergütungs­pflicht der Be­klag­ten ge­ge­ben, dann wäre es de­ren Auf­ga­be ge­we­sen, dem an­hand der ihr als Ar­beit­ge­be­rin zur Verfügung ste­hen­den Un­ter­la­gen sub­stan­zi­iert ent­ge­gen zu tre­ten (§ 138 Abs. 2 ZPO). So konn­te zu Guns­ten des Klägers von den 738 Ta­gen aus­ge­gan­gen wer­den, wo­bei es kei­nen Un­ter­schied macht, in­wie­weit er tatsächlich ge­ar­bei­tet hat oder ihm zum Bei­spiel Er­ho­lungs­ur­laub gewährt wor­den, die Ar­beit we­gen ei­nes ge­setz­li­chen Fei­er­ta­ges aus­ge­fal­len bzw. er krank­heits­be­dingt ar­beits­unfähig ge­we­sen ist; denn auch im Rah­men des § 11 Abs. 1 BUrlG und der §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG sind re­gelmäßig an­fal­len­de Nacht­ar­beits­zu­schläge zu berück­sich­ti­gen.

III.

Was die Höhe der Zu­schläge an­geht, kann der Kläger, gestützt auf § 6 Abs. 5 Arb­ZG, die be­an­trag­ten 51 Ar­beits­ta­ge und al­ter­na­tiv ei­nen Be­trag in Höhe von 42.435,00 DM ver­lan­gen.

1) Bei der Be­mes­sung des Ent­gelt­zu­schlags in Höhe von 50 % der Brut­to­stun­den­vergütung, al­so 9,20 DM pro ge­leis­te­ter St­un­de im Zeit­raum von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr (§ 2 Abs. 3 Arb­ZG), ist der Kläger zu Recht von der Be­stim­mung in § 5 Zif­fer 2 b) MTV für die Bran­che der obst- und gemüse­ver­ar­bei­ten­den In­dus­trie aus­ge­gan­gen, in der die Be­klag­te tätig ist. a) Al­ler­dings fin­det die­ser nicht all­ge­mein­ver­bind­li­che Ta­rif­ver­trag nach § 1 Satz 4 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 01.03.1997 auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en man­gels Ta­rif­ge­bun­den­heit der Be­klag­ten kei­ne An­wen­dung (§ 3 Abs. 1 TVG).

 

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b) So hätte die­se, als sie das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger zum 04.09.1995 be­gründe­te und später un­be­fris­tet fort­setz­te, dem be­reits seit dem 01.07.1994 gel­ten­den § 6 Abs. 5 Arb­ZG durch ei­ne ent­spre­chen­de Ge­stal­tung der ma­te­ri­el­len Ar­beits­ver­trags­be­din­gun­gen Rech­nung tra­gen können. Tatsächlich lässt sich dies aber nicht fest­stel­len. Nimmt man nämlich ei­nen Ver­gleich mit den je­weils ein­schlägig ge­we­se­nen ta­rif­li­chen St­un­densätzen vor, ist die dem Kläger gewähr­te Grund­vergütung in Höhe von 18,40 DM pro St­un­de nicht so viel höher aus­ge­fal­len, dass da­mit auch ei­ne Kom­pen­sa­ti­on be­ste­hen­der Nacht­ar­beits­aus­gleichs­ansprüche ver­bun­den war. Die Tätig­keit des Klägers un­terfällt nämlich - je nach er­for­der­li­cher Ein­ar­bei­tungs- bzw. An­lern­zeit - der Be­wer­tungs­grup­pe 3 oder 4 des § 5 des Ta­rif­ver­tra­ges über die Grund­la­gen der Ar­beits­ent­gelt­re­ge­lung ETV für die Ar­beit­neh­mer der obst- und gemüse­ver­ar­bei­ten­den In­dus­trie. In der Be­wer­tungs­grup­pe 3 hätten ihm bis zum 31.03.1997 DM 16,35, bis zum 31.03.1998 DM 16,64, bis zum 30.04.1999 DM 16,99 und ab 01.05.1999 DM 17,50 zu­ge­stan­den; bei Be­wer­tungs­grup­pe 4 hätten sich St­un­densätze in Höhe von 18,25 DM, 18,54 DM, 18,93 DM und 19,50 DM er­ge­ben (s. § 3 der Ent­gelt­ta­rif­verträge vorn 11.06.1996, 07.04.1997, 27.03.1998 und 14.06.1999).
Wie vor die­sem Hin­ter­grund die Be­klag­te durch die von ihr ge­zahl­ten 18,40 DM ei­nen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich auch für die vom Kläger ar­beitstäglich ab­ge­leis­te­ten 6,25 Nacht­ar­beits­stun­den her­bei­geführt ha­ben will, ist nicht er­sicht­lich und hätte des­halb im ein­zel­nen erläutert wer­den müssen. Al­lein der Hin­weis dar­auf, dass der Kläger 1 St­un­de und 15 Mi­nu­ten pro Wo­che we­ni­ger zu ar­bei­ten hat­te, ge­mes­sen an der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit im Be­trieb, ändert dar­an nichts; denn hier­bei han­del­te es sich zwar um ei­ne zusätz­li­che freie Zeit, die aber ent­ge­gen der Re­ge­lung in § 6 Abs. 5 Arb­ZG vom Ar­beit­ge­ber auch nicht vergütet wor­den ist.
Auch im Lau­fe des vor­lie­gen­den Rechts­streits konn­ten sich die Par­tei­en trotz der in der ers­ten münd­li­chen Ver­hand­lung am 04.09.2000 ge­ge­be­nen Hin­wei­se zu ei­ner ver­gleichs­wei­sen Re­ge­lung nicht auf ei­ne für ihr Ver­trags­verhält­nis an­ge­mes­se­ne Vergütung der dau­er­haft an­fal­len­den Nacht­ar­beit verständi­gen. So hat die Be­klag­te be­zeich­nen­der­wei­se bis zum Schluss der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung dar­an fest­ge­hal­ten, dass gar kein An­spruch be­ste­he. Die da­nach er­for­der­li­che ge­richt­li­che Ent­schei­dung über die An­ge­mes­sen­heit im Sin­ne des § 6 Abs. 5 Arb­ZG führt zu ei­nem 50%igen Nacht­ar­beits­zu­schlag auf das mit dem Kläger ver­ein­bar­te Brut­to­stun­den­ent­gelt in Höhe von 18,40 DM.

Bei dem Kri­te­ri­um der An­ge­mes­sen­heit han­delt es sich um ei­nen un­be­stimm­ten Rechts­be­griff, der ei­nen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum eröff­net, in­ner­halb des­sen meh­re­re Lösun­gen denk­bar sind. Es be­steht al­so ei­ne ge­wis­se Of­fen­heit für die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en, wo­bei nach dem Ge­set­zes­zweck ab­zuwägen ist zwi­schen den Be­lan­gen des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers, na­ment­lich dem Um­fang und der In­ten­sität der Be­las­tung durch Nacht­ar­beit, und den be-

 

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trieb­li­chen Not­wen­dig­kei­ten so­wie den wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers (BAG, Urt. v. 26.08.1997 - 1 ABR 16/97 - AP Nr. 74 zu § 87 Be­trVG 1972 Ar­beits­zeit, BI. 5 R). In die­sem Rah­men ist ein Aus­gleich nicht erst dann an­ge­mes­sen, wenn er Ta­rif­ni­veau er­reicht; es be­ste­hen un­ter Be­ach­tung der Umstände des Ein­zel­fal­les auch an­de­re Kom­pen­sa­ti­onsmöglich­kei­ten, zum Bei­spiel durch ei­ne Auf­sto­ckung der Grund­vergütung (BAG. Urt. v. 24.02.1999 - 4 AZR 62198 - AP Nr. 17 zu § 3 TVG Ver­bands­zu­gehörig­keit, BI. 4 R; vgl. auch BT-Druck­sa­che 12/6990, S. 43).
Gibt es dafür vor­lie­gend -wie be­reits aus­geführt- kei­ne An­halts­punk­te und ha­ben auch die Ver­trags­par­tei­en den ih­nen ein­geräum­ten Spiel­raum nicht aus­gefüllt, ist es aus Sicht der Kam­mer sach­ge­recht, auf die ent­spre­chen­de Re­ge­lung im ein­schlägi­gen Bran­chen­ta­rif­ver­trag zurück­zu­grei­fen (vgl. Busch­mann/Ul­ber, a.a.O., § 6 Rn. 30; ErfK/Wank, 2. Aufl. 2001, § 6 Arb­ZG Rn. 25; Rog­gen­dorff, a.a.O., § 6 Rn. 43; Za­chert, RdA 2000, 107, 109). Denn man kann da­von aus­ge­hen, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in Kennt­nis der spe­zi­fi­schen Be­son­der­hei­ten ih­res In­dus­trie­zwei­ges ei­ner­seits die Be­lan­ge der von Nacht­ar­beit be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer und an­de­rer­seits die be­trieb­li­chen Not­wen­dig­kei­ten be­ach­tet und bei der Fest­set­zung der Höhe des Nach­ar­beits­zu­schla­ges ge­ra­de auch die wirt­schaft­li­chen Be­las­tun­gen für die Ar­beit­ge­ber berück­sich­tigt ha­ben.
Des­halb verfährt das Bun­des­ar­beits­ge­richt auch bei der Kon­kre­ti­sie­rung des ver­gleich­ba­ren Be­griffs der an­ge­mes­se­nen Vergütung in § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG ent­spre­chend; es führt in dem Zu­sam­men­hang zu­tref­fend aus, man­gels an­de­rer An­halts­punk­te sei auf die ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge zurück­zu­grei­fen, weil in den Ta­rif­be­stim­mun­gen die Be­lan­ge bei­der Sei­ten ein­ge­flos­sen und berück­sich­tigt wor­den sei­en (z.B. BAG, Urt. v. 10.04.1991 - 5 AZR 226/90 - AP Nr. 3 zu § 10 BBiG, BI. 2 R f.; Urt. v. 07.03.1990 - 5 AZR 217/89 - AP Nr. 28 zu § 611 BGB Aus­bil­dungs­verhält­nis, BI. 3 R; Urt. v. 18.06.1980 - 4 AZR 545/78 - AP Nr. 4 zu § 611 BGB Aus­bil­dungs­verhält­nis, BI. 3).

Auf­grund der wie­der­ge­ge­be­nen Erwägun­gen kann der in § 5 Zif­fer 2 b) MTV fest­ge­leg­te Nacht­ar­beits­zu­schlag von 50 % pro St­un­de im Rah­men des § 6 Abs. 5 Arb­ZG als an­ge­mes­sen an­ge­se­hen wer­den. Die­ser Pro­zent­satz hält sich auch durch­aus im Rah­men des all­ge­mei­nen Ta­rif­ni­veaus zum 31.12.1999 (sie­he WSI - Ta­rif­hand­buch 2000, hrsg. vom Wirt­schafts- und So­zi­al­wis­sen­schaft­li­chen In­sti­tut in der Hans-Böck­ler-Stif­tung - im Fol­gen­den kurz: WSI). So wer­den in der Ei­sen- und Stahl­in­dus­trie NW, im Flei­scher­hand­werk NW, im Fri­seur­hand­werk NW, im Großhan­del NW, im Be­reich der pri­va­ten Rei­sebüro­be­trie­be so­wie in der Tex­til­in­dus­trie auch 50 % Zu­schlag gewährt (WSI, S. 167, 173, 175, 181, 209, 217 f.) und in der Druck­in­dus­trie bis zu 52 % (WSI, S. 163), im Kfz - Ge­wer­be NW his zu 55 % (WSI, S. 187), im Ein­zel­han­del NW 55 % (WSI, S. 165) und in der Woh­nungs­wirt­schaft so¬gar 100 % (WSI, S. 225).

 

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Folg­lich kann der Kläger für ins­ge­samt 738 Ta­ge mit je­weils 6,25 St­un­den Nacht­ar­beit bei 9,20 DM pro St­un­de von der Be­klag­ten die Zah­lung von 42.435,00 DM brut­to ver­lan­gen.
Der Zins­an­spruch in Höhe von 4 % auf den Net­to­be­trag seit Rechtshängig­keit folgt aus § 291 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.

2) Der Kläger hat im Rah­men der fest­ge­stell­ten Wahl­schuld ge­genüber der Be­klag­ten auch ei­nen An­spruch auf Gewährung der be­an­trag­ten 51 be­zahl­ten frei­en Ar­beits­ta­ge. Denn hier­bei han­delt es sich in je­dem Fall um ei­ne nach § 6 Abs. 5 Arb­ZG ge­schul­de­te an­ge­mes­se­ne Zahl frei­er Ta­ge.

a) Bei der Kon­kre­ti­sie­rung des un­be­stimm­ten Rechts­be­griffs der An­ge­mes­sen­heit in die­sem Zu­sam­men­hang er­gibt sich aus den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en, dass nach § 12 des Ent­wurfs un­ter an­de­rem der SPD-Frak­ti­on vom 28.06.1993 (BT-Druck­sa­che 12/5282, S. 5) für je­weils 20 Ta­ge Nacht­ar­beits­zeit mit täglich mehr als drei St­un­den ein ar­beits­frei­er Tag gewährt wer­den soll­te. Die­se Re­ge­lung nahm der Bun­des­rat in sei­ner Stel­lung­nah­me zum Ge­setz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung un­ter Punkt 21 wie­der auf (BT-Druck­sa­che 12/5888, S. 41). In der Ge­genäußerung da­zu lehn­te dies die Bun­des­re­gie­rung aber ab un­ter Hin­weis dar­auf, man wol­le we­der zur Art noch zum Um­fang des Aus­gleichs Vor­ga­ben ma­chen (BT-Druck­sa­che 12/5888 S. 52; sie­he auch S. 26). Dem­nach hat es der Ge­setz­ge­ber den Rechts­an­wen­dern über­las­sen, den Be­griff der An­ge­mes­sen­heit zu be­stim­men.

b) An­knüpfend an § 4 Abs. 6 des ursprüng­li­chen Re­fe­ren­ten­ent­wur­fes, ge­hen die zum da­ma­li­gen Zeit­punkt bei­de im Ar­beits­mi­nis­te­ri­um tätig ge­we­se­nen Mi­nis­te­ri­alräte Zmarz­lik und Anz­in­ger in ih­rem Kom­men­tar zum Ar­beits­zeit­ge­setz da­von aus, es sei an­ge­mes­sen, für et­wa 90 während der Nacht­zeit ge­leis­te­te Ar­beits­stun­den ei­nen be­zahl­ten frei­en Tag zu gewähren (Zmarz­lik/Anz­in­ger, a.a.O., § 6 Rn 58; ih­nen fol­gend Schlie­mann in: Schlie­mann/Förs­ter/Mey­er, a.a.O.; vgl. auch Busch­mann/Ul­ber, a.a.O., § 6 Rn. 29).

c) Im Zu­sam­men­hang mit der ver­wand­ten Fra­ge der Ab­gel­tung von Mehr­ar­beits­zu­schlägen in Frei­zeit hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (Urt. v. 26. 10. 1961 - 5 AZR 370/60 - AP Nr. 11 zu § 15 AZO, BI. 4 R; Urt. v. 03.10.1969 - 3 AZR 400/68 - AP Nr. 12 zu § 15 AZO, BI. 5 R; zu-stim­mend Schmid, BB 1966, 1314; vgl. auch LAG Düssel­dorf, Urt. v. 21.03.1957 - 2 Sa 28/57 - BB 1957, 613 mit zu­stim­men­der An­mer­kung Gum­pert) es für sach­ge­recht ge­hal­ten, bei 25 % Ent­gelt­zu­schlag auch ei­nen ent­spre­chen­den ,,Frei­zeit­zu­schlag" zu gewähren. Ei­ne

 

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da­zu pas­sen­de Re­ge­lung fin­det sich in § 5 Abs. 4 Satz 2 des MTV Ein­zel­han­del NW, wo­nach die Ab­gel­tung von Mehr­ar­beits­stun­den durch Frei­zeit "mit den ent­spre­chen­den Zeit­zu­schlägen" er­fol­gen kann (vgl. da­zu BAG, Urt. v. 07.02.1995 - 3 AZR 483/94 - AP Nr. 54 zu § 1 TVG Ta­rif­verträge: Ein­zel­han­del, BI. 4). So hal­ten es Busch­mann/Ul­ber (a.a.O., § 6 Rn. 29) für an­ge­mes­sen, auch bei der Be­mes­sung des Zeit­aus­gleichs für Nacht­ar­beit den ent­spre­chen­den Ent­gelt­zu­schlag in An­satz zu brin­gen. Dies würde im vor­lie­gen­den Fall zu ei­nem Frei­zeit­aus­gleich von über 318 Ta­gen führen (738 Ta­ge x 6,25 Nacht­ar­beits­stun­den pro Tag, da­von 50 % = 2.306,25 St­un­den : 7,25 Ar­beits­stun­den täglich).

d) Aus Sicht der Kam­mer ist zur Lösung der Fra­ge vom Ziel des Ge­setz­ge­bers aus­zu­ge­hen, nämlich durch ei­ne fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung oder ei­ne Frei­zeit­gewährung für ei­nen gleich­ge­wich­ti­gen Nacht­ar­beits­aus­gleich zu sor­gen. Dem kommt man am nächs­ten, wenn von der fi­nan­zi­el­len Be­las­tung des Ar­beit­ge­bers bei der Gewährung ei­nes Zu­schlags zum Brut­to­ar­beits­ent­gelt aus­ge­gan­gen und dar­aus ei­ne ent­spre­chen­de An­zahl frei­er Ta­ge her­ge­lei­tet wird.
In­so­weit er­gibt sich vor­lie­gend, dass die Be­klag­te, soll­te sie sich al­lein für den fi­nan­zi­el­len Aus­gleich ent­schei­den, 42.435,00 DM brut­to zuzüglich ei­nes ca. 20%igen Ar­beit­ge­ber­an­teils zur So­zi­al­ver­si­che­rung zu zah­len hätte, ins­ge­samt al­so mit ei­nem Be­trag in Höhe von knapp 51.000,00 DM be­las­tet würde; da­ne­ben hätte sie dem fort­beschäftig­ten Kläger die Vergütung zuzüglich des wei­ter­hin an­fal­len­den Nacht­ar­beits­zu­schlags zu zah­len. Soll­te sie hin­ge­gen dem Kläger Frei­zeit­aus­gleich gewähren, hätte die­ser für die Zeit ei­nen An­spruch auf Zah­lung des ver­ein­bar­ten St­un­den­sat­zes oh­ne wei­te­re Zu­schläge. Da­ne­ben rnüss­te al­ler­dings ein an­de­rer Ar­beit­neh­mer die Nacht­ar­beit über­neh­men und er­hiel­te dafür von der Be­klag­ten ein ver­gleich­ba­res Ent­gelt nebst den in je­dem Fall zu gewähren­den Zu­schlägen gemäß § 6 Abs. 5 Arb­ZG. Bei die­ser Kon­stel­la­ti­on fie­len als zusätz­li­che Kos­ten die Grund­vergütung für den Er­satz­mann in Höhe von 6.803,40 DM brut­to (51 Ta­ge x 7,25 St­un­den x 18,40 DM) zuzüglich der dar­auf ent­fal­len­den Ar­beit­ge­ber­beiträge zur So­zi­al­ver­si­che­rung in Höhe von ca. 20 %, al­so rund 8.164,00 DM an.

Aus dem Zah­len­werk wird deut­lich, dass bei dem vor­lie­gend ver­lang­ten Frei­zeit­aus­gleich im Um­fang von "le­dig­lich" 51 Ar­beits­ta­gen, wor­an die Kam­mer nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ge­bun­den war, der Ar­beit­ge­ber in kei­nem Fall un­an­ge­mes­sen im Sin­ne des § 6 Abs. 5 Arb­ZG be­las­tet wird, so dass auch in­so­weit dem Kla­ge­be­geh­ren zu ent­spre­chen war.

 

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Die Kos­ten­ent­schei­dung er­gibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wo­bei dem Kläger we­gen sei­nes Un­ter­lie­gens mit dem in ers­ter Li­nie ge­stell­ten rei­nen Zah­lungs­an­trag 1/4 der Kos­ten auf­zu­er­le­gen wa­ren, während die Be­klag­te als im übri­gen un­ter­le­ge­ne Par­tei die rest­li­chen Kos­ten zu tra­gen hat.

Die Re­vi­si­on war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­zu­las­sen, weil die Rechts­sa­che an­ge­sichts der bis­lang nicht geklärten Fra­gen zur Aus­le­gung des § 6 Abs. 5 Arb­ZG grundsätz­li­che Be­deu­tung hat.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann in­ner­halb ei­ner Frist von ei­nem Mo­nat nach sei­ner Zu­stel­lung beim Bun­des­ar­beits­ge­richt (Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt.) schrift­lich Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.
Die Re­vi­si­on ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach ih­rer Ein­le­gung schrift­lich zu be­gründen.
Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

 

gez.
Dr. Müller 

Men­ne 

Krau­se
/N.

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